Fotos: © Andrea Helbling
«Die Solothurner Schule»
Von Fabrizio Brentini
Literatur & Kunst präsentierte in der Ausgabe 09/2013 die Monografie von Max Schlup, einem Vertreter der so genannten Solothurner Schule. Nun steht auch eine Gesamtschau dieser für die Schweizer Architekturgeschichte der Nachkriegszeit eminent wichtigen Gruppe als Buch zur Verfügung.
Der Autor Jürg Graser überarbeitete dabei seine Dissertation, die nach wie vor als Download im Netz abgelegt ist.(https://ecollection.library.ethz.ch/view/eth:31182). Reizvoll ist nun der Vergleich zwischen der gedruckten Publikation und der digitalen Version. Es drängen sich grundsätzliche Überlegungen über das Verhältnis von Papier und Bytes auf. In diesem Falle kann das eine Medium nicht gegen das andere ausgespielt werden, im Gegenteil, es ist ein Projekt, welches das verträgliche, besser das sich gegenseitig ideal ergänzende Zusammenleben von analog und digital vorführt.
Wer ins Detail gehen möchte, ist nach wie vor auf die rund 33 Megabyte schwere PDF-Datei angewiesen, in der Graser mit unglaublicher Akribie eine vollständige Werkliste der fünf beteiligten Baumeister erarbeitet hatte – das sind Max Schlup, Franz Füeg, Fritz Haller, Alfons Barth und Hans Zaugg. Etliche Bauten sind im Textteil monografisch analysiert. Im nun vorliegenden Buch reduzierte Graser das Material. Während der Einleitungsteil mit den Hintergründen der Schule mehr oder weniger unverändert übernommen wurde, wählte der Autor für den Hauptteil lediglich neun Bauten aus, drei Wohnhäuser, zwei Sakralbauten, ein Industriegebäude, eine Sporthalle und zwei Gymnasien. Und in der Tat braucht es nicht mehr, weil anhand dieser Beispiele alle wesentlichen Aspekte der Solothurner Schule erörtert werden können. Die bei der Dissertation in die Werkpräsentationen eingeflochtenen Exkurse zur Redaktionstätigkeit von Franz Füeg bei «Bauen+Wohnen» sowie über die Bauforschung im Büro von Fritz Haller werden als eigene Kapitel am Schluss des Buches eingeordnet. Andrea Helbling nahm 2012 und 2013 die besprochenen Werke auf. Die Innen- und Aussenansichten rahmen als ganzseitige Abbildungen Texte und Pläne. Überraschend dabei ist, wie gut die Artefakte dem Zahn der Zeit widerstanden haben.
Die erwähnten Baumeister orientierten sich an industriellen Prozessen. Grundrisse wurden nach einem strengen Raster entwickelt. Vorherrschende Werkstoffe waren Glas, Beton und Stahl; die daraus entwickelten Werkstücke wurden seriell vorgefertigt und vor Ort sozusagen im Baukastensystem zusammengesetzt. Die kantigen Baukörper mit Fassaden, welche die Rastereinteilung geradezu zelebrierten, stiessen nicht überall auf Anerkennung. Im Kirchenbau etwa blieb die von Füeg entworfene Piuskirche in Meggen ein Solitär inmitten der inflationär aus dem Boden gestampften, sich an Ronchamp anlehnenden, mit vielen Effekten aufgeblasenen Monumente. Nach der Energiekrise von 1973 hatten die nur aus dünnen Membranen bestehenden Gebäudehüllen der Solothurner Schule sowieso einen schweren Stand. Dabei deckten Weiterentwicklungen von in Bezug auf Energieverbrauch effizienteren Verglasungen und das Aufkommen der Photovoltaiktechnik auf, dass das Problem des Energiehaushaltes nicht eines einer bestimmten Architektursprache ist, im Gegenteil Norman Foster etwa konnte mit seinen Grossbauten bestens beweisen, wie gerade die serielle und modulare Bauweise den Ansprüchen nach Energieeffizienz bestens genügen kann.
Die Handschrift der Architekten
Und ein weiteres Vorurteil kann die minutiöse Analyse der einzelnen Bauwerke im Buch widerlegen: dass diese Architektur wenig gestalterische Freiheiten zulässt. Die eingestreuten Skizzen und die zum Teil neu erstellten Konstruktionsdetails belegen eindrücklich, wie intensiv an Details gearbeitet wurde. Die Handschrift der Architekten wird zugegebenermassen nicht so deutlich manifest wie beispielsweise in den Werken der Dekonstruktivisten, sie muss mit geduldiger Lektüre aller Bauteile erkundet werden, etwa wie ein Raum überspannt, wie die Träger gesetzt wurden, welche Profile zur Anwendung gelangten usw. Am interessantesten sind in dem Falle die Lösungen des so genannten Eckproblems, das seit der griechischen Antike eine Herausforderung auf höchstem Niveau darstellt. Bei einer seriellen Abfolge von identischen Achsen wird das Auge an den Ecken verunsichert. Die Eckachsen erscheinen zu breit, was die Griechen veranlasst hatte, die Abstände zwischen den beiden äusseren Tempelsäulen zu reduzieren. Noch gravierender ist der Umstand, dass die Eckträger, sofern sie gesetzt werden, zu massig wirken, weil keine Paneelen folgen, sodass die Breite der Träger auf zwei Achsen verteilt werden kann. Wie dies aufgefangen werden kann, demonstrierte Mies van der Rohe bei den IIT-Campusgebäuden in Chicago – eine nach wie vor unübertroffene Leistung. Wie die Architekten der Solothurner Schule damit umgingen, wird in der Publikation sowohl mit den Fotos wie mit Detailskizzen hervorragend gezeigt. Gerade durch die je eigene Lösung des Eckproblems bekommt jedes Gebäude seine unverkennbare Individualität.
Und zum Schluss noch dies: Als Schrifttype für das Buch wählte der Layouter Philippe Mouthon die Univers von Adrian Frutiger, der sie 1957 als Schriftfamilie herausgab. Sie galt bald einmal als Aushängeschild der Schweizer Typografie der 1960er Jahre, deren Kennzeichen laut dem Wikipediaeintrag u.a. «Gestaltungsraster, […] sachliche Darstellung, Groteskschriften in wenigen Schriftgraden, extreme Weissräume und der Verzicht auf Schmuckelemente» sind. Für die Präsentation der Architektur der Solothurner Schule wäre jede andere Schrift ein Fehlgriff gewesen.
Jürg Graser
Gefüllte Leere
Das Bauen der Schule von Solothurn
Barth, Zaugg, Schlup, Füeg, Haller
gta-Verlag Zürich 2014, 372 S.,
CHF 89/€ 76.
ISBN 978-3-85676-281-0
Literatur & Kunst-Architekturtipps
Von Traditionell bis High Tec: Bauen in Zeiten des Klimawandels.
Ob Orkane, Hochwasser oder Dürre: man muss nicht die schlimmsten Szenarien bemühen, um zu erkennen, dass das Bauen in Zeiten des Klimawandels eine neue Herausforderung darstellt. Schon immer musste Architektur auf äussere Gegebenheiten reagieren und Strategien zur Anpassung oder Überwindung entwickeln.
Ulrich Pfammatter hat sich mit dem Buch «Buildig for a Changing Culture and Climate World Atlas of Sustainable Architecture» an die grosse Aufgabe gewagt, aus der ganzen Welt Beispiele unter dem Aspekt des nachhaltigen Bauens zu dokumentieren und zu kommentieren.
Von traditionellen Kulturtechniken über modellhafte Bauten der Gegenwart bin hin zu visionären Ansätzen und Konzepten: die 333 Fallbeispiele zeigen Lösungen und Strategien, die den permanenten Veränderungen von Kultur und Klima begegnen, ob in der Antarktis oder in den Tropen, ob im Himalaya oder nah am Meeresspiegel. Diese Weltreise führt zu den unterchiedlichsten kulturellen Techniken, wissenschaftlichen Ingenieurleistungen, Low-Tec- oder High-Tec-Lösungen. Ein letztes Kapitel befasst sich mit der Umwandlung von stillgelegten Industrieanlagen und dem Umgang mit dem baukulturellen Erbe.
In fünf Themenblöcke gegliedert, geht der Band zunächst vom Genius Loci aus und betrachtet Projekte in ihrem räumlichen Kontext, es geht um die Atmosphäre eines Ortes und seine Identität, aber auch um den Wandel.
Pfammatter plädiert für einen neuen Fokus auf die Architektur: Wo Ressourcen aufgebraucht sind, muss neu gedacht werden. Alte Kulturtechniken können dabei ebenso helfen wir neueste Technologien sowie „Lernen von der Natur“.
Angesprochen sind alle Akteure des Bauens, der Architektur und der Ingenieurtchniken, des Urbanismus und der Arealentwicklung, oder auch der Denkmalpflege. Das Buch bietet eine Fülle an überraschenden, originellen, oder auch ganz simplen architektonischen Lösungen aus unterschiedlichen Kulturregionen und Klimazonen. Ein unerschöpflicher Fundus für alle, die sich mit dem Thema Bauen im Kultur- und Klimawandel auseinandersetzen.
Ulrich Pfammatter
Building for a Changing Culture and Climate. World Atlas of
Sustainable Architecture
Mit einem Vorwort von Stefan Behnisch
225 x 290 mm, 584 S., ca. 2.000 Abb.
Hardcover mit Schutzumschlag
CHF 124. € 98.
DOM publishers, Berlin 2014
ISBN 978-3-86922-282-0 (englisch)
Neue DOM publishers Architekturführer
Die Architekturführer von DOM publishers sind als Reiseführer in handlichem Format für (bau-)kulturell Interessierte gedacht. Eine sorgfältige Projektauswahl und ein intensives Fachlektorat machen sie zu einem einzigartigen (lexikalischen) Nachschlagewerk. www.dom-ublishers.com
Architekturführer Venedig
Zeitgenössische Architektur in Venedig? Gibt es dafür überhaupt noch Platz? Der Architekturführer lädt zu einer Entdeckungsreise durch die Lagunenstadt ein: im Schatten von Rialtobrücke, Dogenpalast und Markusdom präsentiert das Buch die zeitgenössische Architektur nach 1950 fernab von touristischen Pfaden. Acht Spaziergänge und Bootsfahrten führen zu neuen Wohnanlagen und umgebauten Hafenschuppen, zu Werken von Carlo Scarpa, Tadao Ando und David Chipperfield. Umstrittene Neubauprojekte wie die Hochwassersperren oder spektakuläre Umbauten wie des Fondaco dei Tedeschi von Rem Koolhaas werden ebenfalls thematisiert. Nie realisierte Entwürfe wie etwa von Frank Lloyd Wright, Le Corbusier und Louis Kahn bezeugen die Faszination, die Venedig auf Architekten seit je ausübt.
Clemens F. Kusch / Anabel Gelhaar
Venedig
Architekturführer
134 x 245 mm, 270 S., über 400 Abb.
Softcover
CHF 49.40. € 38.
DOM publishers, Berlin 2014
ISBN 978-3-86922-327-8
Architekturführer Riga
Hansezeit, Jugendstil, Sowjetmoderne – Riga ist auch aus architektonischer Sicht zu Recht Kulturhauptstadt 2014. Der Rigaer Architekturhistoriker und Autor Jänis Krastins stellt als Experte seiner Heimatstadt 800 Bauten aus allen Epochen der über 800-jährigen Baugeschichte Rigas, der grössten Stadt des Baltikums, vor.
Seit ein Bremer Bischof die Stadt im Jahr 1201 gründete, wuchs die erfolgreiche Hansestadt unaufhörlich weiter, doch wurde sie bald von verschiedenen fremden Einflüssen aus Schweden oder Russland geprägt.
Dadurch entstand eine vielschichtige Struktur, die weltweit grösste Ansammlung an Jugendstilgebäuden, majestätischen Bauten des Funktionalismus und die Sowjetmoderne. Seit der Unabhängigkeit 1991 knüpft Riga wieder an ihre reiche Architkekturtradition an. In den letzten zehn Jahren erlebte die Stadt einen regelrechten Bauboom.
Der Architekturführer bietet eine profunde Übersicht über die vielfältige Architektur und die städtebauliche Entwicklung der Stadt, die man als Abbild der europäischen Baugeschichte betrachten kann. Er ist zugleich eine gründliche Dokumentation und Bestandesaufnahme. Ausführliches Kartenmaterial und ein Ortsregister helfen bei der Orientierung.
Jänis Krastins
Riga
Architekturführer
134 x 245 mm, 400 S., über 800 Abb.
Softcover
CHF 61.80. € 48.
DOM publishers, Berlin 2014
ISBN 978-3-86922-277-6
Architekturführer St. Petersburg
Sankt Petersburg wurde 1703 von Zar Peter I. praktisch aus dem Nichts, genauer aus dem Sumpf gestampft. Die Stadt am Finnischen Meerbusen sollte den Zugang zur Ostsee und den Anschluss an den Westen ermöglichen. Als „Venedig des Nordens“ gilt Sankt Petersburg, und die Stadt ist mit 2.400 Einzelgebäuden nach Venedig (3.200) auch das zweitgrösste UNESCO-Weltkulturerbe mit gigantischen barocken und klassizistischen Ensembles, doch die 5-Mio.-Metropole weist auch unzählige Jugendstilbauten und repräsentative Gesellschaftsbauten aus der Sowjetmoderne auf.
Wer den Zauber der „abstraktesten und ausgedachtesten Stadt auf der ganzen Erdkugel“ (Dostojewski) erleben will, ist mit diesem Architekturführer bestens beraten, der komprimiertes Hintergrundwissen und sorgfältig recherchierte Fakten aus der gesamten Stadtgeschichte
präsentiert.
Heike Maria Johenning
Sankt Petersburg
Architekturführer
134 x 245 mm, 388 S., über 500 Abb.
Softcover
CHF 49.40. € 38.
Dom publishers, Berlin 2014
ISBN 978-3-86922-162-5
Architekturführer Istanbul
Noch einmal ans Meer geht es mit dem Architekturführer Istanbul: Zwei Kontinente, viele Kulturen, eine Stadt. Am Bosporus treffen Welten aufeinander: Istanbul hat sich als einzige Millionenmetropole der Welt auf zwei Kontinenten entwickelt. In dieser rasend wachsenden Megacity mit derzeit geschätzten 16 Millionen Einwohnern treffen islamische Tradition, eine sich emanzipierende Zivilgesellschaft und europäische Wertevorstellungen nicht immer konfliktfrei aufeinander, wie die Protestbewegungen um den Gezi-Park im Frühjahr 2013 zeigten.
Das Buch stellt nicht nur die berühmten historischen Bauwerke, sondern vor allem auch die Moderne sowie aktuelle Projekte vor. Letztere nimmt das Buch auch kritisch unter die Lupe und lässt Akteure der Istanbuler Architekturszene zur Stadtentwicklung zu Wort kommen, über die Osterweiterung der Stadt, den Kanal zwischen Marmara- und Schwarzem Meer, den geplanten dritten Flughafen, der vermutlich der grösste der Welt sein wird. So erhält man ein lebendiges Bild von der Stadt am Bosporus und gleichzeitig einen Überblick über eine lange Geschichte der Veränderung.
Hendrik Bohle / Jan Dimog
Istanbul
Architekturführer
134 x 245 mm, 352 S., 600 Abb.
Softcover
CHF 49.40. € 38.
DOM publishers, Berlin 2014
ISBN 978-3-86922-292-9
Architekturführer Kairo
Von der arabischen Gründung zum „Arabischen Frühling“: in Kairo spiegelt sich der gesellschaftliche Wandel ebenso wie die Spannung zwischen islamischer Tradition und moderner Glitzerwelt. Im arabischen Raum gilt die Stadt am Nil als „Mutter aller Städte“, ein Verweis auf ihre lange Vergangenheit und ihren Modellcharakter.
Der Architekturführer stellt über 200 Bauwerke vor, beginnend mit der Frühgeschichte, Heliopolis und Memphis, den Pyramiden von Giza und den koptischen Kirchen. Die eigentliche Stadtgeschichte beginnt mit den Gründungen nach der Eroberung durch die Araber, insbesondere mit der Palaststadt Al-Cahira im Jahr 969.
Heute ist Kairo als 8-Mio.-Metropole die grösste Stadt der arabischen Welt. Der Architekturführer Kairo navigiert durch die Zeiten des Wandels, von den Resten der antiken Hochkultur über die arabischen Gründungen, die Herrschaft der Osmanen, die französische Transformation in ein „Paris am Nil“ bis in die Gegenwart und schliesst mit den vorläufigen Auswirkungen des Arabischen Frühlings ab. Das Buch bietet thematische Spaziergänge und Exkursionen zu allen Epochen an.
Thomas Meyer-Wieser
Kairo
Architekturführer
134 x 245 mm, 388 S., 800 Abb.
CHF 49.40. € 38.
DOM publishers, Berlin 2014
ISBN 978-3-86922-267-7