FRONTPAGE

«Fotostiftung Schweiz: Die Bauhaus-Fotografin Lucia Moholy – Exposures»

Von Ingrid Isermann

Lucia Moholy (1894–1989) gehört zu den international bekanntesten und wichtigsten Fotografinnen des 20. Jahrhunderts. Ihre Architekturaufnahmen und Porträts aus den Jahren am Dessauer Bauhaus wurden zu Ikonen der Fotografiegeschichte und prägen bis heute die Wahrnehmung dieser Institution. 

Moholy war jedoch nicht nur Fotografin, sondern auch Kunsthistorikerin, Kritikerin, Schriftstellerin und Archivarin; sie selbst bezeichnete sich als «Dokumentarin» und machte sich auf dem Gebiet der Informationswissenschaft einen Namen. Ein abenteuerliches Leben für Fotografie und Kunst!

 

Lucia Moholy Exposures
Die Ausstellung «Lucia Moholy – Exposures» zeigt erstmals die grosse Bandbreite ihres Schaffens von den 1910er bis zu den 1970er-Jahren: Präsentiert wird das fotografische Werk zusammen mit zahlreichen, zum Teil neu entdeckten Dokumenten, die neben Moholys Rolle in der Avantgarde der Zwischenkriegszeit auch ihre Jugend in Prag, ihre redaktionelle Tätigkeit in Deutschland, die Arbeit als Porträtistin in London sowie ihre Beschäftigung mit der frühen Mikrofilmtechnik in England und der Türkei beleuchten. Zur Darstellung gelangt ausserdem Moholys Zürcher Zeit – die letzten dreissig Jahre ihres Lebens wohnte sie in Zollikon, wo sie im Alter von 95 Jahren starb. Sie pflegte in dieser Zeit auch eine Beziehung zur der noch jungen Fotostiftung Schweiz, wo sich heute ein grosser Bestand ihrer Fotografien befindet.

 

Jugend in Prag
Lucia Moholy wird am 18. Januar 1894 als Lucie Schulz geboren und wächst in einem tschechisch-deutschen jüdischen Haushalt in Prag auf. Ihre Familie ist gut situiert und ermöglicht den drei Kindern den Besuch höherer Schulen. Lucie nimmt Klavierunterricht und Französischstunden. Nach einer Ausbildung zur Englischlehrerin arbeitet sie in der Anwaltskanzlei ihres Vaters und besucht an der Prager Charles-Ferdinand- Universität Vorlesungen in Kunstgeschichte und Philosophie. In den Tagebüchern ihrer Jugendzeit finden sich Notizen zu Ausstellungs- und Theaterbesuchen, Tanzkarten und Einladungen zu Hochzeitsfesten, aber auch gezeichnete Stillleben, Zitate von Thomas Mann, Leo Tolstoi und Auguste Rodin sowie Noten einer Beethovensonate.

 

Bekanntschaft mit László Moholy-Nagy
1915 verlässt Lucie Schulz ihre Heimatstadt Prag, arbeitet für die Wiesbadener Zeitung und als Lektorin in verschiedenen Verlagen, unter anderem bei Rowohlt. Sie engagiert sich im Umfeld deutscher Reformbewegungen und erlebt 1919 die Bremer Räterepublik mit. Nachdem diese vom Militär der Reichsregierung gewaltsam beendet wurde, veröffentlicht Lucie Schulz unter dem Pseudonym Ulrich Steffen ein Gedicht zum Entwurf eines Denkmals für die Opfer. In Berlin lernt sie den ungarischen Künstler László Moholy-Nagy kennen, den sie 1921 heiratet. Neben ihrem pazifistisch und linksaktivistisch geprägten politischen Engagement teilen die beiden ein Interesse für die neuen technischen Reproduktionsverfahren. Der programmatische Essay mit dem Titel «Produktion – Reproduktion», der 1922 in der niederländischen Zeitschrift De Stijl erscheint, wird lange László Moholy-Nagy alleine zugeschrieben, beruht aber auf enger Zusammenarbeit mit Lucia Moholy. Auch die Experimente mit der kameralosen Fotografie beginnen als gemeinsames Projekt: Bei einem Besuch in der Loheland Schule für Körperbildung, Landbau und Handwerk in der Nähe von Fulda sehen die beiden Fotogramme von Bertha Günther. Die Tänzerin und spätere Eurythmielehrerin hat zwischen 1920 und 1922 Gräser und Blüten auf lichtempfindliches Papier gelegt und die hellen Schatten festgehalten. In ihrer Berliner Dunkelkammer beginnen Lucia Moholy und László Moholy-Nagy Günthers Vorgehensweise nachzuahmen und entwickeln die Technik des Fotogramms weiter. 1923 zieht das Paar nach Weimar und 1926 nach Dessau: Während László Moholy-Nagy als Meister am Bauhaus lehrt, wird Lucia Moholy nach kurzer Lehrzeit beim Weimarer Fotografen Hermann Eckner.

 

Berlin
1928 kehrt Lucia Moholy nach Berlin zurück und trennt sich ein Jahr später von ihrem Ehemann. Auf Einladung des Schweizer Malers und Kunsttheoretikers Johannes Itten, der von 1919 bis 1923 am Weimarer Bauhaus gelehrt und 1926 in Berlin eine eigene Kunstschule gegründet hat, beginnt Lucia Moholy Fotografie zu unterrichten. Eine ihrer Schülerinnen an der Itten-Schule ist die aus Zürich stammende Binia Spoerri (nach der Heirat mit Max Bill unter dem Namen Binia Bill bekannt).

 

Auch als Fotojournalistin versucht sich Lucia Moholy: 1928 dokumentiert sie in Prag den VI. Internationalen Kongress für Zeichnen, Kunstunterricht und angewandte Kunst. Bei einer Reise durch das damalige Königreich Jugoslawien wiederum hält sie 1932 das lokale Alltagsleben fest, fotografiert Landschaft und Architektur. Ihre Aufnahmen präsentiert sie bei Vorträgen und veröffentlicht sie später in englischsprachigen Zeitschriften. Nachdem Moholys Partner, Reichstagsabgeordnete der KPD und Widerstandskämpfer Theodor Neubauer 1933 in ihrer Wohnung verhaftet wird, entschliesst sie sich, Deutschland schnellstmöglich zu verlassen. Ihre Glasplattennegative lässt sie bei ihrer überstürzten Abreise zurück. Neubauer wird – auch dank Moholys Bemühungen – nach sechs Jahren in Konzentrationslagern freigelassen, 1941 jedoch erneut festgenommen und 1945 hingerichtet.

 

London
Ab 1934 lebt Moholy in London, wo sie ein Fotostudio eröffnet und ihren Lebensunterhalt mit Porträtaufnahmen verdient. Zu ihren Modellen gehören Mitglieder der sogenannten Bloomsbury Group und andere Künstler:innen, Wissenschaftler:innen und Intellektuelle. In dieser Zeit verfasst Lucia Moholy den Taschenbuch-Bestseller «A Hundred Years of Photography, 1839–1939», der wesentlich zur Anerkennung der Fotografie als Medium des sozialen und kulturellen Wandels beiträgt. 1940 wird das Gebäude mit Moholys Porträtstudio und Wohnung durch Bomben zerstört. In der Folge verschiebt sie ihren beruflichen Fokus ein weiteres Mal: Sie beginnt für Otto Neuraths Isotype Institute zu arbeiten und wird schliesslich Direktorin des Microfilm Service von ASLIB (Association of Special Libraries and Information Bureaux). Im Auftrag britischer und amerikanischer Regierungsorganisationen koordiniert sie die Reproduktion und Distribution ausländischer Zeitschriften und wissenschaftlich relevanter Publikationen. 1946 gründet sie ihren eigenen «Documentation Service», für Bibliotheken, Museen und Universitäten.

 

The Missing Negatives
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs hat Lucia Moholy wieder Zugang zu Publikationen aus dem Ausland und entdeckt zu ihrem Befremden viele ihrer Fotografien in neu erschienenen Büchern und Zeitschriften. So auch im Katalog zur umfassenden Bauhaus-Ausstellung, die 1938 im Museum of Modern Art in New York von Walter Gropius, Ise Gropius und dem ehemaligen Bauhaus-Lehrer Herbert Bayer organisiert wurde. Abgedruckt sind Reproduktionen jener Glasnegative, von denen Moholy annahm, dass sie während des Krieges verloren gingen oder zerstört wurden. Ihr Name wird im Katalog nicht einmal erwähnt.
Nach dieser Entdeckung startet Moholy umfangreiche Recherchen, um die Glasnegative aufzuspüren und erfährt schliesslich, dass Walter Gropius sie mit sich nahm, als er über London in die USA emigrierte. Bis in die 1950er-Jahre leugnet Gropius gegenüber Moholy, ihre Glasnegative zu besitzen, später weigert er sich, sie zurückzugeben. Nach jahrelangen juristischen Verhandlungen erhält Lucia Moholy 1957 eine grosse Anzahl ihrer Negative zurück – 330 bleiben vermisst. Diese Auseinandersetzung beschreibt sie rückblickend als «eine erschütternde Erfahrung».

 

Als UNESCO Library Expert hält sich Lucia Moholy 1952–53 sechs Monate in Ankara auf, wo sie für die Nationalbibliothek ein Mikrofilm-Dokumentationszentrum samt Labor einrichtet. 1955–56 kehrt sie zurück, um unter anderem die Archivierung wertvoller Handschriften zu koordinieren. Unabhängig von ihrem Auftrag fotografiert Moholy und schreibt über den kulturellen, sozialen und technischen Wandel in der Türkei. Das geplante Buch wird allerdings nie veröffentlicht. Auch bei ihren Reisen nach Israel – von der Türkei aus und 1966 nochmals von Zürich – macht Moholy Aufnahmen und Notizen für ein Buchprojekt, das sie nicht weiterverfolgt.

Sie bemüht sich, die Freundschaft zu dem in Zürich ansässigen Architekturhistoriker Sigfried Giedion wieder aufleben zu lassen. In den 1920er-Jahren waren Lucia Moholy und László Moholy-Nagy mit Carola Giedion-Welcker und Sigfried Giedion in engem Austausch. Der Briefwechsel legt allerdings dar, wie Sigfried Giedion unbeirrt das Verhalten seines Freundes Walter Gropius verteidigt und sich Lucia Moholy schliesslich enttäuscht von ihm abwendet.

 

1959 zieht Lucia Moholy nach Zürich, um am internationalen und mehrsprachigen Handbuch «Who’s Who in Graphic Arts» des Zürcher Verlag Amstutz & Herdeg Graphis Press mitzuarbeiten. Für englischsprachige Zeitschriften wie «The Burlington Magazine» schreibt sie weiterhin Rezensionen, nun über Ausstellungen.

 

Späte Anerkennung
1972 legt Lucia Moholy in der schlanken und pointierten Publikation «Marginalien» zu Moholy-Nagy: dokumentarische Ungereimtheiten ihre Perspektive auf die Rezeption des Bauhauses dar. Sie versucht, einige fehlerhafte Überlieferungen richtigzustellen und ihren Beitrag zu den Texten und Fotografien von László Moholy-Nagy aufzuzeigen. In Zusammenarbeit mit dem Schweizer Fotografen Giorgio Hoch beginnt sie, neue Abzüge von ihren Negativen herzustellen, die 1978 an der photokina in Köln zum ersten Mal ausgestellt werden. Die Zürcher Galerie Renée Ziegler würdigt das fotografische Werk von Lucia Moholy 1981 mit einer Einzelausstellung, vier Jahre später erscheint die reichhaltige Monografie von Rolf Sachsse. Auch die junge, in Zürich lebende Kunsthistorikerin Angela Thomas setzt sich für die Anerkennung von Lucia Moholy als Fotografin und emanzipierte Protagonistin des 20. Jahrhunderts ein, die sie als «unvoreingenommen-zugewandte, luzide, blitzgescheite Ausländerin in der Schweiz» wahrnimmt.

 

Lucia Moholy und die Fotostiftung Schweiz
In der Zürcher Kunstszene ist Lucia Moholy eine bekannte Persönlichkeit. Porträtaufnahmen von Thomas Burla, Gaechter & Clahsen, Giorgio Hoch, Vera Isler, Hans Peter Klauser und Niklaus Stauss zeigen die «grande dame» bei Veranstaltungen oder in ihrer Wohnung in Zollikon.

Anlässlich der Ausstellung «The Concerned Photographer», die im Centre Le Corbusier gezeigt wird und in deren Nachhall die Stiftung für die Photographie offiziell gegründet wird, nimmt Lucia Moholy an einer Gesprächsrunde teil. Für «The Burlington Magazine» schreibt sie ausserdem eine Besprechung der für die Fotostiftung wegweisenden Ausstellung «Photographie in der Schweiz – 1840 bis heute». Walter Binder, der damalige Direktor der Fotostiftung, besucht Lucia Moholy 1984 und bietet ihr Hilfe bei der Archivierung ihrer Fotografien an. 1986 kann er 25 Abzüge für die Sammlung der Fotostiftung erwerben, die 1991 – drei Jahre nach Lucia Moholys Tod – durch eine grosszügige Schenkung aus ihrem Nachlass ergänzt werden.

 

 

Die Ausstellung
«Lucia Moholy – Exposures» ist die erste umfassende Präsentation ihres vielseitigen Lebenswerks. Bereits 2017 wurde das Projekt von Christelle Havranek, Kuratorin der Kunsthalle Praha, lanciert. Havraneks Idee war es, Lucia Moholy in ihrer Heimatstadt Prag bekannt zu machen und ihre Geschichte durch den Einbezug von zeitgenössischen Arbeiten des tschechischen Künstlers Jan Tichy zugänglicher zu machen. Im Auftrag der Kunsthalle Praha konzipierte ein kuratorisches Team mit Jordan Troeller (Professorin an der Leuphana Universität Lüneburg), Meghan Forbes (freischaffende Autorin und Kuratorin in New York) und Jan Tichy (Professor an der School of the Art Institute Chicago) in den folgenden Jahren diese Ausstellung. Die Fotostiftung Schweiz wurde Kooperationspartnerin, weil eine zweite Station der Ausstellung in der Schweiz, der Wahlheimat von Lucia Moholy, allen Beteiligten dringlich erschien. Hier wurde die Ausstellung von Teresa Gruber, Kuratorin der Fotostiftung Schweiz, und Jan Tichy als Vertreter der Kunsthalle Praha an den neuen Kontext angepasst.

 

 

Lucia Moholy und Jan Tichy im oxyd
Jan Tichy beschäftigt sich seit fast zwanzig Jahren mit László Moholy-Nagy und Lucia Moholy. Seine künstlerischen Interventionen in der Prager Ausstellung vermittelten die Bedeutung von Lucia Moholy aus heutiger Perspektive. In der Fotostiftung Schweiz können Tichys Arbeiten aus Platzgründen nur teilweise gezeigt werden: In der Passage zur Fotobibliothek ist seine Mikrofilm-Installation zu sehen. Andere Werke sind vom 7. Februar bis zum 2. März in den oxyd – Kunsträumen zu Gast. Die Ausstellung «Jan Tichy – Weight of Glass» zeigt unter anderem die eindrückliche Installation no. 30 (Lucia), für die Tichy 330 Glasplatten in der Grösse der Originalnegative arrangiert und beleuchtet. Im dunklen Raum installiert entsteht ein flüchtiges und fragiles Denkmal für die Fotografin, Kunsthistorikerin, Kritikerin, Schriftstellerin und Archivarin, deren Urnengrab auf dem Friedhof Zollikerberg 2022 aufgehoben wurde – ohne Nachforschungen, ohne Aufhebens. Dabei gebührt Lucia Moholy ohne Zweifel ein Platz auf der Liste Zürcher Berühmtheiten. Begleitend zur Ausstellung ist die Publikation «Lucia Moholy – Exposures» erschienen, herausgegeben von Jordan Troeller und der Kunsthalle Praha.

 

Vernissage: Freitag, 7. Februar 2025
17.30 Uhr Eröffnung der Ausstellung «Jan Tichy – Weight of Glass» in den oxyd-Kunsträumen, Winterthur
19 Uhr Ansprachen in der Fotostiftung Schweiz

 

Veranstaltungen Fotostiftung Schweiz

Sa, 22. März 2025, 14:00 Uhr
Die vielen Leben der Lucia Moholy.
Kurzvorträge von Estelle Blaschke, Sabine Hartmann, Angela Thomas und Jordan Troeller.
Im Rahmen der Ausstellung «Lucia Moholy – Exposures» beleuchten vier Expertinnen zentrale Aspekte von Lucia Moholys Leben und Werk: Sabine Hartmann berichtet von ihrer Arbeit mit Moholys Nachlass im Bauhaus-Archiv Berlin. Estelle Blaschke thematisiert Moholys Beiträge zu internationalen Dokumentationsprojekten und zur Förderung des Mikrofilms. Angela Thomas spricht über ihre persönliche Beziehung zu Moholy und ihr feministisches Engagement in Zürich seit den 1970er-Jahren. Jordan Troeller widmet sich weiteren wichtigen Facetten aus Moholys vielseitigem Leben.

 

Sonntag, 6. April 2025, 16.18 Uhr  auf ARTE / Mediatheken ARTE / Schweizer Fernsehen SRF

Dokumentarfilm «Lucia Moholy: Die Bauhaus-Fotografin», von Sigrid Faltin, 2024. Der aufschlussreiche Dokufilm enthält auch ein ausführliches Interview mit der Kunsthistorikerin Angela Thomas, die Lucia Moholy gut kannte und in den 1980er-Jahren Kontakt mit ihr hatte.

 

Sonntag, 13. April 2025, 11.30 Uhr
Begegnungen mit Lucia Moholy. Ausstellungsgespräch mit Kuratorin Teresa Gruber und Fotograf Giorgio Hoch zur Fotografin der Schule – an der es notabene bis 1929 keine fotografische Abteilung gibt. Moholy dokumentiert die Designobjekte aus den Werkstätten und die von Walter Gropius entworfenen Dessauer Bauten. Moholys klar komponierte Aufnahmen von Teekannen, Lampen und Möbeln, von der Baustelle und den fertiggestellten «Meisterhäusern» samt Interieurs werden die Wahrnehmung des Bauhauses massgeblich prägen; ihre Porträts von Lehrenden und Studierenden sind mit ihren engen Ausschnitten, starken Kontrasten und Unschärfen eindrucksvolle Beispiele für die fotografischen Stilmittel des «Neuen Sehens». Neben ihrer fotografischen Arbeit betreut Lucia Moholy die Veröffentlichung der von Walter Gropius und László Moholy-Nagy herausgegebenen Bauhausbücher.

 

 

 

Lucia Moholy

Studium der Philosophie, Philologie und Kunstgeschichte in Prag. Redaktorin und Lektorin, tätig für die Verlage Kurt Wolff, Hyperion und Rowohlt. Erste Fotografien 1918/19 auf Heinrich Vogelers Barkenhoff in Worpswede. Fotografieunterricht und Fotografiepraktikum in Leipzig 1923/24. Mit ihrem Mann, dem Maler und Fotografen László Moholy-Nagy, war Lucia Moholy 1923-1928 am Bauhaus in Weimar und Dessau tätig. Anschliessend bei der Fotoagentur Mauritius und Lehrerin für Fotografie an der privaten Kunstschule von Johannes Itten. 1933 Emigration nach London. Arbeit als Lehrerin für Fotografie und Fotografin (wissenschaftliche Dokumentationen, u. a. für die UNESCO). Niederlassung in Zollikon ZH 1959, Publizistin und Korrespondentin für Kunstzeitschriften. Beiträge für Das Werk, der Zeitschrift des Schweizerischen Werkbundes. Der wichtigste Teil des fotografischen Werks bilden die Bauhaus-Fotografien. Mit ihren Aufnahmen von Bauten, Interieurs, Möbeln und Gegenständen wurde Moholy zu einer bedeutenden Dokumentaristin dieser Bewegung. Teile des Nachlasses liegen bei der Fotostiftung Schweiz in Winterthur.

 

Fotostiftung Schweiz: Lucia Moholy – Exposures
Ausstellung 08.02.2025–09.06.2025
Fotostiftung Schweiz
Grüzenstrasse 45
8400 Winterthur
fotostiftung.ch
+41 52 234 10 30
 

 

Lucia Moholy: Exposures
Herausgegeben von Kunsthalle Praha

21,6 x 28,8 cm
Englisch
Hatje Cantz, 2024
CHF 58.
ISBN 9783775756327

 

 

 
«Anora» räumt bei den Oscars ab

Nicht die grossen Favoriten wie «Conclave», «Emilia Pérez» oder «Like a Complete Unknown» mit Timothee Chalamet, sondern ein Low-Budget-Film räumt bei der diesjährigen Oscar-Verleihung ab. «Anora», der Film von Regisseur Sean Baker, war sechsmal nominiert und erhielt fünf Oscars. «Anora» erzählt die Geschichte einer New Yorker Sexarbeiterin, die den Sohn eines russischen Oligarchen heiratet. Uraufgeführt wurde der Film letztes Jahr auf den Filmfestspielen von Cannes. Als bester internationaler Film wurde das brasilianische Drama  «I’m Still Here» von Walter Salles ausgezeichnet, als bester Dokumentarfilm «No Other Land», der den Konflikt zwischen Israel und Palästina thematisiert. 

 

Bester Film: «Anora»
Beste Hauptdarstellerin: Mikey Madison («Anora»)
Bester Hauptdarsteller: Adrien Brody («The Brutalist»)
Beste Nebendarstellerin: Zoë Saldaña («Emilia Pérez»)
Bester Nebendarsteller: Kieran Culkin («A Real Pain»)
Beste Regie: Sean Baker («Anora»)
Bester Song: «El Mal» («Emilia Pérez»)
Beste Filmmusik: Daniel Blumberg («The Brutalist»)
Bester Ton: «Dune: Part Two»
Bester Action-Kurzfilm: «I’m Not a Robot»
Beste Kamera: Laurie «Lol» Crawley («The Brutalist»)
Bester Schnitt: Sean Baker («Anora»)
Beste visuelle Effekte: «Dune: Part Two»
Bester internationaler Film: «I’m Still Here»
Bestes Kostümdesign: Paul Tazewell («Wicked»)
Bestes Szenenbild: «Wicked»
Bestes Make-up und Hairstyling: «The Substance»
Bestes adaptiertes Drehbuch: Peter Straughan («Conclave»)
Bestes Originaldrehbuch: Sean Baker («Anora»)
Bester Animationsfilm: «Flow»
Bester animierter Kurzfilm: «In the Shadow of the Cypress»
Bester Dokumentarfilm: «No Other Land»
Bester Dokumentar-Kurzfilm: «The Only Girl in the Orchestra»

 3. März 2025
 

SCHWEIZER FILMPREIS: Dimitri Krebs und David Constantin gewinnen «Bester Darsteller»

Am Freitagabend, 21. März 2025, wurden in Genf im Bâtiment des Forces Motrices die Schweizer Filmpreise verliehen. Zum ersten Mal gewannen zwei Personen in der Kategorie «Bester Darsteller»: David Constantin (40) und Dimitri Krebs (27) wurden beide ausgezeichnet.

Die Gewinner der weiteren Kategorien:

Bester Spielfilm
Der Spatz im Kamin (Ramon Zürcher)
• Le Procès du Chien (Laetitia Dosch)
• Les Paradis de Diane (Jan Gassmann, Carmen Jaquier)
• Reinas (Klaudia Reynicke)
Sauvages (Claude Barras)

Bester Dokumentarfilm
• Avant il n’y avait rien (Yvann Yagchi)
• E.1027 – Eileen Gray and the House by the Sea (Beatrice Minger, Christophe Schaub)
• Riverboom (Claude Baechtold)
• The Landscape and the Fury (Nicole Vögele)
• Wir erben (Simon Baumann)

Bester Kurzfilm
• 7 Fois (Christine Wiederkehr)
• Im Stau (Alan Sahin)
• Las Novias del Sur (Elena López Riera)
• Looking She Said I Forget (Naomi Pacifique)
• Wakung Up in Vegas (Michèle Flury)

22. März 2025

 
 

Filmtipps

 
 
I’m Still Here (Originaltitel: Ainda estou aqui)
Ein Oscar für den Regiefilm von Walter Salles (2024) über die Militärdiktatur in Brasilien. Das Drama stellt die brasilianische Politikergattin Euince Paiva (Fernanda Torres) in den Mittelpunkt, die sich während der Militärdiktatur auf die Suche nach ihrem 1971 verschwundenen Ehemann Rubens (Selton Mello) begibt. Jahrzehnte später wird es Gewissheit, dass er zu den „Desaparecidos“ gehört, tausenden von unschuldigen Bürgern, die verhaftet oder entführt, gefoltert und ermordet wurden. In der Zwischenzeit erfindet sich die zuvor unpolitische Eunice neu, hält ihre Familie zusammen und bildet sich zur Menschenrechtsanwältin weiter. Es handelt sich um die Verfilmung des gleichnamigen autobiografischen Buches von Marcelo Rubens Paiva, dem Sohn von Rubens und Eunice Paiva. Die beeindruckende brasilianisch-französische Koproduktion wurde Anfang September 2024 beim Festival von Venedig uraufgeführt und mehrfach preisgekrönt. Internationale Kritiker rezensierten den Film beinahe ausnahmslos positiv, priesen die Schauspielleistung von Hauptdarstellerin Fernanda Torres und würdigten Salles’ Regiearbeit als wichtiges Werk zur historischen Vergangenheitsbewältigung. Fernanda Torres gewann im Jahr 2025 den Golden Globe Award. Im selben Jahr folgte folgte der Oscar in der Kategorie Bester internationaler Film sowie zwei weitere Nominierungen für den besten Film und die beste Hauptdarstellerin.

 

Like A Complete Unknown
Grossartiges Biopic über Bob Dylan. Mit nicht mehr als zehn Dollar und seiner Gitarre kommt der neunzehnjährige Robert Zimmermann alias Bob Dylan (Timothée Chalamet) aus Minnesota 1961 nach New York. Nach seiner Ankunft sucht er sein Idol Folksänger Woody Guthrie (Scoot McNairy) im Krankenhaus auf und spielt ihm seinen «Song to Woody» vor. Zufällig anwesend ist auch der Folksänger Pete Seeger (Edward Norton), der sein musikalisches Talent erkennt. Pete bietet ihm eine Unterkunft in New York an und organisiert auch für ihn einen Auftritt in einer Bar im Anschluss an die erfolgreiche Folksängerin Joan Baez (Monica Barbaro). Ihr Manager Albert Grossman (Dan Fogler) ist sofort begeistert vom jungen Newcomer und besorgt ihm seinen ersten Plattenvertrag. Bei einem seiner Auftritte begegnet Dylan der Aktivistin Sylvie Russo (Elle Fanning), mit der er bald zusammenzieht. Sie ermutigt den Songschreiber, für seine eigenen Lieder zu kämpfen. Doch der Durchbruch gelingt erst, als er Joan Baez wiedertrifft, eine Affäre beginnt und sie einige seiner Songs covert. Mit ihr wird Dylan zum neuen Star der Folk-Szene, seine Songs «Blowin‘ In The Wind» und «The Times They Are a-Changin» werden zu Hits und Hymnen einer Generation, die gegen den Vietnamkrieg demonstriert. Doch Dylan fühlt sich durch seine Erfolge eingeengt und greift schliesslich sogar zur elektrischen Gitarre. Am Newport Folk Festival kommt es 1965 zu Ausschreitungen, als er mit einer neuen Band elektrische Stücke performt. Regisseur James Mangold inszeniert Bob Dylan, basierend auf dem Sachbuch «Dylan Goes Electric!» von Elijah Wald, als einen hochbegabten, introvertierten Mann auf der Suche nach sich selbst. Dylan bleibt trotz Literaturnobelpreis ein Mysterium. «Like A Complete Unknown» ist vor allem ein grossartiger Musikfilm. Seit über fünf Jahren hatte sich Chalamet mit Dylan befasst, Gesangsunterricht genommen und Gitarre und Mundharmonika zu spielen gelernt. Mit seiner näselnden Stimme, seiner Mimik und Gestik, kommt er Dylan verblüffend nahe. Der Film fokussiert auf die Jahre zwischen 1961 und 1965.

 

Niki de Saint Phalle
Biopic. Eine riesige Nana von Niki de Saint Phalle hängt im Hauptbahnhof Zürich und wacht über alle Reisenden. Ihre Geschichte wurde nun als Regie-Debüt der Schauspielerin Céline Sallette verfilmt. Paris, 1952. Niki de Saint Phalle (Charlotte Le Bon) verdient als gefragtes Model, u.a. für Vogue, den Lebensunterhalt für sich und ihre kleine Familie, die seit kurzem aus den USA nach Europa zurückgekehrt ist. Ihr Mann Harry Matthews (John Robinson) studiert Musik und träumt von einer Karriere als Schriftsteller. Das Duo hat zwei Kinder und verkehrt in renommierten Pariser Kreisen. Zu diesem Zeitpunkt versucht sich Niki noch an klassischer Malerei, die nicht zuletzt ein Mittel ist, ihr schweres Traumata zu überwinden, das sie schliesslich zusammenbrechen lässt und in eine psychiatrische Klinik führen wird. Niemand will ihr den Missbrauch glauben, den sie in ihrer Kindheit erfahren hat, selbst als der Leiter der Psychiatrie ein geschriebenes Eingeständnis ihres Vater verbrennt. Erst die Freundschaft mit einer Künstlergruppe um den Schweizer Maler und Bildhauer Jean Tinguely (Damien Bonnard), eines Vertreters des Nouveau Réalisme, der später ihr zweiter Ehemann wird, unterstützt Niki in ihrer künstlerischen Entwicklung, sich selbst ernst zu nehmen und ermöglicht ihr den Start in ein neues Leben als Künstlerin, die ihre Wut auf den Vater mit Schüssen auf Leinwänden  ausdrückt. Auch ihre Nanas werden weltberühmt. Niki de Saint Phalles Werke sind jedoch im Spielfilm nicht zu sehen, da die berührende, wilde und karthartische Geschichte ihres Lebens in der brillanten Kameraführung von Victor Seguin und des einfühlsame Filmcuts von Cémence Diard im Fokus steht.

 

Heldin
Regisseurin Petra Volpe (Die göttliche Ordnung) erzählt beinahe dokumentarisch die Klinik-Schicht einer Krankenpflegerin. Floria (Leonie Benesch) arbeitet als Pflegefachkraft auf der chirurgischen Station eines Schweizer Krankenhauses. Als sie ihren Spätdienst beginnt, erfährt sie, dass eine Kollegin ausfällt. Jetzt soll sie nur mit Kollegin Bea (Sonja Riesen) und einer Schwesterschülerin 26 Patient:innen betreuen. Ein Patient muss rasch im Bett zur Operation gefahren werden, eine Frau beklagt sich auf dem Gang, dass ihre Infusion längst ausgewechselt gehört. Ein Patient (Urs Biehler) wartet schon den ganzen Tag auf die Ärztin, die endlich kommen wollte, um ihm die Untersuchungsergebnisse mitzuteilen. Floria beginnt ihre Runde von Zimmer zu Zimmer, begrüsst die Patienten und Patientinnen freundlich, misst Blutdruck, zieht Spritzen auf. Ständig kommt etwas dazwischen, sie muss ans Telefon, Operierte abholen, wartende Angehörige vertrösten. Im Stress macht sie einen Fehler. Doch die Nacht hält noch mehr Dramen für sie bereit. Die Schweizer Regisseurin und Drehbuchautorin Petra Volpe deckt mit seltener Intensität den Pflegenotstand einer Klinikstation auf und appelliert mit ihrem Spielfilm an die politisch Verantwortlichen und das Publikum, nicht wegzuschauen und den Pflegekräften mit mehr Unterstützung zur Seite zu stehen.

 

Queer
Filmdrama von Luca Guadagnino nach dem gleichnamigen Roman von William S. Burroughs. Daniel Craig schlüpft in die Rolle des drogensüchtigen, queeren US-Amerikaners William Lee, eines Alter Egos des Autors und Vertreters der Beat Generation, einer Richtung der US-amerikanischen Literatur, zu deren Mitbegründern auch Jack Kerouac und Allen Ginsberg gehörten. Lee (Daniel Craig) ist anfangs der 1950er Jahre nach einer Drogenrazzia in New Orleans nach Mexiko-Stadt geflüchtet, um seiner Drogensucht nachgehen zu können. Mittels Geld von seiner Familie und finanziell unabhängig, bewegt er sich in der Queer-Szene und den Kneipen in der City, meist ist er dandyhaft in weissen Leinenanzügen unterwegs. Eines Abends macht er bei einem Hahnenkampf die Bekanntschaft des Ex-Soldaten Eugene Allerton (Drew Starkey), in den er sich verliebt. Auf Einladung von Lee reisen sie nach Südamerika, um nach Yage zu suchen, einer Pflanze, die in den Dschungeln Ecuadors wächst. Sie besuchen Dr. Cotter (Lesley Manville), eine schrullige US-amerikanische Botanikerin, die dort lebt und sie in ihre halluzinationischen Geheimnisse einweiht. Der Film fasziniert mit einer bestechend dichten Atmosphäre in den Kneipen Mexikos und im Urwald Südamerikas. Seine Uraufführung feierte «Queer» September 2024 bei den Internationalen Filmfestspielen von Venedig.

 

Im Schatten der Träume
Musik als einigende Kraft inmitten des Nazi-Terrors. Wer erinnerte sich nicht in den 50er Jahren an die markante Altstimme der schwedischen Schauspielerin und Sängerin Zarah Leander: «Ich weiss, es wird einmal ein Wunder geschehn»? Geschrieben hatte den Song 1942 Bruno Balz, komponiert sein Freund Michael Jary, das über fünf Jahrzehnte hinweg erfolgreichste Duo der deutschen Schlager- und Filmmusik. Die wilden Zwanzigerjahre, Kino-Glamour und Gestapo-Haft, Neubeginn und Swinging Sixties – Michael Jary und Bruno Balz prägten und komponierten die Musik zu 250 Kinofilmen und arbeiteten von der Weimarer Republik über die Zeit des Nationalsozialismus bis in die Wirtschaftswunderzeit der 1950er Jahre. Der Film beleuchtet das bewegte Leben der beiden Künstler und verknüpft diese mit dem Film- und Musikgeschehen ihrer Zeit. Balz, der als schwuler Mann verfolgt wurde, entging dank Jarys Intervention dem Konzentrationslager. Regisseur Martin Witz kombiniert Szenen aus Spielfilmen mit privaten Fotos, Interviews und Zeitzeugenberichten. Micaela Jary und die Schlagersängerin Bibi Johns erinnern sich an die damalige Zeit im Schlagerbusiness. Götz Alsmann reflektiert die Aspekte der Unterhaltung und Ideologie der Werke im politisch-gesellschaftlichen Kontext. Erhellend und berührend – ein wichtiger Film in der heutigen Zeit neoliberaler Polemiken. Seine Uraufführung feierte der Film am 20. Zürich Film Festival.
 

Maria
Der chilenische Regisseur Pablo Larraín hat die letzte Woche im Leben der Operndiva Maria Callas mit Angelina Jolie verfilmt, mit Rückblenden und opulenten Ausschnitten aus Original-Opernauftritten. Die Operndiva, vereinsamt und tablettensüchtig, umgibt sich in ihrer prunkvollen Pariser Wohnung nur noch mit zwei Hausangestellten, dem dienstbaren Butler Ferruccio (Pierfrancesco Favino) und der aufmerksamen Haushälterin und Köchin Rosa (Alice Rohrwacher), zwei Pudeln und verflossenen Geistern. Onassis, ihre grosse Liebe, mit dem sie neun Jahre zusammen war, bevor er Jackie Kennedy heiratete, sei letzte Nacht wieder zu ihr gekommen, berichtet sie Rosa beim Frühstück. Das Reporterteam, dem sie ihr Leben erzählen will, wie sie Ferruccio erklärt, existiert nur in ihrer Fantasie. Der grosse Flügel in der feudalen Pariser Wohnung muss  täglich von ihm von einem in ein anderes Zimmer verschoben werden. Dabei hat Maria Callas schon vor Jahren mit dem Singen aufgehört, das Klavier dient als Erinnerungsaltar für den verstorbenen Aristoteles Onassis (Haluk Bilginer). Jolie, sehr präsent und überzeugend, singt selbst in den Szenen, als Callas’ Stimme gebrochen tönt, überblendet mit Aufnahmen der echten Sopranstimme der legendären Callas. Denn ein Opus über die Callas ohne ihre einzigartige Stimme ist undenkbar. Der Biopicfilm schwelgt in nostalgischen Momenten der Erinnerung, als die Callas melancholisch durch die herbstlichen Strassen von Paris schlendert, wo sie so vieles an ihre Auftritte und Erfolge als Operndiva erinnert. Eine Huldigung an die Oper und die «Primadonna assoluta», die 1977 mit 53 Jahren in Paris an Herzversagen starb.

 

Der Brutalist
Drama über einen ungarischen Architekten, der nach dem Zweiten Weltkrieg in die USA emigriert. Der Film des Regisseurs Brady Colbert referiert auf die Béton-brut-Architektur des Brutalismus der 50er Jahre. Der jüdische Architekt und Bauhaus-Schüler Lászlo Tóth (Adrien Brody) wandert nach dem Überleben des Holocaust von Budapest nach New York aus, vom überfüllten Passagierschiff geht sein Blick in Richtung Freiheitsstatue, die schräg ins Bild fällt. Der fiktive Charakter erinnert an Marcel Breuer, der u.a. das Whitney-Museum in der Upper West Side von Manhattan gebaut hat. Zunächst kommt er im Geschäft seines Cousins unter, für den er günstige moderne Möbel entwirft. Doch dann erhält er unverhofft die Möglichkeit, eine Bibliothek, inspiriert von Bauhaus und Brutalismus, in der Villa des schwerreichen Industriellen Harrison Lee Van Buren (Guy Pearce) zu gestalten und zu installieren. Doch die Anerkennung bleibt aus, die Bauarbeiten gehen schief und er wird entlassen. Lászlo landet schliesslich auf der Strasse und rutscht in die Morphium-Sucht ab. Doch dann trifft er Van Buren wieder, bekommt eine zweite Chance und wird mit einem ehrgeizigen Projekt betraut. Auf einem Hügel seines Anwesens in Pennsylvania will der Unternehmer ein Institut mit Kirche errichten, vorgeblich zu Ehren seiner verstorbenen Mutter, tatsächlich aber als sichtbare Machtdemonstration, erbaut im Stil des Brutalismus, dessen kalte Sichtbeton-Struktur für ihn Härte und Stärke symbolisieren. Der dreieinhalbstündige Film hat spannende Passagen, aber auch Längen, die die Geschichte eines Einwanderers erzählen, der mit dem American Way of Life in Schwierigkeiten gerät. Seine Frau Elisabeth (Felicity Jones), die er später nachholen konnte, teilt mit ihm die Erfahrungen und Entbehrungen der zugewanderten Flüchtlinge.

 

Conclave
Der fulminanter Thriller von Regisseur Edward Berger («Im Westen nichts Neues») blickt hinter die Kulissen des Vatikans nach dem Bestseller von Robert Harris. Nach dem Tod des Papstes wird Kardinal Lawrence (Ralph Fiennes) beauftragt, das Konklave und die Suche nach einem neuen Papst zu übernehmen. In den heiligen prunkvollen Gemächern des Vatikans kommt es zu erbitterten Machtkämpfen zwischen konservativen und progressiven Kardinälen. Lawrence möchte den liberalen Kardinal Bellini (Stanley Tucci), einen langjährigen Vertrauten des ehemaligen Papstes überzeugen, dessen Nachfolger zu werden. Dem erzkonservativen Kandidaten Kardinal Tedesco (Sergio Castellitto) steht er kritisch gegenüber, der die Kirche um Jahrzehnte zurückwerfen könnte. Der nigerianische Kardinal Adeyemi (Lucian Msamati) wäre der erste afrikanische und schwarze Papst der Geschichte, seine gesellschaftlichen Ansichten entsprechen jedoch denen Tedescos. Quebecs Kardinal Tremblay (John Litgow) gilt als äusserst machthungrig. Als der ihm unbekannte Kardinal Benitez (Carlos Diehz) eintrifft, den der vorherige Papst heimlich in Kabul eingesetzt hatte, wird die Suche noch komplizierter. Der aus Mexiko stammende Kardinal ist nach vatikanischem Recht berechtigt, an dem Konklave teilzunehmen. Eine spannende Ausgangslage mit einem überraschenden Finish, an dem die Ordensschwester Agnes (Isabella Rossellini) eine entscheidende Rolle spielt.

 

 
to be continued
 

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