FRONTPAGE

«DADA anders – Ladies first»

Von Ingrid Isermann

 

Im Rahmen des 100-jährigen Dada-Jubiläums 2016 beleuchtet das Museum Haus Konstruktiv das dadaistische Erbe aus verschiedenen Perspektiven. In der historischen Ausstellung «DADA anders» richtet sich der Fokus auf die drei Dada-Künstlerinnen Elsa von Freytag-Loringhoven, Sophie Taeuber-Arp und  Hannah Höch, die die bis anhin männlich konnotierte Dada-Bewegung massgeblich mitgeprägt haben.

Die spezifischen Werte der Dada-Frauen in Zürich, Berlin, New York stehen im Museum Haus Konstruktiv im Vordergrund. «Dada ist kein Stil, sondern eine Haltung, während die konstruktive Kunst eine formale Sprache darstellt», so Direktorin Sabine Schaschl auf einem Rundgang durch die Ausstellung. Während weitab wahnhafte Kriegswelten wüten, harrt vor der Haustüre die dadaistische Versenkung der Durchsetzungsinitiative in den Orkus der Geschichte. Ernst kann das wohl nicht gemeint sein, eher als Pleonasmus in Reinkultur. Damit perfekt Dada, der sich weder ausschafft noch abschafft!

 

Das bewegte Leben der Dada-Baroness Elsa von Freytag-Loringhoven
Elsa von Freytag-Loringhoven, 1874 in Swinemünde  geboren, gilt als erste amerikanische Dada-Künstlerin und Performance-Pionierin. In Berlin nimmt die 20jährige Schauspielunterricht, knüpft Kontakte zur Künstlerszene und heiratet 1901 den Architekten August Endell. Sie reist nach München, wird schnell zur Muse der spritituellen Gruppe der „Kosmiker“ und lebt ab 1907 in zweiter Ehe mit dem Schriftsteller Felix Paul Greve. 1910 übersiedelt sie nach Kentucky, wo sich das Paar später trennt. 1913 zieht sie nach New York und heiratet dort Baron Leopold von Freytag-Loringhoven. Auf der Strasse zum Standesamt entdeckt sie einen eisernen Ring, ein gefundenes Objekt, das sie zu dem Kunstwerk «Enduring Ornament» erklärt. Eines der ersten Ready-mades ist nun erstmals in der Schweiz im Museum Haus Konstruktiv zu sehen.
1914 beginnt Elsas produktivste künstlerische Phase im Umfeld der New Yorker Kunstszene. Hier macht sie als radikale Dichterin, Malerin und Performancekünstlerin von sich reden. Als Aktmodell verdient sie ihr Geld, nachts geht sie ihren künstlerischen Arbeiten nach. Sie trägt Esslöffel als Ohrringe, Briefmarken als Wangenrouge und Rücklichter an den Gesässpolstern. Das Objekt «God» (1917) ist ebenfalls im Museum Haus Konstruktiv ausgestellt, bestehend aus zwei gusseisernen Abflussrohren, das lange dem Maler Morton Schamberg zugeschrieben wurde. Auch eine der bekanntesten Ikonen der Kunstgeschichte, das Ready-made «Fountain» (1917), ein auf dem Kopf stehendes Pissoir von Marcel Duchamp könnte die geistige Handschrift von Elsa von Freytag-Loringhoven tragen, signiert mit R. Mutt. Die Urheberschaft ist nicht endgültig abgeklärt, unbestritten ist, dass die Dada-Baroness früh mit ihren Ready-mades Aufsehen erregte, mit provokanten Auftritten und ihrem Spiel mit Geschlechterrollen, wie auch mit visuellen Gedichten, die sie ab 1918 in der Zeitschrift «The Little Review» veröffentlichte. 1923 verliess Elsa von Freytag-Loringhoven Amerika und kehrte nach Deutschland zurück; 1927 starb sie verarmt in Paris. Nun wird die Dada-Künstlerin der ersten Stunde endlich wiederentdeckt.

 

 

Sophie Taeuber-Arp, Pionierin der konstruktiv-konkreten Kunst

Geboren 1889 in Davos, ist Sophie Taeuber-Arp eine der vielseitigsten und experimentierfreudigsten Schweizer Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts, eine wichtige Exponentin der Zürcher Dadaisten und Pionierin der konstruktiv-konkreten Kunst. Ihr OEuvre umfasst neben Malerei, Zeichnung, Plastik und Architektur auch Design, Tanz und Szenografie. 1907 tritt Sophie als Hospitantin in die St. Galler Zeichnungsschule für Industrie und Gewerbe ein, wo sie auch die Fächer Stillehre und Kunstgeschichte belegt. Von 1911 bis 1914 absolviert sie eine Weiterbildung am Lehr- und Versuchsatelier für angewandte und freie Kunst in München sowie an der Hamburger Gewerbeschule. 1914 zieht sie nach Zürich, wo sie Hans Arp kennenlernt und 1916 ihre Lehrtätigkeit für textiles Entwerfen an der Zürcher Kunstgewerbeschule aufnimmt. 1917 hat sie anlässlich der Eröffnung der Galerie Dada einen öffentlichen Auftritt mit einer Maske von Marcel Janco und tanzt zu Versen von Hugo Ball. 1918 unterzeichnet sie mit Hans Arp und anderen Kunstschaffenden das «Dadaistische Manifest». Im Rahmen einer Ausstellung des Schweizerischen Werkbundes erhält sie den Auftrag, das Stück «König Hirsch» von Carlo Gozzi zu inszenieren und auszustatten. Acht von insgesamt 18 hierfür geschaffene Marionetten sind in der Ausstellung «DADA anders» zu sehen, darunter «Dr. Ödipus komplex» mit Bezug auf den Psychoanalytiker Sigmund Freud oder «Die Wache», fünf Soldaten integriert  in eine Figur, mit Anspielungen auf den Futurismus.

Nach ihrer Heirat 1922 reisen Sophie und Hans Arp mit Kurt Schwitters und Hannah Höch auf die Insel Rügen, später allein weiter nach Pompeji, Florenz und Rom. 1916 übernimmt Sophie mit ihrem Mann und Theo van Doesburg die Innenraumgestaltung der «Aubette» in Strassburg. Ab 1928 Planung ihres Atelierhauses in Clamart bei Paris, wo sie mit Arp lebt, bis sie 1940 vor den Nationalsozialisten in südfranzösische Grasse flüchten müssen. Sophie Taeuber-Arp stirbt 1943 infolge einer Kohlenmonoxidvergiftung im Haus von Max Bill.

 

 

Hannah Höch – die Collagen-Queen
1889 geboren in Gotha, beginnt Hannah Höch 1912 ein Studium an der Kunstgewerbe- und Handwerkerschule Berlin, wo sie das Entwerfen und Zeichnen von Ornamenten, Urkunden und Schmuckblättern erlernt. 1915 geht sie eine sieben Jahre dauernde Beziehung zu Raoul Hausmann ein und verkehrt in der künstlerischen Avantgarde Berlins. Von 1916 bis 1926 entwirft sie Stick-, Häkel- und Strickmuster für Zeitschriften des Ullstein Verlags, für die sie auch Texte verfasst. 1918 findet sie mit Hausmann zur Fotomontage, die ihren späteren Ruhm kennzeichnen, wie beispielsweise ihre bekannten Collagen mit starken Männerarmen und Frauenköpfen. Sie lernt George Grosz, John Heartfield, Johannes Baader und Richard Hülsenbeck kennen, die sich in Berlin im «Club Dada» treffen, mit Hannah Höch als einziger Frau. Höhepunkt ist die Dada-Messe von 1920, auf der Höch mit Fotomontagen und Dada-Stoffpuppe vertreten ist. Ihr vielfältiges Schaffen reicht von Collagen und plastischen Arbeiten über Entwürfe für Textilien, Dada-Puppen und Bühnebilder bis zu grossformatigen Gemälden. Ihre politisch konnotierten und gesellschaftskritischen Werke thematisieren auch ein neues Frauenbild.

 

Parallel dazu werden in zwei Einzelausstellungen Arbeiten von Sadie Murdoch und Ulla von Brandenburg gezeigt, die in einen generationenübergreifenden Dialog mit den historischen Dada-Werken treten.

Veranstaltungen und Infos: www.hauskonstruktiv.ch

 

DADA ANDERS

Sophie Taeuber-Arp, Hannah Höch, Elsa von Freytag-Loringhoven.
Ausstellung 25.02.2016 – 08.05.2016

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