FRONTPAGE

Editorial Nr. 38

Editorial Nr, 38

Mai 2014

 

Liebe Kunstinteressierte, liebe Leserinnen und liebe Leser
Herzlich willkommen!

Ahoi! Haben sich die Gemüter in Zürich wieder beruhigt? Nun steht er da, der Kran, aber so wie eine Schwalbe noch keinen Sommer macht, macht ein Kran noch keine Kunst. Ein Kunststück ist es hingegen schon, dass der rostige, altehrwürdige Hafenkran sozusagen als Pensionär aus Rostock nun am trendigen Zürcher Limmatquai inmitten der schmucken Zunfthäuser steht. Wie es dazu kam? Man wollte im Rahmen eines Wettbewerbs für diesen Platz keinen Glaskubus und nicht im Glashaus sitzen, verständlicherweise. Romantiker, die immer noch von der Freien Sicht aufs Mittelmeer träumen, dachten daran, diese Träume ins Bewusstsein zu hieven, ja, mittels eines Krans. Für neun Monate, exakt die Zeit einer Schwangerschaft bis zur Geburt, weilt er nun in Zürich, als Kind einer vergangenen industriellen Epoche, die auch in der Schweiz schon verabschiedet wurde, und sorgt für munteren Gesprächsstoff.

Ich stamme aus der Hafenstadt Hamburg und so sind Kräne für mich ein vertrautes Bild. Auch der Basler Rheinhafen wartet mit imposanten Hafenkränen auf. Und schaut man von der Quaibrücke am Bellevue aufs Grossmünster, sieht man gegenüber nicht nur den Hafenkran, sondern auch die Baukräne der geschäftigen Stadt Zürich in den Himmel ragen. Ein kleines Gesamtkunstwerk! Soll es uns vielleicht auch daran erinnern: «… the times there are a-changing…»? 

Und noch ein Novum ist aus Zürich zu vermelden: der neue Sechseläutenplatz vor dem Opernhaus mit dem Valser Quarzitparkett, der mit 16 000 Quadratmetern der zweitgrösste Platz Europas nach dem Markusplatz ist. Das sind doch europäische Dimensionen, nachdem auch die neue Shoppingmeile hinter dem Hauptbahnhof auf den Namen Europaallee getauft wurde. Welcome im weltoffenen Zürich!

 

 

Was finden Sie im Monat Mai auf Literatur & Kunst?

Helen Meier, porträtiert von Charles Linsmayer über ihr neues brillantes Buch «Kleine Beweise der Freundschaft». Ein besonderes Lesevergnügen über Zeiten und kleine Ewigkeiten!

Und Charles Linsmayer legt auch selbst einen Band vor, der Ihr Interesse verdient: «Schreib oder stirb!», 129 Schicksale der schreibenden Zunft, von Ciro Alégria bis Stefan Zweig, mit einem Vorwort über den Autoren von Manfred Papst, seines Zeichens Feuilleton-Redaktor in der NZZ, das wir exklusiv auf Literatur & Kunst publizieren.

 

Apropos: Das Theater Neumarkt übernimmt die «Hottinger Literaturgespräche». Seit 2011 führt der Publizist und Literaturkritiker Charles Linsmayer unter dem Namen «Hottinger Literaturgespräche» in Zürich erfolgreich eine literarische Veranstaltungsreihe durch. Erst im Restaurant Europa an der Klosbachstrasse, seit Herbst 2012 im grossen Saal der Reformierten Kirchgemeinde Hottingen an der Asylstrasse beim Römerhof, lud er Exponenten der Schweizer Literatur zu Gesprächen über ihr Leben und Werk ein. Nun werden die «Hottinger Literaturgespräche» ab Herbst 2014 ins Programm des Zürcher Theaters Neumarkt integriert. In der nächsten Saison sind bei Charles Linsmayer im Theater Neumarkt zu Gast: Thomas Hürlimann (29.9.), Adolf Muschg (31.10.), Erica Pedretti (24.11.), Alex Capus (26.1.15) und Arno Camenisch (23.2.15).   

 

 

Clemens J. Setz – was der junge Schriftsteller und Lyriker, geboren 1982 in Graz, zu sagen hat, lässt aufhorchen: «Die Vogelstrausstrompete», Suhrkamp Verlag 2014.

 

Kunst und Schriftsteller – eine lehrreiche Inspiration? Bei Robert Walser auf jeden Fall. Die Gruppenausstellung zeigt erstmals, wie vielfältig Robert Walsers Schaffen und seine Vita auf die zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstler ausstrahlten. Die Schau «Ohne Achtsamkeit beachte ich alles» ist ab 10. Mai im Aargauer Kunsthaus zu sehen.

 

Aus den USA erreichen uns laufend neue Katastrophen-Filmszenarien, Zeitzeichen einer bedrohten Welt? Vom eisigen «Snowpiercer» bis zu den Elektrohirnen in «Transcendence» mit Johnny Depp. Ein Bericht von Rolf Breiner. Ferner: Aktuelle Filmtipps.

 

Der Architekt Peter Zumthor wurde mit einer fünfbändigen Edition über sein Werk geehrt, Verlag Scheidegger & Spiess, 2014. Ein Bericht über sein faszinierendes Oeuvre von Fabrizio Brentini. «Swiss Lessons» geht der Frage nach, wie die Schweiz 2048 aussehen könnte, erschienen bei Park Books, 2014.

 

Das Museum für Gestaltung widmet der Typografie von Weingart eine grosse Ausstellung, vom 7.5. bis 28.9.2014. Wolfgang Weinhart hat die moderne Schweizer Typografie revolutioniert und damit internationale Designgeschichte geschrieben. www.museum-gestaltung.ch

 

Thomas Zaugg, geboren 1985, hat eine umfangreiche Untersuchung über die Motivationen des Volkstribunen Christoph Blocher angestellt und geht dabei in seinem Buch in die Vergangenheit der Mythen und Vorbilder zurück, die auch die Vorstellungen der Réduitschweiz prägten. Lesen Sie exklusiv einen Auszug aus dem neuerschienenen Buch «Blochers Schweiz», NZZ Verlag, 2014.

 

Buchtipps: Colin McCann’s Roman «Transatlantik» ist ein kraftvolles Epos über die transatlantischen Zeitläufe über Generationen und Meere hinweg, Rowohlt Verlag, 2014. Die Schweizer Schriftstellerin Gertrud Leutenegger überrascht mit einem neuen Werk: «Panischer Frühling», als der Vulkan auf Island alles lahmlegte und eruptive Erfahrungen evozierte, Suhrkamp Verlag, 2014. «Milano Centrale» heisst das malerische Werk von Giorgio Avanti, mit Aphorismen und Gedichten, Edition BAES, 2014.

 

Shakespeare forever! England feiert den 450. Geburtstag seines grossen Dichterfürsten, in London im Globe Theatre, das auch mit «Hamlet» auf Weltreise geht. Ein Bericht von Marion Löhndorf. Wieder mal ein Grund, London zu besuchen!

 

Was  lange währt, wird endlich gut… Das Centre Le Corbusier wurde am 14. Mai von der Stadt Zürich übernommen, vertragsgemäss nach 50 Jahren Ausstellungsbetrieb der Gründerin Heidi Weber. Das letzte Bauwerk von Corbusier kann damit erweiterte Öffnungszeiten anbieten. Bis Ende Oktober ist es von Mittwoch bis Sonntag 12 bis 18 Uhr geöffnet. Für den Museumsbetrieb bis 2016 hat der Stadtrat rund eine Million Franken bewilligt. Bis dahin wird auch abgeklärt, inwieweit das berühmte Gebäude von Corbusier saniert werden muss. Später soll eine öffentlich-rechtliche Stiftung das Museum betreiben, über deren Gründung und Betriebsmittel der Gemeinderat entscheiden muss. Für Stadtpräsidentin Corine Mauch handelt es sich um ein kulturelles Juwel und Meisterwerk Le Corbusiers, dem ehrenvollen Lebenswerk von Heidi Weber.

 
24. Mai 2014. Vor rund 600 Gästen, darunter viele Kinder sowie namhafte Persönlichkeiten aus Kultur, Gesellschaft und Politik, wurden im Schauspielhaus Pfauen in Zürich die kreativsten Sammelideen der «Sternenwoche 2013» ausgezeichnet. Die Sternenwoche ist eine gemeinsame Hilfsaktion von UNICEF Schweiz und der Zeitschrift „Schweizer Familie“ unter dem Motto «Kinder helfen Kindern».

 

Die Laudatoren Sandra Studer, Rob Spence, Marco Rima und Christian Schenker holten die Gewinnerinnen und Gewinner einzeln auf die Bühne und ehrten sie für ihre Sammelaktion mit einem «Sternenwoche Award». Anatole Taubman, UNICEF Spokesperson für vulnerable Kinder, dankte den zehn Teams aus Nachbarschaften, Vereinen und Gemeinden, die im Sternenwoche-Jubiläumsjahr die Herausforderung meisterten, jeweils 10‘000 Franken und mehr zu sammeln. Für musikalische Unterhaltung sorgten Ritschi und Christian Schenker. Durch den Anlass führten die TV-Moderatorinnen Conny Brügger und Julie Arlin.Elsbeth Müller, Geschäftsleiterin von UNICEF Schweiz, dankte allen Kindern und Beteiligten für ihr grosses Engagement: «Dank der tatkräftigen Unterstützung aller Beteiligten kann den Flüchtlingskindern in Liberia der Zugang zu sauberem Wasser, gesunder Ernährung und umfassender Gesundheitsversorg sowie der Schulbesuch ermöglicht werden – und damit eine Perspektive auf eine bessere Zukunft».

 

 

Filmfestspiele Cannes 2014: Ein Altmeister und viele hochkarätige Namen

Das Festival von Cannes findet von 14. bis 25. Mai an der Côte d’Azur statt. Vorsitzende der diesjährigen Jury ist die neuseeländische Regisseurin Jane Campion («Das Piano»). Sie folgt auf den amerikanischen Regisseur Steven Spielberg. Das Festival wird mit Hollywood-Prominenz eröffnet: Nicole Kidman spielt Grace Kelly in Olivier Dahans «Grace of Monaco». Die diesjährigen Teilnehmer des 67. offiziellen Wettbewerbs um die Goldene Palme sind neben dem 83-jährigen Nouvelle Vague-Star Jean-Luc Godard, der mit «Adieu au langage» ins Rennen geht, sind Ken Loach mit «Jimmy’s Hall», David Cronenberg mit «Maps To The Stars», Atom Egoyan mit «Captives» und Tommy Lee Jones mit «The Homesman» mit von der Partie.
Neben dem Eröffnungsfilm zeigt Olivier Assayas «Sils Maria», prominent besetzt mit Kristen Stewart und Juliette Binoche, an der Croisette. Ferner  gehen das Biopic «Yves Saint Laurent» von Bertrand Bonello, «Deux jours, une nuit» von den Dardenne-Brüdern und Michel Hazanavicius‘ «The Search» in den Wettbewerb.

Am Samstagabend, 24. Mai, ging das 67. Filmfestival Cannes mit der Preisverleihung zu Ende. Mit der Goldenen Palme wurde der hervorragende Film «Winter Sleep» des türkischen Regisseurs Nuri Bilge Ceylan ausgezeichnet. Der Preis der Jury geht an den erst 25-jährigen Frankokanadier Xavier Dolan für sein Familiendrama «Mommy» sowie an den 83-jährigen Jean-Luc Godard für seine Filmcollage «Adieu au langage». Der Avantgarde-Altmeister experimentiert erstmals mit 3-D und erzielt bemerkenswerte Bildeffekte, blieb aber seinem erratischen, nichtnarrativen Stil treu. Als bester Darsteller wurde der britische Schauspieler Timothy Spall für seine Verkörperung als «Mr. Turner» in Mike Leighs Filmporträt des Malers ausgezeichnet. Den Preis als beste Schauspielerin erhielt die Amerikanerin Julianne Moore für ihre Rolle in «Maps to the Stars». Sie spielt in David Cronenbergs schwarzhumoriger Hollywood-Satire eine Schauspielerin, die ihre eigene tote Mutter verkörpern will. Den Preis für das beste Drehbuch gewannen die Russen Oleg Negin und Andrey Zvyagintsev für «Leviathan». Der Amerikaner Bennett Miller wurde mit dem Regiepreis ausgezeichnet. Sein Film «Foxcatcher» erzählt die wahre Geschichte zweier Goldmedaillengewinner im Ringen. Der Preis des Grossen Preises der Jury ging an die schweizerisch-italienische Koproduktion «Le meraviglie» der italienischen Regisseurin Alice Rohrwacher.

 

 

Die Solothurner Literaturtage locken mit «Stimmen – Voix – Voci – Vusch»: an den 36. Literaturtagen in Solothurn werden rund 100 Autorinnen und Autoren zu Gast sein. Eröffnet werden die Literaturtage am 30. Mai im Landhaussaal von Lukas Bärfuss, der seinen neuen Roman «Koala» vorstellt. Ihm wird auch am Sonntag, 1. Juni, der Solothurner Literaturpreis verliehen. Neben Lesungen mit Dorothee Elmiger, Sivia Tschui oder Henriette Vasarelyi, sind auch Autoren wie Reto Hänny, Gertrud Leutenegger oder Rolf Niederhauser mit neuen Büchern präsent. Das genaue Programm erfahren Sie unter www.literatur.ch.

 

Wir wünschen Ihnen einen wonnigen Monat Mai und viele abenteuerliche Lesestunden, ob auf Balkonien, unter Bäumen oder beim Meeresrauschen.

 

Herzlich
Ihre Ingrid Isermann, Herausgeberin

 

 

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