FRONTPAGE

«Eklat um das Corbusier-Haus in Zürich»

Von Ingrid Isermann

 

Heidi Weber ist die Initiantin und Besitzerin des Centre Le Corbusier in Zürich, dem letzten bedeutenden Bauwerk Le Corbusiers. 50 Jahre hat die ehemalige Innenarchitektin das Werk Le Corbusiers verwaltet, betreut und mit Herzblut für das Monument der Architektur gekämpft. Nun wird der Baurechtsvertrag mit der Stadt Zürich im Mai 2014 hinfällig. Die Stadt pocht auf ihr Recht, das Museum im Zürcher Seefeld an der Höschgasse für sich zu beanspruchen.

 

Ingrid Isermann stellte Heidi Weber Fragen zur komplexen Sachlage:

Was geschieht, nachdem der Baurechts-Vertrag nach 50 Jahren im Mai 2014 ausläuft? Fällt das Corbusier-Museum dann automatisch an die Stadt Zürich? Oder bleibt es in Ihrem Besitz?
 

Heidi Weber:
Gemäss Baurechts-Vertrag soll das Gebäude 2014 an die Stadt Zürich übergeben werden. Die Abrechnung der Erstellungskosten von 1967 beträgt 1.7 Millionen Franken. Laut Vertrag soll die Stadt Zürich im Jahr 2014, 70 Prozent der Anlagekosten mir vergüten. Das heisst, ich bekomme nach 50 Jahren (nicht indexierte) 1.130 Mio. Franken. Im heutigen Index wäre das Haus 16.350.000 Mio. wert. Paradox ist in diesem Zusammenhang, dass die Stadt Zürich im Besitz eines Ölbildes von Le Corbusier ist und dieses Werk für 1.5 Millionen Franken versichert hat und auf der anderen Seite will man das Meisterwerk seiner Architektur zu einem Spottpreis erwerben.

 

 

Sie erwähnten, dass die Stadt Zürich, Präsidialabteilung, bereit sei, Ihnen nur 1.130.000 Million für die Abgeltung bzw. den Kauf des Museums zu vergelten. Wer kann oder sollte den Wert des Museums Le Corbusier schätzen?

 

Heidi Weber:
Gemäss der Schätzung einer Persönlichkeit (mehrere Jahre Direktor bei Sothebys) ist das letzte Bauwerk von Le Corbusier heute zwischen 40 bis 70 Mio. Franken wert. Natürlich ist der Betrag ohne Inhalt von originalen Werken geschätzt. Die Gemälde, Collagen, Skulpturen und Lithografien sind separat noch einige Millionen Franken wert.
Die Stadt verteilt ihrerseits jährlich für Kultur Subventionen in Höhe von 106 Mio. Franken. Das sind hohe Beträge, wobei das Opernhaus und das Schauspielhaus Zürich mit den grössten Beiträgen subventioniert werden. Das Centre Le Corbusier gehört nicht zu den Subventionsempfängern, das heisst, die Stadt Zürich hat in den vergangenen 50 Jahren nie nur 100 Franken als Beitrag an die Betriebskosten geleistet. Auch die Ausstellungs- und Unterhaltskosten, die in die Millionen gingen und die für mich eine grosse finanzielle Belastung waren, musste ich allein bewältigen.

 

 

Wenn es mit der Stadt Zürich nicht zu einer Einigung kommt, welche Schritte werden Sie unternehmen?

 

Heidi Weber:
Ich bin im Gespräch mit meinem Anwalt bezüglich dem weiteren Vorgehen. Mein Wunsch und meine Ueberzeugung ist, dass mein Lebenswerk nicht in staatliches Gedankengut übergeht. Mir geht es in erster Linie nicht ums Geld, sondern dass das Haus in meinem Sinne weitergeführt wird. Aus diesem Grund habe ich schon vor ein einigen Jahren eine Stiftung ins Leben gerufen, die «Heidi Weber-Foundation» mit dem Gedanken, dass ich das Haus der Stiftung einmal schenken würde. Nach mehreren Gesprächen mit dem Kulturchef der Stadt Zürich, Peter Haerle, hat er mir schriftlich mitgeteilt, dass die Stadt Zürich nicht einverstanden sei, dass das Museum in meine Stiftung eingeht. Mir ist klar, dass die Stadt Zürich meine Geste nicht akzeptieren will, denn so würde man die Oberherrschaft über das Museum nicht besitzen. Auch wenn das «Centre Le Corbusier» der Stiftung gehört, wird die Stadt weiterhin von verschiedenen Werbemassnahmen profitieren können, wie zum Beispiel den «Zürich Guide». Alljährlich pilgern Abertausende Le Corbusier-Inspirierte und Bewunderer aus aller Welt zum letzten Bauwerk von «Le Corbusier».

 

 

Architektur-Ikone Le Corbusier

Le Corbusier ist der weltweit berühmteste Schweizer Architekt des 20. Jahrhunderts, Maler, Plastiker, Städtebauer. Die Universität Zürich und die ETH verliehen ihm die Ehrendoktorwürde. Mit seinem Namen verbinden sich avantgardistische Projekte wie die Wohnbauten in Marseille, in Chandigarh/Indien oder die Kapelle in Ronchamp/Frankreich. 2012 feierte seine Geburtsstadt La Chaux-de-Fonds den berühmten Sohn Charles-Edouard Jeanneret (1887-1965) mit Ausstellungen sowie Führungen in das von ihm 1912 erbaute Elternhaus «La maison blanche» (siehe www.lecorbusier2012.ch sowie Literatur & Kunst, Archiv Kunst 12/2012). In Zürich verbindet sich der Name Le Corbusier untrennbar mit Heidi Weber, die das einzige Bauwerk Corbusiers in der deutschen Schweiz realisierte. Das Bauwerk aus Glas und Stahl, das unter Denkmalschutz steht, wird von Le Corbusier-Verehrern aus aller Welt besucht.

 

Eine Frau mit Visionen 

Die Frau hat Zivilcourage, sie überzeugt den Meister, ein Haus zu entwerfen, in dem sein Mobiliar, Zeichnungen, Plastiken, Bilder und Dokumentationen Platz finden, und das als Museum Le Corbusier Reverenz erweisen soll, wie es die offizielle Schweiz nie getan hatte. Mehrere Entwürfe waren in Zürich nicht realisiert worden. Und der Meister setzte sich an den Zeichentisch und entwarf für Heidi Weber das Bauwerk in elegantem Stil aus Glas und Beton. Das Heidi-Weber-Haus in Zürich ist das letzte bedeutende Bauwerk Le Corbusiers. Der Pavillon mit schwerelos freischwebendem Dach, das die Schwerkraft aufzuheben scheint, zeigt sich von jeder Seite baulich und farblich anders und erinnert an Mondrians Farbkompositionen. 1967 wurde das architektonische Juwel eingeweiht. Le Corbusier konnte die Eröffnung nicht mehr miterleben, er war 1965 im Meer bei Cap Martin ums Leben gekommen.

 

Von der schwerelosen Leichtigkeit und der bodenlosen Schwerkraft

Die Entstehung ist ein Psychokrimi, «against all odds» setzte Heidi Weber ihre Initiative konsequent in die Tat um und zog die Realisation von 1964 bis 1967 allein durch. Ihre Anfragen an die Stadt Zürich blieben enttäuschend ergebnislos. Die Stadt Zürich, die das Grundstück 1963 im Baurechtsvertrag über 50 Jahre an Heidi Weber vergab, spielte keine glanzvolle Rolle und beteiligte sich nicht an den Bau- und Betriebskosten. Im Laufe der Jahre gab es immer wieder Reibereien und Bestrebungen, wie 1977 mit der vorzeitigen Ausübung des «Heimfallsrechts» seitens der Stadt, sie zu enteignen, was die Besitzerin mithilfe eines Anwalts abwehren konnte.

 

Die Präsidialabteilung der Stadt Zürich und die wechselnden Stadtpräsidenten zeigten der selbstbewussten und erfolgreichen Galeristin die kalte Schulter. «Wenn ich ein Mann gewesen wäre», meint sie, «wäre mir das so nie passiert. Mit einem Mann wäre man anders umgegangen». Es waren die Zeiten, als die Schweizer Frauen noch um ihr Stimmrecht kämpfen mussten, das ihnen erst 1971 gewährt wurde. Die Corbusier-Mäzenin galt als eigenwillig und schwierig, die ihrerseits als Entrepreneurin mit kleinkariertem Beamtendünkel nichts am Hut hatte.

 

Der Baurechtsvertrag wird am 13. Mai 2014 auslaufen und die Frage ist, wie es mit dem Centre Le Corbusier weitergeht. Heidi Weber sieht ihr Lebenswerk bedroht und möchte das Museum in eine privatwirtschaftliche Stiftung überführen. Die Stadt will das Haus zu ihren Konditionen übernehmen und nur einen Bruchteil der Kosten dafür zahlen (siehe Interview mit Heidi Weber). Die jetzige Besitzerin möchte das Haus «nicht verstaatlichen», wie sie sagt, sondern ihr Lebenswerk in eine privatwirtschaftliche Stiftung überführen, die weiterhin für das begehrte Bauwerk zuständig ist und Ausstellungen durchführt.

 

Notabene ist in jedem Zürich-Guide das architektonische Juwel Corbusier-Museum aufgeführt und hat sich als bekannter Touristen-Magnet etabliert.
Schmückt sich die Stadt mit fremden Federn? Behandelt sie das weltweit einmalige Corbusier-Museum als Stiefkind im Gegensatz zu anderen Museen und zahlreichen Subventionsempfängern? Warum wird das einzige Bauwerk Corbusiers in der deutschen Schweiz als Kulturträger nicht subventioniert wie beispielsweise nach langem Ringen auch das historische Cabaret Voltaire?

Im Umgang mit Künstlern und Sammlungen hat sich die Stadt Zürich bisher nicht mit Ruhm bekleckert, man denke nur an Gottfried Honegger, der seine umfangreiche Sammlung der Konstruktiven Kunst der Präsidialabteilung anbot, die ihm beschied, dass man dafür keinen Platz habe, worauf Honegger nach Südfrankreich emigrierte und in Mouans-Sartoux ein Museum von der französischen Regierung, erbaut von den Schweizer Architekten Gigon/Guyer, erstellt wurde. Besitzen die Verantwortlichen in Zürich zuwenig Fingerspitzengefühl und Sensorium für die Kunst? Wie geht es weiter mit der Wahrscheinlichkeitstheorie und komplexer Analyse? Wie steht es mit dem Image Zürichs als ‚Kulturstadt‘?

 

 

To be continued…

Als erste Stadtpräsidentin besuchte Corine Mauch nach ihrer Wahl 2009 das Centre Le Corbusier und würdigte Heidi Webers Engagement  mit einem Blumenstrauss, sie bedauerte, dass ihr in all den Jahren von der Stadt nicht entgegengekommen wurde. Es wäre nun an der Zeit, die grossen Verdienste Heidi Webers um die Kultur in Sachen Centre Le Corbusier zu würdigen und ihr nach 50 Jahren Museumsbetrieb die gebührende Anerkennung zu zollen. Überdies sind auch Emotionen involviert ausser buchhalterischer Zahlen: Ein Museum von Le Corbusier aus dem Nichts zu zaubern, ein Gesamtkunstwerk, verdient mehr als das kalte Kalkül einer Übernahme, sondern mit Goodwill und common sense für die Stiftung Museum Centre Le Corbusier eine Lösung zu finden.

Ein Gerichtsstreit könnte die Stadt Zürich teuer zu stehen kommen, die nicht nur einige Millionen für die Ablösung zahlen müsste. Heidi Weber könnte auch das wertvolle Mobiliar aus dem Haus Corbusier entfernen, sodass es nicht mehr als Museum weitergeführt werden könnte. Nicht ausgeschlossen ist, dass das Centre Le Corbusier im Ausland wieder erstellt wird. Auch eine Volksabstimmung über den Verbleib des Corbusier-Juwels in Zürich schliesst die Initiantin nicht aus.

Handlungsbedarf ist jedenfalls angesagt, dass beide Seiten zu einer gütlichen Lösung Hand bieten, um die verkrusteten Fronten aufzubrechen und das weltberühmte Museum in Zürich zu behalten. Im Oktober soll die zweite Verhandlung mit der Präsidialabteilung der Stadt Zürich stattfinden. Happy-end für das Heidi Weber Haus, Centre Le Corbusier in Zürich?

 

 

Heidi Weber Museum, Centre Le Corbusier

Höschgasse 8

CH 8034 Zürich

+41 (0)44 383 64 70

 

Sommerausstellung Juli bis September 2013

Le Corbusier. Machines For Living.

Furniture: A critical history.

 

 

www.lecorbusier.tagesanzeiger.ch

 

 

NACH OBEN

Kunst