FRONTPAGE

Editorial Nr. 62/63

Editorial Nr. 62/63

Mai/Juni 2016

 

Liebe Literatur & Kunst-Freunde und Interessierte,

herzlich willkommen!

 

Am 5. Juni  2016 stimmen die Schweizer Stimmbürgerinnen und Stimmbürger über die Initiative «Bedingungloses Grundeinkommen» ab. Der Vorschlag erscheint als eine positive Vision des 21. Jahrhunderts, schreiben die Initianten: er ermöglicht jedem Menschen mehr individuelle Freiheit und gesellschaftliche Verantwortung. Damit wird allen ein wenig mehr Verfügungsgewalt über das eigene Leben in die eigene Hand gegeben und eine freie persönliche Existenzgrundlage gewährt. In Zeiten grosser Veränderungen durch technologische Neuerungen, des Klimawandels und geopolitischer Unsicherheiten sind neue Ideen gefragt. Über das Grundeinkommen informiert eine verständlich geschriebene Vertiefung und ein Argumentarium für die Diskussion um eine für viele irritierende Idee. Es nimmt sich die wichtigsten Fragen und Einwände für und gegen das Grundeinkommen vor: Wer arbeitet dann noch? Wer soll das bezahlen? Ist das gerecht, wenn man auch ohne Arbeit genug zum Leben hat? Ist das eine Lohnkostensubvention für private Unternehmen? Was ist der Wert, was die Zukunft der Arbeit?

Enno Schmidt, Daniel Straub, Christian Müller: «Grundeinkommen von A bis Z», Limmat Verlag Zürich, 2016, www.limmatverlag.ch.

 

Nachtrag 5.Juni 2016: Das bedingungslose Grundeinkommen ist vom Schweizer Stimmvolk wie erwartet abgelehnt worden. 23 Prozent Zustimmung sind ein Achtungserfolg, die Grunddebatte weiter zu verfolgen.

 

Er ist der Auffällige unter den neuen Nationalräten, frech, unverfroren, mit tremolierenden schillernden Wortkaskaden das behäbige Schweizer Parlament irritierend, Roger Köppel (Neumitglied SVP), der in einem Kunst-Happening noch vor kurzem geköpft werden sollte, was dem Theater Neumarkt seitens des Gemeinderates (SVP/FDP) einen Antrag auf Subventionsstreichungen einbrachte. Nun also hat der frischgebackene Nationalrat die Bundesrätin Sommaruga als ‚dünnhäutig und hochnäsig‘ attackiert, sie verhandle mit ‚frivoler Leichtfertigkeit’ (ein im Trüben fischender anzüglicher Pleonasmus) über die Kroatien-Erweiterung. Die Bundesrätin verliess daraufhin den Saal (ihr gutes Recht), was Köppel wiederum als ‚ihr Vorgesetzter‘! im Parlament polemisch als ‚respektlos‘ kritisierte. Aufmerksamkeit erreicht, Echo in der Presse à discretion, Einladung in Talk Shows. So macht man das also, die Asyl- und  Zuwanderungsdebatte zielführend ins groteske Abseits zu führen. AfD lässt grüssen, die auch die grösste Hochachtung für die SVP hat. Über die neue Asylrevisionsgesetzgebung wird bekanntlich ebenfalls am 5. Juni abgestimmt. Nun müssten sich altgestammte Nationalräte langsam etwas Neues einfallen lassen und die bisher eher vernachlässigte hochdeutsche Sprach(kultur) eloquenter verwenden (können), vielleicht Nachhilfeunterricht nehmen, mit dem (Sprach)-Florett zu fechten statt Spiegelfechterei zu betreiben?

 

 

PS. Nicht vergessen: am 5. Juni Ja stimmen für die neue Asylgesetzgebung, die auf faire Weise die Verfahren verkürzt und vereinfacht!

Jawohl, die Asylgesetzgebung ist mit Zweidrittel-Mehrheit klar angenommen worden. Die Vernunft hat gesiegt und die Angst-Kampagne der SVP hat nicht verfangen.

 

Vom Zunfthaus am Neumarkt als Bühne der Stadtgeschichte berichtet das Buch «Zunftherren Wiedertäufer Revoluzzer» der Herausgeber René Zeller und Martin K. Eckert, NZZ Verlag 2016, im Auftrag der Zunft Hottingen. 1956 feierte die Zunft Hottingen das Zürcher Frühlingsfest Sechseläuten erstmals am Neumarkt. Im 18. Jahrhundert hatte der Architekt David Morf die bestehende Liegenschaft in ein repräsentatives Zunfthaus umgebaut. Das Buch führt durch eine faszinierende Zeitreise. Die Mauern des Zunfthauses haben viel zu berichten. Und wie figura zeigt, sind dort auch heute noch Revoluzzer am Werk.

 
 

 

Was können Sie im Mai/Juni auf Literatur & Kunst entdecken?

Literatur: «Panikherz». Benjamin Stuckrad-Barre. Kiepenheuer & Witsch, 2016.

 

Lyrik: «Die zweite Schöpfung». Ein Blick direkt in das Zentrum dichterischer Werke von Klaus Merz, Nico Bleutge, Gerhard Falkner, Marcus Roloff und Silke Scheuermann. Wunderhorn, 2016.

 

 

Kunst: Neubau Kunstmuseum Basel. Ein Bericht vor Ort von Simon Baur.

 

Jubiläum 30 Jahre Haus Konstruktiv 1986-2016: Das Museum Haus Konstruktiv verführt uns zum «Um die Ecke denken», eine Präsentation der Sammlung mit Neuzugängen. Hingehen und anschauen! 2. Juni bis 4. September 2016. www.hauskonstruktiv.ch

 

 

«Gärten der Welt» – die grosse Sonderausstellung im Museum Rietberg zeigt Gärten des Orients und des Okzidents von Japan bis England, vom Alten Ägypten bis zur Gegenwart. Mit Kunstwerken Fotos und Videos. Bis 9. Oktober 2016. Veranstaltungen www.gaertenderwelt.ch 

 

 

«Unser Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann» – dieser bekannte Aphorismus von Francis Picabia ist der Titel der Retrospektive zum Werk des französischen Künstlers (1879-1953), die das Kunsthaus Zürich in Zusammenarbeit mit dem MoMA, New York, vom 3. Juni bis zum 25. September 2016 präsentiert. Die Ausstellung im Rahmen der diesjährigen Dada-Junifestwochen Zürich zeigt rund 200 Exponate Francis Picabias, von den frühen Erfolgen als impressionistischer Maler über seinen Beitrag zum Dadaismus zur modernen Kunst. Das Gesamtwerk bietet einige Überraschungen! Der reich illustrierte Katalog ist für CHF 65 im Kunsthaus-Shop erhältlich. www.kunsthaus.ch

 

 

Photo/Film: «Das Leben drehen», Interview Rolf Breiner. Aktuelle Filmtipps.

 

 

Architektur: «Demo:Polis», Park Books, 2016.

 

 

Sachbuchtipp: Werner Bischof. Standpunkt. Scheidegger & Spiess, 2016.

 

Reportage: «Neuseeland», Teil 2. Von Ingrid Schindler.

 

Buchtipp: «Virginia Woolf». Neue Biografie von Alexandra Harris.Steidl, 2016.  «Vesals Vermächtnis», Historienroman von Alexandra Lavizzari, Zytglogge, 2015. «Unwetter. Unheilvolle Geschichten» von Brigitte Schär, Knapp Verlag, 2016. Mit einem Vorwort von Franz Hohler.

 

Wir wünschen Ihnen anregende Stunden mit Literatur & Kunst.

Machen Sie’s gut!

 

Herzlich

 

Ihre Ingrid Isermann, Herausgeberin

Editorial