FRONTPAGE

«Marcel Meili, Markus Peter: Zürichs Hochhäuser»

Von Meili Peter Architekten

 

Ein Gespräch mit Marcel Meili und Markus Peter Architekten mit Patrick Gmür, Direktor Amt für Städtebau der Stadt Zürich über die «Neuen Silhouetten» in Zürich West: Drei Türme im Dialog.

Die Planungsgeschichte von Zürich West zeigt, dass die heutigen regulativen Instrumente für den Umbau der Stadt an den Rändern ihrer Wirksamkeit meist sofort einen Verhandlungsprozess über die Gültigkeit von Grenzen eben dieses Regulativs aufwerfen. Das Ringen um die Auslegung dieser Grenzen hat uns bei der Projektierung von City West nahezu während der gesamten Arbeitsphase begleitet. Mit den Projet City West wurde der gesamte Raum des ehemaligen Coop-/Maag-Areals zusammen mit dem Prime Tower und dem Mobimo Tower in seiner Lage am Fluss der Gleise durch drei Hochhäuser verspannt. Und mit der gestaltbildenden Regel von polygonalen Brechungen des Grundrisses legten wir die Grundlage für ein Hochhausensemble, das seine Wirkung dem Dialog zwischen drei Türmen verdankt.

 

 

Markus Peter: Unsere Diskussion beginnt vor dem Hintergrund der letzten zwei Jahrzehnte und dem BZO-Diktat des Kantons Zürich von 1996. Die «Richtlinien für die Beurteilung und Planung von Hochhausprojekten (Hochhäuser in Zürich)» wurden 2001 vom städtischen Hochbaudepartement für die linearen, sich gegen Westen ausdehnenden Industrieareale mit ihren heterogenen Massstäben und die Ringstadt im Norden von Zürich festgelegt. Der heimliche Konsens liegt im Freihalten der dominanten Silhouetten: der Hügelketten des Zürichund des Uetlibergs und der Altstadt sowie des Blicks über den See in die Berge. Die Topografie schreibt schon lange ihre Werte in die Textur der Stadt ein, und so fand das Industriequartier seine Verlängerung bis über Spreitenbach hinaus. Im noch nicht allzu lang zurückliegenden Dialog mit Luigi Snozzi und Hans Kollhoff beharrte Ursula Koch [1986–1998 Stadträtin, Vorsteherin des Bauamt II der Stadt Zürich] noch darauf, dass das Hochhaus unserer Baukultur fremd sei. Und doch sind aus diesem «Klima eines Dampfkochtopfs», wie du, Patrick, diese politische Verspannung der 80er-/90er-Jahre einmal bezeichnet hast, schnell einige Bauten in die Höhe geschossen.

 

 

Marcel Meili: Kochs Position war noch expliziter, denn sie hat gesagt, dass sie eigentlich nur Architekten kenne, die für Hochhäuser seien. Damit unterlag das Hochhaus einem besonderen Legitimierungszwang, weil es im Verdacht stand, lediglich einer Vorliebe von Architekten geschuldet zu sein.
Patrick Gmür: Die damalige Behauptung von Frau Koch entspricht auch meiner Erfahrung als Direktor des Amts für Städtebau. Meist sind es Architekten, die uns an geeigneten, aber auch an sehr ungeeigneten Standorten hohe Häuser oder Hochhäuser vorschlagen. Auch deshalb verfügt die Stadt Zürich seit 2001 über ein Hochhausleitbild. Dieses legt die Gebiete fest, in denen bis 40 Meter respektive 80 Meter gebaut werden kann, und definiert die städtebaulichen Anforderungen und gestalterischen Prinzipien. In den letzten Jahren entstanden vor allem in Zürich-West zahlreiche Hochhäuser wie der Prime Tower, das Toni-Areal, die Escher-Terrassen, der Hard Turm Park oder das Wohnhochhaus Zölly. Sie bilden zusammen mit den Türmen in der Hardau aus den 1970er-Jahren die Skyline von Zürich. Rund 20 weitere sind in Planung, im Bewilligungsprozess oder im Bau. Das Stadtbild von Zürich ist schon jetzt auch eines der Hochhäuser. Und man sieht nun anhand der vielen Beispiele gut, welche spezielle Wirkung Hochhäuser haben, was für eine Bedeutung sie im Stadtgefüge einnehmen, welche städtebaulichen Qualitäten sie offenbaren – oder eben nicht.

 

 

MM: Zunächst muss festgehalten werden, dass das, was wir auf diesem Feld sehen, nicht der Wunschwelt von Architekten entspricht, sondern auf sehr komplexen Motivationen und Konstellationen mit sehr verschiedenen Akteuren basiert. Der Zölly- Turm war eine Initiative eines Investors. Und an anderen Orten ist es mindestens ein synergetisches Zusammenwirken von Architekten und ihren Auftraggebern.

 

 

PG: Das stimmt. Wobei neben den Auftraggebern und den Architekten zumindest in Zürich-West auch die brachliegenden Industrieareale eine wichtige Rolle spielten. Sie boten Land mit einer hohen Ausnützung. Den damaligen Grundeigentümern – das waren noch nicht die Immobilieninvestoren – ging es in erster Linie darum, diese Ausnützung zu transformieren. Damit war die Idee des Hochhauses wieder zurück in Zürich.

 

 

MP: Die entfesselte Dynamik der Grossstadt lässt die städtebaulichen Eingriffe und Leitbilder als lediglich begrenzte Ordnungsversuche aussehen. Noch mehr als den Ausdehnungen ins Horizontale haften der Vertikalen immer Züge ins Anarchische an. Am ehesten sind noch verdichtete Züge in den alten Hochhausstädten der USA zu konstatieren, wo die Vertikalisierung mit minimalen Nachbarschaftsrestriktionen verbunden wird. Ebenso hat sich das Amerikabild in den Visionen der Planer geändert: So platzierte Armin Meili in seiner Artikelserie «Braucht Zürich Hochhäuser?» Ende 1950 noch einzeln komponierte Gebäude in die Silhouette von Aussersihl, deren Höhen das übliche Limit überschritten, und fügte zudem eine Verkleinerung des Rockefeller Center als Provokatiönchen ein. 40 Jahre später schwärmten Hans Kollhoff und Luigi Snozzi im Gespräch mit unserer «Stadtmutter» von den alten kapitalistischen Städten Amerikas. Regula Lüschers [Bereichsleiterin Stadtplanung, stv. Direktorin Amt für Städtebau 1998 – 2007] etwas patzige Bemerkung «Planung entfernt sich vom Sichern auf Vorrat» verortet in den Verfahren und der Prozesshaftigkeit die entscheidende Provokation. Entdeckt und angeeignet hat sich die Stadtentwicklung im letzten Jahrzehnt das ausdehnte Gleisfeld mit den sich überkreuzenden Schienensträngen. Formt sich in der unbegehbaren Weite eine Verdichtung der neuen Höhenentwicklungen? Mich interessiert in diesem Zusammenhang, wie du das Unkontrollierbare einer Stadtentwicklung kontrollierst? Sind deine Verfahren, die Gestaltungspläne, die Leitbilder und die Arealüberbauungen erfolgreiche Instrumente? Und die Regeln: Gibt es in deiner Stadt keine Regeln und alles ist in Bewegung? Ist Architektur nicht Dauer?

 

 

PG: Hinter deinen vielen Fragen steckt eine Grundsatzfrage, nämlich: Was ist Städtebau heute? Und in welchem Verhältnis steht er zur Raumplanung? Und worin unterscheiden sich diese beiden Begriffe in Bezug auf das Thema der Dichte? Zuletzt hat sich Susanne Frank [«Dichte ist nur eine Zahl», in: Tec 38/2014] mit dieser Fragestellung befasst. Sie weist auf das Spannungsfeld zwischen der Dichtekennziffer einer Parzelle und der Morphologie der Stadt hin und fordert eine sinnvolle Verbindung dieser beiden unterschiedlichen Sichtweisen auf den Raum. Ich finde diesen Ansatz äusserst interessant, gerade auch weil beim Thema Hochhäuser diese Verbindung oft zu kurz kommt. Unsere Gesetze und Planungsinstrumente helfen zwar, dieses Delta zu verkleinern, doch die Beziehung von Architektur und Stadtraum, Privatheit und Öffentlichkeit ist in der Realität manchmal immer noch eine schwierige. In diesem Zusammenhang nicht zu vernachlässigen ist aber auch die politische Dimension der Hochhäuser. Die Stadtzürcher haben schon seit jeher ein ambivalentes Verhältnis zu diesem Bautypus. Womit wir wieder bei der besonderen Wirkung von Hochhäusern sind: Sie wachsen bildlich aus dem Stadtkörper heraus, sie verändern den Stadtraum, sie stehen für Aufbruch und Reichtum und im Gegensatz zum Erhalt des traditionellen Stadtbilds. Die Volksinitiative «Vierzig Meter sind genug» von 2009, die die Stadtzürcher mit 73 % verwarfen, zeigt dies exemplarisch. Dies ist mit ein Grund, weshalb der Prozess, bis ein Hochhaus geplant und bewilligt ist, in Zürich so unglaublich langwierig ist – nicht langweilig, sondern eben langwierig. Letztlich hat er nichts mehr mit Architektur und Städtebau zu tun, sondern mit seinen Gegnern und Befürwortern.

 

 

MM: Auf der anderen Seite zeigt die Erfahrung, dass es immer einen Verhandlungsraum gibt. Es entsteht ein eigentlicher Verhandlungsurbanismus, der sich der Elastizität der Regeln bedient. Diese Regeln – Sonderbauvorschriften, Gestaltungspläne, aber auch das Hochhausleitbild – verfügen nicht über klare Grenzen, sie öffnen eher Grenzräume, die immer umstritten sind. Was ist deine Einstellung zu diesen Verhandlungsprozessen? Die Verhandlung ist heute in den meisten Städten ein formeller Bestandteil des Städtebaus. Ich denke, du in deiner Position bestimmst das Elastizitätsmodul dieses Verhandlungsspielraums wesentlich mit. Damit steuerst du die Dynamik, die aus diesem Raum hervorgeht.

 

 

PG: Die Schweizer Gesetzgebung ist im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern relativ vage formuliert. Ihre Paragrafen lassen Spielraum für Verhandlungen innerhalb dieser gesetzlichen Grenzen – auch im Städtebau. Zu meinem Job gehört es, mit den Politikern, Grundeigentümern, Investoren und Architekten zu verhandeln und zwischen den meist unterschiedlichen Interessen zu vermitteln. Das ist eine wichtige und nicht immer einfache Übersetzungsarbeit. Genauso wichtig ist es aber, mit dem Zürcher Stadtrat festzulegen, wie sich Zürich in den nächsten 15 bis 20 Jahren städtebaulich und räumlich entwickeln soll. Sein Wille ist bekannt und klar: Er will Wachstum ermöglichen, aber ein Wachstum mit einer städtebaulichen und architektonischen Qualität. Meine Aufgabe ist es wiederum, diesen Willen umzusetzen. Zum Beispiel im Rahmen der Überarbeitung des Richtplans und der Bau- und Zonenordnung oder bei der Definition der verschiedenen Möglichkeiten des Wachstums. Das kann zum Beispiel heissen, in bestimmten Gebieten in die Höhe zu bauen. Als nächste politische Forderungen winken nun die Fragen des Mehrwerts einer Immobilie bei Nutzungsänderungen oder Arealüberbauungen und den damit verbundenen «Mehrwertausgleich», damit auch Infrastruktur und Freiflächen mit der Stadt mitwachsen.

 

 

MP: Der Plan ist völlig abgetrennt von der Handlung und diese wiederum vom Ergebnis. Die Entstehung in City West folgte keinem vorgegebenen Plan und erwies sich als prekär. Insbesondere die nach der BZO aufgezwungene hohe Dichte wälzte bei einer fast ausschliesslichen Wohnnutzung die Planfiguren vollkommen um. Nur noch die vorgegebenen minimalen Wohnanteile in den Teilbereichen verwiesen auf die alten Gräben einer lenkbaren Stadtentwicklung mittels eines Zonenplans. Die Transformationen oder auch Deformationsfähigkeit der Grundidee folgten dem Gesetz Schritt für Schritt, die unzähligen Präsentationen und Änderungsanträge im Baukollegium sind Zeugen der jahrelangen Bemühung um Stabilisierung. Vielleicht stellt City West im Chor neuer und neu geplanter Hochhäuser einen Ausnahmefall dar, insofern das Ensemble auf einer Gestaltähnlichkeit der einzelnen Gebäudeprismen beruht: Es sind alle Polygone in einem durch die Grösse austarierten Verhältnis der Körperabstände. Die stumpfen Winkel entziehen sich jeglicher Eckbildung und Grenzdefinitionen, ihre freie Stellung definiert minimale Platzbildungen und lässt einen polyfonen Dreiklang innerhalb der Silhouette von City West entstehen. Die vertikalen Prismen der Hochhäuser stehen in einer Gleichgewichtsbeziehung zu den horizontalen Abschlüssen der Bauten des Areals, die in der leicht überhöhten Gestalt des Maaghofs ihre zentrierende Mitte finden. Horizontale und Vertikale befinden sich für den Betrachter in einem sich laufend verändernden Gleichgewicht: Einerseits überlagern sich die Hochhäuser mit ihrer Silhouette, treten gegeneinander in den Vordergrund; andererseits ist es ihre minimal übergreifende, aber schroffe Nähe zu den niederen Bauten, die, insbesondere beim Wohnhochhaus Zölly, eine – durch die von den Beschattungsregeln gegebene Distanz – räumliche Dispersion verhindert. Einzig die «hochstämmigen» Bürobauten entlang der Pfingstweidstrasse harren noch der Realisation.

 

 

MM: Ich habe heute nochmals in verschärfter Weise zur Kenntnis genommen, dass bei der Abwägung des Spielraums in verschiedenen Verfahren die Frage der Verwicklung der Politik eine ganz grosse Rolle spielt. In welchen Fällen kann man für bestimmte Lösungen die Politik für einen angestrebten Weg gewinnen?

 

 

MP: Ein grosser Heiliger hat behauptet, diese Düfte seien der Architektur abträglich.

 

 

PG: Meine persönliche Erkenntnis ist: ohne Politik keine Stadtplanung! Was ich damit sagen will: Die Baubewilligungen, Sonderbauvorschriften oder Gestaltungspläne werden vom Stadt- oder vom Gemeinderat erteilt und erlassen. Sie sind somit zwangsläufig immer politische Entscheide. Das Bauen in Zürich ist eine sehr politische Angelegenheit; beim Planungs- und Baurecht wird Politik gemacht. An diesem Punkt beginnt die Sachpolitik. Es ist ja nur logisch, dass ein FDP-Politiker seine liberalen, ein Grüner seine ökologischen und ein SP-Vertreter seine sozialen Anliegen in ein Geschäft einbringt. Meine Rolle besteht diesbezüglich auch im Vermitteln in dieser Dreiecksbeziehung, also zwischen Politik, Bevölkerung und Fachwissen. Damit meine ich natürlich Architektur und Städtebau in all ihren Facetten. In dieser Ausgangslage liegt eine der Hauptschwierigkeiten. Auf der einen Seite muss ich den Politikerinnen und Politikern Architektur und Städtebau nahebringen, auf der anderen den Architektinnen und Architekten erklären, dass Stadtplanung ohne Politik nicht funktioniert. Hier stelle ich oft fest, dass Letzteren das politische Verständnis fehlt. Gleichzeitig wird mir vorgeworfen, der Stadt Zürich und somit dem Amt für Städtebau fehle es an architektonisch-städtebaulichen Visionen und an Mut für unkonventionelle Lösungen. Mit dem Wissen um die wesentlichen politischen Fragen Zürichs, aber auch mit dem Wissen um den schmalen Spielraum innerhalb der planungsrechtlichen Vorgaben stellen sich diese Vorwürfe in einem ganz anderen Licht dar. Oft wünschte ich mir diesbezüglich gerade von meinen Kolleginnen und Kollegen ein grösseres Verständnis.

 

 

Inhalt der Broschüre:

Zürichs Hochhäuser (Ein Gespräch mit Marcel Meili, Markus Peter und Patrick Gmür);  Zöllys Fassadenelemente (Eine Fotoreportageund Produktionspläne); Wohnen im Hochhaus (Die Wohnung im Zölly, mit Fotos von Yohan Zerdoun); Hinter harter Schale freies Innenleben (Ein Essay von André Bideau);. Die Wohnhäuser A-C (Gedanken und Bilder zur Raumwahrnehmung); Ein eigenwilliges Tandem (Porträt von Martin Heller).

(Auszug aus «Neue Silhouetten», mit freundlicher Genehmigung der Autoren).

 

 

 

Marcel Meili, Markus Peter Architekten

Neue Silhouetten

Park Books Zürich, 2015

Broschüre, 65 S., CHF 25.

ISBN 978-3-906027-79-1

 

 

 

L & K-Buchtipps 

 

 

Zwei Monografien über bedeutende Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts:
Architektenkarrieren in der Sowjetunion

 

 

Iwan Scholtowski

Als der weissrussische Architekt Iwan Scholtowski 1931 mit seinem Entwurf den Wettbewerb für den Palast der Sowjets in der zweiten Runde gewann, erregte das internationale Aufmerksamkeit. Dieser Wettbewerb gilt als Initialzündung der Hinwendung Stalins zum sozialistischen Klassizismus – und als Ende des russischen Konstruktivismus.

 

 

In der Monografie Iwan Scholtowski. Architekt des sowjetischen Palladianismus untersucht Autor Dmitrij Chmelnizki erstmals kritisch das Leben und Werk von Iwan Scholtowski (1867-1959) und seinen Anteil an dieser Entwicklung. Der überzeugte Neo-Palladianer konnte sich durchwegs in hohen politischen Ämtern halten, war sehr einflussreich und prägend als Lehrer für die kommenden Architektengenerationen. Er war eine der Schlüsselfiguren der sowjetischen Architektur mit einer vielschichtigen Biografie, die heute nur Wenige kennen.

 

Als der weißrussische Architekt Iwan Scholtowski 1931 mit seinem Entwurf den Wettbewerb für den Palast der Sowjets in der zweiten Runde gewann, erregte das internationale Aufmerksamkeit. Dieser Wettbewerb gilt als Initialzündung der Hinwendung Stalins zum historischen Formenkanon, dem sozialistischen Klassizismus – und als Ende des russischen Konstruktivismus. Heute kennen Scholtowski, eine der Schlüsselfiguren der sowjetischen Architektur, ausserhalb Russlands bisher nur Wenige. Während die Biografien der konstruktivistischen Architekten weitgehend bekannt sind, wird das baukünstlerische Schaffen der Protagonisten unter Stalin, Chruschtschow und Breschnew erst allmählich aufgearbeitet.

In der Monografie Iwan Scholtowski. Architekt des sowjetischen Palladianismus untersucht Autor Dmitrij Chmelnizki erstmals kritisch das Leben und Werk von Iwan Scholtowski sowie seine Karriere vor, während und nach der Herrschaft Stalins. Während die Sowjetunion im Ringen um die richtige revolutionäre Architektur im 20. Jahrhundert in kürzester Zeit schnelle Richtungswechsel der Baustile vornahm, blieb Scholtowski die ganze Zeit hindurch seinen baulichen Grundsätzen treu: dem Palladianismus. Er reiste mehrfach nach Italien und übersetzte die Vier Bücher der Baukunst von Andrea Palladio ins Russische. Doch der überzeugte Vertreter des Neo-Palladianismus entsprach nicht nur Stalins formalen Vorstellungen, er behauptete sich auch zwischen den schwankenden Machtverhältnissen der Politik, bekleidete fast durchgehend hohe politische Ämter und genoss das Vertrauen höchster politischer Kreise um Lenin, Stalin und Chruschtschow.

Wie ist ihm das gelungen? Chmelnizki geht vielen solchen, teilweise noch unerforschten, oft rätselhaften und undurchsichtigen Fragen in der schöpferischen und politischen Karriere Scholtowskis nach.

 Bereits unter Stalin übernahm Scholtowski die Leitung der Aus- bzw. Umbildung der sowjetischen Architekten entsprechend der neuen stilistischen Regeln und prägte so die kommenden Architektengenerationen massgeblich. Die von ihm entwickelten Entwurfsmethoden sind in Russland bis heute sehr populär geblieben.

In einem Beitrag über seinen Einfluss als Lehrmeister gibt die Nachlassverwalterin Scholtowskis, Anastasia Firsowa († 2014), Einblick in seine Persönlichkeit und illustriert dies mit bislang unveröffentlichten Zeichnungen.

Um die Entwicklung der sowjetischen Architektur besser zu begreifen, leistet diese Monografie einen erhellenden Beitrag. Sie ist eine der ersten Publikationen, die DOM publishers im Rahmen des Kooperations- und Forschungsprogramms Architekten und Bauten der Sowjetunion in Kooperation mit dem Staatlichen Schtschussew-Museum für Architektur in Moskau herausgibt.
Dimitrij Chmelnizki

Iwan Scholtowski

Architekt des sowjetischen

Palladianismus

Mit einem Beitrag von

Anastasia Firsowa

DOM publishers Berlin, 2015

CHF 38.20. € 28.

ISBN 978-3-86922-283-7

 

 

 

 

Sergey Chernishev – Architect of the New Moscow




Sergey Chernyshev (1881–1963) gilt als einer der führenden russischen Architekten des 20. Jahrhunderts und Begründer der sowjetischen Stadtplanung. Doch ist über ihn ausserhalb Russlands allenfalls etwas in Fussnoten publiziert worden.

 

 

Bereits vor der Russischen Revolution von 1917 ein anerkannter Architekt, konnte Chernyshev auch in der jungen UdSSR mit seinen spektakulären Entwürfen Erfolge feiern. Vor allem aber bestimmte er als Moskauer Chefarchitekt und Autor des ersten Generalplans die Entwicklung des Neuen Moskau, das zu einer sozialistischen Musterstadt werden sollte. 
Seine bei uns bekannteste Arbeit dürften seine Planungen für die Berliner Karl-Marx-Allee sein. Mit Sergey Chernyshev. Architect of the New Moscow legt DOM publishers jetzt eine Monografie über diesen international noch unerforschten russischen Architekten vor. In englischer Sprache.

 

Sergey Chernyshev (1881-1963) gilt als einer der führenden russischen Architekten des 20. Jahrhunderts und Begründer der sowjetischen Stadtplanung. Doch ist über ihn ausserhalb Russlands allenfalls etwas in Fussnoten publiziert worden. Mit dem Band 34 aus der Reihe Grundlagen, Sergey Chernyshev. Architect of the New Moscow legt DOM publishers jetzt eine Monografie über diesen international noch unerforschten russischen Architekten vor. Der Name Chernyshev steht vor allem für den Generalplan von Moskau, der 1935 unter Stalin verabschiedet wurde.

 Bereits vor der Russischen Revolution von 1917 ein anerkannter Architekt, konnte Chernyshev auch in der jungen UdSSR mit seinen spektakulären Entwürfen Erfolge feiern. Vor allem aber bestimmte er als Moskauer Chefarchitekt und Autor des ersten Generalplans die Entwicklung des Neuen Moskau, das zu einer sozialistischen Musterstadt werden sollte. Auf diesen Plan gehen u. a. die Planungen der neoklassizistischen Hochhäuser zurück, die aufgrund ihrer Monumentalität im Stadtbild bis heute deutlich erkennbar geblieben sind. Seine Vision der Welthauptstadt des Sozialismus sollte Generationen nicht nur sowjetischer Stadtplaner prägen.

Nach 1945 war Sergey Chernyshev entscheidend an der Wiederaufbauplanung kriegszerstörter Städte wie Kiew, Leningrad, Warschau oder Berlin beteiligt und setzte zugleich sein ebenso der Innovation wie der Tradition verpflichtetes Schaffen fort. Die bei uns bekannteste Arbeit dürften seine Planungen für die Berliner Karl-Marx-Allee sein.

In dem biografisch aufgebauten Buch erzählen der Publizist Ivan Lykoshin und die Architekturhistorikerin Irina Cheredina die Lebensgeschichte Chernyshevs anhand seiner architektonischen Leistungen nach und liefern so ein lebendiges Bild des Zeitgeschehens und des Städtebaus unter Stalin.

Sehr umfangreiches historisches Bildmaterial, sowie viele Skizzen und Entwürfe Chernyshevs, darunter etliche aus dem Staatlichen Schtschussew-Museum für Architektur in Moskau und aus dem Familienarchiv, liefern aufschlussreiche Einblicke in die architektonische Welt der UdSSR.

Das Buch bietet so ein Fundament, anhand eines Protagonisten das Bauen für die Sowjetunion historisch aufzuarbeiten. Es ist eine der ersten Publikationen, die DOM publishers im Rahmen des Kooperations- und Forschungsprogramms Architekten und Bauten der Sowjetunion in Kooperation mit dem Staatlichen Schtschussew-Museum für Architektur in Moskau herausgibt.

 

 

 

Ivan Lkoshin / Irina Cheredina

Sergey Chernyshev

Architect of The New Moscow

DOM publishers Berlin, 2015

CHF 38.20. € 28.

ISBN 978-3-86922-314-8

 

 

 

 

 

 

 

 

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