FRONTPAGE

«James Bond: Es kann nur einen geben…»

Von Rolf Breiner

Die schottischen Highlands. Heimat des Highlander. Sie erinnern sich: Da waren um 1985 hieb- und stichfeste Männer am Werk, die kämpften altertümlich mit Schwertern im modernen New York. Einer von ihnen war ein Schotte namens Connor MacLeod, verkörpert vom Franzosen Christopher Lambert. Und da gab es noch den spanischen Adeligen Juan Sanchez Villa-Robos Ramirez, der Connor ausgebildet hatte. Kein anderer als Sean Connery spielte diesen Lehrmeister.

 

«Highlander – Es kann nur einen geben» hiess der Fantasy-Abenteuerstreifen, mit einer Fortsetzung im Jahr 1991. Sean Connery, der Ur-Schotte und Ur-Bond, hatte mit «Never Say Never Again» (1983), einem augenzwinkernden Bond-Remake von «Fireball» (1965), 1983 sein Bond-Kapitel als Schauspieler abgeschlossen. Für viele Filmfans ist er freilich der einzig wahre Bond-Mime geblieben. Eben, es kann nur einen geben…. Aber das war im 20. Jahrhundert!

 

Und nun nach 50 Jahren Kinoaction landet der legendäre Super-Agent seiner Majestät wieder in den Highlands, seiner Heimat. Auf «Skyfall», dem vergessenen Landsitz seiner verstorbenen Eltern, findet der Showdown zwischen James Bond und seinem Widersacher Silva statt. Nicht mit Schwertern freilich, sondern mit antiken Schrot- und Jagdflinten, Dynamit, aber auch modernen Schnellfeuerwaffen. Am Ende besiegelt ein Dolch ein Schicksal. Es kann nur einen Sieger geben…

 

Im neusten Bond-Actionspektakel, unter anderem mit einer imposanten, wilden Verfolgungsjagd mittels Motorrädern auf den Dächern von Istanbul, geht es nicht wie so oft um Weltbedrohung und einem globalen Bösewicht. Diesmal begibt sich einer auf einen Rachefeldzug von Shanghai und Macao bis nach London und besagten schottischen Gefilden.

 

Dieses gebrannte «Agentenkind», von seiner «Mutter M» geopfert, ist eben Silva, ein Digital-Terrorist, der die ganze britische Agentenschaft samt MI6 lahm legen will. Er will M (alias Judi Dench) ans Leder. Den grimmassierenden Internet-Bösewicht mit den grossen Rachegelüsten mimt Latino Javier Bardem («No Country for Old Men»).
Aber sorry, dieser Schurke ist schwerlich ernst zu nehmen. Zu übertrieben ist sein blondes Outfit, zu aufdringlich sein Muttersöhnchengehabe, zu beiläufig seine Brutalität und Gewaltbereitschaft, zu possierlich sein gespielter Sarkasmus. Da kann sich Star Bardem noch so viel mimische Mühe geben. Silva, der Jäger und Gejagte, bleibt trotz grosser Ballerei, Zynismus und Rachegelüsten eine lächerliche Randerscheinung in der grossen Bond-Weltgeschichte. Wenn man an Gert Fröbe («Goldfinger»), Mads Mikkelsen («Casino Royal») oder Nebenbösewicht Richard Kiel als «Beisser» («The Spy Who Loved Me», «Moonraker») denkt, verblasst Bardem (und die Story) zunehmend.

 

Eindeutig, James Bond hat sich in Gestalt des etwas spröden 44-jährigen Daniel Craig, Sohn eines Stahlarbeiters und einer Kunstlehrerin, kaum weiterentwickelt. Er schlägt sich mit dem Rucksack seiner Vergangenheit herum und entledigt sich dieser Last. Sicher ist mit «Skyfall» ein persönliches Kapitel Bond abgeschlossen.
Akteur Craig hat den Charme eines Stahlarbeiters, die Härte eines Eispickels und die Ausstrahlung eines Wodka-Martini («nicht geschüttelt, nur gerührt»). Immerhin ist er nun sexuellen Intermezzi nicht abgeneigt. Die Bond-Girls haben wie immer sichtbare Qualitäten – von Bérénice Marlohe als tragischer Figur Sévérine bis Naomie Harris als Mitagentin.

Der aktuelle Bondakteur, zerknittert leidend, etwas grau, weniger glamourös, steht seinen Mann. Nun wird er – in amüsanter Erinnerung an 50 Jahre Erfolgsgeschichte – mit lieb gewordenen Bond-Accessoires bestückt, etwa einem perfiden Schiesseisen aus Q’s Küche – der tüftelnde Quartiermeister kommt neu in Gestalt des pfiffig-intelligenten Ben Whishaw daher – oder dem alten Aston Martin, der freilich Opfer eines unsensiblen Angriffs wird.

 

Solche Vertrautheiten sind ein Supplement für alte Bondfans. Die neue Bond-Actionepisode, subtil gefilmt und inszeniert von Sam Mendes («American Beauty»), kehrt zu den Wurzeln zurück. «Skyfall» ist Abschied und Aufbruch zugleich – persönlich, nahezu intim. Das fesselt, gefällt, gestattet gleichwohl neue Horizonte mit der Kultfigur in Craig-Gestalt. Natürlich kann es nur einen geben, einen wie Sean Connery, den schottischen Charmebolzen. Er wurde erfolgreich abgelöst vom Frauenfavoriten Pierce Brosnan. Der ging in Pension. Und nun ist Daniel Craig im 21. Jahrhundert angekommen, hat seinen Bond gefunden, noch nicht seinen Meister, aber immerhin die Spur des Highlanders.

 

 


 

 

 

«Marina Abramović: Kompromissloser Einsatz mit Körper und Seele»

 

Ihre Maxime heisst Körperkultur, Körpereinsatz bis zur Grenze, bis zur Ertragbarkeit, Erschöpfung und manchmal darüber hinaus. Die 66-jährige Serbin Marina Abramović setzt alles dran, dass «Performance als Kunst anerkannt wird, bevor ich sterbe.»

Für dieses Ziel, diese Mission riskiert die Künstlerin alles, kennt keine Tabus, keine Schonung. Sie stellt sich zur Schau – hemmungslos. Sie geisselt sich – blutig. Sie gibt sich hin – nackt und rigoros. Lust und Leiden und Leben verbinden sich, befriedigen, erfüllen sich.

Marina Abramović, die Ikone der Performance, reizt, animiert, attackiert suggestiv und lässt niemanden kalt. Die radikalste und härteste Künstlerin der Welt präsentierte ihre jüngste Ausstellung «With Eyes Closed I See Happiness» in der Wiener Galerie Krinzinger und eröffnete kürzlich die Viennale.
Der Körper ist ihr Material, ihr Ausdrucksmittel, Vor zwei Jahren hat sie einen Performance-Marathon gezeigt. Während ihrer grossen Retrospektive im Museum of Modern Art (MoMA), New York, sass sie über drei Monate – sechs Tage die Woche, sieben Stunden am Tag – stumm und bewegungslos auf einem Stuhl. Ein stilles Modell für jede und jeden, die dem Besucher in die Augen blickte.
Diesen ungewöhnlichen Akt der wortlosen Kommunikation hat der Filmer Matthew Akers begleitet. Seine Dokumentation «The Artist Is Present» erfasst die ganze Aktion: Die Diva, die sich drillt und quält, um Emotionen zu provozieren.
Ihr stummer Dialog mit Hunderten, Tausenden von Besuchern gipfelt in der Begegnung mit ihrem langjährigen Partner, dem deutschen Performancekünstler Ulay. Das Paar, das zwölf Jahren lang in engster künstlerischer Liebesverbindung lebte und agierte, hatte sich spektakulär auf der Chinesischen Mauer getrennt. Nun vereinen sich die Geister, versöhnten sich an diesem kargen Tisch im MoMA. Tränen rinnen der sonst extrem disziplinierten, schier bewegungslosen Aktionistin über die Wangen.

 

Das ist der bewegendste Moment im Film «The Artist Is Present», der einen in den Bann zieht, der Gefühle weckt, der die Frage nach Sinn oder Sinnlosigkeit von Kunst und Performance auf intensive, gelebte Art beantwortet. Das eindrückliche Porträt über eine Frau, der es um Präsenz, Prägnanz und Performance geht, erweist sich auch als Dokument oder besser als Impression und Suggestion über Kontakte und Kommunikation. Der beste Kinodokumentarfilm des Jahres 2012.
 
 

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