FRONTPAGE

«Maurizio Cattelans Abschied im Guggenheim Museum New York»

Von Sacha Verna

Maurizio Cattelans erste Einzelausstellung bestand aus einem Schild an der Tür der leeren und verschlossenen Galerie mit der Aufschrift «Torno Subito» (Bin gleich zurück). Das war 1989.

 

Seither hat sich der heute 51-jährige Italiener als einer der Lieblinge der internationalen Kunstszene etabliert, mit humoresken Aktionen und mit Werken, die respektlosen Witzen gleichen – sei es in Form der inzwischen legendären Wachsfigur von Papst Johannes Paul II, der von einem Meteoriten erschlagen am Boden liegt, oder in der eines tonnenschweren Stinkefingers aus Carrara-Marmor.

Als bisher besten Witz zeigt das Guggenheim Museum nun Cattelans erste Retrospektive, die, glaubt man dem Meister, die letzte derartige Darbietung ist, mit der er die Welt zu beglücken gedenkt.
Maurizio Cattelan hat angekündigt, nach dem bereits im Vorfeld als Ereignis gefeierten Guggenheim-Spektakel in Pension gehen zu wollen. Für «All» (Alles) hat er hundertachtundzwanzig Objekte versammelt, nahezu seine gesamte Produktion aus den vergangenen zwanzig Jahren.
Der Clou ist die Präsentation: Die Werke hängen wie ein gigantisches Mobile von der Kuppel der Guggenheim-Rotunde.

 

 

„The idea of combining them in a conventional way, lined up in an exhibition… Die Vorstellung, die Werke konventionell einzeln und thematisch oder chronologisch nebeneinander zu hängen, widerstrebte Maurizio. Er glaubte, dadurch würden sie ihre Kraft verlieren. Also entschied er sich für die extreme Lösung, sie zusammenzuhängen, auf das Risiko hin, dass sie dabei ALLE ihre Kraft einbüssen. „which is in a way risk diminishing everything by hanging it together“
sagt die Kuratorin Nancy Spector.

 

Und so schweben sie denn in der Luft: Der Mini-Hitler in Büsserpose und das Mahnmal, das in London einst wütende Proteste auslöste, weil darauf sämtliche Spiele eingraviert sind, die die englische Fussballmannschaft je verloren hat. Dazwischen immer wieder ausgestopfte Tiere, vom Vogel Strauss mit dem Kopf im Sand bis zu den Bremer Stadtmusikanten, die begeisterte Kritiker vom memento mori in Cattelans oevre schwärmen lassen.
 

Nancy Spector:

 

“It’s a meditation on the ephemerality of all of art production… Es ist eine Meditation über die Kurzlebigkeit der Kunstproduktion und darüber, dass Leben und Karrieren enden. Maurizio wagt viel, in dem er öffentlich darüber nachdenkt. …to contemplate that publicly.“
 

An einer Biennale in Venedig vermietete Maurizio Cattelan den ihm zugeteilten Raum an eine PR-Agentur, die darin für ein neues Parfüm warb. Titel des Werkes: « Working Is a Bad Job» (Arbeit ist ein schlechter Job). Für eine Ausstellung 1996 in Amsterdam entwendete er die Exponate eines Künstlers in einer anderen Galerie und nannte das Ganze «Another Fucking Readymade» (Noch ein verficktes Readymade). Derlei ist in der Retrospektive natürlich nicht enthalten.
Dennoch wird Cattelans raffinierte Kombination aus Gaudi und gefälliger Gesellschaftskritik deutlich erkennbar. Dazu eine Prise Morbidität, und es ist klar, weshalb der Kunstzirkus Maurizio Cattelan zu Füssen liegt.

 

Kunst zu machen, mache keinen Spass mehr – damit hat Cattelan seinen Rücktritt erklärt. Vielleicht aber machen seine Spässe ja auch einfach keine Kunst mehr.

 

 

Maurizio Cattelan:
All. Guggenheim Museum, New York,
(bis 22. Januar 2012).

Zur Ausstellung ist unter demselben Titel ein Katalog erschienen, gebunden erhältlich für 45 Dollar und als E-Book für 19.99 Dollar bei www.guggenheim.org.

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