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«Hot Spot Istanbul: work in progress»

Von Ingrid Isermann

Im Museum Haus Konstruktiv ist die erste umfangreiche Ausstellung türkischer abstrakter, konkreter und konzeptueller Kunst in der Schweiz seit den späten 1940er Jahren bis zur Gegenwart zu entdecken – und eine junge, weltweit vernetzte Künstlergeneration.

Seit einigen Jahren hat sich im melting pot Istanbul, – auch dank der beachteten Biennale von Istanbul -, eine junge, vitale Kunstszene etabliert, die zwischen Tradition und Innovation in der Stadt Stadt am Bosporus eine ideale Plattform gefunden hat. Allerorts entstehen neue Galerien und Art Spaces, die ins Ausland ausstrahlen.

 

Istanbul, flirrend, vibrierend, attraktiv, besteht aus einem europäischen und einem asiatischen Stadtteil, der bedeutsam von kulturellem Reichtum der 15-Millionen-Metropole zeugt. Wie die gegenwärtige politische Situation zeigt, sind Irritationen an der Tagesordnung; die Jugend protestiert auf dem Taksim-Platz für ihre kulturelle Freiheit.

Die Künstler suchen den Kontakt mit der Welt; viele der jungen Künstler leben in der Türkei, haben gleichzeitig auch an anderen Orten ein Atelier und sind weltweit gut vernetzt. Das Ausstellungsprojekt basiert auf einer engen Zusammenarbeit mit den KünstlerInnen, Sammlungen und Privatpersonen.

 

Die Ausstellung Hot Spot Istanbul ist in fünf verschiedene Kapitel gegliedert, wobei jedes Kapital autonom funktioniert, jedoch in Zusammenhang mit Kunstgeschichte und Aktualität steht. Zeitgeschichtliche Entwicklungen und ihre Auswirkungen auf die geometrische und konkrete Kunst, Minimal Art sowie Konzeptkunst werden sicht- und nachvollziehbar. Die feinen Grauzonen zwischen den verschiedenen Richtungen werden dabei ebenso ausgelotet wie die Hinterfragung der kunsthistorischen „Ismen“.

 

Und worin besteht das Besondere der türkischen Kunst? Türkische Kunst ist genauso heterogen wie es die Schweizer Kunst oder jede andere nationale Kunst auch ist. Es lassen sich viele Einzelpositionen der abstrakten und der konkret-konzeptuellen Kunst entdecken, in der Städtenamen wie Istanbul, New York, Paris, Berlin oder London seit Anfang des 20. Jahrhunderts immer wieder auftauchen.

 

Wer die Werke des Schriftstellers Orhan Pamuk kennt, versteht die Brennpunkte Istanbuls und taucht ein in die melancholische Schwermut, die der Schriftsteller anschaulich beschreibt. Istanbul ist spannend und spannungsreich, so anregend wie aufregend, wie nicht zuletzt auch die Arbeiten der jungen türkischen Kunst.

An der Schnittstelle zwischen Skulptur und Environment zeigt der Künstler Can Altay (*1975) in der Eingangshalle einen begehbaren Parcours aus Holz, in dem Werke der späten 1940er bis heute, wie u.a. von Burhan Dogançay (1929-2013), Renée Levi (*1960), Ahmet Oran (*1957) den Werken von Schweizer Konkreten wie Verena Loewensberg, Max Bill oder Camille Graeser gegenübergestellt werden.

 

Zur Ausstellung, kuratiert von Dorothea Strauss, erscheinen drei Publikationen im Kehrer Verlag und bei JRP / Ringier.
Hot Spot Istanbul wird auf vier Stockwerken gezeigt: Gemälde, Zeichnungen, Skulpturen, Videos, Installationen und Environments.

 

 

 

Ekrem Yalçindag – Konzentrische Farbräume

Ekrem Yalçindag, 1964 in Gölbasi geboren, ist ein Wanderer zwischen den Welten, lebt gern zwischen den Kulturen und braucht immer wieder den Abstand zum jeweiligen Ort, um Bilder aus seinem bewegten Leben zu entwickeln. Sein Kunststudium hat er in Izmir und Frankfurt a.M. abgeschlossen. Heute lebt er in Berlin und Istanbul, wo in seinen Ateliers
Assistenten nach präzisen Vorgaben seine aufwendig detaillierten Bilder malen. Er ist Konzeptkünstler und Maler gleichermassen. Kulturwissenschaften und Philosophie bieten ihm wichtige Impulse und Echoräume für die Konzeption seiner Werke. Deutlich wird dies insbesondere in der Nuancierung seiner Farbpalette, bei vermeintlich monochromen Bildern, indem er bei einem Werk von 160 x 140 cm Grösse über 2000 verschiedene Abstufungen der Farbe Rot verwendet. So entsteht ein malerisch vibrierender roter Farbraum, der sich konzentrisch auszudehnen scheint.

 

Ekrem Yalçindag
Herausgegeben von Dorothea Strauss & Museum Haus Konstruktiv, Zürich
Kehrer 2013.

 

Ebru Uygun:  Mixed Media – Konstruktion einer Dekonstruktion

Ebru Uygun, 1974 in Istanbul geboren, hat in den vergangenen zehn Jahren eine komplexe Art entwickelt, um mit dem Medium Malerei umzugehen. Tatsächlich ist es eine Verbindung zwischen dem Malakt auf der Leinwand und deren Dekonstruktion, indem die Malerin die bearbeiteten Leinwände in Streifenbahnen zerreisst und die Streifen in neuer Abfolge, sich teilweise überlappend, auf einer weiteren Leinwand collagiert. Dies ergibt eine höchst ansprechende, mehrdimensionale Optik. Ebru Uygun lässt so ein neues Bild entstehen, mal in Wellenformen, mal in vertikalen oder horizontalen Linien von plastischen Strukturen. Somit wird die Dekonstruktion zur neuen Konstruktion. Anknüpfungspunkt spielt auch die konkrete Poesie, in der Sprache Material wird. Ebru Uygun zeigt in der Ausstellung Hot Spot Istanbul vorwiegend Weiss- und Schwarztöne wie auch changierende Rottöne.

 

Ebru Uygun
Herausgegeben von Dorothea Strauss & Museum Haus Konstruktiv
Kehrer 2013

 

 

HOT SPOT ISTANBUL

Der junge, in New York lebende Fotograf Pari Dukovic hat die KünstlerInnen für HOT SPOT ISTANBUL porträtiert. Die Bilder aus den Ateliers und Strassencafés, wie auf der Istiklal Caddesi, dem geschäftigen Boulevard des Stadtteils Beyoglu der pulsierenden Metropole, bilden den Auftakt des Katalogs.

Die Publikation stellt 21 türkische KünstlerInnen vor:

Can Altay, Adnan Coker, Nejad Melih Devrim, Burhan Dogancay, Serhat Kiraz, Renée Levi, Ahmet Öktem, Abdurrahman Öztoprak, Ahmet Oran, Mübin Orhon, Seçkin Pirim, Sarkis, Nejat Sati, Arslan Sükan, Erdem Tasdelen, Canan Tolon, Seyhun Topuz, Ömer Uluç, Ebru Uygun, Ekrem Yalçindag, Fahrelnissa Zeid.

 

Hg. Dorothea Strauss, Christoph Doswald

Stiftung für konstruktive, konkrete und konzeptuelle Kunst,

Museum Haus Konstruktiv Zürich 2013.

Porträts Pari Dukovic

Texte: Yasemin Bay, Christoph Doswald, Hans Irrek,

Beral Madra, Methap Öztürk, Burcu Pelvanoglu,

Dorothea Strauss, Thomas Wulffen.

JPR / Ringier, Zürich 2013. dt/e.

ISBN 978-3-03764-351-8

www.hauskonstruktiv.ch
Ausstellung 6.Juni bis 22. September 2013

 

 

 

 

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