FRONTPAGE

«Lob des Wildtiers im Winter» Gedichte aus der Slowakei

Von Ingrid Isermann

 

Ein aufregender Querschnitt durch die Poesie der Slowakei. Zeitgenössisch, engagiert, nachdenklich präsentieren sich die Dichterinnen und Dichter einer Nation, die für uns noch zu entdecken ist.

Auf der Landkarte der Poesie gibt es keine kleinen Nationen. Wer die Gedichte des vorliegenden Bandes liest, wird diese Regel wieder einmal bestätigt sehen. Die sanfterotischen Naturbetrachtungen einer Mila Haugová suchen ihresgleichen, ebenso wie der surreale Humor Dana Podrackás (*1954), die Lakonie des Ivan Štrpka (*1944) und die moderne Eleganz eines Martin Solotruk (*1970). Ein weiterer Moderner, Michal Habaj (*1974), erstaunt durch seine sensible Metaphorik wie Rudolf Jurolek (*1956) durch seine stoische Schlichtheit. Ein aufregender Querschnitt durch die Poesie der Slowakei.

 

 

Michal Habaj

 

Nostalgie

 

Zum Date erscheine ich mit einer Datei statt mit Blumen.
Oh, danke, flüsterst du errötend wie bei einer Liebeserklärung.
Du bist nur ein Cyborg und deine Liebe gehört zum Programm
wie das Blaue vom Himmel, der 1890er Chardonnay,
der Strand unterm Möwengeschrei, das ganze Sommerbad.
Mich verraten der cremefarbene Anzug und mein Strohhut.
Ich bin der erste Dichter aus dem Geschlecht der Cyborgs.

 

(übersetzt von Sylvia Geist)

 

Freiheit

Das Echo der Nacht

Deckt alles zu

Was atmet.

Wir stehen hinterm Horizont,

Die Räder drehn sich

Nur noch in unseren Köpfen.

Im Reiskorn der Pilger

Krümmen sich die Knochen

Heulend vom Wind.

Die Freiheit

Weht von den Dünen.

Sie hat einen Madenmund

Der alles frisst

Im Namen des Profits.

Die Gerippe der Staaten

Klappern im Wind

Ans Kreuz geschlagene

Sturmbrecher.

Maria

Du fragst wohin,

aber in deinem Herzen

die Schlange

windet sich in das Alte zurück.

Die Treppe bewegt sich.

Pilger werden zum Richtplatz gekarrt.

Während sie träumen,

Schraubte man ihnen die Köpfe ab

Füllte sie mit Sand

Und verkaufte sie an die Museen.

Wir sind wie fossile Blätter

Unseres Gedächtnisses,

Die ersten, die nirgendwo landen.

Erschossen im Morgengrauen

Messen wir die Länge der Schatten

In Lachen von Blut.

Hundegebell.

Hinterm Horizont der Tage

Weisse Zelte

Alte Hoffnungsgespenster

Kontinente wandern

Durchs Spiegelbild.

Die Freiheit: nur noch ein Wort

Vom Wind

Ins Herz gebissen.

 

 

(übersetzt von Kerstin Hensel)

 

 

Dana Podracká

 

 

Ein Glas Wasser

Mitten in der Nacht erwachte ich
Weil jemand mich bat im Schlaf
Um ein Glas Wasser

Noch immer höre ich der Stimme leises Flehen
Durch die Nacht einer Fontanelle dringen
Aus einem Krankenbett oder
Aus der rissigen Erde, worauf ein Pilger kroch

Da stand ich auf und ging in die Küche
Füllte das Glas und trank es aus
Weil der Dürstende schon keinen Körper mehr hatte
Und er die kleinste Kleinigkeit nicht mehr
Ohne mich schaffte

 

(übersetzt von Kerstin Hensel)

 

 

Ivan Štrpka

 

Welten, dazwischen

Wind fällt in die Fährte, Helium pfeift aus. Schritte
Werden blasser. Windhunde, ihr Glanzfell, saust,
unablässiges Leuchten. Einer, an der Spitze,
als stürze er schon in diese Luft, ihr dünnes
morgendliches Unsichtbarsein, mit einem Bein,
fast als wäre er, als könnte man sagen, beinahe
ins Sichtbare gekrallt.

 

 

(übersetzt von Uljana Wolf)

 

 

 

Mila Haugová

 

 

Der Weg

 

… da geh ich nicht entlang; da sind schlangen, himbeergestrüpp und seidenspinnerkokons, leichte trittsiegel der rehe, wilde schluchten aprilgewässer, seine spuren übertreten von meinen.

… unbefestigte wege mit flachen schiefern, mittendrauf
eine blume, man muss sie umgehen, nicht ins tal hinab-
schauen, dort schläft der flüsternde fischteich mit wilden gelben nymphen.
Enten umschwimmen sie und lassen sich
von uns füttern mit brot.
Ihr halsgefieder: schimmerndes malachit.

… wir setzen uns auf die mole, und lehnen uns
an gottes abendwind, ein weisser finger im silbrigen wasser.
leises gelächter über dem teich. haarestreicheln.
hinter dieser streng bemessenen stunde bleiben wir
nicht zurück.

… wir werden geboren… sehen… schreiben es auf… canti amore.

 

 

(übersetzt von Kerstin Hensel)

 

 

 

Rudolf Jurolek

 

a wie anfangen im Anfang, hin, wirklich aufs neue, zu mir hin:

zähle zusammen, lauge aus, was ich war, und was

welt.

 

weite bloss, einige Worte.

in stille verwickelt.

hier lässt sichs noch vergessen.

hier lässt sichs noch bleiben treu den schneckenstereotypen:

nach flachland sucht der fluss, hoch will der berg.

 

(übersetzt von Christian Filips)

 

 

 

Martin Solotruk

 

Stille Kriege, nur so

 

Kristallisation zieht Kreise

kommt von diesen Sternen

wie vom Hahn das Krähen.

Blinkendes, Klinge und Schild:

sortiert alles nach seinem Programm.

 

Die Mutter ist fort

und unterm verschobenen Stein huscht

sekundenlang, was geheim bleiben sollte

auf der Schippe, unhantierbares Chaos, Unterwelt…

 

– ich ging hinaus, Ausschau zu halten nach neuer Saat

und kam zurück mit diesem Wasser krass getrieben

im fischgleichen Erfühlen, fand

rasselnde Schlüssel der Sterne,

gellendes Wasser im Ohr.

 

Mitten im Krampf neig ich mich der Sonne, tief,

wieder und wieder, mal hier und mal dort.

Ob Tag, ob Nacht, immer ist da ein Hund,

der mich umspringt, wie nach einer Begegnung.

Dann ein königlich behufter Stein, galoppiert los,

stets sich voraus, bleibt stehen…

hinter ihm, in Scharen, willig weisse Hühner ziehn.

Die können sehr einfühlsam sein.

Niemand bemerkt was, aber der Hahn besteht drauf.

 

 

(übersetzt von Uljana Wolf)

 

 

 

Wo liegt die Slowakei? Geografisch wie auch kulturell beansprucht die Slowakei für sich eine Lage mitten in Europa. Politisch gehört das Land, das 1993 durch die friedliche Trennung der ehemaligen Tschechoslowakei zu zwei eigenstaatlichen Einheiten entstand und das seit 2004 Mitglied der Europäischen Union ist, zwar zu den jüngsten Staaten Europas. Als Kulturlandschaft mit einer reichen Schrift- und Literaturtradition, im geografischen Raum zwischen den Weiten der Donau-Ebene und dem majestätische Tatra-Gebirge gelegen, hat sie jedoch eine Jahrhunderte lange Geschichte vorzuweisen. Die altslawische Sprache konnte gleichberechtigt zum Lateinischen, Griechischen und Hebräischen nicht nur als Liturgiesprache verwendet werden, sondern wurde auch zur Grundlage eines slawischen Schrifttums und zum Träger einer gesamten Buchkultur.
Die zeitgenössischen slowakischen Dichter machen die Spuren fremder Texte in ihren eigenen Lese- und Schreibbiografien deutlich. Das dichterische Selbstverständnis reicht dabei von Mila Haugovás (*1942) Integration des Schreibens in die menschliche Existenz des Literarischen in das Anthropologische:
«…. wir werden geboren… sehen… schreiben es auf… canti amore» (Kerstin Hensel) bis zum postmodernen Bekenntnis von Michal Habal (*1974), in der das Dichterische entmenschlicht und mit dem Technischen verwoben wird: «Ich bin der erste Dichter aus dem Geschlecht der Cyborgs» (Sylvia Geist).

 

 

Mit Gedichten von Michal Habaj, Mila Haugová, Rudolf Jurolek, Dana Podracká, Martin Solotruk und Ivan Štrpka, übersetzt von Nico Bleutge, Christian Filips, Sylvia Geist, Kerstin Hensel, Christian Steinbacher und Uljana Wolf nach Interlinearversionen von Slávka Rude-Porubská.

 

»Poesie der Nachbarn« ist ein Projekt des Künstlerhauses Edenkoben der Stiftung Rheinland- Pfalz für Kultur in Kooperation mit der Landes-Stiftung Arp Museum Bahnhof Rolandseck.

 

 

Hrg. Hans Thill und Caroline Rudolph
Lob des Wildtiers im Winter
Wunderhorn Verlag, Heidelberg 2015

zweisprachig
176 Seiten, gebunden, 24,80 €
ISBN: 978-3-88423-495-2

 

 

 

L&K-Buchtipp:

«Was in der Ukraine auf dem Spiel steht: Das wichtigste Buch zur Krise in der Ukraine»


Die Ukraine ist zum Testfall geworden: Gelingt es den Bürgern, einen neuen Staat aufzubauen und das Motto des Euromaidan, «in Würde zu leben», Wirklichkeit werden zu lassen? Oder wird der Krieg im Donbass das Land dauerhaft destabilisieren? Welche Antworten gibt es auf die tiefste aussenpolitische Krise Europas seit dem Ende des Kalten Krieges? Fünfzehn Autoren zeichnen die Ereignisse nach, die Russland, die Ukraine und ihre Nachbarn seit dem Frühjahr 2014 erschüttern.

 

Der Krieg in der Ostukraine ist ein Krieg im Zentrum Europas. Das wurde spätestens klar, als über dem Kampfgebiet eine zivile Verkehrsmaschine abgeschossen wurde. Über 300 Menschen, die meisten aus den Niederlanden, kamen ums Leben. Doch nichts geschah, was die Gewalt und den rasanten Zerfall von Zivilität bis hin zum Sterben der Millionenstädte Donezk und Luhansk hätte stoppen können.

 

Die Ereignisse, die der Maidan-Revolution in Kiew folgten, von der Krim-Annexion bis zur Invasion russischer Truppen in Nowoasowsk, haben binnen weniger Monate die Grundlagen der europäische Nachkriegsordnung erschüttert: territoriale Integrität, Souveränität, Sicherheit, Frieden scheinen außer Kraft gesetzt. Russland und der Westen stehen sich wieder feindlich gegenüber. Wie konnte es dazu kommen? Und was bedeutet das für das künftige Zusammenleben in Europa? Schriftsteller und Publizisten suchen nach Antworten. Mit Beiträgen von Arkadi Babtschenko, Alice Bota, Andreas Kappeler, Kateryna Mishchenko, Herfried Münkler, Bruno Schoch, Serhij Zhadan u.a.

 

 

«2014 war ein schweres Jahr. Es war das Jahr der Revolution auf dem Maidan, das Jahr der Erschiessung von Demonstranten. Das Jahr der Krim-Annexion. Es war das Jahr, in dem der Krieg, vielmehr – um die Dinge beim Namen zu nennen – Russlands Invasion im Osten der Ukraine begann. Dieser Krieg löst lauter Prozesse aus, die zu einem Bürgerkrieg in Russland und letztlich zum endgültigen Zerfall der Russländischen Föderation führen können. Durchaus möglich, dass es Russland in absehbarer Zeit nicht mehr geben wird. Ohne Frage ist dies der Anfang vom Ende des «Putinismus», dieser korrupten und kleptomanischen Selbstherrschaft eines Mannes, der das Land, statt es zu entwickeln und in die Zukunft zu führen, mit aller Kraft in die Vergangenheit zurückstossen wollte. Was ihm gelungen ist.
Um die heutigen Vorgänge angemessen beurteilen zu können, muss man verstehen, dass alles, was in diesem Jahr geschah, vom Maidan bis zum Donbass, keine Abfolge isolierter Ereignisse, sondern eine logische Kette darstellt. Der Katalysator dieser Ereignisse ist ohne Frage Russland. Konkret gesagt ein einziger Mensch: Wladimir Putin.
Russland hat immer nach Einfluss in der Ukraine gestrebt. Immer hat es sie als Satelliten betrachtet, nicht als gleichberechtigten Partner. Bisweilen auch als Vasallen. Russland wollte dort immer eine Marionettenregierung unter eigener Kontrollehaben. Das gilt auch für die jüngste Geschichte.
2004 setzte der Kreml auf Wiktor Janukowytsch, einen ungebildeten, dafür zweifach vorbestraften, absolut prorussisch eingestellten Vertreter der Donezker Clans. Und versuchte ihn mit Hilfe von Wahlmanipulationen an die Macht zu bringen. Damals klappte es noch nicht. Die Menschen gingen zum ersten Mal auf den Maidan und verteidigten ihre Wahlentscheidung.
Wiktor Janukowitsch kam sechs Jahre später an die Macht, im Jahr 2010. Er versenkte das ganze Land in einem Sumpf der Korruption, brachte überall die eigenen Leute unter, machte seine Angehörigen zu Millionären, ruinierte die ohnehin aus dem letzten Loch pfeifenden staatlichen Institutionen, bereicherte sich nach Kräften und versuchte, die Entwicklung der Ukraine von proeuropäisch auf prorussisch umzulenken, wofür ihm Moskau einen Vorschuss von fünfzehn Milliarden Dollar anbot. Das Land wollte nicht mitmachen und revoltierte. Maidan. In drei Monaten wurden mehr als hundert Menschen getötet. Wiktor Janukowitsch setzte sich nach Russland ab, und die Ukraine, das Diebesregime losgeworden, bereitete sich auf freie Parlaments- und Präsidentschaftswahlen vor und auf die weitere Integration in Europa. Und alles wäre auch so gekommen, die Ukraine wäre heute ein europäisch ausgerichteter, demokratischer, sich entwickelnder Staat mit Aussicht auf eine EU-Beitritt, hätte sich nicht eine dritte Kraft eingeschaltet: Russland.
Leider fielen diese Ereignisse ausgerechnet mit dem Augenblick zusammen, als Wladimir Putin, im fünfzehnten Jahr seiner Herrschaft, den Kontakt zur Wirklichkeit zu verlieren begann. Zwei Jahre zuvor wäre er beinahe selbst entmachtet worden – damals gab es Protestdemonstrationen von zweihunderttausend Menschen in Moskau, die ehrliche Wahlen und eine ehrliche Regierung forderten. Er fürchtete die Revolution, witterte überall Verschwörung, die Hand der Vereinigten Staaten etc. Mit einem Wort, die ganze Palette von Phobien und Manien eines Usurpators, der anderthalb Jahrzehnte auf dem Thron sitzt, kein Internet benutzt und bei seinen Informationen über die Welt auf die Schmeicheleien und Schwarzmalereiein seiner Vertrauten angewiesen ist.
(…) Russland nutzte die Periode der Führungslosigkeit in der Ukraine – deren staatliche Einrichtungen waren zu jenem Zeitpunkt fast vollständig heruntergekommen, auch die Armee, die absolut kampfunfähig geworden war -, und verlegte Truppen auf die Krim und annektierte sie. Von einem Referendum, versteht man diesen Begriff so, wie alle Welt und das Völkerrecht es tun, kann dort nicht die Rede sein. Es handelte sich um eine Annexion reinsten Wassers. Russische Truppe ohne Hoheitszeichen und Dienstgrade umstellten das Gebäude des Krimparlaments, brachen in wenigen Wochen eine «Abstimmung» übers Knie, nach deren Ergebnisse die Krim an Russland angeschlossen wurde. (…) Beflügelt von dem leichten Erfolg auf der Krim, nahm der Kreml das Projekt «Neurussland» in Angriff. Bewaffnete Einheiten wurden in die Städte der Südostukraine geschickt, sie besetzten in kleinen Sabotagetrupps Verwaltungsgebäude und Polizeiabschnitte, sicherten in diesen Regionen ihre Macht und verkündeten die Etablierung der quasistaatlichen Gebilde «Volksrepublik Donezk» respektive «Volksrepublik Lugansk». Provokteure wurden geschickt und erhebliche Finanzmittel eingesetzt, um die Situation in anderen Grossstädten anzuheizen: in Charkow, Dnepropetrowsk, Cherson, Odessa, Nikolajew, Saporoschje, Kirowograd und so weiter. Ganz offensichtlich sollten etwa dreissig Prozent des Staatsgebiets der Ukraine ihrer Verwaltungshoheit entzogen werden. Anfangs sah es so aus, als ob das gelingen würde. Gruppen bezahlter Provokateure und Banditen verprügelten proukrainische Bürger, sprengten proukrainische Demonstrationen, besetzten Gebietsverwaltungen. Sie fanden Unterstützung bei einem Teil der Bevölkerung. Die Sympathien in diesen Regionen waren etwa im Verhältnis sechs zu vier geteilt – sechzig Prozent für die Ukraine, vierzig (meist Angehörige der älteren Generation) für Russland. Oder sogar, präziser – für die Sowjetunion. (…) Doch in diesem Fall lief nicht alles so glatt wie auf der Krim. Während die Ukraine für die Krim nicht gekämft hat, sich im Grunde mit ihrer Annexion abgefunden hatte, war sie im Südosten nicht bereit, dreissig Prozent ihres Staatsgebiets einfach so abzutreten. Eine Antiterroroperation wurde angeordnet.
Die verlief allerdings nicht sehr erfolgreich; die Ukraine besass keinen funktionierenden Staatsapparat, bei der Armee handelte es sich um eine völlig unvorbereitete, ausgeplünderte, unmotivierte Struktur (…). Die ukrainischen Streitkräfte konnten im Verlauf ihrer Offensive im Juli einige wichtige Ortschaften zurückgewinnen. Doch als sich abzeichnete, dass «Neurussland» nicht mehr lange durchhalten würde, mischte sich Russland erneut ein. Reguläre Streitkräfte wurden auf ukrainisches Gebiet verlegt, ukrainische Einheiten von russischem Territorium aus beschossen, ein Vielfaches an Technik, auch schweres Gerät wurde geliefert, zum Beispiel Panzer, Raketenwerfer oder Luftabwehrsysteme, von denen eines zum Abschuss der malaysischen Boeing diente, und eine grossangelegte militärische Offensive begann mit dem Ziel, die ukrainischen Streitkräfte zurückzuschlagen».
Arkadi Babtschenko «Putins schrecklichste Tat», Auszug

 

Babtschenko, geboren 1977 in Moskau, Jurastudium mit Schwerpunkt Völkerrecht, Journalist, Kriegsberichterstatter, Mitarbeiter der «Novaja Gazeta». Seine Erfahrungen als völlig unvorbereiteter Rekrut im ersten Tschtschenienkrieg 1996 und seie Teilnahme an der «antiterroristischen Operation» im zweiten beschreibt er in seinen international weit beachteten Reportagen, die auch auf Deutsch erschienen sind: «Die Farbe des Krieges» (2007) und «Ein guter Ort zum Sterben» (2009). Er lebt in Moskau.

 

 

«Wer über die Ukraine spricht, darf von Russland nicht schweigen. Seit dem erfolgreichen Euromaidan verfolgt Moskau vier Ziele: Erstens will es den Aufbau eines demokratischen Verfassungsstaates in der Ukraine verhindern, in dem Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung, Menschenrechte und bürgerliche Freiheiten gelten, zweitens die Westorientierung des Landes torpedieren, drittens einer ähnlichen demokratischen Revolution im eigenen Land vorbeugen und viertens Russlands Status als Grossmacht mit dem Anspruch auf besondere Einflusszonen demonstrieren.

Dass Russland für diese Ziele Teile der souveränen Ukraine besetzen und dem eigenen Staatsgebiet eingliedern sowie einen Krieg fördern und führen könnte, hatte sich kaum jemand vorstellen können. Die Annexion der Krim und der Krieg im Osten der Ukraine sind ein tektonischer Bruch. Der Frieden in Europa ist zerstört, die Grundlagen der europäischen Sicherheitsordnung sind erschüttert. Auf Völkerrechtsbruch und Krieg reagierte die EU mit Sanktionen. Seitdem driften Russland und die Europäische Union auseinander, der Kontinent steht unter Spannung.
Europa sieht sich angesichts der tiefsten aussenpolitischen Krise seit Jahrzehnten auf eine schwere Probe gestellt. Russlands aggressivem Vorgehen mit einer durchdachten Politik entschlossen entgegenzutreten und den Waffenstillstand im Donbass mit einer robusten interntionalen Mission zu sichern, die Ukraine auf ihrem langen Weg zu einem demokratischen, wirtschaftlich stabilen und sozialen Rechtsstaat zu begleiten, sind gewaltige Aufgaben».
Katharina Raabe, Manfred Sapper

 

 

 

Hrg. Katharina Raabe und Manfred Sapper
Testfall Ukraine
Europa und seine Werte
Suhrkamp Verlag Berlin, 2015
Broschur, 256 Seiten
CHF 21,90 D 15,00 € 
A 15,50 €
ISBN: 978-3-518-07123-6

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