FRONTPAGE

Novartis Campus Basel: Herzog & de Meuron geben sich die Ehre mit Rahul Mehrotra im Schlepptau»

Von Fabrizio Brentini

 

Zwei weitere Bau-Monografien in Bezug auf das Areal Novartis Campus Basel sind erschienen, und inzwischen studiere ich nicht als erstes die wie immer perfekt komponierten Aufnahmen, sondern den Gesamtplan, der wie ein Frontispiz für die nachfolgenden Risse und technischen Angaben wirkt.

Man kann feststellen, dass sich das Raster von Bau zu Bau verändert. Die Uferlinie zum Rhein wird insbe-sondere durch das Hochhaus von Herzog & de Meuron deutlicher. Zwei weisse Mauerzüge, die im stumpfen Winkel aufeinander treffen, laden die Passanten, die künftig den neu angelegten Weg bege-hen können, zur Einkehr ein. Eine Bar und ein Restaurant werden die einzigen allgemein zugänglichen Räume des Novartis Campus sein. Darüber erhebt sich ein 63 m hoher Kasten, dessen Fassaden aus mehrschichtig eingefügten Stäben bestehen. Die Glashaut verbirgt sich hinter einer filigranen Struktur. Entgegen der Devise des Gesamtplaners von Vittorio Lampugnani, der eine Traufhöhe von 23,5 m vor-schrieb, stapelten Herzog&de Meuron zwei Einheiten übereinander und schoben mittig einen dreige-schossigen Kern ein, der als eine Art Taille fungiert. Die Absicht war, für das ganze Areal so etwas wie ein Stadttor unmittelbar am Ufer des Rheins und dieses in Beziehung zu den anderen in den letzten Jahren entstandenen Hochhäusern zu setzen. Wem sollte diese Ehre des Grenzen sprengenden Auftrit-tes zukommen, wenn nicht dem international erfolgreichen Basler Büro, das auf dem Roche Areal mit dem 175 m hohen Büroturm kurz davor das bislang höchste Gebäude der Schweiz realisieren durfte?
 
Auf dem Umschlag der Publikation wird aber der Torcharakter nicht deutlich, weil der Neubau in Nachbarschaft zu anderen, älteren Blöcken steht, welche die angepeilte Traufhöhe ebenfalls bei wei-tem überragen. Eine abschliessende Beurteilung wird erst möglich sein, wenn diese Altbauten – sofern der Gesamtplan zu Ende geführt wird – beseitigt und durch neue Einheiten über den vorgegebenen Rasterflächen ersetzt werden. Herzog&de Meuron waren im Innern unüblich sparsam. Wände und De-cken sind in Weiss gehüllt, die Böden bestehen aus hellem Eichenparkett. Einzig in den drei mittleren Geschossen ist eine komplexere Raumstruktur geschaffen worden, mit Bereichen, die über alle drei Geschosse reichen, und frei in diese Bereiche ragenden Deckenelementen.
Während bei den bis anhin realisierten Bauten auf dem Campus Kunst in die Gebäude integriert wurde, beschränkte man sich beim Hochhaus auf zwei Einzelobjekte im Aussenraum. In die Kante ei-ner Mauerscheibe am Uferweg ist eine grell hellgrüne, eine Kaurimuschel darstellende Skulptur von Katharina Fritsch eingestellt. Witzig-ironisch wird die Nähe zum Fluss thematisiert. Sicher gewollt ist die sich aufdrängende Assoziation einer vaginalen Form. Im Übergang zum Gartenareal ist eine Brun-nenanlage mit Sitzgelegenheit des dänisch-isländischen Künstlers Olafur Eliasson platziert. Sie scheint die durch einen Tropfen ausgelöste Wellenbewegung einzufrieren. Vorurteilslos betrachtet zeigt sich der Brunnen als eine technisch sorgfältig ausgeführte Steinarbeit, die an einem anonymen Ort kaum als herausragendes Kunstwerk auffallen würde. Der Kommentar von Jacqueline Burckhardt deutet jedoch darauf hin, dass Eliasson mit dieser Skulptur bestimmte Interpretationen über den Novartis-Konzern verbindet. «Die Anordnung steht für Demokratie und zugleich für Individualität. Sie stellt sich gegen jegliche ideologische Vision. Jene, die im Kreis nach innen schauen, beziehen sich eher aufeinan-der, befinden sich wie in einer Art mikroparlamentarischen Situation, während die anderen, die sich nach aussen wenden, sozusagen die weltanschauliche Position einnehmen». Wer es fassen kann, der fasse es!
 
Auf derselben Nord-Süd-Achse wie das Hochhaus – womit die Uferlinie in nördliche Richtung weitergezogen wird – steht das vom indischen und in unseren Breitengraden kaum bekannten Architekten Rahul Mehrotra entworfene Forschungsgebäude. Es schafft 220 Arbeitsplätze und beherbergt 1,5 Millionen Wirkstoffe als Basis für die Entwicklung neuer Medikamente. In Zusammenarbeit mit dem Landschaftsgestalter Günther Vogt, der schon den Park im Eingangsbereich des ganzen Campus ange-legt hat, wurde über die Westfassade ein Schleier aus Schlingpflanzen gezogen. Die zum Rhein weisende Front ist in Glas aufgelöst und von zwei Loggien durchbrochen. Wenig inspirierend erscheinen die Längsfassaden die aus geschlossenen und vergitterten Wandteilen zusammengesetzt sind.
Schwierig zu lesen ist der Aufbau des Innern, das einerseits durch die nicht überall durchgezogenen Decken der insgesamt fünf Geschosse und andererseits durch die diese Decken durchbrechenden Hal-len bestimmt wird. Das Eingangsfoyer wird durch zwei lange gekrümmte Scheiben gerahmt. Eine Treppe in einem ovalen Gefäss führt zum ersten Obergeschoss mit einem ersten Atrium, das zum zwei-ten Obergeschoss durchbricht. Noch komplexer ist das Atrium das vom dritten bis zum Dachgeschoss reicht. In den Text von Reto Geiser ist eine Abbildung einer Piranesi-Radierung integriert – die Carceri waren somit eine Quelle für diesen Binnenraum mit dem Unterschiede, dass Mehrotra alle Flächen dieses Raumes weiss strich, viel Licht einfliessen liess und das ganze Atrium mit Grünpflanzen üppig ausstattete. Die Bespielung mit Kunst überliess man der Videokünstlerin Pipilotti Rist, die mit zwei Projektoren im Eingangsbereich einen «Amorphen Farbenregen» auslöst.

 

 

Ulrike Jehle-Schulte Strathaus (Hrsg.)

Novartis Campus – Asklepios 8. Herzog & de Meuron

Christoph Merian Verlag Basel 2015

d/e, 112 S., CHF 54, EUR 49.

ISBN 978-3-85616-666-3

 

 

Ulrike Jehle-Schulte Strathaus (Hrsg.)

Novartis Campus – Virchow 16. Rahul Mehrotra

Christoph Merian Verlag Basel 2015

d/e, 92 S.,CHF 49, EUR 44.

ISBN 978-3-85616-667-0

 

 

L&K-Buchtipps

 

«WHAT MOVES US? – Le Corbusier and Asger Jorn in Art and Architecture»

 

Le Corbusier (1887–1965) hatte kein geringeres Ziel, als die Architektur und damit die Gesellschaft zu revolutionieren. Dieses Buch untersucht erstmals umfassend die Rezeption und Wirkung Le Corbusiers in Skandinavien – sowohl als Architekt wie auch als bildender Künstler.
 

Im Fokus der Betrachtung steht die Beziehung Le Corbusiers zu Asger Jorn (1914–1973), dem herausragenden Vertreter des experimentellen Expressionismus und einem der wichtigsten modernen Künstler Skandinaviens. Seit er als Student in Paris mit Le Corbusier zusammen am Pavillon des Temps Nouveaux auf der Weltausstellung 1937 gearbeitet hatte, war Jorn fasziniert von Architektur als öffentlichster aller Kunstformen und verfolgte Le Corbusiers Schaffen und Veröffentlichungen mit anhaltendem Interesse.
Le Corbusier (1887–1965) hatte kein geringeres Ziel, als die Architektur und damit die Gesellschaft zu revolutionieren. Dieses Buch untersucht erstmals umfassend die Rezeption und Wirkung Le Corbusiers in Skandinavien – sowohl als Architekt wie auch als bildender Künstler.
Der Band präsentiert weiter Beiträge u.a. zu den Spuren, die Le Corbusier in Dänemarks Architektur und Städtebau im 20. Jahrhundert hinterlassen hat, und zu den Parallelen zwischen ihm und dem dänischen Architekten Jørn Utzon.

Das Buch erscheint anlässlich einer Ausstellung im Museum Jorn in Silkeborg (Dänemark), 12. September bis 13. Dezember 2015.

 

 

WHAT MOVES US?
Le Corbusier and Asger Jorn in Art and Architecture

Le Corbusiers influence and reception in Scandinavia and

his connection with Danish artist Asger Jorn.
Edited by Ruth Baumeister
Scheidegger & Spiess, 1st edition, 2015
Hardback, 210 pages, 164 color and 76 b/w illustrations
22 x 28 cm. CHF 49. € 48.
ISBN 978-3-85881-773-0
In cooperation with Museum Jorn, Silkeborg

 

 

«ITALO MODERN 2 – Architektur in Oberitalien 1946–1976»

Der zweite Band der massgeblichen Übersicht zur architektonischen Nachkriegsmoderne in Norditalien.

 

«Italo modern» zeigt die architektonische Nachkriegsmoderne in Norditalien, umgesetzt in einen so handlichen wie intelligent strukturierten Führer. Mit dem Fokus auf Einzelbauten haben der Architekt Martin Feiersinger und der Künstler Werner Feiersinger Projekte von Neorealisten und Rationalisten, Brutalisten und Organikern ausgewählt. Jedes Gebäude wird mit zahlreichen Fotografien, einem kurzen Text und neu gezeichneten Plänen vorgestellt, die aus subjektivem Blickwinkel den gegenwärtigen Zustand der Bauten vermitteln.

 

 

Italomodern 2, der lang erwartete Folgeband dieses 2012 erstmals erschienen und sehr erfolgreichen Buches, dokumentiert weitere rund 130 Bauten mit ca. 400 Fotografien auf über 550 Seiten. Im umfangreichen bibliografischen Anhang finden sich wiederum die Biografien der Architekten und Architekturbüros sowie eine Übersichtskarte der Region mit genauen Adressangaben der Bauten.

Ebenfalls lieferbar ist die aktualisierte Neuausgabe des ersten Bandes:
Italomodern 1

 

 

 

ITALO MODERN 2 1946-1976

Martin und Werner Feiersinger.

Herausgegeben von Arno Ritter, Martin Feiersinger,

Werner Feiersinger,

aut. architektur und tirol

in Zusammenarbeit mit dem vai Vorarlberger Architektur Institut

Park Books, 1. Auflage, 2015

Broschiert, 552 Seiten, 360 farbige Abbildungen und 165 Pläne
16.5 x 22 cm. CHF 49. € 48.
ISBN 978-3-906027-99-9

 

 

«HANS BELLMANN – Architekt und Produktgestalter. Protagonist der Schweizer Wohnkultur»

 

Die erste Monografie zu einer zentralen Figur der Schweizer Designgeschichte. Herausgegeben von Joan Billing und Samuel Eberli. Mit Beiträgen von Joan Billing, Samuel Eberli, Michael Hanak, Susanna Koeberle, Claude Lichtenstein, Renate Menzi, Juho Nyberg und Arthur Rüegg.

 

Hans Bellmann (1911–1990) zählt zu den bedeutenden Protagonisten der Schweizer Wohnkultur und beeinflusste diese in den 1950er- und 1960er-Jahren massgeblich. Geprägt durch sein Studium am Bauhaus in Dessau und in Berlin und seine Arbeit bei Mies van der Rohe formulierte Bellmann in seinem eigenständigen und konsequenten Werk sinnbildlich die Wünsche an die Lebensentwürfe seiner Zeit. Der Schweizerische Werkbund honorierte diese Leistung mit einem Dutzend Auszeichnungen «Die Gute Form». Nach seiner Rückkehr in die Schweiz 1934 begann Hans Bellmann seine Kooperation mit der Firma Wohnbedarf AG. Als freischaffender Architekt und Entwerfer entwickelte er Möbel, baute Einfamilienhäuser, richtete Möbelgeschäfte ein und entwarf Industrieprodukte. Ausserdem war er als Dozent u. a. an der Kunstgewerbeschule Zürich und der Hochschule für Gestaltung in Ulm tätig.

 

 

Diese erste Monografie stellt die Arbeit von Hans Bellmann detailliert vor: mit einem einordnenden Essay sowie vielen neu erstellten Fotografien und Texten zu den einzelnen Objekten.

Die Reihe «Protagonisten der Schweizer Wohnkultur» birgt verborgene Schätze der Schweizer Designgeschichte und stellt diese mit sorgfältig aufgearbeiteten Büchern und Ausstellungen der Öffentlichkeit vor. Ziel ist, auf das kulturelle Designerbe aufmerksam zu machen und die Vernetzung von Fachspezialisten, Institutionen und Designinteressierten zu fördern. Bisher wurden folgende Gestalter vorgestellt: Alfred Altherr Junior, Klaus Vogt, Werner Max Moser, Jacob Müller.

 

 

Hans Bellmann

Protagonist der Schweizer Wohnkultur

Design+Design,

mit Joan Billing, Samuel Eberli, Michael Hanak,

Susanna Koeberle, Claude Lichtenstein, Renate Menzi,

Juho Nyberg, Arthur Rüegg

Scheidegger & Spiess, 1. Auflage, 2015

Geb., 160 Seiten, 126 farbige und 139 sw Abbildungen

23.5 x 32 cm. CHF 49. € 48.
ISBN 978-3-85881-485-2

 

 

 

HANS BELLMANN
Architekt und Produktgestalter. Protagonist der Schweizer Wohnkultur
Die erste Monografie zu einer zentralen Figur der Schweizer Designgeschichte.

Herausgegeben von Joan Billing und Samuel Eberli.

Mit Beiträgen von Joan Billing, Samuel Eberli, Michael Hanak, Susanna Koeberle,
Claude Lichtenstein, Renate Menzi, Juho Nyberg und Arthur Rüegg
1. Auflage, 2015
Gebunden
160 Seiten, 126 farbige und 139 sw Abbildungen
23.5 x 32 cm
ISBN 978-3-85881-485-2

 

 

«Le Corbusier: Precisions On the Present State of Architecture and City Planning»

 

Le Corbusier’s book Precisions on the Present State of Architecture and City Planning, originally published in French in 1930, constitutes one of his most important publications on urbanism and architectural design. Summarizing eight years during which he and his associate Pierre Jeanneret created a range of buildings and a body of theory that arguably changed the face of modern architecture, the book also marks a turning point in his theoretical approach and design method.

 

 

Precisions assembles ten lectures given in Buenos Aires in October 1929 and an indication oft he content of four more given in Montevideo, Sao Paulo und Rio de Janeiro. This new edition, a reprint oft he original American edition, present these lectures to a contemporary readership and ist he first to reproduce fifty-eight of Le Corbusier’s original lecture drawings in color. The book has been expanded with explanator notes that offer additional information on key figures, terms and the events discussed. In his new introductory essay, renowned scholar Tim Benton views the South American lectures in the larger context of Le Corbusier’s work.

The famous 1929 South American lecture series in a new carefully edited facsimile reprint edition, featuring for the first time and in color the complete drawings that accompanied his oration. A tribute marking the 50th anniversary oft he great architect’s death 2015.

 

 

Le Corbusier: Precisions

On the Present State of Architecture

and City Planning

New Introduction by Tim Benton
Park Books
Paperback, English
336 pages, 48 color and
218 b/w illustrations
15.5 x 24.5 cm
ISBN 978-3-906027-65-4
CHF 29. € 29.

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