FRONTPAGE

«Frank Stella. Malerei & Zeichnung im Basler Museum für Gegenwartskunst»

Von Simon Baur

Das Kunstmuseum Basel besitzt nicht nur eine Reihe bedeutender Bilder von Frank Stella, sondern auch weltweit die grösste Sammlung an Skizzen und Zeichnungen. Sie sind durch eine glückliche Geschichte nach Basel gekommen und werden nun in einer Auswahl gezeigt.

Abschied vom Abstrakten Expressionismus

1959 ist das Jahr des Blitzstarts des damals jungen Künstlers Frank Stella. Der Galerist Leo Castelli wird auf ihn aufmerksam und widmet ihm ein Jahr später in seiner New Yorker Galerie die erste Einzelausstellung und Dorothee Miller zeigt ihn in der Gruppenausstellung Sixteen Americans im Museum of Modern Art, an der unter anderen auch Ellsworth Kelly, Jasper Johns und Robert Rauschenberg beteiligt waren. In dieser Zeit beginnt er mit seiner Serie Black Paintings. Damit verabschiedete er sich sowohl von seinen frühen Bildern, von den zwei Werke, nämlich Seward Park und West Broadway, beide 1958 entstanden, in der Ausstellung zu sehen sind. Sie leben noch von der gestischen Pinselqualität, wie wir sie von der Flaggenbildern Jasper Johns her kennen. Gleichzeitig bricht Stella mit den Black Paintings aber auch mit dem abstrakten Expressionismus und überwindet vielleicht zum ersten Mal seit Malevitchs Schwarzem Quadrat und Pablo Picassos Les Demoiselles d’Avignon einen Nullpunkt der Malerei. Morro Castle, auch 1958 entstanden, ist nicht nur prominentes Beispiel dieser Serie in der Ausstellung zu sehen, es ist vielleicht eines der wichtigsten Bilder Frank Stellas überhaupt. Mit Farbpigmenten aus der Büchse und breiten Pinseln wurde die Farbe aufgetragen, bei Morro Castle sind zwischen den Streifen oder Linien zwar die Zwischenräume und die rohe Leinwand sichtbar, aber auch die rote Farbe, mit der Stella die Leinwand grundiert hat. Auf die Frage worum es sich hier handelt, antwortete Stella in einem bekannten Interview, das er mit Michael Fried und Donald Judd führte: You see, what you see. Der Hintergrund des Titels des Bildes, würde uns nicht weiterbringen. Morro Castle war ein amerikanischer Luxusdampfer, der um 1930 von Stapel ging und 1934 unter mysteriösen Umständen ausbrannte, wobei 137 Menschen den Tod fanden. Um die Qualität der Streifen auf den Bildern zu maximieren, schnitt Stella später die übrig bleibenden Randstreifen ab und entwickelte so den Begriff der shaped canvases, eine bildliche Zwitterform zwischen Malerei und Objekt. Es entstehen Bilder in L-, N-, U- und T-förmigen Anordnungen, bis er ab Mitte der 1960er Jahre zu den gänzlich unregelmässigen, kurvenreichen Anordnungen gelangte wie beispielsweise Damascus Gate. Variation I das in der Ausstellung im Basler Museum für Gegenwartskunst zu sehen.

 

 

Entstehung der Bilder
Die Hauptattraktion der Ausstellung machen aber die Skizzen aus. Christian Geelhaar, ehemaliger Direktor des Kunstmuseums Basel war 1977 bei Jasper Johns und hörte dort vom zeichnerischen Werk Frank Stellas, was bis dahin weitgehend unbekannt war. Ein Besuch beim Künstler zeigte, dass er seine Entwürfe für mögliche Bilder meist auf vorgefundene Papiere zeichnete: auf Notizzettel, Briefpapiere von Freunden oder die Rückseiten von Einkaufslisten. Der Zustand der meisten Arbeiten war bedenklich, zudem gelang es dem Künstler nicht mehr, sie richtig zu datieren. Ohne Zweifel dienten sie ihm zu Studienzwecken und doch waren sie ihm so wichtig, das er sie aufbewahrte und nicht vernichtete. Alle neunhundert Zeichnungen wurden daraufhin nach Basel transferiert, wo sie restauriert, auf Unterlagen kaschiert und entsprechend präsentierbar gemacht wurden. Mit dem Einverständnis von Frank Stella einigte man sich darauf, die Blättchen nicht alle einzeln, sondern in sinnhaften Gruppen zusammenzustellen, damit der auratische Wert des Einzelnen vermieden und der Entstehungskontext klarer ersichtlich wird. Für die Ausstellung der Zeichnungen, die 1980 stattfand, erstellte Christian Geelhaar zudem einen fundierten Katalog indem die Arbeiten wissenschaftlich aufgearbeitet wurden.

 

 

Grosszügige Schenkung
Frank Stella schenkte dem Kupferstichkabinett 366 der neunhundert Zeichnungen, das damit über Nacht zur ersten Adresse für Zeichnungen des Künstlers wurde. In den Zeichnungen lässt sich Stellas Denken in Bezug auf seine Bildkonzepte nachvollziehen. Er experimentiert, verwirft, beginnt wieder und sucht nach der richtigen Form. Sein Strich ist unsicher, er ist spontan, folgt keiner Logik und verfährt intuitiv. Doch man erfährt dadurch viel mehr, auch Stellas Zweifel, seine Richtungswechsel und sein Bedürfnis die Malerei neu zu denken, wird an den Zeichnungen erfahrbar. Selten ist man so nah an der Prozesshaftigkeit, die sich hinter Bildern verbergen, selten erkennt man so deutlich was im Kopf eines Malers vorgehen muss, bis er seine Bildkomposition gefunden hat. Die Frank-Stella-Ausstellung im Museum für Gegenwartskunst ist auch ein Abschied. Wie der amtierende Direktor Bernhard Mendes Bürgi ausführte, werden die Bilder Stellas zusammen mit der Kunst des amerikanischen abstrakten Expressionismus ab kommendem April im Erweiterungsbau zu sehen sein, während sich das Museum für Gegenwartskunst ausschliesslich der Kunst ab den 1990er Jahren widmen wird.

 

 

Frank Stella. Malerei & Zeichnung. Museum für Gegenwartskunst, Basel. Bis 30. August. Zur Ausstellung erscheint ein Heft, welches kostenlos abgegeben wird. www.kunstmuseumbasel.ch

 

 

 

L&K-Ausstellungstipp

 

«Ein Sommertagstraum» im Skulpturengarten Weiertal bei Winterthur.

Die Biennale Skulpturen-Symposium 2015 öffnet dort von 31. Mai bis 13. September 2015 ihre Pforten.

 

Von Ingrid Schindler

Ein rätselhafterer Schlund im Rasen, Lungenflügel am Ende eines Obstbaumhains, die in Schiffscontainern um ihr Leben schnaufen, ein Kamelskelett, das übers Wasser eines Schwimmteichs läuft, während nebenan Fische durch die Wiese schwimmen.

Die Natur treibt seltsame Blüten im Weitertal. Eine Schwarze Witwe im Gebüsch, ein Waldurk in den Bäumen, eine Osterhasenfrau aus Beton, die die Lauscher spitzend in die weite Landschaft blickt, Magic Mushrooms unterm Apfelbaum. Wenn man Meteorit wäre: hier würde man gern einschlagen! Und so lassen das auch Maja von Meiss und Ulla Rohr, die künstlerischen Leiter der Biennale, und Kurator Guido Magnaguagno geschehen, indem sie den Westschweizer Künstler Etienne Krähenbühl in das lauschige Paradies eingeladen haben. Der brachte Sternenstaub mit: einen 2,5 bis 3 Tonnen schweren Meteoriten aus verrostetem Stahl, der unter dem Titel «Désolé» einen ausgebrannten Mittelklassewagen unter sich zerquetscht.

Die monumentale Skulptur bildet den Auftakt der diesjährigen Ausstellung. 29 Skulpturen verteilen sich auf den Garten der von Meiss’, weitere sind in den Ausstellungsräumen im Innern zu sehen. Dahinter stehen bei uns kaum bekannte Namen wie der aufstrebende Genfer Künstler Christian Gonzenbach, Vertreter der Ostschweizer Kunstszene bis hin zu international etablierten Schweizer Künstlern wie Daniel SpoerriNot Vital oder Manon. Das vielleicht rätselhafteste Werk steuert der Winterthurer Mario Sala bei: ein Schlund im Gras, der wie eine heisse Quelle das Erdinnere an die Oberfläche speit. Ein malignes Stilleben, eine seltsame Blume des Bösen inmitten einer bukolischen Natur voller Brüche und Überraschungen, perfekt geschaffen für ein fantastisches déjeuner sur l’herbe.

www.skulpturen-biennale.ch


Biennale Skulpturen-Symposium

Kulturort Weiertal

Maja von Meiss

Rumstalstr. 55

8408 Winterthur

13.5.-13.9.2015

Mi – Sa 14–18 Uhr

Fr 14–22 Uhr

So 11–17 Uhr

Veranstaltungen, Führungen, Workshops, Dîners sur l’herbe

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