FRONTPAGE

«Das illuminierte Venedig» Illumi nazioni – Illumi nations

Von Ingrid Isermann

Die 54. Biennale di Venezia ist eine Hymne an Venedig, ein Concours der Poesie, der Imaginationen, der Illuminationen, vielleicht auch der Illusionen.
Bice Curiger, die Schweizer Direktorin der Internationalen Kunstausstellung, gibt Auskunft.

Der deutsche Pavillon mit der Hommage an Christoph Schlingensief (1960-2010) erhielt den Goldenen Löwen der 54. Biennale di Venezia, wie Paolo Baratta, Präsident la Biennale di Venezia am 4. Juni 2011 bekanntgab.

 

5 Fragen an Bice Curiger, Direktorin:

 

Literatur & Kunst: Illuminationen – Wie kamen Sie auf den Titel?

Bice Curiger: Ich habe an Venedig und dessen Licht gedacht und an Tintoretto, den grossen venezianischen Maler des Lichts aus dem 16. Jahrhundert. Zudem ist Licht ein klassisches Thema der Kunst. 
Licht allein wäre mir jedoch etwas zu abstrakt und unverbind-lich gewesen, mit der Betonung des falschen Suffix bekam der Titel die für mich richtige Substanz.

 

Literatur & Kunst: Sie erweisen Tintoretto Reverenz – Was hat Sie dazu inspiriert? Warum gerade dieser Meister?

Bice Curiger: Ich habe immer eine Schwäche für Tintorettos Malerei gehabt. Ich finde, dass gewisse Werke, wie die drei, die ich ausgewählt habe, eine enorm starke Bildsprache entwickeln, welche auch Menschen ohne kunsthistorische Vorkenntnis mit ihrer Direktheit anzusprechen vermögen. Es interessierte mich zudem, die Spaltung von Gegenwarts- und Altmeisterpublikum durcheinander zu bringen.

 

Literatur & Kunst: Die flirrende Magie Venedigs und die Nationen – Was bleibt – was ist anders – was soll sich ändern?

Bice Curiger: Ich wünsche mir, dass zwischen der internationalen Ausstellung und den Nationenpavillons ein gewisser Austausch geschieht ohne, dass dieser zu stark forciert wird. Ich vertraue auf den Ort und dessen Anziehungskraft, sowie auf das Miteinander der avancierten Gegenwartskunst, auf die Präsenz von Geschichte mit gleichzeitiger Bezugnahme auf eine globalisierte Welt.

 

Literatur & Kunst: Was erwarten Sie von der 54. Biennale di Venezia? Was sind die Highlights? Auf was können wir uns besonders freuen?

Bice Curiger: Ich erwarte, dass es eine reiche, komplexe, aber auch nachdenklich machende und beglückende Ausstellung wird. Highlights sind die vielen jungen Künstler, die Interaktion zwischen diesen jungen und den älteren Künstlern, sowie zwischen Mainstream und Outsidern, wie es auch Tintoretto zu seiner Zeit einer war.

 

Literatur & Kunst: Was ist an der Biennale von den Schweizer Teilnehmenden  zu sehen, unter welchen Gesichtspunkten wurden sie ausgewählt? Thomas Hirschhorn und die junge Mai-Thu Perret, die jetzt auch im Aargauer Kunsthaus ausstellt?

Bice Curiger: Thomas Hirschhorn gehört nicht zur internationalen Ausstellung, sondern vertritt den Schweizer Pavillon.
Ausgewählt habe ich eigenwillige Stimmen, die bereits zeigen konnten, dass sie relevante Arbeiten machen und die auch gut zum Thema Licht und Nationen passen. Zudem bin ich gespannt zu sehen, was sie einem breiten Publikum zeigen.

 

Bice Curiger, vielen Dank für das Gespräch, wir freuen uns auf eine wunderbare Biennale di Venezia und wünschen Ihnen viel Erfolg!

 

Bice Curiger zu ILLUMInazioni * ILLUMInations:
Ein sehr grosser Teil der Künstlerinnen und Künstler wird für ILLUMInazioni neue Arbeiten schaffen, so etwa Monica Bonvicini, James Turrell, Nicholas Hlobo, Norma Jean, R.H. Quatman, Haroon Mirza, Loris Gréaud, Carol Bove, Gelitin, Dayanita Singh, Christopher Wool und viele andere mehr, indem sie auch direkt auf das Thema Bezug nehmen. Ins Zentrum von ILLUMInazioni sollen auch Werke des Venezianischen Meisters Jacopo Tintoretto (1518-1594) gestellt werden, welche künstlerisch, historisch und emotional eine Beziehung zum lokalen Kontext anbieten. Ein zuweilen fast fiebrig, ekstatisches Licht und eine verwegene Kompositionsweise heben die wohlgeordnete klassische Renaissancewelt auf und macht die Werke für den heutigen Blick attraktiv.
Wenn die Selbstreflexion ein bestimmender Faktor der Gegenwartskunst ist, so überschreitet sie doch kaum je das Territorium der Geschichte des Modernismus. Mit dem Einbeziehen der Werke Tintorettos aus dem 16. Jahrhundert in die Biennale di Venezia, sollen unerwartete Impulse ausgesandt werden und auch ein Licht geworfen werden auf kunstbe-triebliche Konventionen – sowohl im Lager der alten wie der aktuellen Kunst. Es sind nicht formale Analogien, die in dieser Gegenüberstellung Interessieren, vielmehr soll der Bedeutung von Kunstwerken als bildhafte Energieträger Nachdruck verschafft werden.

Die 54. Biennale entsteht in einem Prozess des inspirierten Austausches und der gegenseitigen Anregung zusammen mit den Künstlerinnen und Künstlern. Wir fragten vier von ihnen an (Monika Sosnowska, Franz West, Song Dong und Oscar Tuazon), so genannte Parapavillons zu gestalten, in dessen Innern Werke von andern Künstlern präsentiert werden können. Obwohl diese Biennale besonders viele junge Positionen zeigen wird (über ein Drittel der Künstlerinnen und Künstler ist unter 35 Jahre alt), sollen auch Werke einer älteren Generation gezeigt werden oder von Künstlern, die noch nicht die verdiente Anerkennung erfahren haben wie etwa Llyn Foulkes (*1934), Luigi Ghirri (1943-1992), Jack Goldstein (1945-1995) oder Jeanne Natalie Wintsch (1871-1944).

Kunst ist ein höchst selbstreflexives Territorium, das den Blick auf die Aussenwelt schärft und ihn luzide macht. Ein kommunikativer Aspekt ist vielen Werken zentral in ILLUMInations, welche auch die Nähe zum vibrierenden Leben suchen, in einer Zeit, da der Realitätssinn permanent heraus-gefordert wird durch gesteigerte Virtualität und Simulation.

 

www.labiennale.org – www.labiennalechannel.org

 

 

Bice Curiger, biographical notes

A graduate of the University of Zurich, Bice Curiger is an arthistorian, critic and curator of exhibitions at an international level. Since 1993, she has been curator at the Zurich Kunsthaus,one of the most important museums in the worldfor modern and contemporary art as well as for its collections of 500 years old artworks and which has for years implemented a major exhibitions programme of international significance.

Bice Curiger is co-founder and editor-in-chief of “Parkett”, one of the most authoritative and innovative contemporary art magazines in the world, published in Zurich and New York since 1984. Since 2004, she has been publishing director of the “Tate etc.” magazine produced by London’s Tate Gallery.

Bice Curiger was Rudolph Arnheim Professor at Humboldt University, Berlin from 2006 to 2007. She was a member of the DAAD Jury, Berlin from 1988 to 1992, and a member of Switzerland’s National Council for the Arts from 1984 to 1994.

She curated several exhibitions, among with:
2009: “Katharina Fritsch”, Kunsthaus Zurich and Deichtorhallen Hamburg, 2007: „Peter Fischli/David Weiss“, retrospective, with Tate Modern London etc 2006: “The Expanded Eye  – Stalking the Unseen”, exhibition at the Kunsthaus Zurich, 1998-2005 exhibitions at the Kunsthaus Zurich: “Martin  Kippenberger – Early Paintings, Sculptures and all the Posters”, “Sigmar Polke – All the Editions”, “Thomas Hirschhorn – Award the Zurich Art Association”, “Hypermental – Rampant Realitiy from 1950-2000, from Salvador to Jeff Koons”, “Public Affairs – Art in and for the public, from Joseph Beuys to Andrea Zittel”, “Georgia O’Keefe”, “Sigmar Polke – Work & Days”, 1997: “Birth of the Cool – American Painting from Georgia O’Keefe to Christopher Wool”, exhibition at the Deichtorhallen Hamburg and the Kunsthaus Zurich.

She is the author of a number of publications on contemporary art, among with:
– “The Collected Writings” (Lindinger+Schmid, Regensburg, 2002)
– “Looks and tenebrae” (Peter Blum Editions, New York and Zurich, 1983), a monograph on Meret Oppenheim,
– “Spuren durchstandener Freiheit (ABC Publishers, Zurich, 1982, English translation 1990, MIT Press, Boston)
– „Meret Oppenheim. Tracce di una libertà sofferta“ (Fidia Edizioni d’Arte, Como-Lugano, 1995, translated by Luisa Lucchetti).

 

 

Sonntag, 5. Juni 2011, 12.00 Uhr, SF 1

«Sternstunde Kunst»: 
Bice Curiger und die Biennale Venedig 
«Träumen, dass man träumt» 
Ein Film von Eduard Erne

 

Die Schweizer Kuratorin, Kunsthistorikerin und Chefredaktorin Bice Curiger gehört zu den 
profiliertesten Kennerinnen moderner Kunst. Das hat dazu geführt, dass sie die 54. Biennale in 
Venedig konzipieren darf.

 

Unter dem Motto ILLUMInazioni spielt die 1948 in Zürich geborene Kuratorin mit den Begriffen Nation und Licht, spielerisch und intuitiv wie ein Traum, von dem man ahnt, dass man ihn träumt.

Ein Jahr lang begleitet der Dokumentarfilmer Eduard Erne Bice Curiger, während sie eines der wichtigsten Kunstereignisse des Jahres vorbereitet. Er reist mit ihr an die Brennpunkte moderner
Kunst, nach Brasilien, nach Qatar – und immer wieder nach Venedig – und beobachtet den Entstehungsprozess ihrer Ausstellung. Der spannende Blick hinter die Kulissen des Kunstbetriebs ist gleichzeitig eine sehr persönliche Annäherung an das Denken Bice Curigers.

Eine Eigenproduktion von «Sternstunde Kunst» in Zusammenarbeit mit «Kulturplatz».

 

 

Thomas Hirschhorn und Andrea Thal wurden vom Bundesamt für Kultur beauftragt, zwei unabhängige Schweizer Beiträge für die Biennale zu entwickeln. Hirschhorn wird den Schweizer Pavillon in den Giardini bespielen.
Der 1957 in Bern geborene Thomas Hirschhorn besuchte die Hochschule für Gestaltung und Kunst in Zürich und gewann ab Mitte der 1990er Jahre internationale Anerkennung für seine Installationen. Hirschhorn versteht sich nach eigener Aussage als ein Künstler, der «politische Kunst macht». Seit 1984 lebt und arbeitet er in Paris. Grössere internationale Bekanntheit erlangte der Künstler durch die Installation «Swiss-Swiss Democracy» im Schweizer Kulturzentrum ‚Centre Culturel Suisse’ in Paris 2004. Die Performance im Rahmen einer Ausstellung im in Paris hatte zur Folge, dass der schweizer-ischen Kulturstiftung Pro Helvetia das Budget gekürzt wurde.

 

 

«ART BASEL mit Internetpremiere»
ART/42/Basel 15.-19. Juni 2011.
www.artbasel.com

 

Die Art Basel hat sich längst etabliert, letztes Jahr besuchten etwa 62 000 Kunstinteressierte die Messe für zeitgenössische 
Gegenwartskunst. Dieses Jahr werden die Zahlen womöglich übertroffen, umsomehr als Kunst seit geraumer Zeit als exzellente Kapitalanlage gilt, die auch visuell Freude macht, anders als nackte Zahlen auf dem Papier. 
2500 Künstler aus aller Welt  präsentieren ihre Werke, da ist für jede/n etwas dabei, und sei’s nur zum Anschauen und Staunen.
Neu sind  i-phone- und Blackberry-Apps, mit denen man sich frei und virtuell durch die ART-Kunstwelten bewegen kann.

 

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