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«Architektur: LAC – Luganos neuer Leuchtturm»

Von Niklaus Oberholzer

 

Nach vielen Jahren der Auseinandersetzungen, der politischen Streitereien, der städtebaulichen und kulturpolitischen Diskussionen konnte Mitte September Luganos neues Kulturzentrum LAC (Lugano Arte e Cultura) eröffnet werden.

 

Die Lage ist perfekt: Luganos neuer Kultur-Leuchtturm, der – so das erklärte Ziel der Stadt – weit über die Landesgrenzen hinaus ausstrahlen und damit Norden und Süden verbinden soll, konnte Mitte September eröffnet werden. Das Kulturzentrum erhebt sich mitten in der Stadt und erst noch an bevorzugter Lage am See. Bis der gemäss NZZ 210 Millionen teure Bau des 1944 geborenen renommierten Tessiner Architekten Ivano Gianola mit Konzert- und Theatersaal, Kunstmuseum, weitläufigem Foyer und Café eröffnet werden konnte, verstrichen am Ceresio lange Jahre der Debatten. Die Kontroversen betrafen auch das vielen Jahren leerstehenden „Palace“-Hotel, am Ende eine Brandruine, neben der Kirche Santa Maria degli Angioli an der Piazza Bernardo Luini.

 

 

Nun sind zwei Fassaden des ehemaligen Hotels fein säuberlich restauriert, während der Bau selber Kleidergeschäften des oberen Segments sowie teuren Wohnungen Raum bietet. Neu instand gestellt und zugänglich gemacht wurde ebenfalls der stimmungsvolle Kreuzgang von Santa Maria degli Angioli. Die Höfe und Gassen dieses attraktiven Gevierts lassen sich abwechslungsreich durchstreifen. Hinter diesem Komplex erhebt sich nun, dunkel und fensterlos, der langgestreckte Trakt des neuen Kulturzentrums, an den sich gegen den See hin rechtwinklig der Museumstrakt anschliesst. So ist, zusammen mit dem ehemaligen neuklassizistischen Hotel, ein auf drei Seiten begrenzter, weitläufiger und zum See hin offener Platz entstanden. Die ganze Anlage, in der sich moderne Architektursprache mit der kleinteiligen Altstadt und der Sakralarchitektur von Santa Maria degli Angioli verbindet, ist zweifellos ein hoher städtebaulicher Gewinn für die Stadt Lugano.
Gläsernes Foyer und Saal aus Birnbaumholz
Der mittlere Teil von Lugano Arte e Cultura (LAC) ist ein sich über vier Geschosse hochziehendes, gegen den See und auf der Rückseite mit Glas versehenes lichtdurchflutetes Foyer. Rechts führen Rampen zum Obergeschoss, von dem aus man in den rückseitigen Aussenraum gelangt, der sich für ganz unterschiedliche Freilichtaufführungen nutzen lässt. Die Rampen führen auch zu den verschiedenen Zugängen zum rund 1000 Plätze fassenden Theater- und Konzertsaal, der in weichen organischen Formen und ganz in hellem Birnbaumholz gestaltet ist. Der Raum lässt sich verändern und auch ganz unterschiedlich nutzen.
Eine Feuerprobe für die Akustik des neuen Konzertsaales war die Aufführung von Beethovens Neunter am 25. September mit dem Orchestra della Svizzera Italiana unter Vladimir Ashekenasy. Im Oktober und November folgen neben verschiedenen Kammermusik-Konzerten Auftritte des Orchesters des Mariinskji-Theaters Moskau unter Valeri Giergiev und des Chamber Orchestra of Europe unter Bernhard Haitink. Nach diesem prestigeträchtigen Auftakt wird der neue Saal aber auch mit Theater und Shows bespielt: Mit einem breit gefächerten Programm soll ein grosses Publikum wohl auch aus der benachbarten Lombardei angelockt werden.
Licht-Installation im Untergeschoss
Links vom repräsentativen Foyer ist der Zugang zum neuen Kunstmuseum MASI (Museo d‘arte della Svizzera italiana), das die beiden bisherigen Luganeser Kunstinstitute, die von der Stadt betreute Villa Malpensata und das Museo Cantonale d’Arte, zusammenführt und auf drei Geschossen Ausstellungsräumlichkeiten von insgesamt 2500 Quadratmetern anbietet. Zur Eröffnung werden gleich mehrere Ausstellungen präsentiert. Im grossen Raum im zweiten Untergeschoss ist der in den USA lebende Engländer Anthony McCall zu Gast, der mit seinen auf langsamen Bewegungen basierenden Lichtinstallationen subtile Kreis-Formen in den schwarzen Raum zeichnet und den Besucherinnen und Besuchern, die sich in den Licht-Kegeln bewegen, körperliche-sinnliche Erfahrungen ermöglicht.
„Orizzonte Nord-Sud“.

 
In den beiden Obergeschossen gestalteten Marco Franzioli und Guido Comis die Ausstellung „Orizzonte Nord-Sud“. Sie will – ohne allzu viel Theorie, sondern vielmehr als essayistischer Zugangsversuch – anhand von qualitativ weitgehend hochstehenden Werken bedeutender Künstlerinnen und Künstler des Nordens und des Südens zu vergleichendem Betrachten anzuregen. Piranesi und Caspar Wolf sowie der mit einigen Schweizer Aquarellen vertretene Turner bilden den Auftakt. Besonders spannend sind die Gegenüberstellungen von Giorgio de Chirico und Arnold Böcklin oder von Ferdinand Hodler und dem hierzulande kaum bekannten Italiener Adolfo Wildt (1868-1931), dessen heute exzentrisch anmutendes Werk zwischen Jugendstil, Symbolismus und Expressionismus pendelt. Ebenfalls höchst anregend ist es, Giovanni Segantini in Nachbarschaft zu Medardo Rosso zu sehen, der mit insgesamt sechs seiner zarten Skulpturen sowie mit Fotografien aus eigener Hand vertreten ist. Eher kurios mutet der Vergleich zwischen Stillleben Albert Ankers und Giorgio Morandis an. Die Ausstellung führt mit Werken Giacomo Ballas, Fortunato Desperos und Gilbert Clavels (auch diese beiden eher Geheimtyps des Futurismus), Paul Klees, Sophie Taeubers, Alberto Giacomettis und Lucio Fontanas in die klassische Moderne. Die Ausstellungsräume erweisen sich als praktikabel und bieten befriedigende Lichtverhältnisse, zeichnen sich aber kaum durch besondere räumliche Qualitäten aus. Die aktuelle Ausstellungsarchitektur mit breiten weissen Stellwänden wirkt eher massiv als sensibel. Spektakulär ist allerdings die Präsentation von Giacomettis „Homme qui marche II“ von 1960 vor einem grossen Fenster, das einen grandiosen Ausblick auf den See bietet. Ab Ende Januar 2016 soll in den Museumsräumen eine Ausstellung mit Werken von Markus Raetz gezeigt werden.
Unmittelbar neben dem LAC sind in unterirdischen Räumen mit dem Charme eines Auto-Parkgeschosses grosse Teile der bedeutenden, über 500 Werke umfassenden Kunstsammlung Giacarlo und Danna Olgiati zu sehen mit einem Schwerpunkt auf der italienischen Arte Povera und weiteren Werken neuester internationaler Kunst. Dazu gehört auch Giulio Paolinis vielschichtiges und komplexes „Teatro di Mnemosine“ nach Watteaus grossem Gemälde „Les charmes de la vie“ von 1781.
www.edu.luganolac.ch. Hier Programm-Angaben und Informationen für den Besuch des LAC.
Die Ausstellungen dauern bis 10. Januar.

 

 

L&K-Architektur-Buchtipps

 

«DESIGNING TWA –
Eero Saarinens Flughafenterminal in New York»

 

Die erste, längst fällige Monografie über eine Architekturikone der 1960er-Jahre: den TWA-Terminal am New Yorker JFK-Flughafen.

 

Der TWA-Terminal am New Yorker JFK-Flughafen ist eine Ikone der 1960er-Jahre. Fliegen war die Zukunft, Fliegen war aufregend und glamourös. Dies wollte der finnische Architekt Eero Saarinen (1910–1961) mit dem exklusiven Gebäude für die Trans World Airlines (TWA) ausdrücken. Bis heute fasziniert die einzigartige Gestaltung jeden Betrachter. Obschon eines der bekanntesten Bauwerke New Yorks, fehlte bisher eine Monografie zum TWA-Terminal ebenso wie eine kritische Baugeschichte. Denn obwohl als Ikone des Düsenzeitalters vermarktet, erwies sich bald, dass das TWA Flight Center den Anforderungen nicht gewachsen war und dass die schnell wachsenden Passagierströme darin nicht bewältigt werden konnten. Seit 2001 ist der denkmalgeschützte Bau geschlossen und wartet auf eine neue Nutzung.
Kornel Ringli präsentiert hier die Baugeschichte des TWA-Terminals erstmals umfassend im Spannungsfeld von Architektur, Design und Public Relations. Interviews mit am Bau beteiligten Architekten, fundierte Texte und über 200 überaus attraktive Bilder und Pläne machen das Buch für Architektur- und Designliebhaber zum Muss.

English edition
Kornel Ringli 
Designing TWA –

Eero Saarinens Flughafenterminal in New York

Park Books 2015
Geb., 224 S,, 71 farbige und 169 sw Abbildungen
21.5 x 30 cm
CHF 39. € 38.
ISBN 978-3-906027-83-8

 

 

 

 

«Radikal normal» –

Positionen zur Architektur der Stadt von
Vittorio Magnago Lampugnani

 

Der renommierte Architekturtheoretiker Vittorio Magnago Lampugnani übt pointiert Kritik an der Konsumstadt. Ein Aufruf gegen die exaltierte Globalisierung der Stadt und ihre Auflösung in gesichtslose und unwirtliche Peripherien.
Der Kreislauf zwischen Warenproduktion und Warenverbrauch, der über Marketing beschleunigt wird und unsere Gesellschaft bestimmt, hat auch die Architektur der Stadt ergriffen. Sowohl aus ökonomischer als auch aus ökologischer Sicht erscheint die sich daraus ergebende Verschwendung problematisch. Die Zerstörung nicht wirklich obsoleter Bauten ist ebenso fraglich wie die Schaffung von extravaganten Architekturen. Die hier versammelten Aufsätze von Vittorio Magnago Lampugnani sind seit der Mitte der 1990er-Jahre als Aufrufe gegen die exaltierte Globalisierung der Stadt und ihre Auflösung in gesichtslose und unwirtliche Peripherien entstanden. Nicht die ausgewogenen Urteile eines besonnenen Architekturkritikers werden präsentiert, sondern die Vorschläge eines Architekten, Stadtbürgers und -liebhabers, der deutlich Stellung bezieht.

In Deutschland und Oesterreich: Hatje Cantz Verlag, Stuttgart

 

 

Vittorio Magnago Lampugnani

radikal normal

NZZ Libro Verlag 2015
Fr. 32.00

ISBN 978-3-03810-103-1

 

«Architekturführer Amsterdam»

 

Amsterdam, oft als »kleinste Metropole der Welt« oder »Venedig des Nordens« bezeichnet, bietet auf überschaubarer Fläche eine faszinierende Mischung architektonischer Glanzpunkte.
 


Zwei Konstanten ziehen sich durch die Geschichte der Stadt: das allgegenwärtige Wasser und der immer wiederkehrende Mangel an Platz. Beide zusammen haben die Bewohner Amsterdams im Laufe der Jahrhunderte stets zu kreativen Lösungen angespornt: vom prachtvollen Grachtengürtel aus dem 17. Jahrhundert, der heute zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt, über die zukunftsweisenden Bauten der Amsterdamer Schule und des Neuen Bauens bis hin zu der spektakulären Neubebauung entlang des IJ-Ufers seit den Neunzigerjahren und dem neuen Stadtteil IJburg, der im Osten der Stadt auf künstlich aufgeschütteten Inseln entsteht. Mit mehr als 200 ausgewählten Bauwerken, nach Stadtteilen geordnet, spiegelt der Architekturführer Amsterdam die architektonische Entwicklung und Vielfalt der Grachtenstadt wider und lädt zu ausgedehnten Streifzügen ein.

 

 

Silke Heller-Jung
Amsterdam
Architekturführer
Mit Fotos von Hans Zaglitsch
134 × 245 mm, 252 S., 380 Abbildungen, Softcover

€ 38
ISBN 978-3-86922-360-5 (deutsch)

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