FRONTPAGE

Neueröffnung des Migros Museums für Gegenwartskunst

Von Ingrid Isermann

RAGNAR KJARTANSSON (*1976)  The Visitors
Collection on Display
Phyllida Barlow, Jimmie Durham, Daniel Knorr, Mark Leckey
17. November 2012 – 27. Januar 2013

 

Das Migros Museum für Gegenwartskunst eröffnet mit der ersten Schweizer Einzelausstellung des isländischen Künstlers Ragnar Kjartansson (*1976) die renovierten und erweiterten Ausstellungsräume im Löwenbräu-Areal. Die Ausstellung ist eine Ode an die Poesie, denn Kjartanssons Begeisterung für die Musik und Performance prägen das eigens für das Migros Museum konzipierte Projekt The Visitors.

 

 

«Verführung durch Musik und Poesie»

Die Videoinstallation entführt in das märchenhafte Ambiente einer fast 200 Jahre alten Villa am malerischen Hudson River in New York. In den verwunschenen Räumen tragen die Künstler, befreundete Musiker, einen zarten Gospelsong vor. Auf neun grossformatigen Screens sind die Musiker in verschiedenen Räumen gleichzeitig zu sehen. The Visitors  ist auch eine Hommage an die Freundschaft und an die schwedische Gruppe ABBA.

 

Ragnar Kjartansson ist mit seiner All Star Band nach Zürich gekommen, um an der Eröffnungs-Vernissage ein Konzert zu geben. Im persönlichen Gespräch offenbart er mit Charme und Humor:
«Music is cleaning my soul»  – «it’s all about poetic»«Seduction by Music»… ich für meinen Teil höre das, ganz subjektiv gesagt, gerne…  Verführung und Verzauberung durch Musik und alles dreht sich um Poesie…

 

Die zauberhafte Video-Installation lädt dazu ein, sich auf Musik einzulassen, Ragnar arbeitet mit der isländischen Lyrikerin Ásdís Sif Gunnarsdóttir zusammen und verwendet ihr Gedicht in einem neuen Liedkontext:

 

A pink rose. in the glittery frost, a diamond heart, and the orange red fire      

Once again I fall into my feminine ways

You protect the world from me, as if  I’m the only one who’s cruel,

you have taken me, to the bitter end

Once again I fall into my feminine ways.

Feminine Ways (Ásdís Sif Gunnarsdóttir, 2010)

 

So lässt er den melancholischen Song von mehreren Protagonisten in unterschiedlichen Szenerien der vielen Zimmer der Villa Rokeby oder in der romantischen Umgebung des Anwesens vortragen. Jeder Teil rückt einen der Räume und einen Musiker ins Zentrum. Im Ausstellungsraum wird die mit mehreren Kamers in jeweils einem Take gefilmte Arbeit auf grosser Fläche gezeigt. Die Besuchenden können sich durch die weiten Räumlichkeiten des Museums bewegen und wahlweise vor den einzelnen Grossprojektionen verweilen.

 

Ragnar Kjartassons erste Einzelausstellung in der Schweiz 2012 geht eine Reihe von Einzel- und Gruppenausstellungen in internationalen Galerien und Museen im Rahmen von Biennalen und Triennalen voraus, u.a. bei der Manifesta 7, der Venedig Biennale und der Turin Triennale. 2011 erhielt er den Malcolm McLaren Award der Performa für Bliss, eine zwölfstundige Performance der Schlussarie aus Mozarts Hochzeit des Figaro. 2009 bespielte er den isländischen Pavillon an der Venedig-Biennale.

 

Die Sammlung des Migros Museums erhält mit dem Umbau des Löwenbräu-Areals erstmals einen ständigen und repräsentativen Rahmen auf einer grosszügigen Fläche, wo wechselnde Ausstellungen, etwa 4 – 5 pro Jahr, wie Direktorin Heike Munder mitteilte, durchgeführt werden.

Die ersten drei Sammlungspräsentationen sind dem zeitgenössischen skulpturalen Schaffen gewidmet. Im ersten Teil sind Werke von Phyllida Barlow, Jimmi Durban, Daniel Knorr und Mark Leckey zu sehen.  Veranstaltungsprogramm: www.migros-museum.ch  www.loewenbraeukunst.ch.

 

Katalog:
Ragnar Kjartansson, To Music/An die Musik
Mit Texten von Philip Auslander, Markus T. Andrésson
und Heike Munder sowie einem Gespräch zwischen
Edek Bartz und Ragnar Kjartansson.
Englisch/Deutsch, 220 Seiten, JRP Ringier.

 

 

 

Kunsthaus Zürich
Neue Werke von Latifa Echakhch (*1974)
16. November 2012 bis 24. Februar 2013

 

Das Kunsthaus Zürich zeigt «Goodbye Horses», eine Ausstellung der französisch-marokkanischen Künstlerin Latifa Echakhch. Fragen des kulturellen Transfers und den Verschiebungen von Identität stehen im Zentrum. Für das Kunsthaus präsentiert die Künstlerin neue Werke, die nun exklusiv in Zürich zu sehen sind. Das Leitmotiv ist der Zirkus.

 

 

«Inszenierung des Blicks auf das Fremde»

Zuerst mag einem beim Ausstellungstitel unwillkürlich der Film von Sidney Pollack «They shoot horses, don’t they?» (1969) zur Weltwirtschaftskrise in den Sinn kommen, und weg galoppierende Pferde sind auch bei einem abgebrochenen Zirkuszelt eine mögliche Vision.

Denn die Künstlerin interessiert sich nicht nur für die unbeschwerte, fröhliche Seite des Zirkus, sondern auch für die melancholischen Aspekte des Spektakels und der Leere. Alles wirkt verlassen, und die Arbeiten im Raum erscheinen wie Requisiten einer längst vergangenen Vorstellung:
«Der Zirkus repräsentiert eigentlich die Idee des Spektakels, das ganz von der Spannung des Momentes lebt. Doch in der Ausstellung geht es genau um das Ende dieses ‚Hier und Jetzt’».

 

Die Vorstellung von etwas, das nur in seiner Abwesenheit gegeben ist, beschäftigt Latifa Echakhch seit längerem. Die Idee der Leere wird bei ihr noch weitergeführt. Erst wenn die vermeintlich bekannten Objekte ihrer ursprünglichen Bedeutung entleert sind, können neue Lesarten entstehen.
Sie verwendet daher bekannte Objekte wie architektonische Bestandteile und Requisiten des Zirkus: Manege, Kostüm, Podest und Zirkuszelt.
Ein solches Zelt ist nun in den Sammlungsräumen im Parterre des Kunsthauses so arrangiert, dass Besuchende das Gefühl haben können, über das Dach des Zirkus zu spazieren, ein durchaus poetischer Wechsel der Perspektive, der aber die politische Komponente nicht fehlt. Mit der Installation im Kunsthaus verweist Latifa Echakhch auch auf die innere Leere unserer Event-Gesellschaft und die Tatsache, dass heute «alles so schnell geht, dass es daher eigentlich immer schon vergangen ist».

 

Gleichzeitig nimmt die Künstlerin Bezug zur Geschichte des Zirkus und jenen «Freak-Shows», in denen Menschen mit Abnormitäten aller Art zur Schau gestellt werden und wurden. Diese Shows leben von der Inszenierung des Blicks auf das Fremde – ein Thema, das für Latifa Echakhch von zentraler Bedeutung ist, wie schon ihre früheren Arbeiten erkennen liessen.

 

Als Latifa Echakhch im Rahmen der Gruppenausstellung «Shifting Identities» (2008) im Kunsthaus Zürich ihren ersten beachteten Museumsauftritt hatte, war ihr Name noch unbekannt.
Die damals gezeigte Arbeit «Fantasia», eine Gruppe von schwarz bemalten, leeren Fahnenstangen, die sich im Raum überkreuzten, erregte grosse Aufmerksamkeit. Die Denkanstösse in Richtung Nationalitäten und Identitäten verfehlten ihre Wirkung nicht. Inzwischen hat die in Marokko geborene und nun in Martigny, im Kanton Wallis lebende Künstlerin an der Venedig-Biennale 2011 wie auch 2012 an der Sydney-Biennale teilgenommen und konnte in renommierten Institutionen wie der Tate Modern, London, ausstellen.
Die gemeinsam mit der Kuratorin Mirjam Varadinis für das Kunsthaus vorbereitete Präsentation «Goodbye Horses» besteht aus neuen, speziell für die Sammlungsräume geschaffenen Werken, die exklusiv im Kunsthaus Zürich gezeigt werden. www.kunsthaus.ch

 

 

Ausstellungstipp

Haus Konstruktiv: Jakob Bill. Kilian Rüthemann. Verena Loewensberg.

 

Das Haus Konstruktiv zeigt zum Jahresabschluss den Zürcher Konkreten Jakob Bill zum 70. Geburtstag und einen Künstler der zweiten Generation der Zürcher Konkreten, den jungen Minimalisten Kilian Rüthemann in der Ausstellungsreihe Visionäre Sammlung. Zu Ehren des 100. Geburtstages von Verena Lowensberg präsentiert das Haus Konstruktiv ein Spezialprojekt.

 

Jakob Bill. Eine Retrospektive 13.12.2012 – 17.2.2013

Kilian Rüthemann. room for milk. 13.12.2012 – 17.2.2013

Der junge Schweizer Künstler Kilian Rüthemann, *1979 in Bütschwil, lebt und arbeitet in Basel und Berlin, präsentiert im Rahmen der Ausstellungsreihe Visionäre Sammlung seine neuste Arbeit room for milk. Mit einem präzisen bildhauerischen Eingriff gelingt es Rüthemann, die gesamte Raumwirkung der Säulenhalle im 3. Stock zu verändern und die Grenzzonen zwischen Raum und Materie auszuloten.

Verena Loewensberg. Zum 100. Geburtstag der grossen Zürcher Konkreten Verena Lowensberg (1912-1986) realisiert das Museum Haus Konstruktiv das Projekt „Im Atelier von Verena Loewensberg“: Jazz-Platten, Objekte, Skizzen und eine Auswahl zentraler Werke von Verena Loewensberg, zusammengestellt von Henriette Coray Loewensberg und Dorothea Strauss.

 

Eröffnung am Mittwoch, 12. Dezember, 18 Uhr. Ab 18.45 Uhr sprechen Hans Ulrich Schweizer, Präsident der Stiftung für konstruktive, konkrete und konzeptuelle Kunst und Dorothea Strauss, Direktorin Museum Haus Konstruktiv.

 

 

Montag, 28. Januar 2013, 19 Uhr.

Round Table.

Künstlergespräch mit Kilian Rüthemann.

Das Museum ist ab 18 Uhr geöffnet.

www.hauskonstruktiv.ch

 

Kilian Rüthemann         

 

 

a white cube’s dream

room for milk

no milk today

a setting in the space

of time

a white cube

something is left

to think about

you and me and

everyone you know

the room about us

lifted up in the

space of time

(Courtesy The Beatles

and Miranda July) 

 

 

 

 

Scratchings

 

Eine Schneespur

Eine Spur des Tigers

Eine Verletzung

Ein kommender

Vulkanausbruch

Ein Zeichen

Ein Aufbruch

Eine Diagonale

Eine Spur

Ein Mentekel

An der Wand

 

 

Poems

Ingrid Isermann

12/2012

 

 

 

 

 

Galerienrundgang

 

LAZERTIS GALERIE
Universitätsstrasse 9, 8006 Zürich
Einzelausstellung Domenico D’Oora – Painting Now
3. November – 31. Dezember 2012

 

«Monochrome Farbe als metaphysische Metapher»

Domenico D’Oora zeigt neue Werke in der Lazertis Galerie von Lily Brülisauer. Seine Werke, wenn auch monochrom und minimalistisch, gehören der grossen Maltradition an, die diesen Bildern prägnante Ausdruckskraft verleiht und nun zu Bildobjekten führt, Farbe als metaphysische Materie des Bildträgers.

 

Die Bilder D’Ooras suggerieren Farbe als Erfahrungsraum, als Erinnerung oder Vision poetischer Bilder, der Intuition mit Ratio und Sensibilität folgend, wie beispielsweise auch im Umfeld der Ergründung des absoluten Schwarzen, dem Gespenst der Seele, dergestalt Hintergründe zu befragen, in der Maltradition von Malewitsch, Mark Rothko oder Frank Stella stehend.

 

Die monochromen Bildobjekte in Weiss oder Schwarz, Rot oder Dunkelrot, Lindgrün oder Gelb assoziieren auf dem bewegtem, unebenen Malgrund eine verdichtete Tiefgründigkeit, die auch an die Mühen der Ebene denken lässt.

 

Domenico D’Oora, 1953 in London geboren, lebt am Lago Maggiore in Italien und ist Professor für Kunsterziehung und künstlerischer Leiter eines Zentrums für Kunsttherapie. Diverse Einzelausstellungen, u.a. Galerie Appel, Frankfurt am Main; Palazzo Correr, Venezia; Artefiera 2011 Bologna. In der Universität Bocconi in Mailand befindet sich die grosse malerische Installation ‚Painting Now-Sequence’ von Domenico D’Oora im Rahmen der BAG Bocconi Art Gallery. www.lazertisgalerie.ch

 

 

 


 

GALERIE ROSMARIE SCHÜRER Kunst & Kultur
Dorfstrasse 13, 8155 Niederhasli
10. November – 9. Dezember 2012
Afra Flepp – Farbkompositionen

 

«Konstruktiv, aber sprühend»

Eigentlich sind Afra Flepps Farbkompositionen der Richtung der konstruktiven Kunst zuzuordnen, dazu haben sie gewiss ihren Bezug, wären da nur nicht die sprühenden Farbmomente, die den Rahmen der Geometrie zu sprengen scheinen.
Die Farbe oszilliert vom dunklen Farbton zum hellen und wirkt dadurch beweglich und lebendig; die Farbfelder scheinen geradezu aus dem Rahmen zu springen und sich gleichsam vorwärtszubewegen. Bewegung im Raum könnte man diese farbprächtigen Werke nennen, die sich in schillerndem Outfit präsentieren.

Nach verschiedenen Experimenten, Techniken und Farbverläufen arbeitet Afra Flepp heute grösstenteils mit der Spritzpistole und verwendet die drei Komplementärfarben Rot, Blau und Grün, aus denen sich die schwingenden Farbfelder ergeben. Quadrate und Rechtecke, Linien und Streifen: konstruktive Kunst redefined.

Die Galerie ist jeweils am Samstag und Sonntag von 14 – 18 Uhr oder nach Vereinbarung geöffnet. Auskunft: rschuerer@bluewin.ch.

 

Afra Flepp, geboren 1947, von Truns/Graubünden, lebt seit 1952 in Zürich. Ausbildung  als Grafikerin an der ZHdK; seit 1968 als Grafikerin selbständig. Freie künstlerische Arbeiten seit 1964. Einzel- und Gruppenausstellungen im In- und Ausland.

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