FRONTPAGE

«Close-up. Eine Schweizer Film- und Kulturgeschichte»

Von Ingrid Isermann

Die Praesens-Film AG feiert 2024 ihr 100-jähriges Jubiläum. Die älteste noch existierende Filmgesellschaft der Schweiz hat eine bewegte Vergangenheit, die bis nach Hollywood reicht. Die Ausstellung im Landesmuseum zeigt, wie sehr die Kinoleinwand ein Spiegel von Zeit, Politik und Gesellschaft war.

Die 1924 vom jüdischen Einwanderer Lazar Wechsler und dem Schweizer Flugpionier Walter Mittelholzer gegründete Firma Praesens-Film spezialisierte sich zu Beginn auf das in der Schweiz noch wenig bekannte Format des Reklamefilms. Zu ihren Kunden gehörten Marken wie Lux, Grieder oder Bally. Bald kamen auch Auftragsfilme dazu, die in den Jahren um 1930 kontroverse Themen wie Alkoholismus oder den Schwangerschaftsabbruch behandelten.

Vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs stellten sich Lazar Wechsler und sein Team in den Dienst der geistigen Landesverteidigung. Es war die Zeit der grossen Spielfilme der Praesens-Film. Gilberte de Courgenay zeichnete ein romantisiertes Bild der militärischen Grenzbesetzung im Ersten Weltkrieg. Im Film sorgen komödiantische Einlagen im Pferdekostüm dafür, dass Heimweh und Grenzkoller verfliegen. Dazu trägt auch die titelgebende Gilberte (Anne-Marie Blanc) bei, die die Soldaten tröstet und einsame Herzen pflegt. Der Film machte die Hauptdarstellerin Anne-Marie Blanc zum ersten weiblichen Filmstar der Schweiz.

 

Als sich 1943 der Sieg der Alliierten abzuzeichnen begann, wendete sich Praesens-Film dem Humanismus zu. Marie-Louise erzählt die Geschichte eines französischen Mädchens, das während des Zweiten Weltkriegs dank der Kinderhilfe des Schweizerischen Roten Kreuzes für drei Monate von einer Schweizer Familie aufgenommen wird. Der Film griff die humanitäre Tradition der Schweiz auf und bestätigte das Publikum damit in seinem nationalen Selbstverständnis. Marie-Louise war nicht nur in der Schweiz, sondern auch international ein Erfolg. 1946 gewann der Film als erster nicht-englischsprachiger Film den Oscar für das beste Originaldrehbuch.

 

In der Nachkriegszeit schätzte das Publikum Unterhaltungsfilme ohne politische Untertöne. Zwei kurz hintereinander erschienene Heidi-Filme nach dem Roman von Johanna Spyri boten die perfekte Flucht in eine idyllische Bergwelt. Heidi (Elsbeth Sigmund) war ein Welterfolg und wurde für Tourismus und Politik der Schweiz zur förderlichen Werbekampagne. Die Fortsetzung Heidi und Peter (Elsbeth Sigmund und Peter Klameth) war der erste Schweizer Farbfilm. Wie sein Vorgänger zeigt er die Berge als gesundheitsfördernde Reisedestination und stellt sie der bedrohlichen Stadt gegenüber.

 

Ende der 1950er-Jahre vermochte das kommerzielle Schweizer Kino seine steigenden Produktionskosten kaum mehr einzuspielen. Zudem begannen sich bei der Praesens-Film die finanziellen Misserfolge zu häufen. 1972 liess der nach dem Tod seiner Frau Amalie entmutigte Lazar Wechsler einen Teil der Gesellschaftsarchive zerstören. Daraufhin übernahmen die Brüder Martin und Peter Hellstern die Leitung der Firma und führten sie nur noch als Filmverleih weiter. Seit 2009 setzt Praesens-Film auch wieder auf Ko-Produktionen.

 

Die Ausstellung im Landesmuseum richtet das Scheinwerferlicht auf die Menschen, die vor und hinter der Kamera Schweizer Filmgeschichte geschrieben haben. Entlang des Filmproduktionsprozesses erzählt sie vom Drehbuch über Regie, Schauspiel und Kamera bis hin zu Schnitt und Musik mit Objekten und Anekdoten nicht nur ein Stück Schweizer Kulturgeschichte, sondern erlaubt einen exemplarischen Blick auf Themen, die das 20. Jahrhundert gesellschaftlich, politisch und wirtschaftlich geprägt haben.

Die Ausstellung findet in Partnerschaft mit der Cinémathèque suisse statt.

Ausstellung Landesmuseum Zürich, 12.01. – 21.04.2024

 

Bildlegenden:

01) Filmposter Gilberte de Courgenay  02) Lazar Wechsler  03) Anne-Marie Blanc und Heinrich Gretler  04) Blick in die Ausstellung Landesmuseum  05) Hermann Haller, Leopold Lindtberg, Emil Berna, Franz Vlasak  06) Bally-Plakat  07) Heidi-Filmplakate.

 

 

And the Oscar goes to … Oppenheimer!

 

An der 96. Oscarverleihung im Dolby Theatre in Los Angeles räumte «Oppenheimer» mit 7 Oscars ab, 4 Oscars gingen an «Poor Things» und 2 an «The Zone of Interest». Einen Oscar gab es für «The Holdovers» und Billie Eilish’ Song «What was I made for», keinen für «Killers of the Flower Moon». Sarah Hüller beeindruckte Hollywood im glamouriösen schwarzen Flügelkleid, sie freute sich über den Oscar für «The Zone of Interest» als Internationaler Film.
 
Film: «Oppenheimer»
Regie: Christopher Nolan für «Oppenheimer»
Hauptdarstellerin: Emma Stone in «Poor Things»
Hauptdarsteller: Cillian Murphy in «Oppenheimer»
Nebendarstellerin: Da’Vine Joy Randolph in «The Holdovers»
Nebendarsteller: Robert Downey Jr. in «Oppenheimer»
Originales Drehbuch: «Anatomie d’une chute»
Adaptiertes Drehbuch: «American Fiction»
Kamera: Hoyte Van Hoytema für «Oppenheimer»
Production Design: «Poor Things»
Make-up & Hair: «Poor Things»
Kostüm: «Poor Things»
Internationaler Film: «The Zone of Interest»
Sound: «The Zone of Interest»
Song: «What Was I Made for» von Billie Eilish und Finneas aus «Barbie»
Animationsfilm: «The Boy and the Heron»
Animierter Kurzfilm: «War Is Over: Inspired by Music of John & Yoko»
Dokumentarfilm: «20 Days in Mariupol»
Dokumentarischer Kurzfilm: «The Last Repair Shop»
Kurzfilm: «The Wonderful Story of Henry Sugar» von Wes Anderson
Special Effects: «Godzilla Minus One»
Schnitt: Jennifer Lane für «Oppenheimer»
Filmmusik: Ludwig Göransson für «Oppenheimer»

 

Filmtipps

 

 

Love Lies Bleeding
Ein Thriller mit viel Bodybuilding, Muskelpaketen und Steroiden der Regisseurin Rose Glass. Kristen Stewart in der Rolle der Fitnessstudio-Managerin Lou, die sich von ihrer Vergangenheit mit einem mafiösen Vater (Ed Harris) lösen will und ihren eigenen Weg sucht, zeigt mit Furor ihre Kampfeslust. Eine packende Love Story mit der ehrgeizigen muskulösen Boybuilderin Jackie (Katy O’Brian), die in Las Vegas ihren Traum verwirklichen will, verwickelt Lou in handfeste Schwierigkeiten, die sie zu Komplizinnen macht. Der Gebrauch von Steroiden führt zu Hallunizationenund aggressivem Verhalten, wobei der Film zwischen Realität und Fiktion oszilliert. Die Story spielt in den 1980ern im Südwesten der USA und zeigt Jackie als queere Midwestern-Woman, die sich aus den Fängen der Gewalt befreien will. Als Lichtblick zeigt der Film die beiden Protagonistinnen, die auf einem Roadtrip in eine gemeinsame Zukunft aufbrechen. Der Film feierte am Sundance Film Festival im Januar 2024 Premiere.

 

C’è ancora domani
Das Erstlingswerk der Römerin Paola Cortellesi als Regisseurin und Drehbuchautorin ist ein veritables Kinowunder, in Italien war «Morgen ist auch noch ein Tag» erfolgreicher als «Barbie» und «Oppenheimer» zusammen. Cortellesis enge Verbindung zu ihrer Grossmutter, einer einfachen Frau ohne höhere Schulbildung, die unter schwierigsten Bedingungen im Zweiten Weltkrieg vier Kinder grossgezogen hat, inspirierte sie zu einer Ode an die Frauen der 1940er-Jahre. In der unruhigen Zeit am Ende des Krieges 1946 erlebt Delia (Paola Cortellesi) mit ihrer Familie das Elend und den Aufschwung Italiens hautnah mit. Delia stellt ihre Rolle als Ehefrau und Mutter nicht in Frage und nimmt sie gegenüber ihrem patriarchalen Mann mit Gleichmut hin. Ivano (Valerio Mastandrea) arbeitet hart, um die Familie über Wasser halten zu können und lässt keine Gelegenheit aus, das zu betonen und seiner Frau seine vermeintliche männliche Überlegenheit zu zeigen. Respekt zeigt er nur gegenüber seinem bettlägerigen Vater Sor Ottorino (Giorgio Colangeli). Die einzige Abwechslung für Delia ist ihre Freundin Marisa (Emanuela Fanelli), einer Vertrauten, mit der sie Geheimnisse teilen kann. Als Delia eines Tages ein mysteriöser Brief erreicht, fasst sie den Mut, sich mehr für ihre Zukunft zu wünschen. Der Schwarzweiss-Film schildert authentisch die Nachwehen des Krieges, die Besetzung Roms durch amerikanische Soldaten und die patriarchalische Ungleichheit in den Alltagssituationen, doch mit einem emanzipatorischem Ausblick und dem ersten Stimmrechtstag der Italienerinnen. Sehenswert!

 

Woody Allen: Coup de Chance (Ein Glücksfall)
Ein romantischer Thriller in Paris. Fanny (Lou de Laâge) und ihr Ehemann Jean (Melvil Poupaud) leben in einer glamourösen Haussmann-Wohnung in Paris und verkehren in den besten Kreisen. Jean ist erfolgreicher Investmentbanker und Fanny arbeitet in einem Auktionshaus für Kunst in Paris. Im Laufe der Zeit wird ihr bewusst, dass sie nicht wirklich zur oberflächlichen mondänen Gesellschaft ihres Mannes passt, zumal die Weekends auf seinem Landgut zwischen Jagd und Golf sie langweilen. Als Fanny zufällig ihrem Schulkameraden Alain (Niels Schneider) wiederbegegnet, der früher in sie verliebt war, nimmt die Geschichte ihren Lauf.  Alain und Fanny treffen sich mittags im Jardin du Luxembourg und kommen sich langsam näher. Er ist mittelloser Schriftsteller, lebt in einer charmanten Dachwohnung und in den Tag hinein, was die strukturierte Fanny fasziniert. Ihre Affäre versucht sie vor dem misstrauischen Jean zu verbergen, der einen Privatdetektiv engagiert. Als dieser fündig wird, und Jean finstere Pläne gegen Alain ausheckt, kommt ihm Fannys Mutter (Valérie Lemercier) in die Quere, die einige Tage zu Besuch weilt. Sie entdeckt seine Absichten, worauf Jean sie zu einem Jagdausflug in sein Landhaus einlädt. Wieder spielt der Zufall neben dem Glück eine grosse Rolle. Der 88-jährige Regisseur drehte seinen 50. Film, der am 80. Filmfestival Venedig im September 2023 Premiere feierte, erstmals auf Französisch und liess den Darstellern viel Raum, denn er selbst spricht nicht französisch. Ein leichtfüssiger Film in schönen Dekors und mit mehr oder weniger spritzigen Dialogen Woody Allens über Gott und die Welt. Alles in allem ein unterhaltsames Kino-Vergnügen.

 

Back to Black
Ruhm hat seinen Preis. Die junge talentierte Soul-Sängerin Amy Winehouse (Marisa Abela) begeistert in den Londoner Clubs von Camden zu Beginn der 2000-er Jahre mit ihren schonungslos ehrlichen Songs und ihrem Charisma, Talent Scouts werden auf sie aufmerksam. Das mitreissende Biopic der Regisseurin Sam Taylor-Johnson erzählt nach einem Drehbuch von Matt Greenhalgh von der mit nur 27 Jahren im Jahre 2011 verstorbenen Amy Winehouse, ihrem künstlerischen Werdegang, ihrem Aufstieg und den Schattenseiten des Popmusik-Business. Als sie Blake Fielder-Civil (Jack O’Connell) 2005 in einer Bar kennenlernt, beginnt eine Zeit der Ups und Downs in einer turbulenten Beziehung. Seit 2007 führten Winehouse und Fielder-Civil eine Ehe, die sie bereits zwei Jahre später annullieren liessen. Beide litten unter starker Alkohol- und Drogensucht; als ihr Ehemann sich endgültig trennte, und nach dem Tod ihrer geliebten Grossmutter Cynthia (Lesley Manville), geriet ihr Leben aus den Fugen. Mit ihrem schnellen Ruhm war sie überfordert, der ihr letztlich zum Verhängnis wurde. Die Hauptrolle wurde hervorragend mit der britischen Schauspielerin Marisa Abela besetzt. Die Musik schrieben Nick Cave und Warren Ellis. Amy Winehouse verkaufte als eine der grössten Künstlerinnen der jüngeren Pop-Geschichte mehr als 30 Millionen Platten, ihre Songs werden heute noch millionenfach gestreamt.

 

Die Herrlichkeit des Lebens (The Glory of Life)
Basierend auf dem gleichnamigen Roman von Michael Kumpfmüller aus dem Jahre 2011 erzählt der poetische Arthouse-Film zum Kafka-Jahr 2024 in der Regie von Georg Maas von der späten Liebe zwischen Franz Kafka (Sabin Tambrea) und Dora Diamant (Henriette Confurius), die das letzte Lebensjahr mit Kafka (*3. Juli 1883 in Prag) verbringt. Dora Diamant (1898-1952 in London) ist eine jüdische Aktivistin und Schauspielerin aus Polen und lernt Franz Kafka zufällig im Sommer 1923 in Müritz am Ostseestrand kennen. Während der bereits schwer an Tuberkulose erkrankte 40-jährige Kafka stets einen schwarzen Anzug mit Krawatte trägt, beobachtet er die lebensfrohe Dora am Strand beim Tanzen und Herumalbern. Die beiden begegnen sich immer wieder, kommen ins Gespräch, unternehmen Ausflüge mit dem Motorrad und werden schliesslich ein Liebespaar. Der Film fängt zauberhafte Momente am Ostseestrand ein und Tage der Unbeschwertheit. Dora arbeitet in Berlin in einem jüdischen Volksheim. Kafka bewundert sie, sich von ihrer Familie abgenabelt zu haben, während er auf die finanzielle Unterstützung durch den Vater angewiesen ist. Nachdem Berlin für Kafka die Traumstadt bedeutet, folgt er ihr nach, wo die beiden zusammenleben. Dora steht mit beiden Beinen fest auf dem Boden, er schwebt immer eine Handbreit darüber. Auch wenn Kafkas Gesundheitszustand sich von Tag zu Tag verschlechtert, das gemeinsame Jahr lässt die beiden die Herrlichkeit des Lebens spüren bis zu seinem frühen Tod am 3. Juni 2024. Die Kamera führte Judith Kaufmann, die Musik schrieb Paul Eisenach. Ein wunderbares Melodram, das die Tragik der Schönheit eines Sommers einfängt. Kafkas Werke wurden grösstenteils erst nach seinem Tod und gegen seine letztwillige Verfügung von Max Brod (Manuel Rubey) veröffentlicht, einem engen Freund und Vertrauten, den Kafka als Nachlassverwalter bestimmt hatte. Kafkas Werke zählen zum Kanon der Weltliteratur. Seine Schilderung von bedrohlichen und absurden Situationen (Die Verwandlung, Der Prozess, Das Schloss) hat zur Bildung des im Kontext verwendeten Adjektivs kafkaesk geführt.
 

Ausstellungstipp: «Strauhof, Zürich: Kafka – Türen, Tod & Texte», 8.2.-12.5.2024. Zum 100. Todestag: Kafkas Schreiben und Leben, Werk und Wirkung. www.strauhof.ch
 

 

One Life
Das bewegende Filmdrama von Regisseur James Hawes erzählt die Geschichte von Sir Nicholas Winton, der 1938 die Rettung von 669 jüdischen Kindern aus Deutschland und Österreich aus der Tschechoslowakei organisierte, die dort vor den Nazis Asyl gefunden hatten. Das Drehbuch basiert auf einer Biografie von Wintons Tochter Barbara Winton über ihren Vater. Nachdem der 29-jährige Londoner Börsenmakler Nicolas Winton (Johnny Flynn) einen Anruf von seinem Freund Martin Blake (Ziggy Heath) erhält, wie er Mitglied der Labour-Partei, der ihn nach Prag einlädt und ihm dort die Leiterin des Prager Büros des Britischen Komitees für Flüchtlinge aus der Tschechoslowakei (BCRC) Doreen Warriner (Romola Garai) vorstellt, beschliesst Winton spontan, sich an der Rettung von Kindern zu beteiligen. Tatkräftig unterstützt von seiner Mutter Babette (Helena Bonham Carter), selbst eine deutsch-jüdische Migrantin, überwindet er bürokratische Hürden, sucht britische Pflegefamilien für die Kinder und sammelt Geld. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt, da unklar ist, wie lange die Grenzen noch offen sind, kurz vor dem Einmarsch der Nazis. Fünfzig Jahre später, an Weihnachten 1988, findet der siebzigjährige Nicholas (Anthony Hopkins) beim Aufräumen seines Büros die Unterlagen mit Fotos und Listen der Kinder, die damals in Sicherheit gebracht wurden. Beim Mittagessen mit seinem alten Freund Martin (Jonathan Pryce) erwägt Nicholas, sie einem Holocaust-Museum zu übergeben, doch sie landen bei That’s Life!, einer von der BBC produzierten TV-Show mit Moderatorin Esther Rantzen (Samantha Spiro). Nicholas wird in die Sendung eingeladen und überrascht ihn mit einer Frau, Vera Gissing (Henrietta Garden), die er als Kind gerettet hatte. Als die Moderatorin alle Anwesenden im Publikum bittet aufzustehen, die ohne seine Hilfe nicht hier wären, bleibt niemand sitzen. Der Film ist ein eindringlicher Appell an die Menschlichkeit.

 

Dune: Part Two
Sci-Fi-Saga auf dem Wüstenplaneten Arrakis mit spektakulärer Inszenierung. Dune: Part Two ist ein US-amerikanischer Science-Fiction-Film des preisgekrönten kanadischen Regisseurs Denis Villeneuve (Blade Runner 2049, Arrival) und die Fortsetzung des Films Dune (2021). Die Handlung basiert auf der zweiten Hälfte des ersten Buches der gleichnamigen Romanreihe (1965) von Frank Herbert. Der Fürstensohn Paul Atreides (Timothée Chalamet) ist mit seiner Mutter Lady Jessica (Rebecca Ferguson) auf der Flucht und schliesst sich Chani (Zendaya) und dem Beduinenvolk der Fremen an, während er sich auf einem Feldzug der Rache gegen die Verschwörer befindet, die seine Familie zerstört haben. Dabei muss er sich zwischen der Liebe seines Lebens und dem Schicksal des Universums entscheiden und versuchen, eine schreckliche Zukunft zu verhindern, die nur er vorhersehen kann, wobei er die ihm von den Fremen zugedachte Rolle des Messias ablehnt. Erneut Regie führt Denis Villeneuve, der bei den Internationalen Filmfestspielen von Venedig 2021 bekanntgab, dass er eine Dune-Trilogie plant. Die ersten beiden Spielfilme sollen sich dabei auf den Roman Dune – Der Wüstenplanet und der dritte Teil auf Dune Messiah – Der Herr des Wüstenplaneten beziehen. Zu den wiederkehrenden Darstellern zählen Timothée Chalamet, Zendaya, Rebecca Ferguson, Javier Bardem, Stellan Skarsgård, Dave Bautista, Charlotte Rampling und Stephen Henderson.  Als Neuzugänge wurden Austin Butler, Florence Pugh, Christopher Walken, Léa Seydoux, Souheila Yacoub und Tim Blake Nelson sowie Anya Taylor-Joy verpflichtet. Kaum wiederzuerkennen ist der Elvis-Star Austin Butler als Feyd-Rautha Harkonnen in seiner Rolle des Gegenspielers von Paul Atreides. Die Wüstenlandschaften aus Dünen und Sandbergen und die opernhaft anmutenden Aufmärsche des faschistischen kalten Hightech-Staats der feindlichen Harkonnen sind wirkungsmächtig in Szene gesetzt und schaffen durchaus assoziative Bezüge zu Konflikten unserer Gegenwart.

 

Bergfahrt – Reise zu den Riesen
Berührender Dokumentarfilm von Dominique Margot. Die Gletscher schmelzen, doch die Anziehungskraft der Berge ist ungebrochen. Der Berg ruft. Wie lange noch? Nach Jahren des Massentourismus in den Alpen, findet langsam ein Umdenken statt. Ob Forscher:innen, Künstler:innen oder Philosoph:innen, viele versuchen, sich dem Wesen der Bergwelt auf neue Weise zu nähern. In den Bergen, einst Sitz von Göttern und Dämonen, spiegeln sich die Veränderungen unserer Zivilisation. Neben ökologischen und ökonomischen Notwendigkeiten nimmt auch die Sehnsucht vieler Menschen nach Ruhe und unberührter Wildnis zu. Die Berge sind ständig in Bewegung, durch Erosion, Klimawandel, Gravität. Sie versammeln die Energie von Jahrhunderten und Jahrmillionen. Die Dokfilmerin Dominique Margot begleitete verschiedene Protagonisten auf die Berggipfel, wie beispielsweise die japanische Tänzerin und Choreographin Chiharu Mamiya oder den französischen Glaziologen Luc Moreau, der seit 30 Jahren die Bewegungen des Glacier de l’Argentière bei Chamonix misst und die sich ständig ändernden Wasserläufe unter dem Gletscher untersucht. Carla Jaggi, Bergführerin, stand im Berner Oberland schon mit drei Jahren zum ersten Mal auf den Skiern und erklimmt im Film die Eiger-Nordwand, wo ihr Freund, ein erfahrener Kletterer 2022 abstürzte. Die Biologin Erika Hiltbrunner leitet auf dem Furkapass ein Forschungslabor für die alpine Pflanzenwelt und untersucht, wie sich die Pflanzen durch die steigenden Temperaturen neue Standort suchen. Der Dokfilm bietet grossartige Naturaufnahmen und regt zum Nachdenken an.
 
Ausstellungstipp: «Schau, wie der Gletscher schwindet», Sammlung im Fokus. Aargauer Kunsthaus. Der Berg als touristische Destination wie als Symbol für den Klimawandel. www.aargauerkunsthaus.ch. 27.1.-25.8.2024.

 

Anatomie d’une chute
Europäischer Filmpreis 2023 und französischer César 2024 für Sandra Hüller. Goldene Palme in Cannes für Justine Triets Gerichtsfilm-Krimi. Ein Mann fällt aus dem Dachfenster eines Chalets in den französischen Alpen, der elfjährige blinde Sohn Daniel findet nach einem Spaziergang mit seinem Hund Snoop den Toten vor dem Haus liegen und ruft nach seiner Mutter. Das ist der Ausgangspunkt des Films, der in Cannes die Goldene Palme erhielt. Ist sie die Täterin oder nicht? Vor Gericht hat sie die Tat bestritten, während in filmischen Retrospektiven die Hintergründe beleuchtet werden. Die französische Filmregisseurin Justine Triet fächert das Drama als Liturgie der geschlechts- und gesellschaftspolitischen Machtgefälle auf. Hat die berühmte deutsche Schriftstellerin Sandra Voyter (Sandra Hüller) ihren französischen Ehemann Samuel (Samuel Theis) aus dem Fenster gestossen? War es ein Unfall? Die ärztlichen Recherchen ergeben, dass Samuel Tabletten gegen Depressionen nahm, war es gar ein Selbstmord? Ein wieder in der Vernehmung aufgetauchte Audiomitschnitt von Samuel dokumentiert einen handfesten Ehekrach, wo er seine Frau beschuldigt, ihm eine Romanidee gestohlen zu haben. Ein Interview von Sandra mit einer Journalistin torpediert er mit laut dröhnender Musik des Rappers 50 Cent. Daniel (Milo Machado Graner) muss vor Gericht aussagen. Eine Justizangestellte begleitet den Alltag der beiden. Kurz vor der Vernehmung will Daniel die Trennung von Sandra, sie zieht in ein Hotel. Die Aussagen von Daniel vor Gericht sind widersprüchlich. Trotz des Freispruchs von Sandra bleiben letztlich Zweifel, die den Film in der Ungewissheit über Tat und Wahrheit halten und die hervorragende schauspielerische Leistung von Sandra Hüller zwischen burschikosem Elan und Verzweiflung bezeugen. Ein Oscar 2024 für Originales Drehbuch.

 

The Zone of Interest
Der Film des englischen Regisseurs Jonathan Glaser wurde in Cannes mit dem Grossen Preis der Jury ausgezeichnet. Ein Filmdebüt, das unter die Haut geht. Hedwig (Sandra Hüller) und Rudolf Höss, der NS-Kommndant (Christian Friedel) leben mit ihren Kindern in ihrem Haus mit Garten an einem malerischen See, an dem Familien in Ruhe baden und picknicken. Die Präzision, mit der die Normalität einer Nazifamilie vor den Toren von Auschwitz erzählt wird, in Sicht- und Hörweite des Grauens, mit Gewehrsalven und Schreien wirkungsvoll mit filmischen Grautönen und bedrohlichen Klangwellen in Szene gesetzt, jagen einem einen kalten Schauer über den Rücken. Rudolf Höss, der mit seiner Familie auf dem idyllischen Fluss rudert und die im Haushalt waltende robuste Ehefrau mit der vom Führer gewünschten Kinderschar, die sich im Osten ansiedeln sollen, sind an stoischer Borniertheit und Ignoranz gegenüber dem Leiden der in Auschwitz ermordeten Menschen nicht zu übertreffen. Warum das Ungeheuerliche des Holocaust geschehen konnte, macht der Film nach Hannah Arendts Analyse sichtbar: «Die Banalität des Bösen», dass ganz normale Familienväter ihre Aufgaben «pflichtgemäss» ausführten, Menschenmassen zu ermorden, weil sie nach der Rassentheorie als minderwertig und unerwünscht galten. Ein Film mit gossartigen Schauspielern, der zu denken gibt. Bei den British Academy Film Awards (BAFTA) 2024 wurde «The Zone of Interest» als bester britischer Film, bester nicht-englischsprachiger Film und für den besten Ton ausgezeichnet. Zwei Oscars 2024 für besten Internationalen Film und Sound.

 

to be continued

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