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«Norman Foster: Die autorisierte Biografie»

Von Fabrizio Brentini

Ein kleiner, vorzüglich gestalteter Band stellt das Leben des weltberühmten britischen Architekten Norman Foster vor, besser gesagt, dies erwartet man als Leser, wenn der Untertitel «Die autorisierte Biografie» lautet. Man denkt dabei an die kürzlich erschienene «autorisierte Biografie» von Steve Jobs und fragt sich dann, was das Adjektiv «autorisiert» zu bedeuten hat.

Handelt es sich um eine einem Ghostwriter diktierte Autobiografie, die aus Gründen der Ehrlichkeit diesen als Autorennamen zitiert? Oder übte die Person, deren Leben der Öffentlichkeit ausgebreitet wird, eine Zensur aus? Oder signalisiert dieser Begriff, dass die Informationen beglaubigt sind?
Deyan Sudjic formuliert seine Anliegen bei seiner Beschäftigung mit Foster wie folgt:

 

«Dieses Buch ist weniger eine klassische Biografie als vielmehr eine Abhandlung darüber, was es bedeutet, Architekt zu sein in einer Zeit, in der sich Städte binnen zehn Jahren verdoppeln und sich neue Staaten der Weltöffentlichkeit mithilfe glitzernder Neubauten präsentieren […]. Doch dieses Buch ist auch ein Versuch zu verstehen, wie Norman Foster zu dem wurde, was er ist.»

 

Diese Ankündigung ist enigmatisch und sie bleibt es auch nach der Lektüre der 300 in sechs Kapiteln unterteilten Seiten. Die ersten beiden Kapitel sind meiner Ansicht nach die eindrücklichsten. Fosters Kindheit und Ausbildungszeit werden aufgedeckt. Geboren 1935 in Manchester als Einzelkind von arbeitssamen Eltern, denen der grosse Erfolg versagt blieb, zeigte er schon früh seine ausserordentliche Begabung für Konstruktionen. Der Autor geht teilweise mit Foster selber den Stationen in seinem Wohnort in Levenshulme nach und versucht aufzuspüren, was Foster wohl beobachtet und wie er das Aufgenommene schliesslich verarbeitet hat. Dank dem selbstlosen Einsatz der Eltern kann Foster eine Privatschule besuchen, später das Gymnasium. 1951 erhält er eine Stelle in der öffentlichen Verwaltung, die er zum Leidwesen seines Vaters wegen Unterforderung aufgibt. Erst nach dem dreijährigen Militärdienst und einer Schnupperlehre bei einem Architekten klart sich der Himmel über ihm auf. Er beginnt 1956 mit dem Studium der Architektur und gelangt nach mehreren Reisen 1961 an die Universität in Yale, wo er starke Persönlichkeiten trifft, die ihn zu ersten Höchstleistungen anspornen. Die Namensliste der dort während des Studiums von Foster tätig gewesenen Architekten liest sich wie ein ‚Who is Who’ der modernen amerikanischen Architekturgeschichte:
Paul Rudolph, Philipp Johnson, Buckminster Fuller, Vincent Scully.

 

1963 kehrt er nach Grossbritannien zurück und gründete mit seinem Studienfreund Richard Rogers in London das Architekturbüro Team Four, das allerdings bereits 1967 wegen unterschiedlicher Auffassungen der beiden Leader aufgelöst wurde.
Der nachfolgende Neubeginn war für Foster extrem entbehrungsreich. Erst mit der Vollendung des ersten grossen Auftrages im Jahre 1970, des Verwaltungsgebäudes für die Reederei Olsen in London, beginnt der zunächst verhaltene, dann ab 1979 mit dem Gewinn des Wettbewerbes für die Zentrale der Shanghai Bank HSBC in Hongkong rasante Aufstieg zur globalen Firma, die nach 2000 an rund 25 Standorten etwa 1400 Angestellte beschäftigte.

 

Sudjic verlagert nun sein Interesse von den biografischen Notizen zur Analyse der wichtigsten Bauten. Der Architekt verschwindet hinter die Fassaden.
Lediglich Fragmente aus seinem Leben werden eingestreut, seine Leidenschaft für das Fliegen, seine Begeisterung für Rennradtouren, Marathonläufe und Skilanglaufrennen (Foster nimmt seit Jahren regelmässig am Engadiner Skimarathon teil).
Äusserst knapp fallen die Bemerkungen zu seiner familiären Situation aus: seine Heirat mit Wendy Cheeseman im Jahre 1964, ihr Krebstod im Jahre 1988, seine dritte Heirat mit Elena Ochoa sechs Jahre später [nachdem seine zweite Ehe nur zwei Jahre hielt], die vier eigenen und die zwei adoptierten Kinder.
Der Mensch Foster wird dadurch aber nicht fassbar, vielleicht ist dies auch nicht möglich, wie Sudjic an einer Stelle auch betont:
«Seine eigene, scheinbar unergründliche Fassade ist so sorgfältig zusammengesetzt und emotionslos wie die Fassaden seiner Gebäude. Aussenstehende muss Foster fremd erscheinen.»
Hätte eine nicht autorisierte Biografie unter Umständen den Menschen Foster vielleicht nicht besser erfassen können?

 

Es ist zudem schwierig, sich all die Entwürfe vorzustellen, auf die Sudijc teilweise umfassend eingeht.
Ein Bildteil ist angefügt, aber er genügt bei weitem nicht, um den Gedanken des Autors zu folgen. Da ist man in erster Linie auf die vier Bände, von Otl Aicher in enger Zusammenarbeit mit Foster konzipierte Werkschau angewiesen, die nach dem Tode von Aicher im Jahre 1991 nicht mehr weitergeführt wurde, oder auf den inzwischen auf sechs monumentale Bände angewachsenen Gesamtkatalog des Prestel-Verlages.

 

 

 

Deyan Sudjic
Norman Foster.
Ein Leben für die Architektur.
Die autorisierte Biografie,
368 S., 60 Abbildungen,
DOM publishers Berlin 2012, , € 24.
ISBN 978-3-86922-031-4.

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