FRONTPAGE

«Die Kunst des Reisens»

Von Ingrid Isermann

 

 

Wenn es ums Reisen geht, spielt Kuoni eine herausragende Rolle. Das Angebot lässt kaum Wünsche offen, und wenn, so wird man bei Kuoni alles daran setzen, dass alle Wünsche erfüllt werden. Der Reiseveranstalter zählt diverse exklusive Labels zu seinem Programm. Die Kuoni-Gruppe beschäftigt heute rund 11‘000 Mitarbeitende und erwirtschaftete 2010 einen Umsatz von CHF 3,984 Milliarden. Mit der Publikation „A Better Tomorrow“ und den „The Detourist 100“-Denkfiguren für die Zukunft des Reisens beschritt Marketingchef Remo Masala neue Wege.

 

Interview mit Remo Masala, Chief Branding & Marketing Officer der Kuoni-Gruppe.

 

 

Weshalb haben Sie für Kuoni «The Detourist» entworfen? Für was steht «A better Tomorrow»?

 

Bei Kuoni beschäftigen wir uns intensiv mit der Frage, wohin sich das Reisen zukünftig entwickeln wird. Wir haben dafür unter anderem vor einigen Jahren das Getaway Council ins Leben gerufen, eine interdisziplinäre Diskussionsplattform rund um das Thema Reisen. Im November letzten Jahres traf sich dasGetaway Council mit Schriftstellern, Philosophen und Intellektuellen in Venedig und daraus ist letztlich „The Detourist“ entstanden. Uns ging es in Venedig darum, intensiv darüber nachzudenken, was das Reisen an sich überhaupt ist, wo seine Motivationen und Wurzeln zu finden sind, wie es sich im Laufe der Zeit verändert hat und welche Bedeutung es für das Leben des einzelnen Menschen hat – das Ganze geknüpft an den Begriff des Sehnsuchtsortes, auf den sich ja alles Reisen richtet. Zugleich haben wir darüber debattiert, welche Schlüsse wir aus dem Blick in die Geschichte für die Zukunft ziehen können. Die Ergebnisse dieser Runde haben wir ergänzt um zahlreiche spannende, überraschende und aufschlussreiche Beiträge zu dem Thema und daraus wurde, als Teil unseres diesjährigen Geschäftsberichts, eine Zeitung – „A better Tomorrow“. Dieser Titel soll nicht nur die Hoffnungen ausdrücken, die mit jeder Form von Reisen und Ferien verknüpft sind. Er bezieht sich vor allem auch auf ein neues Verhältnis von Unternehmen und Kunden, in unserem Falle Reisenden, das geprägt sein wird von einem gemeinsamen Dialog, von Verständnis und Respekt. So werden wir viel individueller als früher auf die Sehnsüchte der Menschen eingehen müssen, wenn wir dem Reisen einen neuen Wert verleihen möchten. Letztlich muss es unser Ziel sein, als Marke zur Verbesserung der Welt und des Lebens in ihr beizutragen – dafür steht der Titel der Zeitung.

 

Mit www.the-detourist-100.org  möchten wir die in Venedig begonnene Debatte über das Reisen für möglichst viele Menschen öffnen und direkt mit ihnen in Kontakt treten – nur so können wir wirklich verstehen, was ihre Bedürfnisse und Wünsche sind. Wir haben dafür aus dem Zeitungsinhalt 100 Denkfiguren herausdestilliert, die als Grundlage einer breiten Diskussion dienen können. Jeder ist eingeladen, sich dort mit uns und untereinander über das Reisen auszutauschen.

 

 

Kuoni ist weltweit einer der grössten Reiseveranstalter. Ist Wachstum noch möglich?

 

Noch nie sind weltweit so viele Menschen gereist wie heute, der Tourismus gehört zu den grössten globalen Wirtschaftszweigen. Und bei zunehmendem Wohlstand in vielen Ländern können wir davon ausgehen, dass sich dieser Trend, in welcher Weise auch immer, fortsetzen wird. Aber ich rede im Zusammenhang mit Wachstum ohnehin am liebsten über qualitatives Wachstum – denn quantitatives Wachstum kann es in Märkten wie der Schweiz nur dann geben, wenn wir mit unserer Arbeit und unseren Angeboten den – neuen – Wünschen der Menschen umfassend begegnen. Darin liegt eine faszinierende Herausforderung. Die Kultur des Reisens als Teil der Alltagskultur verändert sich fortlaufend, heute vielleicht mehr denn je. Und so müssen wir uns darauf einstellen, zukünftig ganz andere Reisen zu gestalten als bisher, wir müssen in neue Richtungen denken und noch viel mehr im Dialog den direkten Kontakt mit unseren Kunden suchen. Das Ergebnis wird ein Zuwachs an Angeboten sein, an Formen des Reisens, den wir auch heute schon beobachten können. Das Ergebnis ist aber auch ein Zuwachs an subjektiv empfundenem Wert für jeden einzelnen Reisenden.

 

 

Wie sehen Sie die Zukunft des Reisens? Individuell oder hochpreisig?

 

Die Zukunft des Reisens ist vielfältig und komplex und lässt sich eigentlich nicht auf einen Trend reduzieren. Es gab noch nie so viele unterschiedliche Arten zu reisen wie heute, und die Ansprüche und Sehnsüchte der Menschen differenzieren sich immer weiter aus. Das muss aber nicht dazu führen, dass jeder nur noch auf eigene Faust loszieht, weil die Reiseunternehmen ihm die Erfüllung seiner Träume nicht mehr in Aussicht stellen können. Wir möchten dem Wort individuell im Zusammenhang mit dem Reisen ja eine neue Bedeutung geben – die Menschen reisen nicht den standardisierten Angeboten aus dem Katalog hinterher, sondern gemäss ihren persönlichen Wünschen und Vorstellungen, aber eben begleitet von einem Partner wie Kuoni, der umfassend auf ihre Bedürfnisse eingeht und sie an individuelle Sehnsuchtsorte führt. Diese Form des individuellen Reisens wird dann natürlich auch eher hochpreisiger sein.

 

Einige Reiseveranstalter setzen auf Luxus, womit will Kuoni neue Trends setzen?

 

Mit individuellen Angeboten, mit einer anspruchsvollen Anknüpfung des Reisens an die Alltagskultur, mit Reisen, deren Erfahrungswelt von hohem Wert für den Einzelnen ist, der das Reisen als integralen Bestandteil seines Lebenskonzeptes begreift. In diesem Zusammenhang stellt sich ja auch die Frage, was man unter Luxus überhaupt versteht. Wir haben den Begriff zum Thema unseres ersten Getaway Councils 2007 gemacht und für uns neu definiert – weg von äusserlichen Merkmalen, von überbordenden Angeboten an Komfort und Serviceangeboten, die ohnehin kein Mensch aufnehmen und konsumieren kann, hin zu immateriellen Werten wie Nachhaltigkeit, Zeit, Verantwortung, ursprüngliche Einfachheit. Insofern setzen auch wir auf Luxus, aber eben auf einen neuen Luxus. Im Vordergrund stehen dabei individuelle Erfahrungen, die man in dieser Form nur beim Reisen machen kann und die wir mit unserer Arbeit ermöglichen möchten. Es geht darum, dem Reisen einen tieferen Sinn zu geben.

 

 

In welche neuen Länder und Gebiete wollen Sie vorstossen? Wo setzen Sie Akzente?

 

Die Gebiete, in die wir vorstossen wollen, sind dieSehnsuchtsorte der Zukunft – viele davon kennen wir heute überhaupt noch gar nicht, andere müssen wir erst erschliessen und wieder andere ganz neu erfinden. Die Globalisierung hat zweifelsohne die Orte dieser Welt sich mehr und mehr einander angleichen lassen. Umsomehr gewinnen Ziele an Wert, die sich das Besondere bewahrt haben und die als Exklaven ausserhalb einer zunehmend vereinheitlichten Welt liegen. So sind auch heute noch die Landkarten voller weisser Flecken. Zu ihnen möchten wir, gewissermassen als Wissender, der dieses kostbare Gut kennt und verfügbar macht, die Menschen auf ihrer Suche nach dem Seltenen, Ursprünglichen, Besonderen führen.

 

 

Welches sind die beliebtesten Reisen oder Länder?

 

Die beliebtesten Reisen oder Reiseländer variieren je nach Nationalität bzw. Herkunftsland oder aber auch je nach Zielgruppe. Für die Schweiz zählen zu den Top drei Ferienzielen, wenn es um Flitterwochen geht, zum Beispiel dieMalediven, Mauritius oder Jamaika. Familien reisen gerne in dieTürkei, auf die Kanaren oder nach Griechenland.

Singles zieht es auf die Balearen, auch auf die KanarischenInseln oder nach Kreta.

Für City-Trips liegen zur Zeit Tel Aviv, Istanbul und Manchester im Trend – und wenn es um Trend-Reisearten geht, gibt es eine stärkere Nachfrage nach Volunteering, Kultur- und Studienreisen sowie Schiffsreisen (Kreuzfahrten).

 

Was ist Ihr Sehnsuchtsort? Was empfehlen Sie persönlich?

 

Mit den Sehnsuchtsorten ist es wie mit anderen Dingen im Leben auch – sie verändern sich. Aber über all die vielen Reisen hinweg, die ich in meinem Leben beruflich und privat gemacht habe, ist mir ein Sehnsuchtsort immer erhalten geblieben: eine kleine griechische Insel, auf der ich wie an keinem anderen Ort zu mir selbst finde und im Einklang mit den Menschen und den Rhythmen der Natur lebe. Die Griechen nennen den Zustand, den ich dort erfahre, Ataraxie, was eine besondere Ruhe und Ausgeglichenheit der Seele bezeichnet.

Mit Empfehlungen aber möchte ich mich zurückhalten. Dafür sind die Menschen zu unterschiedlich in ihren Wünschen und Bedürfnissen. Was dem einen ein Sehnsuchtsort ist, ist für den anderen ein Schrecken. Deshalb ist der Dialog mit unseren Kunden ja so wichtig. Nur auf dieser Basis können wir ihre Sehnsuchtsorte wirklich verstehen und die Menschen dann auch dorthin bringen – wobei ein Sehnsuchtsort keinesfalls immer ein geografisch exakt bestimmbarer Platz sein muss; eigentlich geht es eher um Stimmungen, die ein Ort auszulösen vermag und nach denen wir uns sehnen.

 

 

Ökologisch sind Flugreisen nicht sinnvoll und doch will jeder daran teilhaben. Gibt es Alternativen Richtung Nachhaltigkeit?

 

Im Zuge eines zunehmenden Umweltbewusstseins, das sich etwa für CO2-Emmissionen und die Herkunft biologisch erzeugter Produkte interessiert, werden sicherlich auch die Fernreisen immer mehr auf „den Prüfstand“ gestellt. Und Kuoni setzt sich schon seit vielen Jahren mit dem Thema Corporate Responsibility und Nachhaltigkeit auseinander. In diesem Bereich haben wir Fokusthemen und Projekte definiert in Bereichen in denen wir was bewirken können. „Runtergebrochen“ auf den Reisenden kann das zum Beispiel so aussehen: Viele Flugreisende kompensieren gegen einen kleinen Aufpreis die CO2-Belastungen ihres Fluges.

 

So bietet Kuoni gemeinsam mit der Klimaschutzorganisationmyclimate ein entsprechendes Programm an. Aber auch wer die Emmissionen eines Langstreckenfluges in Kauf nimmt, kann seine Reise vor Ort verantwortungsvoll und im Einklang mit den bereisten Ländern gestalten. So bieten wir im Rahmen von unserem nachhaltigen Reiseprogramm ananea immer mehr Hotels und Resorts an, die auf die Versorgung mit erneuerbaren Energien Wert legen, auf ein umweltverträgliches Wasser- und Abfallmanagement, auf kurze Transportwege für Lebensmittel oder das Recycling von Baumaterial. Aber auch die Beschäftigung von Einheimischen und der enge Kontakt zu den Menschen vor Ort gehören zu einem solchen nachhaltigen Konzept.

 

Langfristig wird sich aber sicherlich auch ein verstärktes Interesse an Reisen in geringer Nähe zum Wohnort zeigen – was natürlich auch mit einer geringeren Umweltbelastung verbunden ist. Je knapper die Ressourcen werden und je stärker das Bewusstsein für Umweltfragen zunimmt, desto mehr werden auch nahe Ziele zu Sehnsuchtsorten werden.

 

 

Wo wird der Markt am meisten wachsen?

 

Ich denke, dass wir im Bereich des nachhaltigen Reisens in der Zukunft mit grossen Zuwachsen rechnen können – bei Fern- wie bei Nahreisen. Das Thema der Verantwortung gegenüber der Natur aber auch gegenüber anderen Menschen hat in den letzten Jahren gesamtgesellschaftlich eine überragende Bedeutung gewonnen, die sich auch auf das Reisen auswirkt – denken Sie nur an die vielen Volunteering-Angebote und an die zahlreichen nachhaltig geführten Hotels, die in den letzten Jahren entstanden sind. Geografisch wachsen die Märkte Asiens überdurchschnittlich.

 

Was ist mit der Sicherheit der Reisenden? Terror-Anschläge wie in Ägypten, Sharm-el-Sheik, Luxor, oder auf Djerba, Tunesien, Marrakesch, Casablanca, Marokko – ist speziell der arabische Raum gefährdet?

 

Grundsätzlich haben wir in letzter Zeit einmal mehr erfahren müssen, dass es viele unkalkulierbare Faktoren gibt, die das Reisen beeinflussen – seien es die Veränderungen im arabischen Raum, Fukushima oder ein Vulkan auf Island. In Zeiten wie diesen, die geprägt sind von Krisen, Naturkatastrophen und möglichen Unsicherheiten an Destinationen schenken Konsumenten Unternehmen mit zuverlässigem Service und hoher Glaubwürdigkeit besonders ihr Vertrauen. Im Wissen, dass man sich um die Reisenden kümmert, erhalten Ferien eine zusätzliche Qualität.

 

Das Interview mit Remo Masala führte Ingrid Isermann im Juni 2011.

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