FRONTPAGE

«Ein spannender Zürich-Krimi zwischen Genforschung und Goldküste: Tiefes, dunkles Blau»

Von Ingrid Isermann

 

Biotech, Genforschung, Goldküste und das Rotlichtmilieu stehen im Fokus des Zürich-Krimis von Seraina Kobler. Der Zürichsee mit traumhafter Aussicht auf die Berge bildet den Hintergrund in der Ermittlung des ersten Falls der jungen Seepolizistin Rosa Zambrano.

Ein neuer Zürich-Krimi, der es in sich hat! Kurz nachdem Seepolizistin Rosa Zambrano in einer Kinderwunschpraxis am Zürichsee Eizellen einfrieren lässt, wird ihr Arzt tot aufgefunden. Wem stand Dr. Jansen, der nebenbei ein erfolgreicher Biotech-Unternehmer war, im Weg? Erste Spuren führen in eine Villa an der Goldküste, in die alternative Szene, in Genforschungslabore und ins Rotlichtmilieu und zu vier Frauen, die sich jede auf ihre Weise nicht mit dem abfinden wollen, was Biologie oder Schicksal vorgeben.

 

Eigentlich ist Rosa Zambrano Seepolizistin geworden, weil sie lieber über den Zürichsee blickt als in menschliche Abgründe. Doch in einem Fischernetz wird eine Leiche geborgen, die ihr bekannt vorkommt. Erst wenige Tage zuvor hatte Rosa einen Termin in der Kinderwunschpraxis. Dr. Jansen umgab sich mit vielen Frauen, von seiner Ehefrau wollte er sich gerade scheiden lassen. Seine Geschäftspartnerin ist nicht gut auf ihn zu sprechen. Und von seiner jungen Geliebten fehlt jede Spur.

 

An der Seite des attraktiven Martin Weiss von der Kriminalpolizei Zürich ermittelt Rosa in einem vertrackten Fall, der in verborgene Ecken Zürichs und in die moralischen Zwickmühlen der Genforschung führt. Man folgt der smarten Polizistin Rosa Zambrano gerne auf ihren Spuren durch die schönen Winkel der Stadt am Zürichsee. Nicht nur für Zürich-Fans eine ideale, flüssig geschriebene Sommerlektüre. Und natürlich wird es auch eine Fortsetzung geben!
 
Buchpremiere Theater am Neumarkt, 9. Mai 2022, 19.30 Uhr.
Moderation: Nora Zukker.

 

 

Seraina Kobler, geboren 1982 in Locarno, arbeitete nach dem Studium der Linguistik und Kulturwissenschaften als Journalistin unter anderem bei der «Neuen Zürcher Zeitung», bevor sie sich als Autorin selbstständig machte. 2020 erschien ihr Romandebüt «Regenschatten», und sie gewann den Essaypreis der Zeitung «Der Bund». Ihren ersten Zürich-Krimi um die Seepolizistin Rosa Zambrano hat Seraina Kobler in ihrem Atelier im Schwarzen Garten inmitten der Zürcher Altstadt geschrieben. Sie lebt mit ihrer Familie in Zürich.

 

 

Seraina Kobler
Tiefes, dunkles Blau
Diogenes, Zürich 2021
Paperback, 272 S.
CHF 21. € 16.
ISBN 978-3-257-30091-8

 

 

 

«Raymond Chandler: Krimi-Klassiker Der grosse Schlaf»

 

Krimi-Autor Raymond Chandler ist Kult, beziehungsweise sein Privatdetektiv Philip Marlowe, der sich lakonisch und cool gegen flirtende Frauen wie gegen grosse und kleine Gangster behauptet. Marlowe hat eine eigene Moral, Alkohol, Zigaretten, Spielsucht und Sex sieht er entspnnt, aber Korruption hat bei ihm keine Chance.

 

Und er empfindet Respekt für die Loyaliät von kleinen Gaunern. Hinter seiner sprachlichen Coolness verbirgt sich eine ethische Tiefendimension, daher gehen die berühmten Marlowe-Romane über eine Action-Show hinaus. Der durchkomponierte Sound und die Marlow’sche Lebenshaltung machen Raymond Chandler zu zeitloser Literatur.

 

Als «Schwarze Serie Noir» ging diese Art Kriminalroman in die Welt hinaus und wurde auch zu einem eigenen Kino-Genre. Der Diogenes-Verlag präsentiert eine Neuübersetzung seiner Werke, um auch die literarische Qualität seiner Sprache in den Fokus zu rücken.
Raymond Chandler ist ein urbaner Autor, der das Los Angeles der bewegten 20er, 30er und 40er Jahre des 20.Jahrhunderts erzählt, als Kalifornien durch die Prohibition und den Börsenkrach erschüttert wurde. In den USA geboren und in England sozialisiert und ausgebildet, kehrte er in die Staaten zurück und schrieb nach langen Berufsjahren als Journalist 1939 im Alter von 51 Jahren seinen ersten Marlowe-Krimi «Der grosse Schlaf», der durch die atmosphärische Beschreibung ein neues Krimi-Genre schuf.

 

General Sternwood ist steinalt, steinreich und hat zwei schöne, wilde Töchter. Die aufreizende Carmen wird erpresst, und Privatdetektiv Philip Marlowe soll die Sache aus der Welt schaffen. Der Detektiv findet sich wieder zwischen Banditen und Blondinen. Alle besitzen Waffen, nicht anders als in heutigen Zeiten, Kurven und Kugeln, aber Marlowe seine Cleverness. Die spritzigen Dialoge und die spannende Handlung sind filmreif.
Übrigens: zu einem abendlichen Martini oder Whiskey im Lehnstuhl passt dieser Krimi auch ausgezeichnet, ob mit oder ohne Kaminfeuer.

 

 

Raymond Thornton Chandler (1888 in Chicago, Illinois – 1959 in La Jolla, Kalifornien) war ein US-amerikanischer Schriftsteller und gilt als einer der Pioniere der amerikanischen Krimi noir. Raymond Chandler erfand für seine Kriminalromane die Figur des melancholischen und letztlich moralischen Privatdetektivs Philip Marlowe. Neben seinen Kriminalromanen schrieb er Kurzgeschichten und Drehbücher. Er gehört zu den grossen Autoren der schwarzen Serie im amerikanischen Kriminalroman, von denen etliche verfilmt wurden.

 
Raymond Chandler
Der grosse Schlaf
Diogenes, Zürich 2021
Neuübersetzung und Vorwort
von Frank Heibert. Mit einem
Nachwort von Donna Leon
Paperback TB, 292 S.
CHF 17.90
ISBN 978-3-257-24629 2

 

 

 

«Donna Leon: Milde Gaben»

 

Elisabetta Foscarini, Jugendfreundin von Commissario Guido Brunetti und immer noch eine Schönheit, taucht eines Tages in der Questura in Venedig auf. Ob Brunetti verdeckt ermitteln könne, wer die Familie ihrer Tochter bedroht?

 

Konkrete Tathinweise fehlen. Wer sollte auch einer Tierärztin Böses wollen und einem Buchhalter, der für eine wohltätige Stiftung gearbeitet hat? Schon will Brunetti das Ganze als übertriebene mütterliche Sorge abtun, da kommt es zu einem Überfall, der menschliche Abgründe offenbart.

 
Donna Leon
Milde Gaben
Commissario Brunettis einunddreißigster Fall
Aus dem Amerikanischen von Werner Schmitz
Diogenes
Hardcover Leinen
352 S., CHF 34. € 25.
978-3-257-07190-0
(erscheint 25. Mai 2022)

 

 

Leseprobe:
 
Als Brunetti am nächsten Morgen zur Questura ging, strahlte ihm auf der Rialtobrücke die Sonne ins Gesicht. Auf dem Scheitel der Brücke blieb er stehen. Er betrachtete die Palazzi, die bis zur Universität in Reih und Glied standen und dann linker Hand aus dem Blickfeld verschwanden.
Am Fuß der Brücke bog Brunetti ab und machte erst bei Didovich wieder halt auf einen Kaffee an der Bar, wobei er die Schlagzeilen der Zeitung des Mannes neben ihm überflog. Dann ging er weiter, an der Miracolikirche entlang geradeaus zum Campo Santi Giovanni e Paolo, wo er die überwältigenden Fassaden der Basilica und des Ospedale auf sich wirken ließ. Er verweilte auf dem Campo, voller Sehnsucht, die Dinge noch einmal so zu sehen wie beim ersten Mal. Dann aber wurde ihm klar, dass er damals drei Jahre alt gewesen war und vermutlich nichts anderes wahr- genommen hatte als die Löwen an der Fassade des Ospedale und Colleonis Pferd.
Innehalten und Schönheit bewundern war in jüngerer Vergangenheit nicht möglich gewesen, als er und all jene, die noch zur Arbeit gehen mussten, dies nur sehr vorsichtig taten, stets den kürzesten Weg nahmen, auf das Vaporetto möglichst verzichteten, bei Wind und Wetter lieber zu Fuß gingen und um andere Passanten einen Bogen machten, wenn die keine Maske trugen. Jetzt hatte die Lage sich et- was entspannt, und Brunetti konnte wenigstens in diesem winzigen Punkt zur Vergangenheit zurückkehren und etwas zum reinen Vergnügen tun, und das ohne Furcht. Im langen Lauf des Lebens nur eine Kleinigkeit, die Brunetti jedoch viel bedeutete.
Pendolini, der Wachmann am Eingang, trug immer noch konsequent eine Maske. Viele von denen, die im Haus arbeiteten, verzichteten mittlerweile darauf. Hielten die sich für unverwundbar, weil sie ja schließlich Polizisten waren, oder hatten sie das Risiko, keine Maske mehr zu tragen, gründlich erwogen? Brunetti hatte seinen Bruder Sergio gefragt, der im Ospedale Civile arbeitete, und der hatte gesagt, bei der Arbeit trage er immer eine Maske, sonst nicht, Brunetti als vollständig Geimpfter solle allenfalls eine tragen, wenn er sich mit jemand Gefährdetem in einem kleinen geschlossenen Raum befände.
»Eine Frau möchte Sie sprechen, Commissario. Sie wartet schon eine ganze Weile«, begrüßte ihn der Wachmann durch seine Maske. Er wies auf eine Gestalt, die hinten in der Eingangshalle auf der Besucherbank saß und von der Brunetti nur die linke Hälfte erkennen konnte. Die andere Hälfte wurde von einem Mann verdeckt, der vor ihr stand und offenbar mit ihr redete. Über den beiden hing ein Foto der Fontana di Trevi, was Brunetti seit jeher rätselhaft fand.
»Wie heißt sie?«
»Das hat sie nicht gesagt, Signore. Sie meinte, sie kenne Sie.«
»Und wer ist das vor ihr?«
»Sieht nach Tenente Scarpa aus«, sagte der Wachmann.
»Er muss nach unten gekommen sein, nachdem ich sie zum Warten dorthin geschickt hatte.«
Plötzlich wandte die Frau ihren Blick zum Eingang, und als der Mann daraufhin zur Seite trat und sich umdrehte, entpuppte er sich tatsächlich als Tenente Scarpa, der Assistent – andere hielten ihn eher für den Handlanger – von Vice-Questore Giuseppe Patta, Brunettis direktem Vorgesetzten.
Bei Brunettis Anblick mimte Scarpa ein Lächeln, raunte der Frau etwas zu, wandte sich dann langsam ab und ging zur Treppe. Obwohl Brunetti nun freie Sicht auf die Frau gehabt hätte, behielt er den Tenente im Blick, bis dieser hinter dem ersten Treppenabsatz verschwunden war.
Dann sah er zu der Frau hinüber, die eine Maske trug und ihm aus der Entfernung nicht bekannt vorkam. Schlank, eine Kurzhaarfrisur, die alles andere als knabenhaft wirkte und so viel Blond enthielt, dass sie alles andere als grau wirkte.
Auch sie hatte Scarpa auf der Treppe nachgesehen. Erst dann wandte sie sich zum Eingang. Sie hob die Linke und schwenkte sie wie ein Metronom, um ihn auf sich auf- merksam zu machen. In Brunetti stiegen Erinnerungen an alte – und nicht gerade die glücklichsten – Zeiten auf, denn diese Handbewegung konnte nur einer gehören: Elisabetta Foscarini. Ihre Familie hatte die viel größere Wohnung über Familie Brunetti bewohnt, damals, vor Jahrzehnten, in Castello. Ein alter Kriegskamerad von Brunettis Vater hatte ihnen die kleine Parterrewohnung mietfrei zur Verfügung gestellt. Als Gegenleistung erledigte sein Vater alle möglichen Arbeiten am und im Haus.

NACH OBEN

Reportage


Buchtipp


Kolumnen/
Diverses