FRONTPAGE

Holbein. Cranach. Grünewald. Meisterwerke aus dem Kunstmuseum Basel zeigt neue Perspektiven auf bekannte Bilder

Von Simon Baur

 

Bis das Kunstmuseum Basel im kommenden Frühjahr renoviert und der Erweiterungsbau fertig gestellt ist, haben die alten Meister der Sammlung Gastrecht im Museum der Kulturen am Münsterplatz. Sie befinden sich damit einige Schritte vom alten Kunstmuseum an der Augustinergasse entfernt, wo sie bereits von 1849 bis 1922 zu sehen waren. Nun sind sie nicht in altes Gemäuer zurückgekehrt, sondern in den wenige Jahre jungen Erweiterungsbau des Museums der Kulturen, der von Herzog & de Meuron erbaut wurde.

 

Neue Sichtweisen auf alte Kunst

Auch wenn dieser Bau bis heute kontrovers diskutiert wird, so lohnt sich ein Besuch, denn diese Kombination von neuer Architektur und alten Meisterwerken wird man zukünftig nicht so schnell wieder sehen. Untergebracht sind die Werke im doppelstöckigen Ausstellungssaal. Dadurch entstehen nicht nur ein konzentrierter Überblick, sondern auch ganz unterschiedliche Perspektiven auf die Bilder. Nie zuvor hat man an einer Wand die Bilder von Hans Holbein dem Jüngeren, die Porträts vom Bürgermeister Jakob Meyer zum Hasen und seiner Frau, sowie die Bildnisse von Bonifacius Amerbach und Erasmus von Rotterdam, neben dem «Toten Christus im Grab» gesehen und darüber die beiden von Holbein bemalten Flügel der Orgelabdeckung, die vermutlich ein Jahr vor dem Basler Bildersturm, 1529, entstanden sind. Sie lassen sich damit in die gleiche Zeit wie das bekannte Familienbildnis der Familie Holbein datieren, wobei sich an den gezeigten Gemälden, deren Entstehungszeit sich über ein Jahrzehnt erstreckt, deutlich Holbeins malerische Entwicklung ablesen lässt. Die Orgelabdeckungen wurden vermutlich in einer lasurähnlichen braunen Farbe auf die an einer Wand stehenden Leinwände aufgetragen. Ein riskantes Unternehmen, wenn man bedenkt wie flüssig diese Farbe war, doch zeugt es von der handwerklichen Brillanz Holbeins, dass die Farbe nur an wenigen Stellen floss, was vom Boden aus unsichtbar blieb, die Werke hingen immerhin in einer beachtlichen Höhe. Sie dienten ja als Abdeckung der Orgel, was mit ein Grund sein dürfte, das sie den Bildersturm schadlos überdauerten. Auf den Gemälden ist nicht nur eine der sensibelsten Mariendarstellungen Holbeins zu erkennen, Basel besitzt abgesehen vom toten Christus von ihm kein so räumlich inszeniertes Gemälde.

 

 

Bühnenartige Szenerie
Würde Hans Holbein heute leben und Kunst machen, gut möglich, dass sein Medium die Fotografie wäre, Albrecht Dürer wäre vermutlich Schreiber oder Philosoph und Matthias Grünewald Theatermann, fantasiert Bodo Brinkmann der Kurator der Ausstellung, der mit den rund fünfzig Meisterwerker ein grandioses Welttheater inszenierte. Nicht von ungefähr inspiriert Holbein heutige Fotografen wie Hiroshi Sugimoto, während sich Robert Wilson auch schon an Gemälden von Grünewald orientierte. Von Grünewald ist nur ein Bild vorhanden, eine bühnenartige Kreuzigung Christi von 1515. Es beginnt bereits mit der Lichtregie. Im Markusevangelium steht: «Als die sechste Stunde kam, brach über das ganze Land eine Finsternis herein. Sie dauerte bis zur neunten Stunde» und «Jesus aber schrie laut auf. Dann hauchte er den Geist aus. Da riss der Vorhang im Tempel von oben nach unten entzwei. Als der Hauptmann, der Jesus gegenüberstand, ihn auf diese Weise sterben sah, sagte er: ‹Wahrhaftig, dieser Mensch war Gottes Sohn›». Genau diese kurze Zeitspanne, wie sie in der Bibel beschrieben wird, sehen wir auf dem Bild. Der Himmel und die Landschaft des Hintergrunds sind dunkel, nur noch ein paar öde wirkende Hügel sind sichtbar, Jesus ist bereits tot, die Anwesenden beweinen ihn und der Hauptmann hebt seine Hand zum militärischen Gruss des alten Roms, wie wir heute wissen. Grünewald könnte diese Handgeste auf provinzialrömischen Denkmälern gesehen haben. Doch sein archäologisches und historisches Wissen reichte nicht, um die Rüstung des Hauptmannes korrekt wiederzugeben. Jeder zeitgenössische Betrachter hätte in der hier gezeigten Rüstung eine Antiquität erkannt. Grünewald hat sie, wie Bodo Brinkmann im kleinen Katalog schreibt, der allen Besuchern der Ausstellung kostenlos abgegeben wird, «von einem etwa 70 Jahre früher entstandenen Kupferstich kopiert.»

 

 

Wie im Originalzustand
Ungewöhnlich auch die Hängung der Bildtafeln von Konrad Witz. Mit zwei Ausnahmen stammen sie alle vom Basler Hauptwerk des Künstlers, dem wahrscheinlich für die Leonhardskirche bestimmten Heilspiegelaltar, entstanden gegen 1435. Bodo Brinkmann hing sie übereinander an einer Wand und evoziert damit den Eindruck eines Altarretabels. An der Wand gegenüber befinden sich die beiden Bildnisse von Jacob Schwytzer und seiner Frau Elsbeth Lochmann von Tobias Stimmer. Dass sich der Zürcher Kornhausmeister und Fähnrich Schwytzer mit seiner Frau in lebensgrossen Bildnissen darstellen liess, war auch in seiner Zeit aussergewöhnlich und ausserhalb der Schweiz kaum möglich gewesen, da diese Porträtform dem hohen Adel und den Königshäusern vorbehalten war. Natürlich fehlt auch Lucas Cranachs «Das Urteil des Paris» nicht in der Ausstellung und Bodo Brinkmann kann zudem mit einer Neuigkeit aufwarten. Die qualitätsvolle Basler Tafel, die dem Museum vom bekannten Kunstsammler Robert von Hirsch 1977 geschenkt wurde, trägt das Wappen der Rosengatter, einer wohlhabenden und einflussreichen, zünftischen Kaufmannsfamilie aus Ulm. So viele Spitzenwerke auf so engem Raum sieht man selten und der Vergleich mit einem kleinen Weinkeller mit zahlreichen edlen Tropfen ist nicht aus der Luft gegriffen.

 

 

Interessante Beziehungen
Spannend ist die Ausstellung, weil die Bilder untereinander und mit der Umgebung interagieren. So hat man beispielsweise das Familienbildnis von Holbein noch nie so stark in eine Ecke gedrückt gesehen, allerdings verstärkt sich damit die Intimität des Bildes, das vermutlich einst doppelt so gross war, wobei man davon ausgehen kann, das auf dem fehlenden Teil sich Holbein selbst darstellte, was auch die Blickrichtung der Kinder erklären würde. Dem Bild könnte man so auch eine Analogie zum Motiv des heiligen Lukas die Madonna porträtierend, andichten. Alte Meister in neuer Architektur, eine durchaus förderliche Konfrontation. Alte Kunst in einem heute gewohnten Umfeld zu sehen, ermöglicht es uns auch, sie mit neuen Augen zu lesen. Und man erkennt, dass die zahlreichen Geschichten auf den Bildern sich bis heute gar nicht gross verändert haben. Liebe, Eifersucht, Tod und Heldentum, sie waren bereits vor 500 Jahren wichtig und sind es nach wie vor, zudem sind auf den Bildern Charakterporträts zu sehen, wie wir sie tagtäglich in unserem Umfeld sehen. Und doch verbergen sich in den Bildern teils komplexe historische, geographische und familiäre Zusammenhänge. Doch ist das heute anders?

 

 

Die Ausstellung Holbein. Cranach. Grünewald. Meisterwerke aus dem Kunstmuseum Basel im Museum der Kulturen Basel dauert bis zum 28. Februar 2016.

www.kunstmuseumbasel.ch

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