FRONTPAGE

Editorial Nr. 52/53

Editorial Nr. 52/53

Juli/August 2015

 

Liebe Kultubegeisterte, liebe L&K-Freunde, herzlich willkommen!

Sommerzeit – Ferienzeit!  Reisezeit!  Aufs Matterhorn oder nach Ascona, relaxen, gar nichts tun oder das, was man schon immer mal wollte … Lesezeit! Wir empfehlen Lyrik …  Kunst anschauen … Venedig entdecken auf den Spuren Brunettis… Open Airs in Zürich und St. Gallen, Literatur-Festivals in Klagenfurt und Leukerbad anfangs Juli: www.literaturfestival.ch. Und natürlich freuen wir uns mit Ihnen über 318.737 Visits im Mai auf Literatur & Kunst, mittlerweile insgesamt  rund 3.5 Mio. Merci und empfehlen Sie uns weiter!

 

5. Juli 2015: Die Preisträgerinnen der Tage der deutschsprachigen Literatur 2015 stehen fest: Den Ingeborg-Bachman-Preis gewann Nora Gomringer, den Kelag-Preis Valerie Fritsch, die auch den BKS-Publikumspreis mitnehmen kann und den 3sat-Preis bekam Dana Grigorjewa. Literatur & Kunst gratuliert allen Preisträgerinnen!

Ingeborg Bachmann-Preis für Nora Gomringer
Es waren drei Stichwahlen nötig, dann stand Gomringer mit ihrem Text «Recherche» als Gewinnerin des Ingeborg-Bachmann-Preises fest. Sie las auf Einladung von Sandra Kegel, die auch die Laudatio für ihre Autorin hielt. In einem mehrstöckigen Wohnhaus stürzte sich ein 13-jähriger, vermutlich homosexueller, Bub, vom Balkon. Eine Autorin und Journalistin recherchiert über die Umstände dieses Selbstmordes. Das Publikum reagierte mit Jubel und langem Applaus auf diesen Text. In ihrer Laudatio sagte Sandra Kegel, mit «Recherche» sei der Autorin ein überaus komplex gestaltetes «Phantasiespiel» gelungen, eine «Verstörungskomödie». Ein selbstreflexiver Text, der von der Suche nach Wahrheit erzähle und vom ständigen Perspektivenwechsel lebe, das erzeuge eine «einzigartige Stimmenpolyphonie». Der Text bewege sich «zwischen irrem Tempo und Nachdenklichkeit». Für Kegel sei es beispielhaft, wie Gomringer hier Stimmen etabliere. Nora Gomringer nahm den Preis und Blumen mit Tränen in den Augen entgegen, sie sagte, die Preisverleihung sei hart. Die Kolleginnen und Kollegen hoffen und leiden alle und das fühle sie auch.

 

 

Kelag-Preis für Valerie Fritsch
Die Grazerin Valerie Fritsch wurde von Juror Klaus Kastberger geladen und las den Text «Das Bein». Eine Vater-Sohn-Geschichte über einen alten Mann, dessen Bein amputiert wurde und seinen Sohn, der erkennen muss, dass sein Vater wohl bald sterben wird. Ein Text über Leerstellen und die Vergänglichkeit des Lebens.

 

 

3sat-Preis für Dana Grigorcea
Dana Grigorcea, die von Hildegard Elisabeth Keller eingeladen wurde, erzählte in «Das primäre Gefühl der Schuldlosigkeit» die Geschichte und die politische Wende Rumäniens anhand der Kindheits- und Jugenderinnerungen und des aktuellen Lebens einer Frau in Bukarest nach. Die Jury zeigte sich begeistert.

 

 

 

Was Winston Churchill in Zürich nach dem Zweiten Weltkrieg am 19. September 1946 verkündete, hatte nachhaltigen Symbolwert: «Let Europe arise!» Das gilt auch heute, trotz Eurokrise und Griechenland, oder gerade deshalb! Der Historiker Werner Vogt nimmt uns mit auf eine Reise durch die Schweiz mit Churchill-Reminiszenzen.: «Churchill und die Schweiz», Verlag Neue Zürcher Zeitung, 2015.

 

Kennen Sie Nora Gomringer oder Christoph W. Bauer? Noch nie gehört? Dann wird es Zeit, mal reinzuhören, was Lyrik alles kann: Nora Gomringer «Mein Gedicht waret nicht lange reloaded», mit CD, Voland & Quist, 215. Christoph W. Bauer «orange sind die äpfel blau», Haymon Verlag, 2015. Nora Gomringer liest übrigens an den Literaturtagen in Klagenfurt, wir drücken die Daumen (1.-5. Juli 2015, bachmannpreis.orf.at)

 

Madonnenbilder kennen alle, diese sind Ikonen besonderer Art: Hans Schärer malte Madonnen, die mit den herkömmlichen Vorstellungen kaum etwas zu tun haben. Niklaus Oberholzer hat sich für uns im Kunsthaus Aarau umgesehen und berichtet.

 

«Das Leben ein Sport». Die Fotostiftung Schweiz in Winterthur stellt einen Pionier der Fotoreportage vor: Jules Decrauzat. 1250 Glasnegative aus der Zeit zwischen 1910 und 1925 wurden im Archiv der Schweizer Bildagentur Keystone enteckt, jetzt können die Anfänge des Fotojournalismus in der Schweiz neu beleuchtet werden. Autorennen, Flugversuche, Damentennis, so haben Sie das bestimmt noch nie gesehen… Bis 11. Oktober 2015.

 

Kinokultur zwischen Klassik und Event – das Filmpodium Zürich – ein Interview mit der Leiterin Corinne Siegrist-Oboussier von Rolf Breiner. 

Das Filmpodium Zürich sorgt seit 32 Jahren dafür, dass Klassiker der Filmgeschichte wieder auf der Leinwand zu sehen sind, dass Filmschaffenden und Filmschauspielern/-innen, aber auch bestimmten Themen ganze Zyklen gewidmet werden. Ferner: Aktuelle Filmtipps.

 

Fabrizio Brentini stellt das Zürcher Architektenpaar Yvonne Rudolf und Andreas Galli vor. Zu ihren Wohnbauten ist eine ausführliche Monographie erschienen. Park Books, 2015. Ferner: Architekturführer Kiew. DOM, publishers.

 

Älter werden wir alle, manche trifft es plötzlich, andere bereiten sich langsam darauf vor. Wir stellen Ihnen vier Neuerscheinungen aus Schweizer Verlagen zum aktuellen Thema vor. Ein Bericht von Ingrid Schindler.

 

Das Schaulager in Basel, erbaut von Herzog & de Meuron, zeigt gegenwärtig «Future Present» – Moderne Klassiker und Zeitgenossen, eine Überblicksschau der spektakulären Sammlung der Emanuel Hoffmann-Stiftung, bis 31. Januar 2016. Ein Bericht von Simon Baur.
«Klee & Kandinsky in Bern» – das Traumpaar der Kunstavantgarde! Im Zentrum Paul Klee ist die einzigartige Ausstellung jetzt zu sehen, bis 2. August 2015.

 

Die Reportage führt nach Venedig, Tatort der Krimis von Donna Leon. Der neueste Fall von Commissario Brunetti «Tod zwischen den Zeilen» befasst sich mit der Welt der bibliophilen Gegenstände, der Bücher, und einem florierenden Schwarzmarkt mit dem Handel alter Bücher. Wo Brunetti verkehrt und am liebsten einen Weisswein trinkt, erfahren Sie in der Reportage von Ingrid Schindler. Wir stellen Ihnen dazu auch den neuen Krimi von Donna Leon vor.

 

Ebenfalls empfehlen können wir Ihnen die «Reportagen», das Magazin für erzählte Gegenwart von Daniel Puntas Bernet, im aktuellen Juli-Heft finden Sie eine historische Reportage über «Teheran 1978» von Peter Scholl-Latour (1924-2014), der mehrmals nach Iran reiste, um den Menschen als Augenzeuge zu zeigen, was dort im Gange war, denn die islamische Revolution Ende der 70er Jahre im Iran entfaltete eine Dynamik, die weit über Persiens Grenzen hinaus wirkten. Die Veränderungen, die sie im gesamten islamischen Raum auslöste, sind weder abgeschlossen, noch ist der Prozess verebbt. www.reportagen.com

 

Die Meldungen über islamistische Attentate in Tunesien, Frankreich und Kuwait halten uns in Atem, umso bemerkenswerter sind arabische Stimmen, die sich zu den Hintergründen äussern, wie der algerische Autor Kamel Daoud, *1970, über den «Frauenhass der Islamisten» (siehe NZZ v. 27.6.2015), der sich trotz Morddrohungen nicht den Mund verbieten lässt. Der deutsche Kulturtheoretiker Klaus Theweleit, *1942, bringt die Umwandlung von Sexualität in Gewalt ins Gespräch, wo sich Killer als Helden sehen, und die Autoren Michael Pauen und Harald Welzer sehen unsere Autonomie durch die neuen sozialen Technologien und Social Media bedroht: «Autonomie. Eine Verteidigung», Fischer-Verlag, Frankfurt am Main, 2015.

 

Die Festspiele Zürich unter dem Motto «GeldMachtLiebe  – Shakespeare und andere Gewalten» dauern noch bis 12. Juli 2015. Wer Shakespeare zitiert, kann eigentlich nicht fehl gehen. Irgendein Spruch findet sich immer, der passt. Über die «Macht der Liebe – und des Gelds» diskutierten Elisabeth Bronfen, Peter von Matt und Lukas Bärfuss unter der Gesprächsleitung von Martin Meyer, NZZ. Politisch wurde das Ganze nicht, eher beschaulich in Schweizer Gesprächstradition, die Liebe ist ein gar schröcklich Ding, und wer Geld hat, hat auch Macht, und kann sich Liebe kaufen. Und dass alles irgendwie zusammenhängt, ist schon klar. Gegen das Verdikt, dass Literatur Hochstapelei ist, wehrte sich Lukas Bärfuss vehement, die Literatur sei keine Hochstaplerin, wohl aber eher die Schriftsteller. Die Innung dankt und das Thema wird noch lange zu reden geben, nicht nur an diesem vergnüglichen Juniabend im Zürcher Schauspielhaus, dem ein Slam Poetry Abend auf dem Fusse folgte. Gleiches Thema, verschiedene Perspektiven: www.festspiele-zuerich.ch


 

Wir wünschen Ihnen spannende Stunden, Anregungen und etwas Aufregungen rund um Kunst & Kultur, und einen wunderschönen Sommer…

Herzlich

Ihre Ingrid Isermann, Herausgeberin

Editorial