FRONTPAGE

«John Cage: Empty Mind»

Von Ingrid Isermann

 
 

«In welchem Käfig man sich auch befindet, man muss ihn verlassen», lautete das Credo von John Cage (1912-1992), dem bekanntesten Erfinder experimenteller Kompositionstechniken des 20. Jahrhunderts. Weniger bekannt ist, dass sein literarisches Werk gleichberechtigt neben dem musikalischen steht. Cage liess sich von Eric Satie, Robert Rauschenberg, James Joyce, Merce Cunningham und Marcel Duchamp inspirieren.

John Cage, das ist nicht nur Erinnerung, das ist Präsenz – an ein Vogelgezwitscher, an eine Sendepause im Radio, wo man dachte, der Ton ist ausgefallen, aber es war nur eine kurze Pause, keine Sendepause, es war das Bewusstsein der Stille.
Wenn nichts kommt, statt des lärmenden Getöses an Musik, Wetterberichten, News und Schlagzeilen… einfach mal nichts, ausser der Stille. 4’33. Empty Mind. You can listen to it and perhaps discover something that can’t be namend.
So fing es an, mit Cage, mit der Erinnerung, und es hörte nicht auf, es ging weiter, immer weiter, und es ist ein Gefühl, wie wenn man jemanden liebt, ohne es je zu sagen, man könnte noch einen Strohhalm zu Boden fallen hören, so könnte es sein, wie Musik…

 

Musik der Absichtslosigkeit

Und indem Cage seine poetisch-philosophischen Versuche musikalischen Verfahren unterwarf, verwandelte er Vorträge über das Komponieren, über den Zufall oder die Kategorie der Unbestimmtheit in Ereignisse, schwebend, der Festlegung entzogen – nicht anders als die Musik der Absichtslosigkeit, von der er träumte.

«Den Historiker Aragon habe ich einmal gefragt, wie Geschichte geschrieben werde. Man muss sie erfinden», sagte er. Wenn John Cage von kritischen Augenblicken spricht, von Menschen und Ereignissen, die sein Leben und Werk beeinflusst haben, dann lautet seine Antwort, dass alle Augenblicke kritische waren, dass alle Menschen ihn beeinflusst haben, dass alles was geschah und geschieht, einen Einfluss auf ihn hatte.

 

Viele Jahre waren er und Merce Cunningham Musiker. In den späten vierziger Jahren entdeckte er experimentell, dass das Schweigen, die Stille, silence, nicht akustisch ist. Es ist eine Bewusstseinsveränderung, eine Wandlung, dem er seine Musik widmete. Seine Arbeiten wurden zu einer Erkundung des Absichtslosen. Um ihr konsequent nachzukommen, entwickelte er eine komplizierte Kompositionsmethode, indem er sich der Zufalloperationen des I Ging bediente, wobei er es als seine Aufgabe ansah, Fragen zu stellen und nicht, Entscheidungen zu treffen.

 

Die buddhistischen Texte, auf die er immer wieder zurückkommen sollte, sind die Huang-Po Doctrine of Universal Mind, 1947 veröffentlicht von der London Buddhist Society, Neti Neti von L.C. Beckett, als dessen Illustration sich sein Leben beschreiben liesse, und die Ten Oxherding Pictures, in der Fassung, dass ein lächelnder und etwas fetter Mönch, der das Nichts erfahren hatte, ins Dorf zurückkehrt und Geschenke mitbringt.

Neben dem Buddhismus hatte er das Gospel of Sri Ramakrishna gelesen, der gesagt hatte, alle Religionen seien gleich, wie ein See, zu dem durstige Menschen aus verschiedenen Richtungen strömen und seinem Wasser verschiedene Namen geben. Wobei hinzukäme, dass dieses Wasser ganz verschieden schmeckt. Der Geschmack des Zen liegt für Cage in der Mischung aus Humor, Intransingenz und Losgelöstheit.
«Ich will, dass jeder meiner Sätze so klar und durchsichtig ist wie Wasser, so dass meine Person dem Mitzuteilenden in keiner Weise im Wege steht».

 

 

Tagebuch: Wie die Welt zu verbessern ist
(Du machst alles nur noch schlimmer) 1965

Der Text, ursprünglich für Clark Coolidges Zeitschrift Joglars, Providence 1966 geschrieben, ist ein Mosaik aus Einfällen, Äusserungen, Worten und Geschichten. Zudem ist es ein Tagebuch. Durch Zufallsoperationen legte Cage fest, wie viele Mosaiksteine er täglich schreibe und wie viele Wörter jedes Teil enthalten sollte. Die Anzahl der Wörter pro Tag sollten hundert nicht übersteigen. Cage konnte den Text mehrmals vortragen, erstmals am Beloit College in Wisconsin, im Juni 1966 und auch auf der Internationalen Design-Konferenz in Aspen, Colorado. 1967 wurde er in der Frühjahrsausgabe des Aspen Magazine veröffentlicht.

 

Der See ist unbegrenzt. Das Land darum
verunklärt seine Form. Form
    die nicht geoffenbart werden darf.       Sung.
      „Schwebende Welt“.        Regen, Vorhang des
windgepeitschten Seespiegels jenseits: zweiter Blick
      (es gibt noch mehr, sagt er mir, einer, in dem
Nebel aufsteigen).          Gestern Stille und
             Spiegelungen, Blasenballungen.         Ein
                      amerikanischer Garten: Wasser, nicht Sand.
                                          Bepflanzung, nicht Steine. Donner.
Ohne es geplant zu haben, gehe ich von See
zu See.            Salzluft.                            Salt Lake.         VII.
            Hugh Nibley.       Ich hatte ihn seit dem Gymnasium
                      nicht mehr gesehn.                   Ich fragte ihn, was er
von anderen Planeten und möglichen
                                 Bewohnern hielte.                Ja, sagte er, im
ganzen All: das ist Mormonen-
Lehre.                        Wir verabschiedeten uns.             Ich öffnete
                                                  die Autotür, ergriff meine Mappe
                  und alles fiel raus aufs Gras
                               und den Gulli.       Sein
                                                             Kommentar: Stets geschieht etwas
Erinnerungswürdiges.        Dinge, die wir tun wollten,
werden jetzt von anderen getan.        Sie zu tun,
kam uns offenbar nicht in den Sinn (waren wir
oder sie nicht bei Sinnen?), aber für jeden empfänglichen
Sinn, verstört genug, keine fixe Idee zu haben, standen sie
bereit.
(Ausschnitt)

 

 

Der Komponist als Wortkünstler

Zeit seines Lebens hat John Cage geschrieben und Vorträge gehalten. Eine Auswahl aus seinem umfangreichen schriftlichen Oeuvre edierte er in typografisch streng konzipierten Bänden, die er Lectures & Writings nannte: Silence (1961), A Year from Monday (1967), M: Writings 67-72 (1973), Empty Words, Writings 73-78 (1981), X: Writings 79-82 (1983) und Themes & Variations (1982).

Auf deutsch ist bislang nur ein kleiner Teil veröffentlicht, und keines seiner Bücher wurde jemals vollständig ins Deutsche übersetzt. Empty Mind versteht sich als ein Versuch, literarische und ästhetische Schlüsseltexte des Komponisten nicht nur erneut vorzustellen, sondern in Anordnung und typografischer Gestaltung auch eine Ahnung von der visuellen Dimension dieser Wortkompositionen zu vermitteln.

 

Um den Käfig von «Verstehenshuberei», von Sinn und Absicht zu verlassen, suchte Cage auch in seiner Wortkunst nach besonderen Verfahren, die Lesekonventionen zu durchbrechen oder auszusetzen. Als spezifisch literarisches Stilmittel verwendete er das Mesostichon – ein Verfahren der visuellen Poesie, das, aus der Antike stammend, über die Jahrhunderte meist als schmückendes Beiwerk des „eigentlichen“ Gedichts angesehen wurde. Indem Cage das Beiwerk zum Bauprinzip macht und alle Zeilen an der „zufälligen Notwendigkeit der gesetzten Mittelachse“ (Klaus Reichert) orientiert, entziehen sich die Buchstaben, Silben und Worte den inhaltlichen Absichten. Die Verwebung von waagerechter und senkrechter Notation mit den wild ausfransenden Zeilenrändern macht es Autor wie Leser unmöglich, sich in einen poetischen Sinn zu versenken. Das Ego wird ausgesetzt, und die Literatur zeigt ihre Lettern.

 

Auch seiner autobiografischen Anekdoten-Sammlung, der Vorlesung Unbestimmtheit, hat Cage jegliche Kontrolle und Gefühlsregung ausgetrieben. Derart „leer-gesinnt“ vorgetragen, von den Zeiteinheiten gerahmt, feiern die Geschichten die Freude, Offenheit und Absurdität des Lebens.

 

Konsequent setzte Cage in seinen Klangwortversuchen auf die Kraft der Poesie, «weil sie erlaubt, in die Welt des Wortes musikalische Elemente (Zeit, Klang) hineinzunehmen». Überzeugt, dass „jede Kunst“ etwas vollbringt, was die andere nicht vermag“, schrieb er viele Texte, die zum lauten Sprechen gedacht waren, für Aufführungen oder Hörspiele, die in Tonstudios aufgenommen wurden.

 

Der Band Empty Mind versammelt Arbeiten aus den drei genannten literarischen Werkkomplexen: Neben den von der Form her konventionellen Beiträgen Andere Völker denken (ca. 1927), Vorwort zu Lecture on the Weather (1975) und Autobiografischer Abriss (1982) stehen vor allem Texte, die mit Hinblick auf die Aufführung verfasst wurden: Die erste Folge seiner Tagebücher (I-XXIX, 1965) die er fortsetzte und von denen er insgesamt sieben Folgen verstreut in seinen Büchern veröffentlichte; die imaginären Gespräche Ein Alphabet (1982) Essay (1985) und Erik Satie (1958), sowie die Ideen-Sammlung Empty Mind aus Themes & Variations.

 

Henry David Thoreaus Bemerkung, „wenn er einen Satz hört, hört er marschierende Schritte“, wurde für Cage zum Ausgangspunkt für die Auflösung der Sprache, ausgehend von Sätzen, hin zu syntaktischen Einheiten, zu Wörtern, zu Silben, zu Buchstaben. Je mehr Cage die Sprache auflöst, desto stärker treten ihre musikalischen Qualitäten in den Vordergrund. So intonierte er, ja sang die Phonemfetzen, aus denen schliesslich  Empty Words besteht, mit seiner sonoren Stimme. (Dies beeindruckte sogar Yoko Ono und John Lennon, damals seine Nachbarn in Greenwich Village).

 

 

Absichtslose Anwesenheit von Musik

Die Syntax wird nicht nur aufgelöst in Phoneme, sondern auch zersplittert und neu zusammengesetzt, wie in den verschiedenen „Writings through“, in denen Cage Texte von Ginsberg, Joyce, Pound, Kafka und Thoreau querliest und zu Mesosticha aufreiht, die den jeweiligen Autorennamen tragen.
Erik Satie war einer von Cages Leitsternen, mit dessen Werk der absichtslosen Anwesenheit von Musik (musique d’ameublement) er sich sehr verwandt fühlte. So tritt Satie auch in John Cages Alphabet (1982) neben Marcel Duchamp und James Joyce, den Erfinder von HCE („Here Comes Everybody“).

Sie alle dialogisieren im Alphabet mit vielen anderen Wegbegleitern: mit Henry David Thoreau, mit Richard Buckminster Fuller, mit Robert Rauschenberg, mt Teeny Duchamp und mit Mao (als Kind). Ein Geistergespräch, wie Cage sein Verfahren nennt.

 

Ein Resumée von John Cages ästhetischen Konzepten, die sein schöpferisches Leben mit den zehntausend Dingen begleiteten, findet sich schliesslich in den 110 Bemerkungen aus Themes & Variations , hier betitelt Empty Mind: Sunyata, der buddhistische Begriff für Leere, umfasst die Idee, dass die Phänomene nicht getrennt, unabhängig voneinander und dauerhaft existieren, sondern Resultat einer wechselseitigen Bedingtheit (Interdependenz) sind, aus denen zehntausend Dinge entstehen könnten.

Dieses Verständnis von Empty Mind formulierte John Cage in seiner so nüchternen, pragmatischen Art: «Wir vergessen, dass wir immer zur Null zurückkehren, wenn wir uns von einem Wort zum nächsten bewegen».

 

 

John Cage
Empty Mind
Bibliothek Suhrkamp Berlin 2012
Beiträge von Walter Zimmermann
und Marie-Luise Knott
243 S., geb. mit Schutzumschlag
CHF 28.50. Euro 19.95
ISBN 978-3-518-22472-4

John Cage (5. September 1912 in Los Angeles – 12. August 1992 in New York City) war ein US-amerikanischer Komponist und Künstler, der mit seinen mehr als 250 Kompositionen, die häufig als Schlüsselwerke der Neuen Musik angesehen werden, als einer der weltweit einflussreichsten Komponisten des 20. Jahrhunderts gilt sowie als Schlüsselfigur für die Ende der 1950er Jahre entstehende Happeningbewegung als wichtiger Anreger für die Fluxusbewegung und die Neue Improvisationsmusik. Neben seinem kompositorischen Schaffen betätigte er sich auch als Maler und befasste sich mit Mykologie, der Wissenschaft von den Pilzen.

 

Cage wurde am 5. September 1912 als einziger Sohn des Ingenieurs und Erfinders John Milton Cage (1886–1964) und dessen Frau Lucretia Harvey (1885–1969) geboren. Die Mutter arbeitete als Redakteurin für die Los Angeles Times.
Seine frühe Kindheit verbrachte Cage in Long Beach, Kalifornien. Später zog die Familie nach Detroit und Ann Arbor im Bundesstaat Michigan, kehrte schließlich 1920 nach Kalifornien zurück, wo Cage in Santa Monica seinen ersten Klavierunterricht erhielt. Nach dem Umzug der Familie in die Nähe von Glendale unterrichtete ihn seine Tante Phoebe James, selbst Sängerin und Pianistin, und Cage, der sich von nun an für die Musik von Edvard Grieg begeisterte, erhielt sein erstes Klavier.

1922 besuchte Cage die Los Angeles Highschool, wo er als Mitherausgeber der französischsprachigen Schülerzeitung Le Flambeau fungierte. 1927 vertrat Cage beim Southern California Oratorical Contest im Hollywood Bowl seine High-School und gewann den Wettbewerb mit einer Rede zum Panamerikanismus. Nach seiner Schulzeit studierte er zunächst zwei Jahre Literatur am Pomona College in Claremont, wo die ersten Gedichte entstanden, die im College-Magazin Manuscript veröffentlicht wurden. Sein Interesse galt in dieser Zeit den Dichtungen von Gertrude Stein, woraufhin Cage beschloss, Dichter zu werden.

 

Studium in Paris, Los Angeles und New York
1930 ging Cage für 17 Monate nach Europa und studierte für sechs Monate in Paris gotische und griechische Architektur in der Bibliothèque Mazari sowie Klavier und machte sich mit der Musik Johann Sebastian Bachs vertraut. 1932 begann Cage ein Kompositionsstudium, zunächst Komposition bei Richard Buhlig. Im Künstlerbedarfs-geschäft seiner Mutter lernte John Cage 1933 die um ein Jahr jüngere High-School-Absolventin und spätere Kunststudentin Xenia Andreyevna Kashevaroff kennen und verliebte sich, trotz der Beziehung zu Don Sample, sogleich in sie. Beide heirateten am 7. Juni 1935 in der Wüstenstadt Yuma.

Ab Mitte April 1934 studierte Cage Harmonielehre bei Adolph Weiss, dem ersten US-amerikanischen Schüler Arnold Schönbergs. 1935 kehrte er nach Los Angeles zurück und nahm bis 1937 Privatunterricht in der Kompositionstechnik Kontrapunkt bei Schönberg. In diesem Jahr begann Cage eine Beziehung zu der 23 Jahre älteren Pauline Schindler und lernte die Galeristin Galka Scheyer kennen wie auch das Sammlerehepaar Walter und Louise Arensberg kennen, deren Sammlung John Cage erstmals ermöglichte, sich mit dem Werk von Marcel Duchamp auseinanderzusetzen. 1937 zog Cage mit seiner Frau Xenia nach Santa Monica, wo sie im Haus der Buchbindnerin Hazel Dreis lebten und das Buchbinden erlernten. Cage entwarf die Buchdeckel und seine Frau fertigte später Duchamps Grosse Schachteln an. 1938 zog Cage nach San Francisco und lernte am Mills College, wo er in der Musikbegleitung für Tanzklassen engagiert war, Lou Harrison kennen. Harrison vermittelte Cage an das Cornish College of the Arts, wo er als Pianist und Korrepetitor für die Tanzklassen der Choreografin Bonnie Bird (Martha Graham Gruppe) mitwirkte.

 

Komponist und Anknüpfung an die Avantgarde
1938 siedelte John Cage nach Seattle über, hielt Vorlesungen und gründete ein Schlagzeugensemble. Hier traf er erstmals auf den damals 19-jährigen Tänzer Merce Cunningham, seinen späteren Arbeits- und Lebenspartner, der es sich nicht nehmen liess, gelegentlich in seiner Percussion-Band mitzuspielen. Im Jahr 1940 kehrte Cage nach San Francisco zurück und nahm „als musikalischer Begleiter der Tanzklasse am Sommerprogramm des Mills College in Oklahoma teil.“ Hier traf er László Moholy-Nagy, der am 18. Juli in seinem Schlagzeugensemble auftrat. Kurze Zeit später komponierte er als Begleitung für eine Choreografie für die Tänzerin Syvilla Fort, einer Studentin der Cornish School, seine erste Komposition Bacchanale für das von ihm erfundene präparierte Klavier, auf dessen Saiten und Hämmern er Radiergummis, Nägel und andere kleine Teile montierte, die dem Klavier eine besondere Klangfarbe verleihen. Im selben Jahr setzte Cage, in Vorstufe zu den Pop-Art-Environments, in Living Room Music. A Story alltägliche Wohnzimmergegenstände zur Klangerzeugung ein. Auf Einladung László Moholy-Nagys unterrichtete er 1941 an der Chicago School of Design eine Klasse in experimenteller Musik. Hier lernte Cage Max Ernst und Peggy Guggenheim kennen, die ihn zu sich nach New York einluden.

 

In New York City, wohin Cage und seine Frau 1942 zogen, wohnten beide zunächst bei dem Ehepaar Ernst und Guggenheim und wurden dort in den Kreis von Musikern und bildenden Künstlern eingeführt. Beispielsweise lernte er Piet Mondrian, André Breton und Marcel Duchamp kennen. Mit einem Percussion-Konzert, das er am 7. März 1943 im Museum of Modern Art aufführte, wurde Cage in New Yorker Avantgarde-Kreisen bekannt und knüpfte Kontakte sowohl zu bildenden Künstlern wie zu Tänzern und Musikern. Unter anderem traf er häufig mit Marcel Duchamp zusammen und komponierte 1943 die Duchamp-Sequenz im Experimentalfilm Dreams that Money Can Buy (1947) von Hans Richter. Als Beitrag zur Ausstellung The Imagery of Chess in der Julien Levy Gallery in New York, zu der Duchamp eingeladen hatte, malte Cage das Bild Chess Pieces. Als Künstler dieser Ausstellung waren neben John Cage André Breton, Alexander Calder, Max Ernst, Man Ray, Jean Tinguely, Roberto Matta, Robert Motherwell, Dorothea Tanning und andere vertreten. In diesem Jahr trennte sich Cage von seiner Frau Xenia und reichte im darauffolgenden Jahr die Scheidung ein.

Lehraufträge am Black Mountain College
1946 zog Cage nach Bozza’s Manison, ein Loft in Lower Manhattan, wo sich Künstler wie Richard Lippold, Sonja Sekula und Ray Johnson trafen. Gemeinsam mit Hans Arp, Mark Rothko und Clyfford Still plante Cage ein experimentelles Kulturzentrum an der Westküste der Vereinigten Staaten. Über den japanisch-amerikanischen Bildhauer Isamu Noguchi lernte er die indische Musikerin Gita Sarabhai kennen, woraufhin Cage begann, Zen sowie die Musik und die Philosophie Indiens zu studieren. Die Bühnenbilder der nun folgenden zahlreichen Tanzproduktionen von Cage und Cunningham wurden zu Beginn von Noguchi und dem surrealistischen Bildhauer David Hare gestaltet. 1948 begegnete er, während seiner Lehrtätigkeit am Black Mountain College in North Carolina, dessen am Bauhaus angelehntes Schulkonzept Cage beeindruckte, Josef und Anni Albers sowie Buckminster Fuller. 1949 erhielt Cage von der Guggenheim-Stiftung ein Guggenheim-Stipendium sowie eine Auszeichnung der America Academy of Arts and Letters mit einem Preisgeld von 1.000 US-Dollar, die ihm und Cunningham einen weiteren Europaaufenthalt ermöglichte. Sie besuchten Amsterdam, Brüssel, Palermo, Mailand und Paris, wo Cage Pierre Boulez kennenlernte, mit dem ihm bis 1954 ein enger Briefkontakt verband. In Paris besuchte John Cage Alberto Giacometti und Ellsworth Kelly, der ihm seine Arbeit White Relief (1950) widmete.

 

1950 kehrte John Cage zurück nach New York und lernte den Pianisten David Tudor sowie die Komponisten Morton Feldman und Christian Wolff kennen, der ihm das im Pantheon Verlag erschienene chinesische Buch der Wandlungen schenkte, das zu einem wichtigen „Hilfsinstrument für seine künstlerische Arbeit auf der Grundlage von Zufallsoperationen“ wurde.

Auf dieser Grundlage realisierte John Cage 1951 unter anderem Music of Changes, sein erstes, vollständig auf der Basis des Zufallsverfahrens basierende Stück. Im selben Jahr beteiligte sich Cage an den Veranstaltungen des von Robert Motherwell im Jahre 1948 gegründeten New Yorker Artist’s Club, einer „Hochburg des Abstrakten Expressionismus“.

Mitglieder waren unter anderem Franz Kline, Willem und Elaine de Kooning, Mark Rothko, Ad Reinhardt sowie der Kunsthändler Leo Castelli und der Kunst- und Kulturkritiker Harold Rosenberg. Im Sommer 1952 hatte John Cage einen erneuten Lehrauftrag am Black Mountain College und inszenierte in diesem Jahr mit Untitled Event das erste Happening überhaupt. Auf Vorschlag Mark Tobeys belegte Cage an der Columbia University für zwei Jahre Zen-Kurse bei Daisetz Teitaro Suzuki.

Fluxus und Pilze
Mehrere Freunde von John Cage, die aus dem Black Mountain College kamen, gründeten 1954 in Stony Point, New York, eine kooperative Kommune. Cage, auf der Suche nach einem einfachen Leben, zog in diesem Jahr dorthin, um sich intensiv dem Sammeln von Pilzen sowie deren Bestimmung und Zubereitung zu widmen. Mit David Tudor unternahm er eine ausgedehnte Konzerttournee durch Europa und traf in Köln auf Karlheinz Stockhausen.
1956 unterrichtete Cage an der New Yorker New School for Social Research und öffnete seinen Unterricht für Interessierte. Zu seinen Gasthörern zählten unter anderem Jim Dine, Larry Poons und George Segal. Als Lehrer übte John Cage einen großen Einfluss auf die sich in den Anfängen befindende Fluxus-Bewegung aus, denn viele Künstler dieser Bewegung zählten damals zu seinen Schülern.

Kurz vor seinem Tod vollendete Cage seinen einzigen Film One (1992). Der 90-minütige, komplett in schwarz-weiß gehaltene Film hat filmisch-erzählerisch wie auch musikalisch kein Thema, außer dem Licht. Ein aus 103 Musikern besetztes Orchester führt das Orchesterwerk 103 (1991) auf, die Bildsprache beschränkt sich ausschließlich auf Scheinwerferprojektionen, wobei die Art der Lichteffekte, die Kamerabewegungen und die Einzelheiten des Schnittvorgangs auf Cages Methodik der Zufallsoperationen beruhen. Statt einer Handlung beschränkt sich der Film auf die fast elegische Bewegung des Lichts, dessen Konturen sich langsam vor der Kamera verschieben. (Quelle: Wikipedia).

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