FRONTPAGE

Editorial

 

November/Dezember 2017

 

Liebe Kulturinteressierte, Freundinnen und Freunde,

herzlich willkommen zu Literatur & Kunst!

 

Showtime Trump – Attacke auf die Pressefreiheit

 

Wer CNN schaut, kann des öfteren Diskussionen verfolgen, wie geharnischt Präsident Donald Trump auf Kritik seitens der Medien reagiert und sie via Twitter umgehend der „Fake news“ bezichtigt, die er oft selbst in Umlauf setzt. Trump liebäugelt damit, kritischen TV-Sendern die Lizenz zu entziehen. Ob das die demokratische Rechtslage erlaubt, ist zweifelhaft. Doch schon der Gedanke daran lässt erschauern. Seine  Ausbrüche gegenüber Mitarbeitenden und Ministern lassen Anstand vermissen und selbst Republikaner wie Bush haben gegen seine Methodik, andere Gruppen zu verunglimpfen, Einspruch gegen die Spaltung der Gesellschaft erhoben. 

Der Psychiater Dr. Lance Dodes, emeritierter Professor der Harvard Universität, erkennt beim Präsidenten aufgrund fehlender «normaler Empathie» die «Eigenschaften eines Soziopathen». Zudem seien bei Trump «impulsive Wutreaktionen» und ein «deutlicher Realitätsverlust» zu beobachten, so der Professor.

«Wer die Nachtigall stört», der verfilmte Kultroman von Harper Lee («To Kill a Mockingbird») befasst sich mit Rassismus und gehört in Amerika zur Standard-Lektüre für Achtklässler. Jetzt hat ein Schulbezirk in Mississippi das Werk vom Lehrplan gestrichen, wie die New York Times am 18. Oktober berichtete. Vergangenes Jahr wurde das Werk bereits zusammen mit Mark Twains «Die Abenteuer des Huckleberry Finn» aus den Büchereien eines Schulbezirks in Virginia verbannt. Seinerzeit hätten sich Eltern eines Schülers über den ihrer Ansicht nach „spalterischen“ Inhalt beschwert, hiess es im Bericht.

 

«No Billag» ist eine rechtspopulistische Kampagne, die die SRG praktisch abschaffen will, d.h. alle Gebühren für das öffentlich-rechtliche TV- und Radio (SRF) streichen. (Volksabstimmung 4. März 2018). Sie dient zudem dazu, die geplante zweite Initiative der SVP, die Gebühren auf CHF 200 zu senken, durchzubringen. Obwohl der Bundesrat eine Reduktion um fast 100 Franken von 451 auf 365 beschlossen hat. Am einfachsten wäre es, die Gebühren ohne Billag-Verwaltung direkt mit den Steuern zu erheben.
Auch hierzulande ist die Pressefreiheit zunehmend durch Medien-Fusionen und -Abbau bedroht. 

Wozu braucht es die SRG? Sie hat einen nationalen Bildungs- und Kulturauftrag. Die privaten TV- und Radiostationen nicht. Sie können keinen staatstragenden Auftrag für ein viersprachiges Land erfüllen, das durch Solidarität als Willensnation zur helvetischen Kultur zusammengehalten wird. Ob die SRG mehr tun sollte für den verordneten Kulturauftrag und den Privaten die Castingsshows etc. überlassen, ist eine andere Frage, Doch die SRG ist auch ein wichtiger Faktor für die Schweizer Filmförderung. 

Eine rigorose Kündigungs-Initiative der bilateralen Verträge ist schon in der Schublade der SVP. Steter Tropfen höhlt den Stein, mag sich die Volkspartei denken. Die Wahlsiege der rechtspopulistischen AfD und der ÖVP werden auch hier bei den Rechtspopulisten als Schalmeienklänge für eine verschärfte Flüchtlingspolitik ankommen. Willkommen in der Schweiz…
Weht in Deutschland bald eine Jamaica-Fahne? Vielleicht, wenn sich die CDU/CSU, FDP und Grüne zu einer Koalition zusammenfinden, eine Konsens-Regierung nach Schweizer Vorbild…

Fakten und Interpretationen
Nichts ist so beständig wie der Wechsel – unter diesem Motto könnte auch die gescheiterte Jamaica-Initiative stehen. Die FDP scherte aus und verärgerte die Grünen – und die SPD, die sich schon in ihrer Oppositionsrolle eingerichtet hatte. Doch nun müssen alle wieder über die Bücher, das Land muss regiert werden. Die CDU/CSU braucht neue Perspektiven, ob als Minderheitsregierung oder mit den Grünen oder doch noch mit der SPD? Die behauptet, sie sei abgewählt von den Wählern. Das kann man so interpretieren mit einem Wahlergebnis von etwa 20 Prozent gegenüber vorherigen 25 Prozent. Die GroKo, die grosse Koalition hat Federn gelassen, ob sie explizit abgewählt ist, ist Interpretationssache. Das wäre sie erst, wenn eine andere Partei die Mehrheit hätte. Das ist nicht der Fall. Ob mit Neuwahlen den Volksparteien gedient wäre, ist zu bezweifeln. Die Ränder würden vermutlich gestärkt, mehr AfD und vielleicht auch etwas mehr FDP, aber Stabilität sieht anders aus. Warum nicht eine Minderheitsregierung der CDU/CSU oder mit den Grünen zusammen? Das ist meiner Meinung nach Neuwahlen vorzuziehen. 23. November 2017.

Herzlich Ihre Ingrid Isermann

 

 

Was können Sie im November/Dezember auf Literatur & Kunst entdecken?

 

«Lady Barberina» von Henry James ist eine amüsante Lektüre zu transatlantischen Beziehungen und insofern auch recht aktuell. Die bissige Gesellschaftslektüre, die erstmals in deutscher Übersetzung erscheint, ist im Dörlemann-Verlag, Zürich 2017 erschienen.

 

«42 Ansichten zu Warten auf den Fluss» von Barbara Köhler, sind kleine philosophische Betrachtungen zum Thema Warten, ein Stopover in unserer hektischen Zeit. Edition Korrespondenzen, Wien 2017.

 

«Cute Gedanken» unterbreitet die junge Lyrikerin Mara Genschel, die mit Sprach- und Wortwitz bezaubert. Verlag roughbooks, Urs Engeler, 2017

 

Der Louvre Abu Dhabi wird als spektakulärer neuer Kultort am 11. November 2017 eröffnet. Erbaut hat das filigrane Museum aus Licht und Poesie der französische Architekt Jean Nouvel, der auch für das KKL Luzern zeichnet.

 

Mit der engagierten Schweizer Regisseurin Sabine Gisiger führte Rolf Breiner ein aufschlussreiches Interview über die Migrationskultur in der Schweiz «Willkommen in der Schweiz» (siehe Film-Rubrik). Ferner aktuelle Filmtipps.

 

«Brutalismus» – ein irreführender Architekturbegriff, der von Fabrizio Brentini hinterfragt wird. Ferner Architektur-Buchtipps.

 

Die stattlichen Dome in Mainz, Worms und Speyer sind das Thema einer Reportage von Rolf Breiner.

 

Eine neue Ausstellung über Jean-Michel Basquiat in London. Julieta Schildknecht befragt den Kurator Dieter Buchhart in London.

 

Alberto Giacomettis Pariser Modelle: «Auf den Spuren von Giacometti, Segantin und Nietzsche» erfahren Sie mehr über Giacometti als bisher bekannt war, über seine erste grosse Liebe in Paris, Flora Mayo, die er in einer Büste 1927 verewigte, die im Kunsthaus in der grossen Retrospektive 2016/17 ausgestellt wurde. Somedia, 2017.
Ferner eine berührende Erinnerung an «Caroline, Alberto Giacomettis letztes Modell», des französischen Romanciers Franck Maubert, ihre enge Verbindung zu Giacometti wurde auch im Biopic-Spielfilm des italienischen Regisseurs Stefan Tucci «Final Portrait» (2017) thematisiert. Piet Meyer Verlag, Bern 2017.

 

Der «Zurich Art Prize 2017» des Museums Haus Konstruktiv geht an Marguerite Humeau. Ausstellung 26.10.-14.1.2018.
Premiere für die neue blickfang Zürich im Stage one in Oerlikon

Vom 10. bis 12. November findet die neue blickfang Designmesse in neuen Räumlichkeiten im Stage one in Oerlikon statt. Im Loft Style lassen sich Entdeckungen neuer Labels und spezieller Artwork der Möbel-, Schmuck- und Designszene machen, mit kreativen Concept Stores und Dutch Design aus den Niederlanden. Nicht verpassen! www.blickfang.com

 

Jonas Lüscher erhält für seinen Roman «Kraft» den Schweizer Buchpreis 2017

Der gebürtige Berner und Wahl-Münchner stand auch auf der Longlist des Deutschen Buchpreises 2017. Lüscher verhandelt in seinem Roman (siehe Archiv Literatur & Kunst, Philipp Theisohn) die Frage, was das Private mit dem Politischen zu tun hat und lässt zwei Figuren und zwei Weltbilder aufeinanderprallen.
«neue räume 17» in Zürich-Oerlikon

Am 15. bis 19. November 2017 lockt die 9. Auflage der Design-Ausstellung «neue räume 17» mit aktuellen Entwürfen und spannenden Inszenierungen Design-Fans und Professionals in die ABB-Halle 550 in Zürich-Oerlikon. Über 100 nationale und internationale Aussteller nehmen teil, darunter erstmals der amerikanische Hersteller «Herman Miller», «Eletrolux» mit Küchen Grand Cuisine, die neu gegründete Möbel- und Leuchtenfirma «madetostay», die deutsche Möbelmanufaktur «KFF» sowie das niederländische Traditionsunternehmen «Leolux» mit dem neuen Label «Pode». Auch das junge Schweizer Design macht von sich reden, acht Swiss Designer, u.a. Alfredo Häberli, Jörg Boner, This Weber und Aurel Aebi zeigen in einer Sonderschau unterschiedliche Positionen zum aktuellen Schweizer Design.

 

Ich wünsche Ihnen eine besinnliche Zeit und schöne Abenteuer mit Literatur & Kunst. Frohe Festtage Ihnen allen und ein erfreuliches und friedliches Neues Jahr 2018!

 

Herzlich
Ihre Ingrid Isermann, Herausgeberin

 

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