«Oscar-Anwärter: Die US-Historie im Fokus»
Von Rolf Breiner
Die diesjährige Oscar-Verleihung am 24. Februar dreht sich hauptsächlich um die Aufarbeitung der US-Geschichte, um den von Steven Spielberg fulminant in Szene gesetzten US-Präsidenten im Film «Lincoln», der 1865 die Sklaverei abschaffte und den Western «Django unchained» von Quentin Tarantino, der ebenfalls die Sklavenherrschaft zum Thema macht. Ausserdem im Rennen sind die Agentenaktionen «Argo» über die Botschaftsbesetzung in Teheran 1979 und «Zero Dark Thirty» über die Jagd auf bin Laden.
Um es vorweg zu sagen: die akribisch rekonstruierte Jagd auf Al-Qaida-Leader Osama bin Laden, ambitioniert von Kathryn Bigelow inszeniert, hat in Hollywood wohl nur Aussenseiterchancen. Im Agententhriller «Zero Dark Thirty» steht eine Frau im Mittelpunkt: die unerbittliche CIA-Analystin Maya, exzellent verkörpert von Jessica Chastain.
Bei der 83. Oscarverleihung im Dolby Theatre zu Los Angeles am 24. Februar 2013, die als Live-Gala in über 225 Länder übertragen wird, haben zumindest im Nominationsrennen zwei Filme die Nase vorn: «Lincoln» von Steven Spielberg (12 Nominationen) und «Life of Pi» von Ang Lee (mit 11 Nominationen). Mit respektablem Abstand folgen «Les Misérables» (8), «Silver Lining Playbook» (8) und «Argo» (7). Erst dann taucht der gross diskutierte Western auf: «Django Unchained».
Django begehrt auf
Schwarze Schauspieler gab es schon vorher in Western, zumeist als Opfer, selten als Täter. Sergio Leone machte eine Ausnahme in «Once Upon a Time in the West» in der Eingangssequenz. Django (Jamie Foxx), von Dr. Schultz (Christopher Waltz) aus den Klauen der Sklavenhändler freigekauft, versteht sich nicht als Rächer, sondern als Befreier. «Dass er zum Komplizen des Kopfgeldjägers Schultz wird, ist die Bedingung dafür, dass der ihm bei der Suche nach seiner Frau hilft. Schultz erklärt ihm: So ist das Geschäft nun mal, ab und zu muss jemand sterben», erklärt Darsteller Jamie Foxx in einem Interview der Süddeutschen Zeitung. Und sagt auch: «Tarantino war es wichtig, die Qualen der Sklaven so realistisch und unstilisiert wie möglich darzustellen. Die Szenen, in denen Weisse erschossen werden, folgen eher der normalen Action-Inszenierung.»
Keine Frage, der virtuose Quentin Tarantino nimmt die Problematik der Sklaverei ernst und schuf gleichwohl einen Western der Italo-Art. Anspielungen auf Sergio Leone («Per un pugno di dollari – Für eine Handvoll Dollar», 1964, mit Clint Eastwood) oder auf Sergio Corbucci («Il Grande Silenzio – Leichen pflastern seinen Weg», 1968, mit Jean-Louis Trintignant und Klaus Kinski oder «Django», 1966, mit Franco Nero) sind gezielt gesetzt. Westernoldie Nero tritt selber auf in «Django Unchained»). Don Johnson («Miami Vice») gibt den Plantagenbesitzer in Weiss, Goodboy Samuel L. Jackson den greisenhaft angepassten Onkel Tom oder Leonardo DiCaprio den sadistischen Herrn der Sklaven. Tarantino spielt virtuos auf der Klaviatur des Western und Actionfilms und beschwört grandios die Schatten der Vergangenheit.
Lincoln – ein Vorzeige-Präsident
Steven Spielberg baut ein Historiendrama mit einer hehren Gestalt auf: «Lincoln». Dieser US-Präsident nimmt ebenfalls zahllose Tote in Kauf, um die Abschaffung der Sklaverei in den Vereinigten Staaten gesetzlich durchzusetzen. Der aufrechte Mann (überzeugend Daniel Day-Lewis) steht auch 150 Jahre nach dem Sessionskrieg (1861-1865) hoch in der Gunst der Amerikaner. Steven Spielbergs Präsidentenporträt «Lincoln» konzentriert sich auf seine letzten Jahre und seine Erschiessung in einem Theater kurz nach Annahme der neuen Verfassung, die die Sklavenherrschaft gegen den erbitterten Widerstand der Demokraten abschaffte. Mit Szenen aus dem Bürgerkriegsalltag und Lincolns Privatleben, erweist sich das Epos als Hommage an einen Staatshelden. Das grosse Palaver über den Zusatzartikel zur Verfassung (Abschaffung der Sklaverei) belastet und prägt Spielbergs US-Drama – und weist auch ermüdende Längen auf. Es gibt beeindruckende Momente, gespenstische Auftritte und politische Zwischenspiele, bemerkenswert auch Sally Field als Lincoln-Gattin.
Die Oscar-Auszeichnungen sind wie auch die Globe-Awards beste Hollywood-Gütesiegel, setzen entsprechende Marketingmarken und geben Promotionsschübe. Filme wie «Amour – Liebe» (5 Nominationen) von Michael Haneke oder «Anna Karenina» (4) oder «The Hobbit – Eine unerwartete Reise» (3) laufen bereits in unseren Kinos – und haben partikuläre Chancen.
Europa ist stark vertreten, dank des Österreichers Michael Haneke und «Amour» und durch Oscar-Preisträger Christopher Waltz.
Grandiose Gefühle im Musical
Emotionen stehen traditionell hoch im Oscar-Kurs. So ist es wohl zu verstehen, dass ein Musical wie «Les Misérables» gleich achtmal nominiert wurde. Man muss wohl ein unerschütterlicher Musical-Liebhaber sein, um diesen Sozialkitsch à la Hollywood zu geniessen. «Die Elenden», ein sozialromantischer Roman von Victor Hugo aus dem Jahr 1862, bildeten Stoff für über 40 Verfilmungen. Nimmt man die Angaben von Wikipedia als Massstab, ist Tom Hoopers Musicaladaption «Les Misàrables» die 47. filmische Ausbeutung des Romans. Dass muss man Hooper und seinem Team lassen: Sie haben mutig ein monumentales Filmmusical auf die Beine beziehungsweise Bühne gestellt. Grandios die Eingangssequenz, als Strafgefangene ein Segelschiff ins Dock schleppen. Jean Valjean (Hugh Jackman) ist einer der Häftlinge. Nach 19 Jahre Zuchthaus auf Bewährung entlassen, taucht er unter und nimmt sich des Waisenmädchens Cosette (Amanda Seyfried) väterlich an. Doch der unerbittliche Polizeiinspektor Javert (Russell Crowe) macht Jagd auf den ehemaligen Dieb. Diese Dualität – der gnadenlose Vertreter der Ordnung, des Gesetzes, dort der humane Wohltäter, der einmal aus Not gestohlen hat – bildet den roten Faden in diesem Historiendrama.
Die Not des Volkes um 1832 und ein Barrikadenaufstand der Studenten in Paris bilden die dramatische Kulisse. Und da wären noch tragische Liebesgeschichten, etwa zwischen Valjean und der «geschenkten» Tochter Cosette, die sich in den aufrührerischen Studenten Marius (Eddie Redmayne) verliebt, oder zwischen dem Gossengirl Eponine (Samantha Barks) und dem unerreichbaren Marius.
Heroische Gesten, pathetische Auftritte vor allem von Jalvert und melodramatische Revolutionsszenen motzen das Filmmusical spektakulär auf. Filmisch brillant umgesetzt, doch inhaltlich im fernen 19. Jahrhundert verankert, wirken Show und Kampf der Elenden etwas fremd in der Kinolandschaft. Bei dem Bemühen um realistische Darstellung wird die Präsenz des aufgedonnerten Wirtepaars (Helena Bonham Carter und Sacha Baron Cohen), das immer wieder unpassend auftaucht, zum Ärgernis. (Kinostart: 21. Februar)
Oscar 2013: Unsere Favoriten
Bester Film
Steven Spielberg feiert einen Nationalhelden, den 16. US-Präsidenten. Filmmaster Spielberg vermischt gekonnt latente Themen, heroische Momente und Gefühle, dabei zieht er geschickt Fäden zur Obama-Gegenwart.
Beste Regie
Quentin Tarantino mischt nicht nur den Western auf, sondern baut auch ein farbiges Revolte-Denkmal und beweist seine filmische Virtuosität. Keiner hat je die sagenhafte Brünhilde in eine geknechtete Broomhilda verwandelt. «Django Unchained» ist auf der Höhe der Nazi-Abrechnung «Inglourios Basterds».
Bester Hauptdarsteller
Ein charismatischer Führer und integre Figur: Daniel Day-Lewis gibt «Lincoln» als steife Grösse, die Staatsräson über persönliche Zweifeln setzt. Er wirkt wie das berühmte Denkmal in Washington. Wer soll das überbieten?
Beste Hauptdarstellerin
Sie bietet einer Männerarmada die Stirn: Jessica Chastain lässt als CIA Analystin Maya nicht locker, bis sie Terroristenführer Osama bin Laden aufgespürt und zur Strecke gebracht hat. Eine Anerkennung für Kathryn Bigelows «Zero Dark Thirty», der Agententhriller, der von Hollywood etwas gemieden wurde.
Bester Nebendarsteller
Oscar-Preisträger Christoph Waltz reitet als Dr. Schultz als deutschstämmiger Kopfgeldjäger durch die Südstaaten und bindet den Ex-Sklaven Django in seine Dienste ein. Er knüpft damit nahtlos an seinen perfiden Nazi-Part an, ebenfalls unter Tarantinos Regie.
Beste Nebendarstellerin
Oscar-würdig: Helen Hunt offeriert «The Sessions» für den gelähmten Literaten Mark O’Brien, der an einer Eiserne Lunge hängt.
Bester fremdsprachiger Film
An diesem emotionellen Drama führt kein Weg vorbei: «Amour» vom Österreicher Michael Haneken trifft den Zeitnerv. Alter, Krankheit und Liebe münden in einem würdigen Schlussakt. Keiner hat Liebe so sinnvoll, einfühlsam, eindrücklich und endgültig zu Ende geführt wie hier Haneken.
Und das sind die Oscar-Preisträger 2013:
Bester Film
«Argo»
Beste Hauptdarstellerin
Jennifer Lawrence
Bester Hauptdarsteller
Daniel Day-Lewis
Beste Regie
Ang Lee für «Life of Pi»
Bester Nebendarsteller
Christoph Waltz
Beste Nebendarstellerin
Anne Hathaway
Bestes Drehbuch
Quentin Tarantino für «Django Unchained»
Bestes adaptiertes Drehbuch
«Argo»
Bester animierter Kurzfilm
«Paperman»
Bester animierter Film
«Brave»
Beste Kamera
«Life of Pi»
Beste visuelle Effekte
«Life of Pi»
Bestes Kostümdesign
«Anna Karenina»
Bestes Make-up und beste Frisuren
«Anna Karenina»
Bester Kurzfilm
«Curfew»
Bester Dokumentar-Kurzfilm
«Inocente»
Bester Dokumentarfilm
«Searching for Sugar Man»
Bester fremdsprachiger Film
«Amour»
Bester Ton
«Les Misérables»
Bester Tonschnitt
«Zero Dark Thirty» und «Skyfall»
Bester Schnitt
«Argo»
Bestes Szenenbild
«Lincoln»
Bester Soundtrack
«Life of Pi»
Bester Song
«Skyfall» von Adele Adkins und Paul Epworth
48. Solothurner Filmtage
Starke Frauen an der Aare
Von Rolf Breiner
Starke Frauen prägten die 48. Solothurner Filmtage (24. bis 31. Januar 2013). Es begann mit den Reden zur Eröffnung von Bundesrätin Simonetta Sommaruga und Direktorin Seraina Rohrer und führte zu prägenden Figuren in Spiel- und Dokumentarfilmen.
Viel Volk, viel Ehr, viel Solheur – auch die diesjährigen Solothurner Filmtage boten Licht und Schatten, Geschichten, Gesprächsstoff und Gedränge. Die filmisch angeregten Völkerscharen strömten rekordverdächtig von Zürich, Bern und aus anderen Landesteilen in die Ambassadorenstadt. Es harzt immer noch mit den Ticketsystemen, die Reservation der Platzreservierung bleibt ein Ärgernis, aber das Interesse ist ungebrochen hoch.
Mal schien die Sonne über der Aare, mal pfiff ein eisiger böser Wind oder legten sich Nebel über das Mekka des Schweizer Films. Dieses Klimabild spiegelt grosso modo auch das Schweizer Filmschaffen wieder, zumindest das, was auf den diversen Leinwänden in Solothurn zu sehen war. Erfreulicherweise glänzten nicht nur traditionell Schweizer Dokumentarfilme, sondern auch einige Spielfilme, die in diesem Jahr in unsere Kinos kommen.
Punktuell seien hier positiv der Eröffnungsfilm «Rosie» von Marcel Gisler, «Das alte Haus» von Markus Welter, «Tutti giù» von Niccoló Castelli, «Il comandante e la cicogna» von Silvio Soldini, «Boys Are Us» von Peter Luisi oder «Clara und das Geheimnis der Bären» von Tobias Ineichen erwähnt.
Es geht bei allen um Befindlichkeiten, Verhältnisse, Zeitgeist – hier und jetzt. Um Sanierung beziehungsweise Abbruch eines Hauses im Zürcher Seefeld beispielsweise, um das Treiben junger Leute in Lugano (mit Lara Gut in ihrem Kinodebüt), um «Tutti giù» eben, um ein Denkmal und einen Storch in Turin (der in der Schweiz landet) sowie eine Künstlerin und einen Klempner in «Il comandante» oder um die Rachegelüste zweier junger Mädchen im melodramatischen «Boys Are Us». Mensch und Natur stehen im Fokus («Clara») oder zwischenmenschliche Beziehungen. So bemüht sich ein Sohn, wohnhaft wie Regisseur Gisler in Berlin um seine gefährdete Mutter Rosie im St. Gallischen.
Dass der schwule Schriftsteller (Fabian Krüger) einen jungen Mann, der sich in ihn verliebt, nach einer Affäre links liegen lässt und dem Geheimnis seines Vaters auf die Spur kommt, verschärft die Konflikte. Gleichwohl wirkt Marcel Gislers durchaus humorvolle Beziehungs- und Liebesgeschichte um «Rosie» (grossartig: Sibylle Brunner) seltsam sanft und altersmild. Der Film hat Witz, wird aber infolge einer gehörige Portion Weichspüler zum Softie.
Der Kinder- und Familienfilm mit echten Bären um Clara, ihre Visionen und Sensibilität – hat internationales Potenzial. Klar in der Schweiz verwurzelt, wirkt er aber nicht wie ein Heidi-Abklatsch oder reine Schweizer Idylle. Kommt hinzu, dass die Bärenproblematik alle Alpenländer betrifft und die Jäger auch hier keinen leichten Stand haben. Wilderer sind bei «Clara» vor allem die Menschen und nicht die Ungetüme, die auch mal Bienenhonig klauen.
Um historische Ereignisse aufleben zu lassen, sind Mischformen nicht nur bei Fernsehdokumentation sehr beliebt. Werner «Swiss» Schweizer versteht es gekonnt, Dokumente, historische Aufnahmen. Interviews mit Zeitzeugen und Spielszenen zu einem spannenden Bild zu verweben: «Verliebte Feinde» heisst seine Dokufiktion um das Ehepaar Peter und Iris von Roten, die ihrer Zeit weit voraus waren und zu ihrer Zeit vehement angefeindet wurden.
«Frauen im Laufgitter» hiess das Buch von Iris von Rothen, 1958 erschienen, das massiven männlichen, aber auch fraulichen Widerstand und Protest provozierte. In diesem feministischen Manifest geht es um Befreiung aus besagtem Gitter, um Frauenstimmrecht, Gleichberechtigung und offene Ehe. Der Politiker aus einer Walliser Patrizierfamilie und die aufsässige (Ehe-)Frau, die sich eine Zeitlang allein in die USA absetzte, bildeten ein ungleiches Paar, das kompromisslos lebte, gleichwohl stets verbunden war. «Swiss» Schweizer («Hidden Heart», «Von Werra») hat diese beiden Vorkämpfer dem Vergessen entrissen und ihre Forderungen belebt, die heute so aktuell sind wie damals. Fabian Krüger als Peter von Roten und Nina Petri als Iris verleihen diesen ungewöhnlichen Menschen Kontur, vermitteln Emotionen. Die Stärke dieses Films, basierend auf dem Buch (2007) vom Walliser Wilfried Meichtry, liegt nicht in der Kunstfertigkeit, sondern im Engagement, im gesellschaftlichen, historischen Kontext. Der Film beschreibt auch, wie die Schweizer Gesellschaft reagiert, verhindert, konserviert. Da sage noch einer: Die «Geliebten Feinde» hätten nichts mit uns heute zu tun!
Gesellschaftliche Bedürfnisse, Belanglosigkeiten, Begehren oder Begierden – die Filmauslese in Solothurn bot ein breites Spektrum. Natürlich auch in der dokumentarishen Sektion. Erwähnt seien an dieser Stelle nur Mano Khalils ergreifendes Porträt eines Kosovo-Flüchtlings, «Der Imker», der alles verlor, nur den Wunsch nach Bienenvölker nicht; oder die gut gemeinte, aber etwas ausgewalzte Berichterstattung über drei Frauen, in Kuba, in Irak und in China, «Forbidden Voices» von Barbara Miller, oder das Porträt der Pianistin Alena Cherry aus der Ukraine und ihrer Heimkehr ins Katastrophengebiet, «Appassionata» von Christan Labhart. Vom Imker abgesehen, stehen auch hier Frauen im Fokus.
Radikales Kino war ein Thema an den Solothurner Filmtagen. Wer wäre da wohl prädestinierter als der Österreicher Ulrich Seidl mit seinen Arbeiten! Kurzfristig hatte Seraina Rohrer die beiden ersten Teile seiner «Paradies»-Trilogie ins Programm gehievt. Im Spielfilm «Paradies: Liebe» macht sich die beleibte fünfzigjährige Teresa (schamlos gut: Margarethe Tiesel) in die Kenia-Ferien auf. Eine Sextouristin. Wir erleben, wie sich flotte «Beach Boys» anbieten, wie sich Touristinnen vermeintliche Zuneigung und Befriedigung erkaufen – und stranden. Was anfangs, wie eine Farce, eine zynische Komödie wirkt, entwickelt sich zu einem Höllentrip, über den ein stahlblauer Himmel strahlt.
Seidls Filme verführen und verstören, unterhalten und unterlaufen Illusionen und Erwartungen. Man fühlt sich nicht wohl und schaut doch hin, auch bei diesem Sexexkurs, in dem Frauen Männerrollen und -gehabe übernehmen, in dem also Frauen (oder Touristen allgemein) Einheimische scheinbar ausbeuten und selber gemolken werden. Kein Schweizer Film, aber eine Provokation – unverschämt schamlos und endlos traurig.
Der zweite Teil «Glaube» ist nicht minder radikal, schonungslos und verletzend. Auch hier geht es um Triebe. Eine Krankenschwester, katholisch, gespielt von Maria Hofstätter, geisselt sich für das Seelenheil anderer, kasteit sich, hausiert mit der Muttergottes im Arm. Sie betet ihren Jesus an, geht mit dem Kruzifix ins Bett an, flüchtet sich in den Glauben vor der Wirklichkeit und verzweifelt an ihr und ihrem halbgelähmten Ehemann. Gewalt und Glaube bilden quasi eine Gemeinschaft – hier fokussiert auf eine Frau, Jesus und ihre Inbrunst. Seidls Filme werden im April, Mai («Glaube») und Juni («Hoffnung)» in unsere Kinos kommen.
Die Preisträger von Solothurn
Prix de Soleure:
Der Imker von Mano Khalil
Prix du Public:
More Than Honey von Markus Imhoof
Nominationen für den Schweizer Filmpreis Quartz 2012
Bester Spielfilm:
Il comandante e la cicogna von Silvio Soldini
Opération Libertad von Nicolas Wadimoff
Rosie von Marcel Gisler
L’enfant d’en haut von Ursula Meier
Verliebte Feinde von Werner Schweizer
Bester Dokumentarfilm:
Forbidden Voices von Barbara Miller
Hiver Nomade von Manuel von Stürler
More Than Honey von Markus Imhoof
The End of Time von Peter Mettler
Thorberg von Dieter Fahrer