FRONTPAGE

«Der Spinnenfaden als Metapher»

 

Seit über 20 Jahren waren ihre Werke in der Schweiz nicht mehr zu sehen, nun stellt sie die Fondation Beyerle in Riehen bei Basel aus: Louise Bourgeois (1911–2010) war eine der bedeutendsten und einflussreichsten Künstlerpersönlichkeiten unserer Zeit. Am 25. Dezember 2011 hätte sie ihren100. Geburtstag gefeiert. Die Fondation Beyeler zeigt aus diesem Anlass eine Ausstellung mit einer konzentrierten Auswahl aus ihrem Werk. Als Höhepunkt präsentierte sie im Vorfeld der Ausstellung ihre berühmte und grösste Spinnen-skulptur Maman (1999) auf dem Bundesplatz in Bern, dem Bürkliplatz in Zürich sowie in Genf. Die Skulptur ist während der ganzen Ausstellungsdauer im Berower Park der Fondation Beyeler in Riehen bei Basel zu sehen.

 

Ihr listiger Blick und ihre Augen schienen alles zu wissen von dieser Welt. À jour hielt sie sich mit ihrem Künstler-Salon in New York City und jungen Kunstschaffenden, die sie sonntags empfing, ihnen  zuhörte und – lernte. Wie die anderen auch von ihr, vielleicht in erster Linie von ihr. Denn wie bleibt man solange neugierig, voller Wissensdrang und damit jung, 98 Jahre lang wie Louise Bourgeois?

 

Von Geheimnissen hielt sie nicht viel, denn sie offenbarte offenherzig ihre Familiengeschichte, die schwierige, wie es  viele gab und gibt – und sie erwarb sich auch damit Respekt. Ihre Skulpturen, Bilder, Objekte, Kunstwerke… alles erzählte von einem Trauma, der Seele eines verletzten Kindes, und Kunst war damit so aktuell wie nie. Bourgeois überholte selbst Freud, she did overcome!, und im Laufe ihres langen Lebens wurde sie noch mutiger, draufgängerischer, skurriler und phantasievoller, als Künstlerin unverwechselbar und einzigartig.

 

Wir verneigen uns vor dieser besonderen Künstlerin und ihrem Absolutismus zur Kunst und zur Wahrheit. Und danken der Fondation Beyeler für diese herausragende Ausstellung und Femmage an Louise Bourgeois.

 

Die Ausstellung wurde noch mit der Künstlerin zusammen, die am 31. Mai 2010 verstarb, geplant. Sie entstand in enger Zusammenarbeit mit dem Louise Bourgeois-Studio und Ulf Küster, dem Kurator der Fondation Beyeler, die zum 100. Geburtstag von Louise Bourgeois eine Ausstellung mit rund zwanzig Exponaten präsentiert, darunter Skulpturen aus allen Jahrzehnten. Eine hochkarätige Auswahl aus ihrem Werk zeigt zentrale Themen ihres Schaffens wie ihre Auseinandersetzung mit anderen Künstlern, die Verarbeitung ihrer Lebensgeschichte und die Umsetzung von Emotionen in Kunstobjekte, vor allem in ihre legendären Cells.

 

In der Ausstellung ist Passage Dangereux (1997) zu sehen, die grösste Cell, die Louise Bourgeois je geschaffen hat. Neben Werken und Werkserien aus bedeutenden Museen und Privatsammlungen, etwa das Werk The Insomnia Drawings(1994–1995), enthält die Ausstellung neuere Arbeiten – darunter der späte Zyklus A l’infini (2008) –, die bisher noch nie öffentlich zu sehen waren. Ihnen werden Werkgruppen von Künstlern aus der Sammlung Beyeler gegenübergestellt, die sie persönlich kannte und zu denen sie eine besondere Beziehung hatte, wie Fernand Léger, Francis Bacon und Alberto Giacometti.

 

Louise Bourgeois: «Kunst ist die Garantie für geistige Gesundheit»

Aufgewachsen ist Louise Bourgeois in Choisy-le Roibei Paris, wo ihre Familie eine Galerie für historische Textilien betrieb und dort auch eine Werkstatt zum Restaurieren der alten Stoffe betrieb. Schon als Kind fertigte Bourgeois in der elterlichen Werkstatt Zeichnungen zur Ergänzung fehlender Teile an.

 

In Paris erwarb sie in den Jahren 1936 bis 1938, unter anderem an der École nationale supérieure des beaux-arts de Paris, die für ihre Arbeit als Bildhauerin notwendigen Grundkenntnisse und Fertigkeiten. Als Mädchen schenkte man ihr in ihrer Kindheit und Bildung wenig Beachtung, was sie später kommentierte: „Wenn ein Junge geboren wird, dann ist die Familie glücklich. Wenn ein Mädchen geboren wird, dann findet man sich damit ab, man toleriert die Tatsache.“ Zu ihrem Vater Jean-Louis hatte Louise ein angespanntes Verhältnis, er betrog ihre Mutter Joséphine Bourgeois zehn Jahre im eigenen Haus mit dem englischen Kindermädchen Sadie Gordon Richmond, die Louise die englische Sprache beibrachte. Auf Louise nahm der Vater ebenfalls wenig Rücksicht, machte sich über sie lustig und demütigte sie am Esstisch. Um sich abzulenken begann sie aus Brot ihre ersten Skulpturen zu formen, die ihren Vater darstellten, welche sie dann am Esstisch heimlich zerstörte. Dies drückte sie in einem Interview folgendermaßen aus:

 

«Mein Vater redete pausenlos. Ich hatte nie Gelegenheit, etwas zu sagen. Da habe ich angefangen, aus Brot kleine Sachen zu formen. Wenn jemand immer redet und es sehr weh tut, was die Person sagt, dann kann man sich so ablenken. Man konzentriert sich darauf, etwas mit seinen Fingern zu machen. Diese Figuren waren meine ersten Skulpturen, und sie repräsentieren eine Flucht vor etwas, was ich nicht hören wollte. Es war eine Flucht vor meinem Vater. Ich habe zahlreiche Arbeiten zu dem Thema‚The Destruction of the Father‘ gemacht. Ich vergebe nicht und ich vergesse nicht. Das ist das Motto, das meine Arbeit nährt. Es ist nach 50 Jahren noch so lebendig, als wenn es gestern gewesen wäre». Die Erinnerungen und traumatischen Erfahrungen beeinflussten ihr Leben und Werk und führten zu Kunstwerken wie den Rauminstallationen ‚The Destruction of the Father’ (‚Die Vernichtung des Vaters’) und ‚The ReticentChild’ (‚Das verschlossene Kind’). Ihre Kunst stellt somit auch eine Aufarbeitung ihrer Kindheit dar, was sie selbst als Privileg, zu sublimieren bezeichnete.

 

Im Jahr 1938 ging Louise Boureois nach New York, gemeinsam mit ihrem Mann Robert Goldwater, der dort einen Lehrauftrag als Kunsthistoriker annahm. 1939 kehrten beide für kurze Zeit nach Paris zurück, um 1940 ihren ersten Sohn, Michel, zu adoptieren. 1940 gebar sie selbst den Sohn Jean-Louis und 1941 den Sohn Alain. Louise Bourgeois starb im Alter von 98 Jahren in ihrem Wohnort Chelsea in New York City. (I.I.)

 

«Louise Bourgeois. À l’infini»

Fondation Beyeler, Riehen b. Basel

3. September 2011 – 8. Januar 2012

  

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Dali, Magritte , Miro – Surrealismus in Paris

2. Oktober 2011 – 29. Januar 2012

 

www.fondationbeyeler.ch

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