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Collecting Matisse and Modern Masters: «Die Kunstliebe der Cone-Sisters»

Von Sascha Verna

Es begann mit dreihundert Dollar und dem wohlmeinenden Rat des älteren Bruders, damit etwas Hübsches zur Dekoration der guten Stube zu kaufen. Das war 1898. Etta Cone, Spross einer wohlhabenden jüdischen Industriellenfamilie in Baltimore und damals achtundzwanzig Jahre alt, entschied sich statt für Spitzendeckchen für fünf Bilder des amerikanischen Impressionisten Theodore Robinson.

 

Als sie 1949 starb, hatte Etta zusammen mit ihrer Schwester Claribel Cone eine der bedeutendsten Kunstsammlungen der Vereinigten Staaten, ja der Welt zusammengetragen. Denn angetan hatte es den beiden Schwestern besonders die europäische Moderne. Und mit über fünfhundert Werken vonHenri Matisse stellt diejenige der Cone Sisters die umfangreichste Sammlung des französischen Meisters überhaupt dar.

 

 «Die beiden begannen sich für moderne Kunst zu interessieren, als sie zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts nach Europa, vor allem nach Paris reisten – Etta erstmals 1901. Dort verbrachten sie viel Zeit mit Gertrude und Leo Stein und schauten sich zunächst klassische Kunst und japanische Drucke an, bis sie eine echte Begeisterung für die zeitgenössische Kunst von damals entwickelten»,sagt Karen Levitov, die Kuratorin der Ausstellung “Collecting Matisse and Modern Masters: The Cone Sisters of Baltimore”.

 

Tatsächlich waren es die Geschwister Stein, die die Cone Sisters in Paris in die künstlerische Avantgarde ihrer Zeit einführten. Etta und Claribel Cone kannten die Schriftstellerin und ihren Bruder aus Baltimore, wo Gertrude Stein wie Claribel Medizin studierte. Die Steins nahmen die Cone Sisters mit an den inzwischen legendären Pariser Salon d’Automne von 1905, wo Etta derart von Matisses Werken beeindruckt war, dass sie den Künstler wenig später in seinem Atelier aufsuchte und ihr erstes eigenes Bild von ihm erstand.

 

Kurz darauf stellte Gertrude Stein Etta Cone Pablo Picasso vor, und erneut war Etta begeistert. Über hundert Werke Picassos brachten die Cone Sisters im Lauf ihrer Sammlertätigkeit zurück in ihre nebeneinanderliegenden Wohnungen in Baltimore, die sich mehr und mehr in ein Museum verwandelten.

 

Mit Pablo Picasso und besonders mit Henri Matisse verband die Cone Sisters eine lebenslange Freundschaft. Doch ihrem Interesse für die Werke anderer europäischer Künstler war damit keine Grenzen gesetzt.

 

Paul Cézanne, Paul Gaugin, Auguste Renoir und Camille Pissarro:

Sämtliche Wände bei ihnen zuhause seien mit Kunstwerken behängt gewesen, sagt Karen Levitov. Die Cone Sisters hätten mit und umgeben von der Kunst leben wollen. Karen Levitov:

 

« Es war kurz vor Claribels Tod, dass sie zum ersten Mal etwas an ein Museum liehen. Davor hatten sie ihre Sammlertätigkeit als rein privates Vergnügen betrachtet. Etta stellte 1934 einen Katalog ihrer Sammlung zusammen und schickte diesen an ihre Bekannten in der Museumswelt und an Freunde in Amerika und Europa. Von da an hatte sie keine ruhige Minute mehr. Kunstfreunde und Kuratoren, vor allem aus amerikanischen Museen, wollten sie besuchen, in der Hoffung, sich die Sammlung der Cone Sisters als spätere Schenkung zu sichern. Erst da begann Etta die Sammlung als etwas zu betrachten, das einmal der Öffentlichkeit zugänglich sein würde.»

 

Etta Cone vermachte ihre Sammlung schliesslich dem Baltimore Museum of Art.

 

Das Jewish Museum zeigt fünfzig Bilder und Werke auf Papier zusammen mit Fotografien und Archivmaterial zur Biografie der Schwestern.

Ergänzt wird die Ausstellung von zahlreichen Souveniers, die Etta und Claribel von ihren Reisen durch die ganze Welt zurückbrachten: kostbare Textilien aus dem Nahen und Fernen Osten, Schmuck aus Indien, antike Kruzifixe, Esther-Rollen und Buddha-Statuen.

Am Ende wünscht man sich, diesen beiden aussergewöhnlichen Frauen einmal begegnet zu sein.

Und sei es nur, um mit dem Hut in der Hand «Bonjour Mesdemoiselles Cone» zu sagen, wie es Pablo Picasso auf einer kleinen Cartoon-artigen Zeichnung tut.

 

“Collecting Matisse and Modern Masters: The Cone Sisters of Baltimore”, Jewish Museum, bis 25. September 2011.

Zur Ausstellung ist unter demselben Titel ein Katalog erschienen. Er kostet 20 Dollar.

www.thejewishmuseum.org

 

The Jewish Museum

1109 Fifth Avenue

at 92nd Street

New York, NY 10128

USA

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