FRONTPAGE

«Zurich Film Festival: Von Jahr zu Jahr eine Nummer grösser»

Von Rolf Breiner

Für das ZFF, Zurich Film Festival, war das verflixte siebte Jahr 2011 gut, ja besser als je zuvor. Denn 51 000 Besucherinnen und Besucher strömten in die Zürcher Kinos, was einer Steigerung von 30 Prozent gegenüber dem Vorjahr bedeutete. Diesjährige Auszeichnungen erhalten John Travolta (Golden Eye), Richard Gere (Golden Icon Award) Tom Tykwer (Tribute to…Award) und Helen Hunt (Golden Eye Award).

 

Knapp 100 Filme wurden am 7. Zurich Film Festival (ZFF) aufgeführt, jetzt 2012 sind 120 Filme aus 22 Ländern, darunter neun Weltpremieren, zu sehen. Das Festival wuchs und wächst, und fand in Bern jedoch noch nicht die Anerkennung, d.h. den Support in barer Münze, die es als erfolgreicher Kino-Kultevent verdient.

Es bleibt bei einer Festivalförderung vom Bund über 50 000 Franken. Die Filmfestivals Solothurn oder Locarno erhalten mehr Zustupf aus dem grossen Staatstopf. Das Zürcher Festival basiert auf der Unterstützung von der Stadt (250 000 Franken) und dem Kanton Zürich (200 000 Franken), vor allem jedoch von der Privatwirtschaft. 80 Prozent des Budgets 2012, das sich von 4,9 auf 5,7 Millionen Franken erhöhte, werden so gedeckt. Festivalleiterin und Geschäftsführerin Nadja Schildknecht freut es, dass ihr Festival wächst und arbeitet weiter daran, Locarno die Stirn zu bieten und Zürich Festivalglanz zu verleihen. Die Grenzen des Wachstums scheinen fast erreicht, die der Begeisterung nicht.

 

Die 8. Ausgabe des ZFF vom 20. bis 30. September 2012 hat Konturen angenommen. Das Programm, unter künstlerischer Leitung von Karl Spoerri, wurde breiter gefächert, die illustren Gästenamen haben nochmals einen Grad zugelegt. Regisseur Oliver Stone ist angesagt, nunmehr zum dritten Mal zu Gast. Er präsentiert seinen neuen Thriller und eröffnet damit das Festival 2012. Der Schauspieler und Sänger John Travolta kommt als Ehrengast ans ZFF. Er spielt eine Hauptrolle im Eröffnungsfilm «Savages» von Oliver Stone. Für seine Karriere erhält Travolta am Eröffnungsabend am 20. September  ein «Golden Eye» für sein Lebenswerk.
Das Zurich Film Festival freut sich ausserordentlich, mit John Travolta einen Superstar des US-Kinos in Zürich empfangen zu können. «Wir sind sehr glücklich, dass John Travolta, einer der ganz grossen Hollywoodstars, unsere Einladung nach Zürich angenommen hat», betonen die beiden Festivaldirektoren Karl Spoerri und Nadja Schildknecht. Das Goldene Auge, das ihm am Eröffnungsabend überreicht wird, habe der vielseitige Künstler mehr als verdient.

Mit Hollywoodstar und Oscar-Preisträgerin Helen Hunt beehrt eine grosse Schauspielerin das Zurich Film Festival. Sie spielt neben John Hawkes die Hauptrolle im Film THE SESSIONS. Für ihre Karriere erhält sie am Freitagabend, 21. September im Kino corso den Golden Eye Award. Erstmals wird damit eine Frau mit einem Ehrenpreis des ZFF ausgezeichnet.
Helen Hunt kommt in Begleitung ihres Filmpartners John Hawkes, des Regisseurs Ben Lewin sowie der Produzenten Judi Levine und Stephen Nemeth zur Europapremiere von THE SESSIONS nach Zürich. Im Filmpodium wird sie mit einer Retrospektive geehrt. THE SESSIONS startet im Verleih der Twentieth Century Fox Schweiz am 3. Januar 2013 in den Deutschschweizer Kinos.
Basierend auf der wahren Geschichte des Journalisten und Poeten Mark O’Brien erzählt THE SESSIONS die ergreifende Geschichte eines Tetraplegikers (John Hawkes), der mit 38 Jahren beschliesst, seine sexuelle Unschuld zu verlieren. Mit Hilfe einer Therapeutin (Helen Hunt) und eines Priesters (William H. Macy) versucht er, sein Vorhaben in die Tat umzusetzen. Die 49-jährige Helen Hunt hat bis heute in über 40 Kino- und Fernsehfilmen gespielt. 1998 wurde sie für ihre Darstellung als alleinerziehende Kellnerin in AS GOOD AS IT GETS mit dem Oscar als beste Hauptdarstellerin ausgezeichnet.

 

Co-Direktor Spoerri setzt klare Akzente und beschreibt das Festivalprofil:
«Unser Wettbewerb richtet sich an erste, zweite und dritte Regiearbeiten. Das gilt für beide Kategorien, also für Dokumentar- und Spielfilme. Unser Fokus ist auf den deutschsprachigen Markt – auf Schweiz, Deutschland und Österreich – gerichtet. Das findet man in dieser Kombination nirgends.»

Wie Locarno buhlt auch Zürich mit Stars und bekannten Filmschaffenden. Richard Gere (u.a. «Pretty Woman»,1990 und «American Gigolo»,1980) wird kommen. Gere ist auch bekannt für sein Engagement für Tibet. In Zürich wird der Finanzthriller «Arbitrage» mit Gere als ambitioniertem Investor gezeigt. Am 23. September wird Richard Gere im Kino Corso der «Golden Icon Award» überreicht.

Der diesjährige «Tribute to…»-Award geht an den Autoren, Regisseur und Produzenten Tom Tykwer. Erstmals wird damit am Zurich Film Festival ein deutscher Filmschaffender mit einem Ehrenpreis des Festivals geehrt. Tykwer wird seinen Preis an der Award Night im Opernhaus Zürich am 29. September persönlich entgegennehmen. Das ZFF zeigt im Filmpodium eine Retrospektive seiner wichtigsten Filme.

 

Prominente Jury-Mitglieder

Auch die Jury ist prominent bestückt, mit dem Liedermacher und Schauspieler Herbert Grönemeyer («Das Boot») als Präsident für die deutschsprachige Jury. Zu diesem Gremium gehören auch bekannte Namen wie die Schauspielerin Julia Jentsch («Tannöd»), der Schweizer Produzent Marcel Hoehn («Nachtlärm») und der Filmer Peter Luisi («Der Sandmann»).
Die deutschsprachige Dokumentafilmjury setzt sich aus Gabriele Kranzelbinder, Produzentin, Österrreich, Martin Hagemann, Produzent, Deutschland, Stefan Haupt, Regisseur, Schweiz und Mirjam von Arx, Regisseurin, Schweiz, zusammen.

Drehbuchautor und Regisseur Frank Darabont («The Green Mile») führt die Internationale Spielfilmjury an. Unter anderen gehört dieser Jury auch der Schweizer Sänger und Schauspieler Carlos Leal an. Namen freilich sind wichtiger für den Boulevard und Medien als fürs breite Publikum. Die Preise sind schöne Zugaben – es gibt vier Wettbewerbe (Internat. Spiel- und Dokumentarfilme, deutschsprachige Spiel- und Dokumentarfilme).

 

Das Zürcher Filmfestival ist eine Fundgrube fürs Kinopublikum
Besonders erwähnenswert ist das Engagement für Kinder und Schüler. Diese Altersgruppen werden speziell bedient (22. bis 25. September). Lobenswert ist vor allem, dass die Filme in Originalversion gezeigt und simultan übersetzt werden. Ein kleiner Versuch auch, der grassierenden Synchronisationstendenz entgegenzuwirken. Man hörte auch an einer Podiumsdiskussion am Filmfestival in Locarno, dass die jungen Kinogänger synchronisierte Filmversionen wollen. Nein, es ist eine Frage der Erziehung, Gewöhnung und des Angebots, des Anreizes und des Intellekts. Und dafür muss man etwas tun.

 

 

Das Festival an der Limmat setzt in diesem Jahr auf Schweden
In der Reihe «Neue Welt Sicht» präsentieren junge schwedische Regisseure ihre Filme. Man kennt die hervorragenden Fernsehkrimis aus Skandinavien, nun kann der Filmhorizont erweitert werden. Warum Schweden? Was gibt es Neues zu sehen?

Spoerri erklärt, weshalb Schweden für ihn eine «aufblühende Filmregion» ist: «Das junge schwedische Kino lebt von seiner Eigenwilligkeit, seinem Humor und seinem poetischen Hang zum Dramatischen und schreckt nicht vor unkonventionellen Geschichten – wie zum Beispiel Jern und Larssons verstörender Film ‚Savage’ über einen Doppelmord in der schwedischen Provinz – zurück.» Rund ein Dutzend Filme sind aus Schweder zu entdecken und dazu gehört auch eine Party (22. September).

 

 

Ein kulturelles Highlight – Internationaler Filmmusikwettbewerb
Der erste internationale Filmwettbewerb wurde neu lanciert. Die fünf nominierten Filmmusikkompositionen werden am 27.September in der Tonhalle Zürich aufgeführt. Um dem geringen Stellenwert der Filmmusik entgegenzuwirken, sei dieser Wettbewerb ins Leben gerufen worden, begründet Spoerri die Kategorie. Der Sieger des Wettbewerbs wird mit einem Goldenen Auge und 10 000 Franken belohnt.

Belohnt werden auf jeden Fall die Zuschauer mit attraktiven Filmen, soweit die Karten reichen. Locarno bietet eine Piazza Grande, vor allem für VIPs und Sponsoren, ein ausuferndes Programm mit vielen Fransen, eine Inflation von Preisen und einen Markt. Noch ist das Zurich Film Festival ein Event für Cineasten und für ein breites, durchaus anspruchsvolles Kinopublikum.

NACH OBEN

Photo/Film