FRONTPAGE

Editorial Nr. 55

Editorial Nr. 55

 

Oktober 2015

 

Liebe Literatur & Kunst-Freunde, herzlich willkommen!

 

Es reden alle mit. Und niemand ist verantwortlich. So sieht das aus bei Twitter und Facebook. Hassbotschaften werden in Umlauf gebracht, aber nicht gelöscht. Im besten Fall führt das zu Ermüdung und Abutzungserscheinungen der Social Media, im schlechten Fall zu Hetze, die Rechts- oder Linkspopulisten nützt, Vorurteile zu Urteilen ummünzen. Wer nichts gegen Kriege unternimmt und sie mit Waffenlieferungen weiter anheizt, veranlasst noch mehr Menschen zur Flucht. Der Ursache auf den Grund zu gehen, ist Verpflichtung.

Wer verdient an den Kriegen? Ein heisses Eisen, das viel zu wenig in Medien und Talkshows diskutiert wird. Waffenverkäufer müssten zum Beispiel zwanzig Prozent ihres Umsatzes an die Flüchtlinge abgeben, nach dem Verursacher-Prinzip. Eine Million Flüchtlinge in der Schweiz, zum Beispiel in Zürich, das würde so aussehen wie an der Street Parade, voller Menschen die Quaibrücke und die Innenstadt… Im Libanon, in der Türkei ist das Alltag. Dass nicht alle kommen können, wie immer wieder beschworen wird, ist ja klar, aber warum wird nichts gegen den Krieg ins Feld geführt, die Ursache? Das ist die Frage! Dann könnten die Menschen zurückkehren und wir würden helfen, ihr Land wieder aufzubauen. Wie beendet man den Krieg? Hört man was dagegen? Putin schickt Panzer nach Syrien…

Am 18. Oktober sind Wahlen in der Schweiz, Nationalrat und Ständerat werden neu sortiert. Da gilt es zu schauen, welche Kandidaten ihre Hände in Unschuld waschen wollen mit Abschottung, Plattitüden und Floskeln, nichts zur Lage der Nation beitragen, keine Perspektiven und Lösungen anbieten. Pragmatisch heisst: Probleme anpacken, nach allen Seiten offen sein und nach Lösungen suchen. Das hat die Schweiz bisher gekonnt und gut gemacht. Auch Fehler zuzugeben und Entscheide zu korrigieren, wenn es um das Wohl des Volkes geht und somit auch um jeden einzelnen.

Tim Guldimann, als Diplomat Sondergesandter in der Ukraine und jetzt Nationalratskandidat, gibt in seinem Buch «Aufbruch Schweiz!» keine diplomatischen Ratschläge, er will zu den Stärken als selbstbewusster Nation Schweiz zurückkehren, die Probleme mit unseren politischen Verfahren lösen kann und friedlich im Rahmen von demokratischen Rechtsstaaten zusammenlebt. Empfehlens-und lesenswert!

Nagel & Kimche, 2015.

Nachtrag zu den Wahlen für Zürich vom 18.Oktober 2015: Die Hunde bellen, die Karawane zieht weiter… Die SP ist nach 32 Jahren wieder im Ständerat vertreten, Rechtsprofessor Daniel Jositsch schaffte die Wahl mit einem Glanzresultat im ersten Durchgang. Am 22. November wird der zweite Zürcher Ständerat für Bern gewählt, FDP, SVP und Grüne streiten um den Sitz. Auch Ex-Botschafter Tim Guldimann zieht als Auslandschweizer und „Internationalrat“ in das Parlament ein. Von Berlin aus wird er mit anderer Perspektive auf die Schweiz blicken können. Zürich schickt 35 Nationalräte nach Bern, davon von der Retro-Partei mit Stallgeruch SVP 12 (+1), von der polyglotten SP 9 (+2), von der etwas in Fahrt gekommenen FDP 5 (+1), die restlichen Sitze teilen sich Grüne, Grünliberale, BDP, die Federn lassen mussten, EVP und CVP. Am 9. Dezember 2015 sind die Bundesratswahlen, noch hat sich Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf nicht in die Karten blicken lassen, ob sie bleibt oder ihr Sitz ein Hardliner der SVP einnehmen wird. Es wird spannend…

 

 

Hier ist der Oktober auf Literatur & Kunst:

«Mesopotamien» ist ein Porträt der Stadt Charkiw an der russischen Grenze und seiner Bewohner an der Schwelle tiefgreifender Veränderungen. In der ostukrainischen Metropole, einem Babylon des 21. Jahrhundert, steht alles auf dem Spiel. Gelingt es, Vertrauen und Liebe gegen Hass und Gewalt zu verteidigen? Serhij Zhadans höchst aktuelles poetisches Meisterwerk, Suhrkamp, 2015.

 

René Char: «Suche nach Grund und Gipfel» ist ein Konvolut über Essays, Briefe, Notizen, erstmals auf deutsch, und verschafft einen Zugang zum bedeutsamen Werk des Lyrikers. Klever-Verlag, Wien 2015.

 

Cy Twombly ist eine Ausstellung im Museum für Gegenwartskunst in Basel gewidmet, erfahren Sie mehr, Simon Baur war für Literatur & Kunst vor Ort. Wie auch in der Fondation Beyeler in Riehen b. Basel: Malewitchs bahnbrechende Werke sind hier zu besichtigen.

 

«Der Staat gegen Fritz Bauer», der packende Film über den Staatsanwalt Fritz Bauer, der die Auschwitz-Prozesse gegen alle internen Widerstände  in Gang brachte, erhielt den Publikumspreis am Filmfestival Locarno. Interview von Rolf Breiner mit dem Regisseur und dem Hauptdarsteller; Gespräch mit Xavier Koller über den Film «Schellenursli». Aktuelle Filmtipps, u.a. LIFE über das Leben James Deans.

 

Impressionen über das neue Kulturzentrum LAC, den Leuchtturm von Lugano, von Niklaus Oberholzer. Ferner: Architekturtipps, TWA Saarinen New York, Park Books 2015, radikal normal, NZZ Verlag 2015, Amsterdam, DOM publishers 2015.

 

Buchtipps: Dana Grigorcea: «Das primäre Gefühl der Schuldlosigkeit». Dörlemann Verlag, Zürich 2015. Petros Markaris «Zurück auf Start». Diogenes Verlag, 2015. Doris Dörrie: «Diebe und Vampire», Diogenes Verlag, 2015. Die Dada-Frauen sind unterwegs: Doris Stauffer: Eine Monographie; DADA-Frauen; Emmy Hennings «Dada», Scheidegger & Spiess 2015. Frauenkalender, Ebersbach Verlag Berlin 2015.

Theater? Theater! In der Schiffbauhalle wird der Dekalog von Kieslowski aufgeführt, fulminant! Und im Schauspielhaus Zürich gastiert die Jungfrau von Orleans.

 

Ein Fest für alle Sinne: unsere Reportage entführt Sie nach Andalusien in die grandiosen Städte Malaga, Sevilla, Granada und Cordoba.

 

Das Literarische Quartett is back: ZDF 2. Oktober 2015, 23 Uhr!

Gestern abend ist die mit Spannung erwartete Neuauflage des «Literarischen Quartetts»  im Berliner Ensemble unter der Leitung von Spiegel-Redaktor Volker Weidermann über die Bühne gegangen. Langweilig, wie es Literaturkritiker Roman Bucheli in einer Vorschau in der NZZ nannte, war es nun gerade nicht. Der gute Mann hatte das wohl mit dem mehrmaligen Votum ‚langweilig’ über wechselseitig besprochene Bücher der etwas zähen Gesprächsrunde mit Maxim Biller, Christine Westermann und Julie Zeh verwechselt. Nun ja, da ist schon noch Luft nach oben für das Quartett, ihrem grossen Vorbild Marcel Reich-Ranicki nachzueifern. Ob er wohl in der Verstärkung vom einstigen Kollegen Helmut Karasek von oben zugeschaut hat?  3. Oktober 2015

 

Alle Jahre wieder: die Frankfurter Buchmesse findet diesmal mit dem Gastland Indonesien vom 14. bis 18. Oktober 2015 statt.

Am 8. Oktober  vergab die Schwedische Akademie in Stockholm  den Literaturnobelpreis an die weissrussisch-ukrainische Autorin Swetlana Alexijewitsch. Wir gratulieren!

 

Der Deutsche Buchpreis 2015 ging an Frank Witzels Werk «Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969», Verlag Matthes & Seitz, Berlin. Die Jury begründete den Entscheid „mit dem im besten Sinne masslosen Romankonstrukt. Frank Witzel begibt sich auf das ungesicherte Terrain eines spekulativen Realismus. Mit dem Deutschen Buchpreis wird ein genialisches Sprachkunstwerk ausgezeichnet, das ein großer Steinbruch ist, ein hybrides Kompendium aus Pop, Politik und Paranoia“. Der Schweizer Buchpreis 2015 wird am 8. November in Basel verliehen. Die in Hamburg lebende Autorin Monique Schwitter erhielt den Schweizer Buchpreis, dotiert mit CHF 30.000 für ihren Roman «Eins im Andern», Droschl Verlag, Graz.

 

Der Schriftsteller Navid Kermani, Sohn iranischer Einwanderer, erhielt den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 2015 im Oktober in Frankfurt a.M. Der wohl bekannteste muslimische Intellektuelle Deutschlands nähert sich in  seinen Essays «Ungläubiges Staunen», Beck-Verlag 2015, dem christlichen Glauben auf einem katholischen Weg.

 

Von Donnerstag, 22. Oktober bis Sonntag, 25. Oktober findet das Festival „Zürich liest“ statt: www.zuerich-liest.ch; vom 5. bis 8. November das internationale Literaturfestival in Basel: www.buchbasel.ch.

 
Kunst 15 Zürich in der ABB Halle 550 vom 29. Oktober bis 1. November 2015
Die Messe Kunst 15 Zürich öffnet am 29. Oktober 2015 zum 21. Mal in Zürich-Oerlikon ihre Pforten. Seit mehr als zwei Jahrzehnten strömen jedes Jahr über 20.000 Menschen in die ABB Halle 550, wo das Publikum von zeitgenössischer Malerei über Multimedia und Fotografie bis zur Installation und Skulptur ein reiches Angebot findet. Rund 80 Galerien aus dem In- und Ausland präsentieren einen interessanten Querschnitt durch die globale bildende Kunst.  Zum dritten Mal verleiht die Messe Kunst Zürich  einen Förderpreis für die aktuellste zeitgenössische Kunst. Anna-Sabina Zürrer, vertreten durch die Luzerner Galerie Hilfiker Kunstprojekte, präsentiert in der Förderkoje eine Performance/Installation. Sie verwandelt mittels einer chemischen Lösung Diapositive in einen reinen Zustand ohne Bildinhalt. Eine alchemistische Position der Umwandlung von Sichtbarem in Unsichtbares. Den diesjährigen Förderpreis erhielt die Künstlerin Géraldine Honauer aus Zürich mit ihrer Rauminstallation «selfmade problems». Unicef ist ebenfalls mit einem Stand vertreten, syrische Kinder fotografieren ihr Leben im Flüchtlingslager. Der berührende Fotoband kann für 25 Franken erstanden werden. In der Galerie Monica De Cardenas, Lugano, entdecken wir Gemälde von Alex Katz. In der Zürcher Galerie Vertes Modern ist der Japaner Yayoi Kusama mit einem feuerroten Kürbis, ‚Pumpkin’, Acryl auf Leinwand (1993) präsent. Am Stand des Zürcher Vereins für Originalgrafik stellt Marcel van Eeden gluschtige mehrfarbige Dessert-Lithografien  zu erschwinglichen Preisen aus. In der Galerie Buchmann, Agra, fallen die Keramikskulpturen von Martin Disler und die Stickereien mit Ameisen-Sujets von Véronique Arnold ins Auge. Am Samstag, 31. Oktober ist der Performance-Tag der Kunst 15 in Zürich mit verschiedenen Interpreten. www.kunstzuerich.ch
 

 

Wir wünschen Ihnen einen spannenden und anregenden Oktober, machen Sie’s gut und
lassen Sie es sich mit Literatur & Kunst gutgehen.

Herzlich
Ihre Ingrid Isermann, Herausgeberin

Editorial