Bild: PD
«Meena Kandasamy: Fräulein Militanz»
Von Ingrid Isermann
Meena Kandasamy, geboren 1984 in Indien, ist Lyrikerin, Übersetzerin, Aktivistin und Doktorin für Linguistik. Sie thematisiert in ihren Gedichten die Rechte der Frauen, das Kastensystem im heutigen Indien, Prostitution und Gewalt. Durch ihr mutiges und engagiertes Auftreten ist sie ständigen Diffamierungen und Bedrohungen ausgesetzt. Sie lebt heute in Chennai, Indien.
Meena Kandasamy sorgte mit ihren Gedichten in Indien für Furore. Ob nun mit ihrem ersten Band «Touch», der 2006 erschien, oder mit «Ms Militancy», in denen sie in sarkastischem, hartem Ton Themen aufgreift, die in Indien immer noch tabu sind. Sie schreibt über Kasten, Vergewaltigung, Unterdrückung der Frauen und Rassismus, zornig, aber nie ohne Charme, traurig, aber nie ohne Ironie und nie nimmt sie ein Blatt vor den Mund. Sie macht nicht aus Not Poesie, sondern Poesie aus Notwendigkeiten, die gesagt werden müssen.
Backstreet Girls
Für die Moralpolizei
Diese Frau, sie ist eine Schlampe. Und das Mädchen
Dort, ein Nimmersatt. Und ich bin
Eine Nutte mit Tätowierungen auf den geilen Schenkeln.
Diese dunkle Braut trägt Sturm in ihrer Rede,
Diese schmiedet Gold als Teilzeit-Hexe,
Und ich bin eine Zicke mit Sommern in meinem Namen.
Mit lockeren Zungen schlucken wir Sonnen.
Selbstsicher wie Schlampen ziehen wir beliebige Männer aus.
Schlaflos. Mit Sternenstaub auf unseren Lidern.
Nackt. Mit Selbstliebe im Sinn.
Und ja, meine Schätzchen, wir sind alle Freundinnen.
Es wird kein Blut auf unseren Ehebetten geben.
Ihr werdet uns nicht als Gattinnen wählen.
Wir sind nicht die, die ihr zu lebenslänglich verurteilen könnt.
Genagelt
Männer haben Angst vor jeder Frau, die Poesie und gefährliche Omen
macht. Unfähig vorherzusagen, wann, wozu und für wen sie ihren Mund
aufmacht, nicht im Stande, ihre Lippen zuzunähen, bringen sie sie zum
schweigen.
Ihr Papagei entwickelte einen grässlichen Fetisch für Fleisch von
Opferziegen, also wurde Kulamaayi in eine Kiste geschraubt und in den
Kaveri Fluss geworfen.
Sie machte sich lustig und triezte ihn wegen seines Zölibats, also wurde
Miss Dorferfolg von einem prominenten umherziehenden Gottesmann
in eine Quelle geworfen.
Sie war unzugänglich, unerreichbar, also wurde Durga in eine Eiserne
Truhe gesteckt, die an einem Flussufer anlegte, und auch die Männer
und Frauen, die versuchten, sich ihr zu nähern, wurden von einer
Aufgezeichneten Stimme darüber informiert, dass sie ausser Reichweite,
ohne Versorgungsbereich und Netz sei.
Sie war eine Ausgestossene, die alle Zeichen einer feurigen Rednerin
trug, welche eines Tages für das Parlament kandidieren würde, also
wurde ihr ein Nagel in den Kopf geschlagen nach Anleitung ihres
brahmanischen Verlobten und ihr Sarg wurde den Wellen eines
heulenden Flusses überlassen.
Schwarz und blutrünstig fand sich gar Kali in ihrem Schrein eingesperrt.
Als verhältnismässig geringes Risiko wurden alle anderen Frauen nur zu
Hause eingeschlossen.
Liebe ohne Titel
und vielleicht,
weil wir uns immer im geheimen trafen,
im schutz der dunkelheit,
zögert er – wann auch immer ich ihn bitte
unsere liebe ans licht zu bringen.
Meena Kandasamy
Fräulein Militanz
Gedichte aus Ms Militancy und Touch
Übersetzung: Raphael Urweider
Zweisprachige Ausgabe englisch-deutsch
Wunderhorn Heidelberg, 2014
80 S., Softcover
€ 15.80
ISBN: 978-3-88423-479-2