FRONTPAGE

«Novartis Campus – Ein Architekturpark in Basel»

Von Fabrizio Brentini

Basel bleibt in Sachen Schweizer Architektur das Mass aller Dinge. Novartis liess vom bekannten Architekten und Städteplaner Vittorio Magnago Lampugnani für ihr Areal im St. Johann Quartier einen Masterplan ausarbeiten.

 

Seinem im Jahre 2002 präsentierten Entwurf legte Lampugnani die historische Stadt zugrunde. Es sollte so etwas wie eine Stadt in der Stadt entstehen mit engen Gassen, weiten Plätzen und einheitlichen Bauvolumina über einem Gesamtgrundriss, der eine einfache orthogonale Struktur aufweist. Die Traufhöhe von rund 22 Metern wurde festgelegt, ebenso wurde die Bedingung formuliert, dass die Gebäude auf der Westseite mit sechs Meter hohen Arkaden zu versehen seien. Ansonsten wurde den Architekten freie Hand gelassen. Inzwischen sind rund ein Dutzend Gebäude von renommierten Baumeistern errichtet, und obwohl dies erst ein Bruchteil von dem ist, was einmal diese Stadt in der Stadt definieren wird, kann schon jetzt konstatiert werden, dass Basel damit ein würdiges Pendant zum Architekturpark des Vitra-Geländes in Weil am Rhein (jenseits der Grenze) erhalten hat. Der Vorteil gegenüber dem Vitra-Ensemble besteht darin, dass auf dem Novartis-Areal Individuelles zwar erlaubt ist, aber ein selbstgefälliges Auftrumpfen durch die Einbindung in den Gesamtgrundriss verhindert wird. Bei aller Sympathie zum Vitra-Experiment muss doch als Kritik formuliert werden, dass hier die Solitäre in keiner Weise aufeinander bezogen sind.
Der Christoph-Merian-Verlag beschloss, den Werdegang des neuen Quartiers mit erlesenen Gebäudemonografien zu dokumentieren. Inzwischen liegen elf Schriften vor, was eine erste Bilanz dieser Reihe erlaubt. Als Herausgeberin fungiert Ulrike Jehle-Schulte Strathaus, welche die ersten drei Bände noch mit dem Label des Architekturmuseums Basel versehen hat. Offensichtlich konzentrierte man sich danach auf die Publikationen und verzichtete auf eine gleichzeitige Ausstellung. Die Bände sind ausgesprochen edel gestaltet: Fadenheftung, Leinenband mit einem Schutzumschlag, der von einer breiten Papierlasche mit einem fotografischen Ausschnitt verziert wird, matt gestrichenes Papier und ein einfaches Layout. Schade, dass die Schriftzüge auf dem Leineneinband nicht überall gleich eingefärbt sind. Repetitive Bestandteile sind Pläne, Fotos – von verschiedenen Fotografen –, Aufsätze – allerdings mit unterschiedlichen Gewichtungen –, und ein lexikalisches Inventar mit allen wünschenswerten Detailinformationen (Masse, Werkstoffe, Kunst etc.). Im Folgenden versuche ich, das Spezifische jedes einzelnen Bandes kurz zu erörtern, ohne die Architektur selber einer Kritik zu unterziehen.
 

01 Diener, Federle, Wiederin
Der erste Band enthält das Konzept des Masterplanes mit der Situierung des Areals auf der Stadtkarte von Basel. Das Büro- und Arbeitsgebäude «Forum 3» wurde von Diener&Diener in Zusammenarbeit mit dem österreichischen Architekten Gerold Wiederin entworfen. Kennzeichnend sind die mehrschichtigen Glasfassaden, die nach einem Entwurf von Helmut Federle komponiert wurden. Diese Arbeit steht denn auch im Mittelpunkt der Monografie etwa durch den Text von Jan Thorn-Prikker, der die Arbeit von Federle in dessen Gesamtwerk einbettet, und durch die planerische Abwicklung der einzelnen Fassaden. Es fallen etliche Nennungen von vergleichbaren Artefakten, etwa das Centre Pompidou, der Crystal Palace, der Pavillon von Mies van der Rohe für Barcelona, die Kirche St. Pius von Franz Füeg in Meggen. Architektonisch faszinieren die in Holz gekleidete Wendeltreppe und die wortwörtliche Implantierung von Bäumen. Das erste Gebäude geht auf einen Wettbewerbsentwurf zurück. Teilgenommen hatten zusätzlich Bearth&Deplazes, Hans Kollhoff, Dominique Perrault und SANAA/Sejima+Nishizawa. Es wäre interessant gewesen, Näheres über die anderen Projekte zu erfahren und weshalb dieser Entwurf den anderen vorgezogen wurde.
 

02 SANAA/Sejima+Nishizawa, Works by Walter Niedermayr
Die Fotografien dieses Bandes versteht das Architektenteam SANAA als eigenständige Kunstwerke. Der Fotograf Walter Niedermayr durchschritt mit seiner Kamera den noch nicht vollendeten Bau und wählte Ausschnitte aus, die durch das strenge Raster der Architektur komponiert werden, gleichzeitig das Thema der Transparenz mittels Durchblicken zu vermitteln versuchen. Durch das bewusste Überbelichten verschwindet die dritte Dimension; die Tableaus erwecken den Eindruck von Mehrfachbelichtungen. Ich dachte bei der Betrachtung dieser Bilder sogleich an die Phantomstadt in Jacques Tatis Film «Playtime», eine Assoziation, die sich offensichtlich auch anderen aufdrängte, denn der Film wird im einführenden Text von Aaron Betsky erwähnt. Dieser nennt das Haus von SANAA ein Gebäude ohne Eigenschaften und verwendet etwas inflationär den Begriff «Kiste». In der Tat, bei der Analyse des Grundrisses fällt auf, wie minimalistisch das Haus konstruiert ist: Beton, Stahl, Glas – streng modular aufgebaut. Neben Tati werden als Quellen Mies van der Rohe genannt sowie die japanische Architektur. Im Text von Betsky werden andere Werke sowohl des Fotografen wie auch von SANAA zitiert, ohne dass diese mit kleinen Abbildungen visualisiert werden. Wer mit dem Werk der genannten Künstler nicht vertraut ist, muss so einen Umweg über Google nehmen.
 

03 Peter Märkli
Das von Peter Märkli entworfene Gebäude steht in unmittelbarer Nachbarschaft zu demjenigen von SANAA und auf den ersten Blick meint man, gewisse Gemeinsamkeiten zu entdecken, so etwa die auffällige Rasterung der Fassaden. Blättert man im Abbildungsteil dieses Bandes, muss man feststellten, dass Märkli ein Haus mit Eigenschaften, mit sehr vielen Eigenschaften projektiert hat. Das Volumen wird auf den Längsseiten aufgebrochen. Ein spezielles Band umschlingt das ganze Gebäude oberhalb des Erdgeschosses. Dabei dient dieses auf der Eingangsseite als Screen für schnell fliessende Botschaften, welche die amerikanische Künstlerin Jenny Holzer aus über 1000 Aphorismen und Sprüchen aus aller Welt ausgesucht hat. Und während das Äussere durch die Glas-Stahl-Aluminium-Haut leicht unterkühlt wirkt, zeigt Märkli, völlig überraschend – wenn man von seinem puristischen Museum Josephson in Giornico ausgeht – viel Luxus: Böden aus Carrara-Marmor, mit Holz eingekleidete Decken, Wände und Handläufe, wulstige Ledersessel, schwere blaue Teppiche und sich vertikal und horizontal über die gesamte Zentralhalle erstreckende Balustraden, denen der Designer Alex Herter einen verspielten Rhombus als Modul zugrunde gelegt hat. Ob angestrebt oder nicht, der Treppenaufgang erinnert an denjenigen, den Rudolf Schwarz 1955 für den Gürzenich in Köln gezeichnet hat. Die Publikation wird mit Skizzen des Architekten im Massstab eins zu eins eingeleitet. Die Kargheit der kleinen Blätter kontrastiert mit der Üppigkeit der Ausstattung, und ich denke, dass die mastigen Interieurs viel Ironie widerspiegeln.
 

04 Marco Serra, Günther Vogt, Ulrich Rückriem, Eva Schlegel
Dieser Band überstreicht ein weites Feld, das den Eingangspavillon und die unterirdische Garage von Marco Serra, ferner die grosszügige Parkanlage von Günther Vogt, schliesslich die Kunstwerke von Ulrich Rückriem, Dan Graham und Eva Schlegel einschliesst. Glaswände ohne Stützen definieren beim Pavillon nicht nur die Hülle, sondern sie tragen auch das auf allen Seiten stark auskragende Dach, für das ein speziell leichtes Material verwendet werden musste. Der Pavillon steht in seiner grösstmöglichen Transparenz wie eine Antithese zu den altehrwürdigen Werktoren, die bisweilen kastellartig gezeichnet Abwehr signalisierten. Unter dem Pavillon befindet sich die Tiefgarage mit einer am Lingotto, der berühmten ehemaligen FIAT-Werkstätte in Turin gemahnenden spiralförmigen Zufahrt. Der Raum wird durch das Weiss der Decke und der Säulen sowie durch die golden glänzenden Metallverkleidungen der Wände veredelt. Der riesige Park entstand in Auseinandersetzung mit der Geologie und Landschaft des Rheinbeckens. In die künstlich angelegte Natur reagierten die genannten Künstler mit unterschiedlichen Setzungen: Rückriem positionierte nur minimal bearbeitete Steinbrocken, während Schlegel eine 48 m lange Fussgängerpassage aus Glaspaneelen aufbaute, auf denen absichtlich unscharf reproduzierte Textfragmente als Siebdrucke aufgetragen wurden.
 

05 Krischanitz und Frank Architekten
Das von Krischanitz und Frank Architekten aufgrund eines Wettbewerberfolges ausgeführte Gebäude dient in erster Linie der Laborarbeit. Im Erd- und Zwischengeschoss gruppieren sich Sitzungs- und Konferenzräume, in den vier Obergeschossen nicht voneinander geschiedene Arbeitsplätze um ein von oben belichtetes Atrium. Eigen ist dem Gebäude die aus Glaselementen zusammengesetzte, gefaltete Hülle, die von Laurent Stadler und Kornel Ringli auf die «Bekleidungstheorie» von Gottfried Semper zurückgeführt wird. Hülle und Kern – um in der Semperschen Terminologie zu verweilen – sind nicht aufeinander bezogen. Die Fassade überzieht den Körper mit einer textil anmutenden Struktur und fragmentiert die Umgebung in einzelne Bildausschnitte. Ulrike Jehle- Schulte Strathaus bietet einen informativen, kurzen Überblick über den Typus Laborbau mit Beispielen von Otto Rudolf Salvisberg und Louis I. Khan. Ein Einzelwerk steht einem Kunst-am-Bau-Eingriff gegenüber. Sigmar Polke verteilte auf ein 6 Meter langes Band 365 Pyritsonnen, die er selber im Laufe der Jahre gesammelt hatte. Gilbert Bretterbauer setzte ein an ein Molekülmodell erinnerndes Motiv zu einer repetitiven Musterung der Böden zusammen. Während das Dekor in den Obergeschossen in Kunststein gegossen wurde, wurde es im Erdgeschoss zu einem Teppich verwoben. Zusätzlich überzog Bretterbauer die Brüstungen des Atriums mit einem feinen Gitter. In den Texten wird, vielleicht etwas gar forciert, auf die symbolische Bedeutung der Gebäudehülle wie des Dekors hingewiesen, als Zeichen für die Flexibilität, denen sich ein global agierendes Unternehmen stellen muss, und für die weltweite Vernetzung, was für Novartis unabdingbar ist. Von den Aufnahmen begeistern die Ansichten des Atriums, insbesondere der Blick hinauf zur verglasten Decke sowie derjenige vom obersten Geschoss hinunter zur Halle, die mit an Mies van der Rohe gemahnenden, hier aber von den Architekten entworfenen Sesseln möbliert ist.
 

06 Vittorio Magnago Lampugnani
Nach dem ersten Band griff Verwaltungsratspräsident Daniel Vasella ein zweites Mal zur Feder, um Lampugnani seine Referenz zu erweisen. Der Schöpfer des Masterplanes kam hier mit einem «verspäteten Musterhaus» zum Zuge, wie er sein Werk selber nennt. Im Vergleich zu den vorangegangenen Bänden ist diese Monografie ausgesprochen gelehrig und dies hat gewiss mit der Rolle von Lampugnani zu tun, der Architekt, Historiker und Theoretiker zugleich ist. Ob dies seiner Architektur zugute kommt, ist nicht schlüssig zu beurteilen, beziehungsweise müsste in einer eigenen architekturkritischen Analyse beantwortet werden. Den Bau selber erachte ich nicht als Musterhaus, es ist ein nach den Vorstellungen von Lampugnani umgesetztes Artefakt, das eine klassizistische Aura ausstrahlt. Für die Fassaden mit den akzentuierten Gesimsen wählte der Architekt Carrara-Marmor und für die das Innere bestimmende, wie ein Möbel eingestellte Treppe mit rahmenden Galerien dunkles Nussbaumholz. Die Architektur von Plecnik kommt mir in den Sinn, etwa die Nationalbibliothek in Ljubljana. Stanislaus von Moos, dessen Artikel nicht nur für die Annäherung an dieses Gebäude, sondern auch für eine plausible Interpretation des gesamten Masterplanes ein Must ist, listet andere mögliche kunsthistorische Quellen auf, das Larkin Building von Frank Lloyd Wright, die Bauten von Schinkel, aber auch solche der italienischen Rationalisten um Rossi und Grassi, die Friedrichstrasse in Berlin, die barocken Arkaden von Turin, die Rue Rivoli in Paris, das Universitätsgelände von Thomas Jefferson in Charlottesville. Und je umfassender diese Liste wird, umso stärker drängt sich der Verdacht auf, dass von Moos die eventuelle Eigenleistung von Lampugnani mit der Fülle der Zitate gar nicht zulassen wollte (sofern er überhaupt eine solche konstatierte). Den Charakter der Musterkollektion vermittelt hingegen die Monografie, die nicht nur einen von Lampugnani verfassten genauen Baubeschrieb enthält, sondern auch Texte über die Haustechnik, über die Möblierung, über den Dachgarten und über die Signaletik. Nicht weniger als 20 Schrifttypen (!!) dienten als Vorlage für das Orientierungs-system. Schliesslich breitet Lampugnani mit Renderings unterschiedliche Lösungsmöglichkeiten für Fassadengestaltung und Wandverkleidungen im Innern aus. Weil nicht mitgeteilt wird, warum die eine Variante schliesslich ausgewählt wurde, ist der Eindruck des Willkürlichen und Zufälligen nicht ganz von der Hand zu weisen.
 

07 José Rafael Moneo
Der zweite Laborbau, entworfen von José Rafael Moneo, wird in einer bescheidenen, auf das Wesentliche konzentrierenden Monografie vorgestellt. Felix Wettstein nennt die Unterschiede zwischen diesem Gebäude und dem von Krischanitz und Frank Architekten. Moneo legte die Erschliessungsgänge entlang den Seitenfasssaden an und verlagerte die Arbeitsplätze unter Verzicht auf einen Lichthof nach innen. Mit Ausnahme der konkaven Wand im Eingangsbereich und dem markanten Querriegel, der die Arkade zur Hälfte zudeckt, verzichtete Moneo auf formal auffällige Elemente. Die Fotos zeigen indirekt an, weshalb dies eine richtige Entscheidung war. Das Laborgebäude erhebt sich in unmittelbarer Nachbarschaft der architektonischen Grossskulptur von Gehry, die sich überall ins Blickfeld drängt. Im zweiten Aufsatz geht Jacqueline Burckhardt auf den künstlerischen Eingriff von Katharina Grosse ein, die Wandteile des Einganges und der Cafeteria leicht subversiv mit Spritzpistole und ohne Rücksicht auf die architektonischen Grenzen farbenprächtig übermalte.
 

08 Frank O. Gehry
Aldo Rossi verwies in seiner wegweisenden Studie «Die Architektur der Stadt» auf die grosse Bedeutung städteprägender Denkmäler, die ungeachtet der Funktionen die Parameter für die Bebauung der Umgebung vorgeben, und dies unter Umständen über Jahrhunderte. Es scheint, als ob auf dem Novartis Campus dem Bau von Frank O. Gehry eine solche Rolle zugedacht worden sei. Ein Zentrum ist auf dem im ersten Band veröffentlichten Masterplanes noch nicht zu erkennen. Erst, als die Durchgangsstrasse im Jahre 2008 aufgehoben wurde, wurde ein Gelände ausgeschieden, auf dem Gehry, der schon etlichen Städten seinen Stempel aufgedrückt hatte, eine weitere, Zentrum schaffende Grossskulptur frei von den von Lampugnani diktierten Bedingungen entwickeln konnte. Lilian Pfaff geht knapp auf diesen Prozess ein und liefert einige spannende Modellstudien, die den Weg von den zwei die Strasse säumenden Komplexen zum schliesslich ausgeführten, einheitlichen Glas-Stahl-Gebilde dokumentieren. Leider werden keine Skizzen von Gehry veröffentlicht, sie wären ein wichtiger Kontrapunkt zu den hoch technischen Plänen gewesen, die der kalifornische Architekturpoet im Grunde nur als Sachzwang akzeptiert. Die Monografie zu diesem Gebäude, das ein Personalrestaurant, zahlreiche Büronischen, einen Lesesaal und ein unterirdisch angelegtes Auditorium beherbergt, ist mit 120 Seiten die bis anhin umfangreichste. Den Löwenanteil beanspruchen die Fotos, die über fast 50 Seiten An- und Einblicke in die zweidimensional kaum zu erfassenden räumlichen Strukturen zu vermitteln versuchen. Es wird zumindest deutlich, dass Gehry und sein Team nicht nur die Hülle und die gewaltige Treppenanlage, sondern auch kleinste Details wie das Mobiliar jedes Arbeitsplatzes konsequent nach dem vertrauten Formenrepertoire gestalteten. Lilian Pfaff nennt als wichtigen Bestandteil der Umgebung eine plastische Arbeit von Richard Serra; diese wird aber mit Ausnahme eines kleinen Ausschnittes nicht präsentiert, was unverständlich ist. Ein zweiter Schwerpunkt der Monografie ist mit der aufwändigen Gestaltung der Grünfläche über dem Auditorium (schlicht Green genannt) gegeben, die von Vogt Landschaftsarchitekten als Karstlandschaft angelegt wurde. Silke Schmeing erörtert in einem kurzen Text die Ideen bei der Wahl dieses Typus, das geologisch nicht zur Region Basel passt. Für dieses Areal schlägt die Sound-Künstlerin Laurie Anderson eine akustische Gesamtskulptur, die am Schluss der Monografie, layoutmässig etwas fragwürdig, in einer Projektskizze vorgestellt wird.
 

09 Fumihiko Maki
Das Gebäude von Fumihiko Maki ist das erste auf dem Novartis Campus, das nicht an der zentralen Fabrikstrasse steht. Somit spielt es eine Art Vorreiterrolle im bis anhin noch nicht gestalteten östlichen Teil des Campus. Maki teilte die Hülle in rechteckige Flächen ein, die allesamt aus Glas bestehen, auch wenn die Fotos einen anderen Eindruck vermitteln. Das rührt von daher, dass drei verschiedene Gläser verwendet wurden, weisse, opake und transparente. Den rechten Winkel im Äussern kontrastiert Maki im Innern mit Diagonalen, die in der Wegführung und an den Decken bemerkbar sind, mit
abgerundeten Eingrenzungen einiger Arbeitsplätze sowie mit den Wendeltreppen an den Stirnseiten, welche die Stockwerke zu einem Kontinuum verbinden. Weiss dominiert das Äussere wie das Innere. Francesco Buzzi stellt in seinem vorzüglichen Text nicht nur den in Europa wenig bekannten japanischen Architekten vor, sondern geht auch den Inspirationsquellen in der japanischen Kultur nach. In einem zweiten, von Jacqueline Burckhardt verfassten Aufsatz werden die Kunstwerke von Silvia Bächli und Lutz&Guggisberg erörtert, denen es – den Aufnahmen nach zu urteilen – gelungen ist, stille, dem dominanten Weiss adäquate künstlerische Verdichtungen zu erzielen.
 

10 Yoshio Taniguchi
Der Laborbau von Yoshio Taniguchi, bekannt geworden dank seiner Erweiterung des MoMa in New York, steht unmittelbar neben dem Gebäude von Lampugnani. Der Unterschied in Bezug auf Gestaltung könnte nicht grösser sein. Taniguchi setzt einen kristallin reinen Glaskörper auf vier, nach innen versetzte schwarze Kerne. Folien und Siebdrucke lassen die Glashaut am Tag weiss erscheinen. Zwar ist im Erdgeschoss die Arkadenachse der Nachbargebäude weitgeführt, doch selbst bei grosszügister Auslegung ist die von Lampugnani diktierte Bedingung hier nicht erfüllt. Während die vier Obergeschosse unprätentiös eingerichtet sind, präsentiert sich das Erdgeschoss als eine mit Fotos und Plänen nur schwer zu erfassende Abfolge von offenen und geschlossenen Zonen. Beim Eingang zur Fabrikstrasse öffnet sich der Boden und gibt den Blick in das unterirdisch angelegte Lebensmittelgeschäft frei. Zwischen den erwähnten Pfeilern ist nur mit Glas eingerahmt ein Schaulabor eingespannt, und schliesslich ist im Mezzaningeschoss eine Brücke eingezogen, auf der eine Apotheke eingerichtet wurde. Taniguchi selber verfasste einige grundlegende Gedanken zu seinem Projekt. Schon fast protokollarisch schildern Christian W. Blaser und Christoph Butscher, welche als Generalplaner für die Ausführung verantwortlich waren, den Bauprozess. Die Autoren bleiben bescheiden, was dem Charakter des Werkes von Taniguchi vollumfänglich entspricht.
 

11 David Chipperfield
Die Monografie stellt ein Gebäude vor, das im Grunde noch nicht vollendet ist. In einer zweiten Phase soll nämlich an den Laborbau von David Chipperfield ein L- förmiger Annex hinzugefügt werden, der einen tiefen Platz umrahmen wird. Die Fassaden erscheinen auf den ersten Blick durch ein regelmässiges Raster geordnet zu sein, doch der Eindruck täuscht, denn einerseits nehmen die Geschosshöhen gegen ob ab und andererseits verursachen die speziell geschnittenen Pfeiler durch unterschiedliche Positionierung eine visuelle Irritation. Erst die Analyse der Grundrisse enthüllt, dass die Stützen auf einer Seite abgeschrägt sind und dass sich die Abschrägung nach einem nicht zu eruierenden Schema (vielleicht besteht auch keines) links oder rechts der Pfeilerachse befindet. Ein Schmuckstück ist der so genannte Dachgarten, der aus einer Wanne besteht, aus der japanische Bäume wachsen.

Der Künstler Serge Spitzer füllte die Wanne mit 50 Tonnen Glaskugeln. Das optisch reizvolle Werk wird von Bernard Fibicher erörtert als eine tiefsinnige künstlerische Auseinandersetzung mit der auf dem Gelände betriebenen Forschung mit molekularen Strukturen. Ich denke, die Arbeit kann auch ohne diese möglichen Querbezüge bestaunt werden, vielleicht sogar besser. Paolo Fumagalli umrahmt seine Beschreibung des Gebäudes mit einem Resümee einiger der bis anhin erstellten Bauten auf dem Gelände. Dabei nennt er bei jedem Baumeister mögliche heimatliche Inspirationsquellen. Bei Chipperfield erwähnt er die neuartige englische Architektur von Alison und Peter Smithson der 1960er Jahre. Etwas überdreht – wobei ich dies nur aufgrund der Aufnahmen beurteilen kann – scheint mir die von Ross Lovegrove gezeichnete Fiberglastreppe, die an ein Skelett eines prähistorischen Tieres gemahnen soll.

 

Reihe Novartis Campus, herausgegeben von Ulrike Jehle-Schulte Strathaus (01 bis 03 in Zusammenarbeit mit dem Architekturmuseum Basel), Christoph Merian Verlag, Basel (www.merianverlag.ch).

 

01 Novartis Campus ­– Forum 3. Diener, Federle, Wiederin, 96 S., Basel 2005, ISBN 3-85616-256-9, CHF 49.00/€ 32.00.

02 Novartis Campus – Fabrikstrasse 4. SANAA/Sejima+Nishizawa, Works by Walter Niedermayr, 74 S., Basel 2006, ISBN 978-3-85616-300-6, CHF 49.00/€ 32.00.

03 Novartis Campus – Fabrikstrasse 6. Peter Märkli, 80 S., Basel 2006, ISBN 978-3-85616-299-6, CHF 49.00/€ 32.00.

04 Novartis Campus – Fabrikstrasse 2. Marco Serra, Günther Vogt, Ulrich Rückriem, Eva Schlegel, 88 S., Basel 2008, ISN 978-3-85616-374-7, CHF 49.00/€ 32.00.

05 Novartis Campus – Fabrikstrasse 16. Krischanitz und Frank Architekten, 80 S., Basel 2008, ISBN 978-3-85616-367-9, CHF 49.00/€ 32.00.

06 Novartis Campus – Fabrikstrasse 12. Vittorio Magnago Lampugnani, 96 S., Basel 2009, ISBN 978-3-85616-469-0, CHF 49.00/€ 32.00.

07 Novartis Campus – Fabrikstrasse 14. José Rafael Moneo, 80 S., Basel, 2009, ISBN 978-3-85616-485-0, 49.00/€ 32.00.

08 Novartis Campus – Fabrikstrasse 15. Frank O. Gehry, 120 S., Basel 2010, ISBN 978-3-85616-476-8, CHF 68.00/€ 44.00

09 Novartis Campus – Square 3. Fumihiko Maki, 80 S., Basel 2010, ISBN 978-3-85616-501-7, CHF 49.00/€ 32.00

10 Novartis Campus ­– Fabrikstrasse 10. Yoshio Taniguchi, 80 S., Basel 2011, ISBN 978-3-85616-504-8, CHF 49.00/€ 32.00

11 Novartis Campus – Fabrikstrasse 22. David Chipperfield, 80 S., Basel 2011, ISBN 978-3-85616-524-6, CHF 49.00/€ 32.00.

 

 

Verlagsinformationen

www.merianverlag.ch

 

Besichtigung

www.novartis.ch

 

(Juni 2011)

 

 

Fabrizio Brentini,

geboren 1957, Studium der Kunstgeschichte, Philosophie und Theologie in Fribourg und Zürich.

1994 Promotion bei Prof. Stanislaus von Moos. Unterrichtet Philosophie sowie Religionskunde und Ethik an der Kantonsschule Sursee. Zahlreiche Publikationen. Er wohnt mit seiner Familie in Luzern. www.architekturgeschichte.ch

NACH OBEN

Reportage


Buchtipp


Kolumnen/
Diverses