FRONTPAGE

«Kunsthaus Zürich: Der Schweizer Aktionskünstler Roman Signer als Explorer»

Von Ingrid Isermann

Die Einzelausstellung im Kunsthaus Zürich präsentiert erstmals Roman Signers Aktionen und Arbeiten aus verschiedenen Schaffensperioden aus über 50 Jahren, die er im luftigen unverstellten grossen Ausstellungssaal zu einer Skulpturen-Landschaft zusammenfügt.

Doch gemach, dass der Künstler das Kunsthaus in die Luft sprengt, ist nahezu ausgeschlossen, wenn auch in seinen Experimenten sonst alles in die Luft fliegt. Und so bezeichnet er seine Experimente, wenn Stühle oder Tische zu Flugobjekten werden, nicht als Zerstörung, sondern als transformative Kraft des Momentums.
 
Inzwischen 87-jährig, experimentiert Roman Signer immer noch täglich mit neuen Ideen, die Spielfreude ist ihm dabei sozusagen zur zweiten Natur geworden, der die urwüchsige Kraft der Natur als Befreiungsmoment eingeschrieben ist. 

Das Spielerische durchdringt alle seine Interventionen, wobei die Natur und ihre Elemente für seine Arbeit zentral sind, wie beispielsweise Wasser. Schon als Kind verbrachte er die meiste Zeit am Fluss Sitter im Kanton Appenzell, beobachtete, wie Eisschollen an Brückenpfeilern zu ephemeren Skulpturen zusammengeschoben wurden oder warf eine Flaschenpost ins Wasser und stellte sich vor, wie sie ihre Reise in die Welt antrat.

 

Ähnliche Ideen treiben Roman Signer auch heute noch um. Seine künstlerischen Ereignisse sind eine faszinierende Mischung aus Prozess, Spiel, Experiment und Staunen. Mit kindlicher Neugier fordert er die Gesetze der Natur heraus und kreiert Anordnungen, die immer wieder aufs Neue überraschen.

Dabei spielen Zufall sowie das Eindämmen und Freisetzen von Energie eine zentrale Rolle. Es sind die nur beschränkt kontrollierbaren Kräfte, wie jene von Explosionen oder der Schwerkraft, die Signer faszinieren und die er bei der Herstellung seiner Skulpturen einsetzt: «Ich arrangiere nur. Die Kraft macht meine Skulptur bzw. manifestiert sich in meiner Skulptur», beschreibt der Künstler seine Vorgehensweise. So entstehen unerwartete Situationen, die einen neuen Blick auf die Welt eröffnen.

 

Harald Szeemanns Ausstellung in der Berner Kunsthalle «When Attitude Becomes Form» von 1969 spielte für Signer eine Art Erweckungserlebnis, als Objekte als Kunst ausgestellt wurden. Signer erschien es wie ein Putsch gegen das allgemeine Kunstverständnis.
 
Dank eines Austauschprogramms ging Roman Signer 1972 für ein Jahr Kunststudium nach Warschau, wo er die Bildhauerin Aleksandra Rogowiec, seine spätere Ehefrau, kennenlernte. Seine Kunstakademie war aber die Strasse, er spazierte tagelang durch die Stadt und saugte die Realität auf, mit der Zeit entdeckte er das Potential, mit Alltagsgegenständen Kunst zu machen.

 

Mit Schalk, Charme und Melone

Vor dem Kunsthaus hat Signer einen mobilen Brunnen installiert und im Miro-Gartenhof werden eine Reihe von schwarzen Hüten im Wasser versenkt. Das für ihn charakteristische Augenzwinkern verleiht den Arbeiten eine fröhliche Leichtigkeit, die sich auch in seinen Aktionen manifestiert. Viele von Signers Werken sind temporäre Performances mit Objekten, die zerlegt werden oder sich auflösen. Die Zeit als Element spielt in seinem Schaffen eine wichtige Rolle, sind seine Arbeiten doch immer wieder mit dem Etikett «Zeitskulptur» versehen. Viele von Signers Arbeiten haben daher etwas Performatives und erfahren eine Transformation; das Augenmerk wird auf das Ereignis, den Moment des Blow-ups und die sich damit verändernden Strukturen gerichtet, die mit Film und Fotografie festgehalten werden, wie sie auch in der Ausstellung zu betrachten sind.

 

Skulpturale Flugkörper
Der Schwerpunkt der Schau liegt jedoch auf den Skulpturen, die bei Roman Signer aus alltäglichen Gegenständen wie einem Tisch, Bett oder Stuhl bestehen, die er durch die Luft fliegen oder auch mal als improvisiertes Schiffchen durch die Landschaft von Island fahren lässt. Und wer verspürte nicht einen kleinen subversiven Moment, wenn auf einem Foto ein Chefsessel plötzlich explodiert? 
 
Ein wiederkehrendes Objekt in Roman Signers künstlerischem Schaffen ist das Kajak. Mal zerlegt er es in verschiedene Teile und macht daraus eine Art Minimal-Skulptur, mal hängt er es von der Decke oder wagt darauf, gezogen von einem Auto, einen holprigen Ritt durch die Landschaft. Auch das ist in der Ausstellung zu sehen.

 

Katalog und Rahmenprogramm
Zur Ausstellung erscheint eine illustrierte Publikation mit einem Gespräch zwischen Roman Signer und der Kuratorin Mirjam Varadinis sowie zahlreichen Abbildungen aus dem Archiv des Künstlers. Für CHF 34 im Kunsthaus-Shop erhältlich.

 

Workshops und ein Kunstlabor begleiten die Ausstellung. Informationen auf www.kunsthaus.ch/signer. In Zusammenarbeit mit den Arthouse-Kinos wird zudem ein abwechslungsreiches Filmprogramm angeboten. Infos und Tickets auf www.arthouse.ch.

 

Öffentliche Führungen finden im April und Juni sonntags um 11 Uhr und donnerstags um 18.30 Uhr statt und im Mai und Juli sonntags um 11 Uhr und freitags um 15 Uhr. Englisch: So 20. April um 13 Uhr, Französisch: So 20. Juli um 13 Uhr. Ausstellung bis 17. August 2025.

 

Bissfeste Spezial-Edition «Käse mit Biss»
In Kooperation mit dem Kunsthaus Zürich und der NZZ, die das Schaffen Signers in einer speziellen Kunstausgabe würdigt, hat Roman Signer eine limitierte Sonderedition geschaffen: «Ich hatte Lust, in ein Stück Käse zu beissen. Wir sind nach Appenzell gefahren und haben in einer Käserei drei Stück Appenzeller gekauft. Dann habe ich hineingebissen, und es entstand ein schöner Abdruck. Daraus ergab sich die Idee, von diesem Stück einen Messingabguss zu machen. Die Ausführung habe ich der Kunstgiesserei St. Gallen überlassen. Wenn ich den Abguss sehe, bekomme ich Lust, in ein neues Stück Käse zu beissen, diesmal vielleicht in einen Emmentaler. Der Abguss wird dann auf einem Bürotisch als Briefbeschwerer landen».
 
Das exklusive Objekt wird über den Kunsthaus-Shop und online im NZZ-Shop vertrieben. Roman Signer, «Käse mit Biss», 2025. Messingguss, Edition von 15 Exemplaren + 5 AP. Mit Schlagzahlen nummeriert und mit RS signiert, inkl. Zertifikat und Verpackung, 12,1 x 8 x 4,6 cm, 1,9 kg, CHF 10’000.

 

 

Roman Signer (*1938 in Appenzell) lebt und arbeitet in St. Gallen. Nach einer Lehre als Hochbauzeichner studierte er an den Kunstgewerbeschulen in Zürich und Luzern. Währed eines Aufenthalts an der Kunstakademie in Warschau lernte er seine Frau Aleksandra Rogowiec kennen. Als Bildhauer, Aktions- und Konzeptkünstler, Zeichner und Videokünstler spielt er mit dem Einsatz von Zeit, Bewegung und den Elementen der Natur. Dabei bringt er Alltagsgegenstände in unerwartete und humorvolle Situationen und hinterfragt so die Ordnung der Welt. Mit seiner Teilnahme an der Documenta 8 von 1987 oder als Schweizer Vertreter an der 48. Biennale von Venedig 1999 zählt er zu den renommiertesten europäischen Gegenwartskünstlern. Seine Werke werden international in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen gezeigt.

 

 

«Wir sind hier! Das Museum Haus Konstruktiv im Löwenbräukunst-Areal»

 

Mit der Ausstellung «Wir sind hier! Eine Ausstellung mit Highlights und Neuzugängen der Sammlung» feiert das Museum Haus Konstruktiv im Mai seinen Umzug ins Löwenbräukunst-Areal. Nach 24 Jahren im ewz-Unterwerk Selnau eröffnet das Museum nun in einer ersten Etappe im Ostteil des Gebäudes an der Limmatstrasse 268.

 

Diese Standortverlagerung markiert nicht nur ein neues Kapitel in der Geschichte der Institution, sondern bietet auch den perfekten Anlass, ihre hochkarätige Sammlung mit einer sorgfältig kuratierten Ausstellung zu zelebrieren.

 

Seit der Gründung der Stiftung für konstruktive, konkrete und konzeptuelle Kunst im Jahr 1986 wurde die Sammlung stetig erweitert und umfasst heute rund 1000 Werke. «Wir sind hier!» macht dieses reiche Erbe in drei Ausstellungsräumen erlebbar. Ein Ausstellungssaal widmet sich unter anderem den Werken der frühen Konkreten Fritz Glarner, Max Bill, Camille Graeser, Richard Paul Lohse und Verena Loewensberg. Zwei weitere Räume lenken den Blick auf jüngere Entwicklungen: Hier werden Neuerwerbungen und frisch restaurierte Arbeiten präsentiert, darunter Werke von Ricardo Alcaide, Andreas Christen, Harald Naegeli, Elodie Pong und Francisco Sierra.

Mit der Ausstellung «Wir sind hier!» lädt das Museum ein, die Vielfalt und Strahlkraft seiner Sammlung neu zu entdecken und gemeinsam den Neuanfang zu feiern und Kunst in ihrer ganzen konstruktiven Dimension zu erleben.

 

Wir wünschen dem Museum Haus Konstruktiv viel Glück und Erfolg an der neuen Wirkungsstätte im Löwenbräukunst-Areal! 

 

Wir sind hier!
Vernissage 15.5.2025, 18 Uhr
Ausstellung 16.5.2025–28.9.2025

 

Museum Haus Konstruktiv
Stiftung für konstruktive, konkrete und konzeptuelle Kunst
Limmatstrasse 268
8005 Zürich
www.hauskonstruktiv.ch

 

 

NACH OBEN

Kunst