FRONTPAGE

«Bordeaux: Schlemmen à la bordelaise»

Von Ingrid Schindler

 

«Auf Bordeaux-Art» ist ein kulinarisches Etikett für Zubereitungsarten, die Feinschmeckern das Wasser im Munde zusammenlaufen lassen. À la lyonnaise, béarnaise, tyrolienne, savoyarde, florentine – in der Welt der Kulinarik verweisen Bezeichnungen mit dem Zusatz «nach Art von» nicht nur auf Personen wie Madame Melba oder Fürst Metternich, die Köche zur Kreation von Gerichten inspiriert haben, sondern häufig auf die Herkunft von Speisen. Eine der gängigsten Etiketten ist «à la bordelaise», die sich auf das Bordelais als Ursprungsregion bezieht.

Wein ist der Treibstoff des Bordelais. Mit 180‘000 Hektaren Rebfläche ist es das grösste Qualitätsweinbaugebiet der Welt. Weit mehr als 10‘000 Weinbauern und -produzenten keltern rund um Bordeaux Merlot, Cabernet Sauvignon und Cabernet franc. Was Wunder, wenn der Rebensaft in der Küche der weltberühmten Weinhochburg, in der schon in der Römerzeit Trauben kultiviert wurden, seine Spuren hinterlassen hat.

Rot-, aber auch Weisswein ist immer im Spiel, wenn ein Gericht «à la bordelaise», also mit einer mehr oder weniger kräftigen Rotweinsauce serviert wird. Schalotten sind bei der Saucenzubereitung obligatorisch, Markknochen können, müssen aber nicht mit von der Partie sein. Laut Larousse Gastronomique kennzeichnet der Begriff Gerichte unterschiedlichster Art, vom Ei bis zur Schnecke werden Speisen à la bordelaise zubereitet. Die Rotweinsauce harmoniert überraschenderweise nicht nur mit dunklem Fleisch, obgleich das ihre angestammte Hauptdomäne ist. Sie kann Nieren oder Steinpilze ebenso zur Vollendung bringen wie Fisch und Meeresfrüchte.

 

 
Rotwein und Fisch
Gerade beim Seafood zeigt sich der Einfluss der englischen, portugiesischen und hanseatisch-nordischen Handelsbeziehungen der Weinhändler auf die Bordelaiser Küchenkultur: Die Verbindung von Rotwein, Schalotten, Knochenmark und Seafood stellt in der Stadt an der Garonne seit eh und je keinen kulinarischen Fauxpas dar, und nicht erst, seitdem Rotwein zu Fisch in jüngster Zeit salonfähig wurde. Stockfisch und Kabeljau à la bordelaise gehören ebenso zum Standardrepertoire der Weinmetropole, wie Stör (Esturgeon) aus dem Bassin d’Arcachon, Aal (Anguille) und Neunauge (Lamproie) nach Bordeaux-Art, die aus Garonne und Gironde gefischt werden. Beim Lamproie gibt man das Blut des schlangenförmigen Fischs zur Bordelaiser Sauce.
Das nahe Becken von Arcachon steuert ausserdem Muscheln bei. Für Moules à la bordelaise dünstet man Miesmuscheln zunächst im üblichen Weissweinsud mit Peterlistängeln, Schalotten, Lauch, Sellerie und Pfeffer. Danach seiht man die Flüssigkeit ab, gibt Champignonscheiben zum Sud und kocht diesen ein. In die Reduktion rührt man Sauce Bordelaise (siehe unten) ein, schmeckt die Sauce mit Zitronensaft ab, montiert sie mit Butter und gibt das ausgelöste Muschelfleisch hinein: eine feine Sache.
Wer Austern mit fein gehackten Schalotten in Rotweinessig schlürft, geniesst im weitesten Sinn ebenfalls Cuisine à la bordelaise. Nichts mit Bordeaux haben dagegen die Fischfilets aus der Tiefkühltrühe zu tun, die sich in grosser Zahl mit dem Bordeaux-Zusatz schmücken, seit Iglo 1969 mit dem Schlemmerfilet à la bordelaise einen Dauerbrenner im Conveniencebereich gelandet hat. Bei der Namensgebung zielten Werber und Produktentwickler – mit grossem Erfolg – darauf ab, dass der Kunde Genuss, Kochkunst und gehobene Gourmetküche mit dem Etikett Bordelaise verbindet, verstärkt durch den Begriff Schlemmen. Rotwein, Schalotten und Rindermark finden sich in diesen Fertigprodukten nicht.

 

 
Sauce Bordelaise
Apropos Convenience, die Sauce Bordelaise ist d i e  Fertig- bzw. Halbfertigsauce der Gastronomie schlechthin und wird längst nicht nur zu dunklem Fleisch verwendet. Ihre professionelle Herstellung ist nicht auf die Schnelle aus dem Ärmel zu schütteln. Sie besteht aus einer zur Demiglace reduzierten, dunklen Grundsauce auf der Basis gerösteter Kalbsknochen. Für den charakteristischen Geschmack sorgt roter Bordeaux, der mit Thymian, Pfeffer, Schalotten und Lorbeer ebenfalls eingekocht und in die Demiglace gerührt wird. Zitronensaft, montierte Butter und Rindermarkwürfel runden den Geschmack ab.
Klassisch wird Sauce Bordelaise zu Entrecôte gereicht. Sie eignet sich für Braten mit wenig Sauce, Kalb-, Rind-, Bison- und dunkles Geflügelfleisch. Für den Hausgebrauch gibt es einfachere Varianten, die wunderbar schmecken, wie die Rezepte aus dem Frankreich-Kochbuch “Vive La France“ (Christian Verlag) zeigen.
Die Vorliebe für Marknochen ist im Bordelais weit verbreitet und auch als Sauce à la Moëlle geläufig. Eine feine Art, sie zu servieren, beschreibt Annemarie Wildeisen: Man gart die Markknochen in kräftiger Gemüsebouillon, streicht das nussig schmeckende Mark auf frisch geröstete Brotscheiben, bestreut es mit Fleur de Sel und gehackter Petersilie – und geniesst! Beim Entrecôte à la bordelaise, dem Lieblingsfleischstück der Bordelaiser, wird die Schalotten-Wein-Sauce oft nicht nur mit Butter, sondern zusätzlich mit Mark gebunden, was das Gericht nicht nur vom Geschmack her, sondern auch kalorienmässig zum Schwergewicht macht.

 

 
Entrecôte à la bordelaise
Bernard Lartique, Besitzer des Weinguts Château Mayne-Lalande im Médoc, eine gute halbe Stunde von Bordeaux entfernt, bereitet seinen Gästen das zu, was er unter einem währschaften, traditionellen Bordelaiser Essen versteht: Zum Auftakt serviert der Winzer Grenier médocain. So nennt man in der Region Saumagen, in Court-Bouillon gekocht, dann Kutteln vom Grill und schliesslich Entrecôte double à la bordelaise. Dafür entfacht er nicht irgendein Feuer, sondern ein terroirtypisches aus Rebenreisig. Nur Sarment, Rebenausschnitt, verleihe dem Grillgut den „richtigen“ Goût. Das dicke Stück von der Zwischenrippe lässt Lartigue nur wenige Minuten über der Glut schmoren, würzt es mit Salz und Pfeffer, beträufelt es mit Olivenöl, schneidet es wie eine italienische Tagliata di manzo mit einem scharfen Messer schräg in Tranchen und bedeckt das Fleisch unter einem Berg roher Schalotten. Das ist die einfachste, schnellste und kalorienfreundlichste Art der Zubereitung. Rotwein führt man sich grosszügig separat zu Gemüt. Ein Nüsslisalat an Bordeaux-Vinaigrette und ein Baguette campagnarde vervollständigen das Mahl.
Es muss nicht immer Entrecôte sein. Bavettes, Steaks, die aus der Dünnung, dem flachen Muskel aus dem Bauchlappen des Rinds, geschnitten werden, oder Onglets, aus dem Zwerchfell geschnittenes Kronfleisch, bilden günstigere Varianten. Um nicht trocken und zäh zu werden, müssen sie blutig (bleu) serviert werden. Hohrücken, schön durchzogen und gut am Knochen abgehangen, ist eine edlere Alternative.
Tipp Hier bekommt man Spezialitäten à la bordelaise: Château Mayne-Lalande, Listrac Médoc, www.château-mayne-lalande.com, Weinkellerbesichtigung mit Degustation, Gästezimmer, Table d’hôte auf Anfrage. La Tupina, erstklassiges Bistro mit landestypischer Küche, 6, rue Porte de la Monnaie, Bordeaux, www.latupina.com. Le Bistro du Sommelier, 163, rue Georges Bonnac, stadtbekannte, regionale Bistroküche, günstige Menüs und Weine, www.bistrodusommelier.com.

 

 
Boeuf à la bordelaise – drei unkomplizierte, schnelle Spielarten
Jeweils für 6 Personen

1. Entrecôte auf Bordelaiser Art
Zutaten 6 Entrecôtes à 300 g, 6 Schalotten, 5 cl Cognac, 5 dl Roter Bordeaux, 50 g Butter, Salz, Pfeffer
Zubereitung Fleisch auf beiden Seiten würzen, von jeder Seite 5 Min. oder bis zum gewünschten Gargrad braten. Auf einer Platte warmstellen. Geschälte, gehackte Schalotten in derselben Pfanne anschwitzen, mit Cognac flambieren, Wein zugiessen, auf die Hälfte reduzieren. Mit einer Gabel Butter einrühren und Sauce abschmecken.

 

 

2. Rinderkotelett mit Schalottenbutter und Knochenmark
Zutaten 2 Schalotten, 1 Bund Schnittlauch, 200 g Butter, 6 Markknochen, 1 TL zerstossener Pfeffer, 6 Rinderkoteletts mit Knochen (1,2 kg), Guérande-Salz (Meersalz)
Zubereitung Schalotten hacken, Schnittlauch in Röllchen schneiden, , mit Salz und Pfeffer unter die weiche Butter mischen. Grill anheizen. Markknochen 20 Min. in Wasser kochen. Koteletts auf durchgeglühtem Holz grillieren, mit Schalottenbutter und ausgelöstem, gehacktem Mark sowie einem guten Bordeaux servieren.

 

 

3. Steaks (Bavettes) mit gebratenen Schalotten
Zutaten 6 Bavettes (Steaks aus der Dünnung) à 180 g, 12 Schalotten, 5 cl Weisswein, 50 g Butter, Salz, zerstossener Pfeffer
Zubereitung Steaks salzen und pfeffern, bei starker Hitze 2 – 3 Min. braten, sie sollen noch blutig sein, auf Platte warm stellen. Gehackte Schalotten in der Pfanne braten, bis sie weich sind, mit Wein ablöschen, Bratensatz lösen, Butter unter die Sauce ziehen, mit Salz und Pfeffer abschmecken. Mit Pommes frites servieren.

 

Die Rezepte stammen aus dem Kochbuch «Vive la France» von Stéphane Reynaud,

Christian Verlag 2010, eine Fundgrube für «299 Rezepte aus dem Schlemmerparadies», wie der Untertitel verspricht.

 

 

Infos: www.bordeaux-tourisme.com, www.tourisme-gironde.fr, www.bordeaux.com
Anreise: Easy Jet fliegt täglich direkt von Basel nach Bordeaux.
To do‘s: Ecole du Vin, 1, cours du 30 Juillet, Bordeaux, 2stündige Weinkurse an jedem letzten Samstag im Monat, ganztägige Kurse mit Kochkurs, Gourmetmenu oder Weingutbesuch (108 Euro) u.a.m., www.vins-bordeaux.fr. Musée Vin et Négoce, Le Cellier des Chartrons, 41, rue Borie, Bordeaux, www.mvnb.fr. CAPC, Place Lainé, Bordeaux, die ehemalige Seehandelsbörse und Lagerhalle für Wein und Gewürze ist heute Museum für moderne Kunst. Marché Colbert, an der Uferpromedade des Quartier des Chartron, Sonntagvormittag Bauernmarkt mit Austerndegustation; Velo-Stadtbesichtigung: VCube Velo-Mietstationen, La Pierre qui roule, 32, Place Gambetta oder via Touristoffice, 12, Cours du 30 Juillet, www.bordeaux-tourisme.com. Velotour Atlantikküste/ Médoc: Diverse Verleiher in Carcans-Maubuisson, z.B. Fun Bike, 109, av. de Maubuisson.
Essen, Trinken, Übernachten: Hôtel de Normandie***, zentral, angenehm, 7, cours du 30 Juillet, Bordeaux, www.hotel-de-normandie-bordeaux.com. Château Mayne-Lalande, Listrac Médoc, www.château-mayne-lalande.com, Kellerbesichtigung mit Degustation, Gästezimmer mit Charme und Komfort, Pool, Mini-Spa, Table d’hôte auf Anfrage. La Tupina, erstklassiges Bistro mit landestypischer Küche, 6, rue Porte de la Monnaie, Bordeaux, www.latupina.com. Le Bistro du Sommelier, 163, rue Georges Bonnac, stadtbekannte, regionale Bistroküche, günstige Menüs und Weine, www.bistrodusommelier.com. Weinbars: Bar à vin siehe Ecole du Vin, Max Bordeaux, 14, Cours de l’Intendance. Weinshop: La Vinothèque de Bordeaux, 8, cours du 30 Juillet.

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