FRONTPAGE

«Here comes the sun: George Harrison»

Von Ingrid Isermann

Als wir am 17. August 1960 mit einer Teenie-Clique in einer Seitenstrasse der Hamburger Reeperbahn zufällig in einem Kellerlokal namens ‚INDRA’ landeten, ahnten wir nicht, dass die auftretende junge lautstarke Band aus Liverpool die Premiere der Beatles war. So nannten sie sich erst später im ‚Star Club’. Es war ihr erster Auftritt überhaupt in Hamburg. Ihr Sound war laut, absolut neuartig und elektrisierend, sie waren blutjung, 17 bis 19 Jahre, spielten aber schon wie die Weltmeister.
An Paul McCartney erinnerte ich mich später sofort wieder wegen der ungewöhnlich geschwungenen Linie seiner Augenbrauen, und an John Lennon wegen seines betont maskulinen Auftretens. Ringo Starr war in Hamburg noch nicht dabei.

«Wir hatten nicht viel Geld, es reichte gerade fürs Essen. Eigentlich standen wir mit leeren Händen da, aber alles war unglaublich aufregend. Wir waren inmitten der frivolsten Stadt der Welt, und das mit 17 Jahren».

GEORGE

Jetzt ist ein wunderschöner Bildband über George Harrison, den man den ‚den stillen, den leisen Beatle’ nannte, erschienen. Ein Foto von ihrem allerersten Auftritt in Hamburg ist auch darin enthalten. Es zeigt John, George, Pete Best, Paul und Stuart Sutcliffe. In Hamburg gibt es auch ein Beatles-Museum mit Fotos und Requisiten der frühen Jahre.

 

Die illustrierte erste Biografie von seiner Frau Olivia Harrison, herausgegeben von Mark Holborn, mit einem sehr persönlichen Vorwort des mehrfach preisgekrönten Regisseurs Martin Scorsese, dessen Dokumentation Living in the Material World. George Harrison ein Kinoerfolg ist, und einem Prolog des Reiseschriftstellers Paul Theroux, geht aus vom privaten Fundus von George Harrisons Fotografien, handschriftlichen Aufzeichnungen, Erinnerungsstücken und Tagebucheinträgen und zeichnet ein intimes Bild seiner Persönlichkeit und kreativen Energie. Begleitet werden die Bilder von zahlreichen Kommentaren der berühmten Wegbegleiter von Paul Mc Cartney und Ringo Starr bis zu Eric Clapton, Terry Gilliam, Eric Idle u.a.

 

«Was uns auszeichnete, war Ehrlichkeit, eine sehr einfache, fast naive Offenheit, und das hatte sicherlich viel mit unserer Herkunft zu tun. Die Menschen im Norden zeichnet diese Aufrichtigkeit aus, aber sie haben auch viel Humor. Es heisst, dass man Humor haben muss, um an einem solchen Ort zu leben. Jeder, der aus Liverpool kommt, hält sich für einen Spassvogel, und wir waren da keine Ausnahme. Das hat uns aufrecht gehalten».

GEORGE

Nach seiner ersten Karriere als Beatle wurde George zu einem erfolgreichen Solomusiker, er engagierte sich als Filmproduzent, u.a. für Monty Phyton, und spielte und sang in der Band Travelling Wilburys zusammen mit Bob Dylan, Jeff Lynne, Tom Petty und Roy Orbison.

 

Olivia Harrison, seit 1978 mit George Harrison verheiratet, kümmert sich seit dem Tod ihres Mannes 2001 um sein Vermächtnis. Sie erhielt 2003 den Grammy Award für die Filmdokumentation ‚Concert for George’, deren Einnahmen sie der von ihr gegründeten Stiftung Material World Charitable Foundation flossen, die sie bis heute ebenso verwaltet wie den George Harrison Fund für UNICEF.

 

 

Olivia Harrison
George Harrison
– Living in the Material World
Die illustrierte Biografie
Herausgegeben von Marc Holborn
Mit einem Vorwort von Martin Scorsese
und einer Einleitung von Paul Theroux
Knesebeck Verlag München 2011
geb, 400 Seiten, 300 s/w und farbige Abb.
CHF 56.90. € 39,95 [D] / 41,10 [A]
ISBN 978-3-86873-369-416-4

 

 

 

«Ernest Hemingway – ein Leben wie im Film»

 

Ernest Hemingway – was für ein Leben! Sein Name hat Kultstatus. Nun gab die Enkelin und Schauspielerin Mariel Hemingway (*1961) anlässlich des 50. Todestages 2011 einen Biografie-Bildband »Ernest Hemingway in Bildern und Dokumenten» heraus. In ihrem Vorwort schreibt sie: «Ein richtiger Kerl, ein Jäger, ein Hochseeangler, ein Mann der klaren Worte und mein Großvater… Ich bin glücklich, Ernest Hemingways Enkelin zu sein… und ich fühle mich geehrt, ein Teil von ihm zu sein».
Hemingways Leben und Werk beschreibt Boris Vejdovsky, Professor für amerikanische Literatur und Kultur an der Universität Lausanne, in acht ausführlichen illustrierten Kapiteln, u.a. von «Eine amerikanische Kindheit» und «Die Kriege des Ernest Hemingway» über «Das Schreiben und der Tod» bis zu «Das verlorene Paradies der Männer ohne Frauen». Er spürt dem Lebensweg des Schriftstellers nach, von Hemingways Anfängen im amerikanischen Oak Park (1899), über die Zeit in Paris mit Gertrude Stein, die ihn in die Künstlerkreise einführte und mit Picasso bekanntmachte, über die Reportagereisen nach Spanien mit seiner Leidenschaft für Stierkämpe und nach Italien und Venedig, seine Erfahrungen in Afrikas als Grosswildjäger, den Kuba-Aufenthalt auf Key West, doch darüber geschrieben hat Hemingway immer «anderswo»:
«Deshalb fährt er in sein Haus nach Key West, um dort über seine Erlebnisse in Afrika zu schreiben, so wie er, nach einem bereits bekannten Muster, in Paris über Michigan, auf Kuba über Paris, in Florida über Spanien schreiben wird – aber das Leben ist nun einmal anderswo.» (Vejdovsky)
Manch exzellente Trouvailles sind im Bildband zu entdecken, wie ein Foto mit Marlene Dietrich und ein Brief von ihr, unterzeichnet mit „Eine Deiner Töchter, Marlene – Your Kraut“, wie er sie nannte. Ihre kurze Liebesgeschichte begann, als sie sich zufällig 1934 auf einem Ozeanliner begegneten. Oder ein Manuskript von F. Scott Fitzgerald (Der Grosse Gatsby), das Ernest redigierte.
Ernest Hemingway hatte den Ruf eines Frauenhelden, war viermal verheiratet, u.a. mit der Kriegsreporterin und Romanautorin Martha Gellhorn, die in ihrem Buch ‚Reisen mit mir und einem anderen’, Fünf Höllenfahrten, auch sarkastisch über ihre Zeit mit Hemingway berichtete (Dörlemann Verlag Zürich 2011) und die über Hemingway sagte, er sei immer mehr an seinen Büchern interessiert gewesen als an den Frauen an seiner Seite.
Tatsächlich meinte Hemingway selbst: „Wenn ich eine Geschichte geschrieben hatte, war ich immer leer und beides, traurig und glücklich, wie nach einer Liebesnacht“. Er hatte unzählige Affären, galt als Abenteurer, Grosswildjäger, Stierkämpfer, Alkoholiker und Aufschneider, gegen Ende seines Lebens und seinem Freitod am 2. Juli 1961 in Ketchum/Idaho gar als psychopathisch. Vejdovsky entwirft ein bestechendes Psychogramm eines sensiblen Machos mit empfindsamer Seele und durchleuchtet die Legendenbildungen, für die Hemingway selbst verantwortlich war, der häufig Literatur und Leben miteinander vermischte. Die authentische Lebenswirklichkeit in seinen Erzählungen und Romanen machten ihn jedoch zu einem Schriftsteller von Weltrang.
Hemingway erhielt 1954 den Literatur-Nobelpreisträger für den Klassiker «Dar alte Mann und das Meer». Seine Reportagen als Kriegsbericht-erstatter vom Spanischen Bürgerkrieg und vom Stierkampf, seine Romane «Fiesta» (1926), «In einem anderen Land» (1929),“Die grünen Hügel Afrikas“ (1935), wurden Bestseller und wurden grösstenteils verfilmt, wie auch das Spanien-Epos «Wem die Stunde schlägt» (1940) mit Ingrid Bergman und Cary Cooper. In den erst nach seinem Tod erschienenen Erinnerungen «Paris – ein Fest fürs Leben» erzählt Hemingway von seiner Zeit in Paris (1921-1928), den prägenden Begegnungen mit Gertrude Stein und Persönlichkeiten aus Kunst und Literatur, von seiner Liebe zu seiner verehrten ersten Frau Hadley, und seiner Geliebten und zweiten Frau Pauline Pfeiffer.
Seinen literarischen Ruhm begründete Ernest Hemingway mit fulminanten Kurzgeschichten, in denen er einen eigenen Stil schuf und seinen unnachahmlichen Sound kreierte, wie beispielsweise in «Schnee auf dem Kilimandscharo» oder «Das kurze glücklose Leben des Francis Macomber». Die prachtvolle Biografie mit grösstenteils unveröffentlichten Fotos aus dem Privatbesitz präsentiert Hemingway als Schriftsteller und Schriftsteller-Darsteller, als Hochseefischer, Grosswildjäger, Boxer, Geheimagent und Schlachtenbummler, eine Legende des 20. Jahrhunderts, am Ende seines Lebens gefangen in dem für die Öffentlichkeit konstruierten Mythos, der ihm keine neuen Spielräume mehr zu bieten schien.
Gertrude Stein gab Ernest Hemingway zu Beginn seiner Karriere einen wichtigen Ratschlag mit auf den Weg: „Alles, was du tun musst, ist, einen wahren Satz zu schreiben. Schreib den wahrsten Satz, den du weisst.“ Für Hemingway bedeutete das Ringen um Wahrheit, um Männlichkeitsideale und den Traum vom richtigen Leben auch, sich der Gegenwärtigkeit des Todes zu stellen, der Sterblichkeit, denn alle Geschichten enden, so Hemingway, „…wenn man sie weit genug verfolgt mit dem Tod, und der ist kein echter Geschichtenerzähler, der Ihnen das vorenthält.“ Aus dieser Erkenntnis heraus schuf Hemingway seinen Sound, jenen süchtig machenden Dreiklang aus Liebe, Schönheit und Tod, der Ernest Hemingways Gesamtwerk durchweht und der auch heute noch in den Bann zieht.

 

 

Mariel Hemingway

Ernest Hemingway in Bildern und Dokumenten.

Biografie, mit Textbeiträgen von Boris Vejdovsky.

Aus dem Französischen von Alwin Letzkus.

Edition Olms, Zürich 2011. 208 S., 350 Abb.

CHF 79.50. 49,95 €.

ISBN 978-3-283-01178-9

NACH OBEN

Reportage


Buchtipp


Kolumnen/
Diverses