FRONTPAGE

Coole Buchtipps für kühle Abende: «Kalkül, Krimi, Krise»

Von Ingrid Isermann

 

Romane, Lesebücher und ein Sachbuch. Krimis haben Hochkonjunktur. Gesellschaftsstudien sind gefragt. Die Schweizer Fernsehkultur im Blickfeld. Neues von der Frauenfront: Die Meinungsmacherinnen an der Uni Zürich.

 

Wir stellen Ihnen neue Bücher von Dorothy Parker, Sunil Mann, Arnon Grünberg, Maurice Chappaz und S. Corinna Bille vor sowie ein Sachbuch über die „Fernsehkultur – Kultur im Fernsehen“.  Tagung der Frauenzentrale Zürich an der Universität Zürich: ein Bericht über die Meinungsmacherinnen. Frauenquoten, Frauen in den Medien, rückläufiger Anteil der Frauen in der Politik: Hintergründe, Impressionen, Workshops und Referate von u.a. Stadtpräsidentin Corine Mauch und Bundesrätin Doris Leuthard.

 

 

Dorothy Parker

Das Butterkremherz

 

Die brillante scharfzüngige Autorin war in der New Yorker Szene der 20er- bis 50er-Jahre berühmt und auch gefürchtet. Wen sie zu Tisch lud, der konnte sich ihrer unübertroffenen Schlagfertigkeit und ihrer satirischen und ironischen Seitenhiebe auf die Gesellschaft nicht entziehen. Dorothy Parker war eine Legende. Nun hat der Kein & Aber Verlag Zürich einige ihrer schönsten New Yorker Geschichten neu aufgelegt: ein unzweifelhaftes Lesevergnügen.

 

Dorothy Parker, geboren am 22. August 1893 als Dorothy Rothschild in West End/New Jersey, war Korrespondentin im Spanischen Bürgerkrieg und arbeitete als Theater- und Literaturkritikerin u.a. für Vanity Fair, Esquire und den New Yorker. Daneben schrieb sie zahlreiche Gedichte, Kurzgeschichten, Theaterstücke und Drehbücher. Parker galt ihres beissenden Spotts und ihres unbestechlichen Blicks wegen als Königin der Alongonquin-Runde, eines legendären Literaturzirkels, der in den 20er-Jahren die intellektuelle Ausstrahlung Amerikas massgeblich prägte. Sie starb am 7. Juni 1967 in New York. Ihr Leben wurde von Robert Altman verfilmt (Mrs. Parker and the Round Table).

 

 

Leseprobe aus der Titelstory «Das Butterkremherz »:

Keines Menschen Auge noch das einer wilden Bestie im Käfig noch das eines trauten Haustiers hatte Mrs. Lanier je zu sehen bekommen, wenn sie nicht wehmütig war. Sie war der Wehmut ergeben wie unbedeutendere Künstler den Worten, der Farbe, dem Marmor.
Mrs. Lanier war keine von diesen unbedeutenderen; sie war eine von den wahren. Das gewiss ewiggültige Beispiel für den wahren Künstler ist jener Schauspieler bei Dickens, der sich von oben bis unten schwarz anmalte, um den Othello zu spielen.
Und man darf annehmen, dass Mrs. Lanier noch in ihrem Badezimmer wehmütig war und dass sie in weicher Wehmut durch die dunkle, geheimnisvolle Nacht schlummerte.
Falls dem Porträt, das Sir James Weir von ihr schuf, nichts zustösst, wird sie so dastehen, wehmütig über die Jahrhunderte hinweg.

Er hat sie in voller Lebensgrösse dargestellt, in lauter Gelbtönen, mit den zierlich aufgetürmten Locken, den schmalen, geschwungenen Füssen wie elegante Bananen, der glänzenden Fläche ihrer Abendrobe.
Mrs. Lanier trug eigentlich am Abend immer Weiss, aber Weiss ist beim Malen eine höllisch heikle Sache, und kann man von einem Mann erwarten, dass er seine gesamten sechs Wochen in den Vereinigten Staaten nur auf die Ausführung eines einzigen Auftrags verwendet? Wehmut ruht, unsterblich, in den dunklen Augen mit der traurigen Hoffnung, auf dem flehenden Mund, auf dem gesenkten kleinen Kopf über dem lieblichen langen Nacken, der gebeugt ist, als gebe er den drei Reihen Lanierscher Perlen nach.


Zwar äusserte ein Kritiker, als das Porträt ausgestellt wurde, in einer Zeitung die erstaunte Frage, weshalb eine Frau, die solche Perlen besass, eigentlich Wehmut empfinden könnte; aber das kam zweifellos nur daher, dass er seine kleine Krämerseele für ein paar Groschen an den Besitzer der Konkurrenzgalerie verkauft hatte.

 

 

Dorothy Parker
Das Butterkremherz
New Yorker Geschichten
Aus dem Amerikanischen
von Pieke Biermann und Ursula Maria-Mössner
Kein & Aber Zürich, 2012
Leinen, geb., 224 S.,
Format 9,0 x 14.4 cm.
CHF 17.90. EUR 14.90. EUA 15.30
ISBN 978-3-0369-5647-3

 

 

Sunil Mann
Uferwechsel

 

Der indischstämmige Privatdetektiv Vijay Kumar, 34jährig, im trendigen Zürcher Kreis 4 lebend, ledig, löst mit seinem pragmatischen Optimismus auch heikle Fälle. Seine Vorlieben: Amrut (indischer Whisky) und Mamas Tandoori Chicken. Erste Erfolge kann Vijay Kumar bereits vorweisen, in seinem ersten Auftrag («Fangschuss») konnte er den kniffligen Fall zur vollen Zufriedenheit der Auftraggeber aufklären. Diesmal geht es um einen mysteriösen Fund in einem Waldstück nahe Zürich, wo Privatdetektiv Vijay Kumar zufällig anwesend ist, als der leblose Körper eines jungen Ausländers von der Polizei entdeckt wird. Als Kumar am nächsten Tag von einem anonymen Anrufer den Auftrag erhält, den Tod dieses jungen Mannes aufzuklären, beginnt er im Milieu zu ermitteln.  Das ist mit Verve, Witz, Tempo und steigender Spannungskurve erzählt, dass man das Buch in einem Zug durchlesen möchte.

 

Sunil Mann wurde als Sohn indischer Einwanderer im Berner Oberland geboren. Viele seiner Kurzgeschichten wurden ausgezeichnet. 2010 erhielt Sunil Mann für sein Romandebüt, den ersten Krimi mit Vijay Kumar, den «Zürcher Krimipreis». 2011 legte er mit «Lichterfest» einen weiteren spannenden Fall mit Zürcher Lokalkolorit für den Privatdetektiv vor. «Uferwechsel» ist der dritte Fall, den Vijay Kumar zu lösen hat.
www.sunilmann.ch

 

Leseprobe:

Donnerstag

 

„Halt an! Da muss es sein!“ Grob krallte José seine Finger in meinen Arm und deutete aufgeregt zu der Stelle im Wald, die so hell und unwirklich erstrahlte, als wäre dort hinter den Baumstämmen ein Raumschiff gelandet. Durch das dichte Schneetreiben waren Scheinwerfer auszumachen, ihr grelles Licht durchschnitt die Düsternis des frühen Morgens.
Jäh trat ich auf die Bremse und verlor dabei beinahe die Kontrolle über meinen hellblauen Käfer, der mit unvermindertem Tempo über die vereiste Strasse schlitterte – einem bulligen Kastenwagen entgegen, dessen Umrisse unvermittelt aus dem Schneegestöber aufgetaucht waren.
„Pass auf!“, schrie José überflüssigerweise.
Im letzten Augenblick gelang es mir, das Steuer herumzureissen und einen Zusammenstoss zu vermeiden. Mein Wagen schleuderte um die eigene Achse und setzte gerade zu einer weiteren Pirouette an, als eine Schneewehe am Strassenrand unsere Rutschpartie knirschend stoppte.
„Das war knapp!“, keuchte José, doch mit einem Magen, der mir whiskysauer am Halszäpfchen klebte, sah ich mich ausserstande, den Mund zu öffnen, geschweige denn zu antworten.
Ich schloss kurz die Augen und schickte ein knappes Dankesgebet an den Hindugott Vishnu, dem die nervenaufreibende Aufgabe zugefallen war, Menschen zu behüten. Dann holte ich tief Luft, öffnete die Augen und setzte den Käfer zurück.

 

Lesungen von Sunil Mann aus seinem Buch Uferwechsel:

8. Dezember 2012, 19.30 Uhr
Krimitag, Pestalozzi-Bibliothek, Zürich

31. Januar 2013, 20 Uhr
Ono, Kramgasse 6, 3011 Bern

8. März 2013, 20 Uhr
Kleintheater Luzern im Rahmen von

Luzerner Literaturfest

5.–7. April 2013
Grand Resort, Bad Ragaz 

 

Sunil Mann
Uferwechsel
Kriminalroman
Grafit Verlag Dortmund, 2012
314 S., Paperback
CHF 16.50. EUR 10.99. EUA 11.30.
ISBN 978-3-89425-407-0

Der Krimi ist eines der populärsten Genres in der Literatur, im Kino und Fernsehen. Im Zürcher Museum für Gestaltung startet ab 7. Dezember eine spektakuläre Ausstellung: „Verbechen lohnt sich: Der Kriminalfilm“ mit Ausstellungsgesprächen, Hörspiel-Lesungen, Workshops, Kriminalfilm des Monats im Filmpodium der Stadt Zürich, Kinderkrimi im Kino Xenix  u.a. Programm: www.museum-gestaltung.ch

 
Arnon Grünberg
Mit Haut und Haaren

 

Mit Haut und Haaren – eine ebenso vergnügliche wie hintergründige Analyse über heutige Beziehungen: Wissenschaftler Roland Oberstein macht gern alles richtig und probiert dennoch die Quadratur des Kreises zwischen Exfrau Sylvie, seiner Freundin Violet und einer Kongressbekanntschaft; auch die drei Frauen werden hin- und hergerissen zwischen Liebessehnsucht und Beziehungsflucht.
Widersprüche und Paradoxien wechseln sich in bunter Reihenfolge ab. Arnon Grünbergs kunstvolle Versuche über die Unwägbarkeiten der Liebe sind höchst amüsant und lesenswert.

 

Arnon Grünberg, 1971 in Amsterdam geboren, lebt und schreibt in New York. Sein in 114 Sprachen übersetzter Erstling, «Blauer Montag», wurde in Europa ein Bestseller.
Neben allen grossen niederländischen Literaturpreisen erhielt Arnon Grünberg 2002 den NRW-Literaturpreis.

 

Leseprobe:

Leichtsinn

 

«Worauf wartest du noch?», fragt Lea.
Sie trägt einen schwarzen Wollmantel mit Pelzkragen, aus dem Secondhand-Laden. Einen neuen könnte sie sich in dieser Preisklasse nicht leisten.
Lea reist mit leichtem Gepäck. Ein Rucksack genügt für fünf Tage. Mit einem Föhn bekommt man die meisten Knitterfalten aus der Kleidung wieder heraus.
Auf ihrem Knie liegt eine Hand. Doch eine Hand auf dem Knie ist noch keine Intimität.
«Wovon sind Sie noch mal Kennerin?», hatte ein Professor am Abend sie beim Abschiedsumtrunk gefragt, während er die Hand wie nebenbei auf ihren Oberarm legte. Ihr war es unangenehm gewesen. Sowohl seine Frage als auch die Berührung.
Keine Stunde zuvor hatte sie im Badezimmer ihr Kleid über die Dusche gehängt und es mit dem Föhn bearbeitet. Die Knitterfalten gingen schwerer raus als gedacht. Doch morgen Vormittag fliegt sie nach Hause, dann kann sie das Kleid dampfbügeln lassen.
‚Kenner’. Ein alberner Ausdruck. Eigentlich kann man ihn nur in der Verneinung benutzen, wie zum Beispiel in: «Ich bin kein Kenner chinesischer Vasen».

 

 
 

Arnon Grünberg
Mit Haut und Haaren
Roman
Aus dem Niederländischen
von Rainer Kersten.
Diogenes Verlag Zürich, 2012
688 S., Leinen geb.
CHF 38.90. EUR 22.90. EUA 23.60.
ISBN 978-3-257-06813-9

 

Maurice Chappaz

In Wahrheit erleben wir das Ende der Welt.
Ein Lesebuch.

 

„Der Akt des Schreibens ist eine geglückte Verrücktheit“, hat Maurice Chappaz (1916-2009) über Robert Walser gesagt. Eine eigensinnig durchgehaltene – und durchaus geglückte! –
Verrücktheit, mit der er selbst sich schon in jungen Jahren von Familie und Gesellschaft abgesetzt hat, um aus der Walliser Landschaft und ihrer Zerstörung durch die moderne
Zivilisation wie ein Prophet des Alten Testamentes herauszulesen, was niemand wahrhaben will: dass das Ende der Welt nicht unter den Posaunen der Apokalypse plötzlich über uns hereinbrechen, sondern von uns selbst Schritt für Schritt herbeigeführt wird.
Erstmals in deutscher Sprache vermittelt das vorliegende Lesebuch einen repräsentativen Einblick in Chappaz’ literarisches Schaffen: vom ersten publizierten Text über die ganze Fülle seiner Prosatexte, Gedichte und Briefe bis hin zum Roman „Roman de la Petite Fille“, an dem er noch in der Woche seines Todes arbeitete. Der Zugang zu den übersetzten Texten wird erleichtert und vertieft durch das Nachwort des Herausgebers Charles Linsmayer, das Chappaz’ Leben erstmals in seinem ganzen faszinierenden Reichtum zur Darstellung bringt.

 

Maurice Chappaz war über drei Jahrzehnte mit der Autorin S. Corinna Bille (1912-1979) verheiratet und hatte mir ihr drei Kinder. Nach dem plötzlichen Tod seiner Gattin gab er ihre unveröffentlichten Werke heraus und liess Vergriffenes neu erscheinen,  insgesamt 79 Titel. Zum 100. Geburtstag der Autorin sind beim Rotpunktverlag und bei Nagel & Kimche verschiedene Publikationen erschienen, die die Bedeutung von S. Corinna Bille unterstreichen. Auch Maurice Chappaz hat bis heute nicht die verdiente Beachtung in der deutschen Schweiz gefunden, obschon sich verschiedene Verlage wie Limmat, Suhrkamp oder Waldgut für den Autoren eingesetzt haben.

 

Maurice Chappaz
In Wahrheit erleben wir das Ende der Welt.
Ein Lesebuch.
Von Hilde und Rolf Fieguth übersetzt
mit ausführlichem biographischen Nachwort
von Charles Linsmayer.
Huber, Frauenfeld 2012,
352 S., CHF 42.-.

S. Corinna Bille
Das Vergnügen, eine eigene Welt in der Hand zu halten.
Ein Lesebuch. Nachwort von Charles Linsmayer.
Huber Frauenfeld 2008.
352 S., CHF 48.-.

S. Corinna Bille
Schwarze Erdbeeren.
Erzählungen. Nachwort von Monique Schwitter.
Nagel & Kimche, Zürich 2012.
172 S., CHF 27.90

S. Corinna Bille
Dunkle Wälder.
Roman. Vorwort von Maurice Chappaz.
Rotpunktverlag, Zürich 2012.
157 S., CHF 24.-.

Themenabend zu Maurice Chappaz mit
Charles Linsmayer und Regula Imboden,
Literaturhaus Zürich, 12. Dezember, 19.30 Uhr.

 

 

Das Sachbuch:

Fernsehkultur – Kultur im Fernsehen
Die Programme der SRG im Jahresvergleich

 

Medien sind längst zu täglichen Begleitern mutiert. Und obwohl das Internet mit schier unerschöpflichen Möglichkeiten wie Twitter und Facebook allgegenwärtig ist, besitzt das Medium Fernsehen für viele Leute auch heute noch einen zentralen Stellenwert.

Durch Gesetzestexte und Konzessionen werden Leistungsaufträge an das Fernsehen formuliert, um eine öffentliche Plattform für gesellschaftlich relevante Themen zu gewährleisten. Die Meinungen zur Beziehung zwischen Kultur und Fernsehen reichen von «Fernsehen fördert Kultur und bringt Kultur zu jedermann» bis hin zu Neil Postmans Kulturverfallszenario «Wir amüsieren uns zu Tode».

 

Unabhängig von extremen Positionen kann der Kulturauftrag als zentrales Element in der Konzession für die SRG bezeichnet werden. Kulturelle Entfaltung und die Stärkung
kultureller Werte werden ebenso eingefordert wie die Förderung der schweizerischen Kultur. Weiter sind der Zusammenhalt und Austausch zwischen den verschiedenen Sprachkulturen, aber auch unter den Religionen, zu fördern und Literatur, Musik und
kulturelle Ereignisse zu unterstützen. Die angestrebte Konvergenz zwischen Radio, Fernsehen und Internet wird das Fernsehen nachhaltig verändern. Ein Rückblick
und Ausblick.

 

Aus dem Inhalt der Publikation:

Was sollen Medien leisten?

Ansätze der Medien- und Kommunikatuionswissenschaft
Der Begriff des Service Public

 

Kultur- ein heterogener Begriff

Soziologie und Sozialanthropologie u.a.

 

Forschungsfokus: Fernsehen und Kultur
Was ist Kultur im Fernsehen?
Wie viel Kultur ist im Fernsehen lokalisierbar?
Wie wirkt Kultur im Fernsehen?

 

Im weiteren:
Konzeption und Methode, Programmentwicklungen 2009-2010,
Kultur im Schweizer Fernsehen, Kultur in den SRG-Programmen usw.

 

 

Fernsehkultur – Kultur im Fernsehen
Von Stephanie Fiechtner, Jessica Allemann und
Joachim Trebbe
Rüegger Verlag Glarus 2011
228 S., broschiert
CHF 34.00. EUR 25.50 (D).
ISBN 978-3-7253-0983-2
www.rueggerverlag.ch

 

Die Schweizerinnen (sollen) kommen…
Auftritt für Meinungsmacherinnen an der Uni Zürich.
 
Von Ingrid Isermann

 

«Ein Drittel ist nicht genug» – unter diesem Motto stand die von der Zürcher Frauenzentrale am 24. November 2012 veranstaltete überparteiliche Tagung an der Universität Zürich. Andrea Gisler, Präsidentin der Frauenzentrale und Lisette Müller-Jaag, Sozio Consult, konnten 180 Teilnehmerinnen begrüssen. Brigitte Tag, Professorin an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät und Präsidentin der Gleichstellungskommission der Uni Zürich, richtete die Grussbotschaft der Universität Zürich aus. Stadtpräsidentin Corine Mauch eröffnete die Tagung mit einem Referat und Bundesrätin Doris Leuthard gab in ihrem Schlussbouquet ihr politisches Know-how weiter.

 

Dass Frauen in ihrer Laufbahn als Politikerinnen eher abgewählt werden als Männer, ist immer noch eine Tatsache, informierte Stadtpräsidentin Corine Mauch. Steht man Frauen kritischer gegenüber, auch in den Medien? Tatsache ist, dass Frauen in der Politik untervertreten sind und der prozentuale Anteil (29 Prozent) sogar abgenommen hat. Woran liegt das? Die Hintergründe zu beleuchten und die Teilnehmerinnen zu ermutigen, sich am politischen Leben zu beteiligen und Verantwortung zu übernehmen, war Sinn und Zweck der erfolgreichen Tagung, an der sowohl an der Politik interessierte Frauen als auch amtierende Politikerinnen aus dem Gemeinderat, dem Kantonsrat und den Kommunalbehörden teilnahmen.
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Workshops befassten sich etwa mit der Chancengleichheit, die Gleichstellung von Frau und Mann ist immer noch ein Thema, auch hinsichtlich fehlender Teilzeitstellen für Männer,
die sich um die Familie kümmern möchten. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit ist in der Praxis noch nicht verwirklicht und Frauen leisteten viel unbezahlte Arbeit, in der Familie und Gesellschaft, so Helena Trachsel, Leiterin der Fachstelle für Gleichstellung.

 

Weiter standen u.a. Strategien für eine erfolgreiche Karriere als Politikerin, als Politikerin im Spannungsfeld zwischen Sinn und Macht, der Klimawandel als politische Herausforderung, Ethik in der Politik oder das riskante Leben von Frauen an der Macht und ihre Erfahrungen in Männergremien auf dem Programm. Rollenklischees und Spielregeln wurden von den Teilnehmerinnen und Politikerinnen lebhaft diskutiert. Auch wenn sich seit dem Frauenstimmrecht 1971 vieles geändert hat, ist der Weg nicht immer einfach. Politikerinnen mit Familie sind belasteter und haben ein Zeitproblem. Sich selbst zu bleiben,  und auch nicht von der Akzeptanz anderer abhängig zu sein, scheint ein mögliches Rezept. Was wiederum zur oft zitierten Aussage führt, es brauche vor allem Selbstbewusstein, Mut und Standvermögen. Als positives Beispiel für eine Frauenkarriere erwähnte Referentin Esther Girsberger die Aussenministerin der USA, Hillary Clinton. An ihrer Frisur und der Rezeption in den Medien könne man ablesen, welche Strategien, je nachdem mit strenger Frisur, die USA verfolgen. Auch die Kleidung spielt bei Frauen eine grössere Rolle als bei Männern.

 

Facebook und Twitter  – neue Wahlhilfen

Social Media wie Facebook und Twitter lösen die herkömmlichen Medien mit rasanter Geschwindigkeit ab. Es ist ratsam, mit persönlichen Äusserungen vorsichtig umzugehen, so die Referentin Kathy Riklin, denn alles verbreitet sich mit Windeseile in der community und manch einer musste wegen verletzender Aussagen über Twitter den Hut nehmen. Die Nationalrätin informiert sich auf www.swissdox.ch und www.google.ch.alerts, was über sie in den Medien zu lesen ist.

 

Frauen gehören ins Haus – ins Gemeindehaus, ins Ratshaus, ins Bundeshaus.
(Josy Meier, Politikerin der ersten Stunde 1926-2006, 1991)

 

Die Unternehmen bemühen sich um mehr Frauen in Verwaltungsrat und Geschäftsleitungen. Während 2011 keine freien CEO-Posten bei grossen Firmen mit Frauen besetzt wurden, sind 2012 gleich drei Frauen auf Chefsessel berufen worden, die Postchefin Susanne Ruoff seit Anfang September, sowie Jasmin Staiblin und Suzanne Thoma, die Anfang 2013 bei Alpiq und BKW die operative Führung übernehmen. Das ist bemerkenswert, da alle drei Frauen Mutterpflichten haben (siehe auch NZZaS v. 25.11.2012). Aber es geht vorwärts und für Gejammer ist keine Zeit.

 

Doris Leuthard referierte im bis auf den letzten Platz mit Frauen verschiedener Altersgruppen besetzten Hörsaal von ihren Anfängen als Politikerin, dass sie die Unterstützung von Vorbildern und sogenannten Gotten, für die Einführung in die Politik sehr geschätzt habe.  Neugierde und waches Interesse für Politik sind jedoch Voraussetzungen. Ob sie schon als Kind Bundesrätin werden wollte? Nein, aber Nationalrätin, weil sie in einem politischen Haus aufgewachsen ist. Die Vorbilder der Eltern prägen also auch die politischen Ambitionen. Und nicht immer sollten Frauen nach ihrer Wahl automatisch in den sozialen Bereichen eingesetzt werden.

 

Doris Leuthard: Nicht das Wissen unter den Scheffel stellen

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«Nicht das eigene Wissen unter den Scheffel stellen», gab Doris Leuthard an der Frauentagung mit auf den Weg. Wer angefragt werde, ein Mandat zu übernehmen, sollte es wegen noch fehlender Sachkenntnis nicht ablehnen. Zu führen heisse nicht, alles im Detail zu wissen, die Sachkenntnis könne man sich erarbeiten. Doch es braucht Mut und Rückgrat, um auch Anfeindungen zu überstehen, zudem eine Spur Gelassenheit und Distanz zur Sache. Für ihr engagiertes Muntermacher-Referat für Meinungsmacherinnen erntete Doris Leuthard grossen Applaus.

 

Anschliessend an die Tagung konnte Literatur & Kunst einige persönliche Fragen an die Referentin Esther Girsberger und Bundesrätin Doris Leuthard stellen.

 

Fragen an die Referentin und Publizistin Esther Girsberger:

 

Braucht es Frauenquoten?

Ja, aber mit Zeitvorgaben.

 

Sind Sie für den Atomausstieg?

Ja, aber es wird teurer werden, höhere Preise, man wird sich einschränken müssen.

 

Welche Art von Kultur bevorzugen Sie?

Klassische Musik, ich spiele selbst Geige.

 

Was unterscheidet die Schweiz von Deutschland?

Die Grösse, die Schweiz ist ein kleinräumiger Staat, föderalistisch, mit Milizsystem.

 

Was vermissen Sie in der Schweiz?

Ich finde die Schweiz wunderbar…

 

Was würden Sie ändern?

Mehr Frauen in Spitzenpositionen!

 
 

Fragen an Bundesrätin Doris Leuthard:

 

Braucht es Frauenquoten?

Wir arbeiten im UVEK mit Zielvorgaben und Richtwerten von 30 bis 40 Prozent Frauenanteil und das hat sich bewährt.

 

(Oft sind aber qualifizierte Frauen für technische Berufe schwer zu finden, von 20 000 Lehrstellen technischer Berufe sind gerade mal 1000 von Frauen besetzt. Hier gilt es Aufklärungsarbeit zu leisten, denn diese Jobs haben Zukunft. Eher als für Ingenieur- und Nuklearwissenschaften oder Aviatik interessieren sich Frauen für Umwelt- und Energiefragen, weil sie sinnstiftend sind).

 

Stehen Sie noch hinter dem Atomausstieg?

Ja, der Atomausstieg ist geplant und geht selbstverständlich weiter!


 
Welche Art von Kultur bevorzugen Sie?

Skulpturen, Malerei…


 
Was unterscheidet die Schweiz von Deutschland?

Die Föderation, die grössere Beteiligung des Volks an Entscheiden, direkte Demokratie, mehr miteinander zwischen Staat und Gesellschaft.


 
Was würden Sie ändern?
Nichts.


 
Sind Sie für den EWR?
Ich vertrete die Bundesratsmeinung und den bilateralen Weg.

 

Links:

www.frauenzentrale-zh.ch
www.facebook.com/frauenzentrale.zh
Aktuelle Statistiken zum Frauenanteil in der Politik:
www.ffg.zh.ch
www.uvek.admin.ch
www.nzz.ch/sonntag:
Gläserne Decke mit Rissen. NZZ am Sonntag, 25.11.2012
Das folgenschwere Nein zum EWR. NZZ am Sonntag, 25.11.2012.

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