FRONTPAGE

«Menorca: Naturparadies im Mittelmeer»

Von Ingrid Schindler

 

Dank nachhaltiger touristischer Entwicklung und intakter Natur ist Menorca das Juwel der Balearen und der Tipp für sportliche Individualurlauber schlechthin, ob zu Wasser und zu Lande, reiche Kultur inklusive.

Keine Ballermänner, keine Bettenburgen, keine Wasser- und Umweltsorgen, keine Bettler, kein Dreck, kein Lärm und deutsche Urlauber unter „ferner liefen“. Soviel zum Vergleich der kleineren Baleareninsel Menorca mit der grossen Schwester Mallorca. Was die touristische Spätzünderin dagegen auf der Habenseite in die Waagschale werfen kann: Ruhe, prähistorische Denkmäler, authentische Lebenskultur, sanften Tourismus und ein mildes subtropisches Klima, in dem Feigen, Wein und Zitrusfrüchte aufs beste gedeihen. Dazu bietet sie herrliche Strände und ganz viel idyllische Natur – 70 Prozent der Küste sind unverbaut und bleiben es auch, da sie unter Schutz stehen, sowie einen der grössten Naturhäfen der Welt. Und praktisch-bequeme Kultsandalen, die Avarca de Menorca, die aus Autoreifen und Kuhleder in allen möglichen Farben und Mustern seit 60 Jahren angefertigt werden.
Fangen wir vor Adam und Eva an, dem reichen talayotischen Erbe Menorcas. So reich, dass die Insel ihre Kandidatur zur Aufnahme ins UNESCO-Weltkulturerbes eingereicht hat. In Zahlen bedeutet dies über 1500 prähistorische, 2000 bis 4000 Jahre alte Monumente, und das bei bei einer Inselgrösse von gerade einmal 700 km2. Die Zeugnisse der talayotischen Kultur, wie man die frühe Zivilisation auf Mallorca und Menorca bezeichnet, sind ungewöhnlich gut erhalten; sie wurden in der sogenannten zyklopischen Technik erbaut, bei der riesige Steine und Quadersteine ohne Mörtel trocken verlegt und aufeinandergeschichtet werden.
Das auf einer Kalksteinplattform in dieser Weise errichtete Kollektivgrab Naveta des Tudons ist das bekannteste, prähistorische Bauwerk der Balearen und eines der bedeutendsten der europäischen Vorgeschichte überhaupt. Es ähnelt in der Form einem umgekehrten Schiffsrumpf. Dessen Eingang zeigt nach Westen, in seinem Inneren befinden sich zwei Kammern, eine obere und eine untere, die menschliche Gebeine und Grabbeigaben von Schmuck bis zu Speerspitzen und Keramikgefässen enthielten. Man datiert diese Art von Grabmälern auf den Zeitraum von 1400 v.Chr. bis etwa 900 v.Chr. zurück.

 

Der Hafen des Mare nostrum
Grosse Anziehungskraft besass Menorca seit Beginn unserer Zeitrechnung aufgrund seines fjordartigen Naturhafens. 5,5 km lang, bis zu 1,2 km breit und zwischen 20 und 30 m tief – das kann, ausser Sydney, kein anderer Hafen dieser Welt von Natur aus bieten. Das Interesse fremder Mächte am Hafen von Mahon, katalanisch Maó, als dem strategisch wichtigsten Punkt im westlichen Mittelmeer war dementsprechend gross: Karthager, Römer, Vandalen, Byzantiner, Araber und Sarazenen, Piraten, Korsaren und Katalanen, Türken, Briten, Franzosen und Spanier rissen sich darum, da er ganzen Flottenverbänden Schutz, Versteck und Überwinterungsmöglichkeiten bot, das Hinterland fruchtbar und wasserreich war und derjenige, der ihn einnahm, die Kontrolle über das westliche Mittelmeer besass.
Viele der Eroberer haben Spuren in Menorca hinterlassen. Die Römer brachten den Wein, die Araber die Trockensteinmauern, um den fruchtbaren, steinigen Boden vor Wind und Erosion zu schützen und die Steine aus dem Boden zu schaffen. – Heute sind die schönen Sandsteinmauern mit einer Gesamtlänge von 16’000 km Länge landschaftsbildend und werden von der Inselregierung als Parzellenumfassung vorgeschrieben. ¬ Karl I. hat mit San Felipe die bedeutendste Hafenfestung im Mittelmeerraum des 16. Jahrhunderts hinterlassen; ausser Mauern und einem Obelisken steht davon nicht mehr viel. Die Franzosen liessen ein Lazarett und eine Quarantänestation auf gleichnamigen Inseln im Hafen zurück, die Briten ein Militärhospital auf der Königsinsel, heute Raum für Ausstellungen und Kultur.

 

Ausserdem prägten sie das Bild ganzer Quartiere mit ihren geraden Strassenzügen, Truppenübungsplätzen, ihrer Militär- und Kolonialarchitektur. Nebenbei haben sie Menorca Gin vermacht, den die britischen Soldaten als Teil ihres Solds erhielten. Weil man ihn hier nicht mit Korn, sondern mit Weingeist brennt, schmeckt er ungewohnt. Mit Limonade aufgegossen stellt er heute unter dem Begriff Pomada den populärsten Inseldrink. Die Mahonesa soll man übrigens nicht einem der Eroberer verdanken, sondern aus der Not heraus für oder wegen des Herzogs von Richelieu erfunden haben. Bekannt wurde die kalt gerührte Sauce dann aber doch dank des Franzosen – als Mayonnaise. Auch sonst wäre die spanische Küche menorquinischer Ausprägung mehr als eine Entdeckung wert, doch zurück zum Hafen. Von den Spaniern stammt u.a. eine gut erhaltene Gefängnisinsel und eine Hafenrundfahrt zu all den Festungen und Arsenalen aus Mahons bewegter Vergangenheit lohnt in jeden Fall. Wo früher Lord Nelson und andere Admiräle logierten, können heute Touristen in charmanter Kolonialstilarchitektur nächtigen. Gut Betuchte, wie Richard Branson, die Swarowkis, spanische Fussballstars oder das Königshaus, besitzen Anwesen in Bestlage über dem Hafen oder in einem der zahlreichen geschützten Naturräume.

 

 

Wege zu Wasser und zu Lande
Fünf Naturreservate und 19 Naturräume von besonderem Interesse brachten der Insel bereits 1993 die Anerkennung als Biosphärenreservat der UNESCO ein. 46 Prozent der Inselfläche stehen heute unter Schutz. Dank der späten touristischen Entwicklung, sehr viel später als Ibiza und Mallorca, der frühen Entscheidung für Umweltschutz und Nachhaltigkeit und dem zwangsläufig daraus folgenden sanften Tourismus ist Menorca heute das Juwel unter den Balearen, wenn nicht die umweltfreundlichste Mittelmeerinsel überhaupt. Seit den 90ern sind Bauten, die höher als drei Stockwerke sind, untersagt.
Von der grossen landschaftlichen Vielfalt auf kleinem Raum und der intakten Natur profitieren nicht nur die Einwohner und Touristen, sondern auch die Tierwelt, insbesondere Zugvögel. Die Insel ist unter Birdwatchern kein Geheimtipp mehr. Pinien- und Steineichenwälder mischen sich mit Feuchtgebieten, Lagunen und Salinen, dramatische Küstenstreifen, Klippen und Schluchten wechseln sich mit Sandstränden und Feldern, Obst- und Olivenhainen ab, in denen zahlreiche, seltene Vogelarten ihr Habitat finden.
Wilde Ziegen, aus Holstein eingeführte schwarz-weisse Kühe und schwarze menorquinische Pferde, eine aus Arabern und englischen Pferden gekreuzte Rasse und das Wahrzeichen der Insel, vervollständigen das Bild. Sie spielen die Hauptrolle in den um Johanni stattfindenden Inselfesten und Reiterspielen (Jaleos). Die starken, drahtigen Pferde geben dem Küstenweg Camí de Cavalls (GR-223) seinen Namen, der vor sieben Jahren als 184 km langer Rundweg um die Insel für Wanderer, Velofahrer und Reiter ausgebaut wurde.
Was für die Natur über Wasser gilt, gilt auch darunter, das Biosphärenreservat schliesst den Meeresboden mit ein. Menorca ist dank seiner hervorragenden Wasserqualität und artenreichen Unterwasserwelt ein Paradies für Wassersportler, vor allem für Kajakfahrer und Taucher, die mit verwunschenen Grotten, Galerien, Riffen, Kaminen und Höhlen sowie gesunkenen Schiffswracks aus der Antike und Neuzeit jede Menge reizvoller Tauchreviere vorfinden. An der Nordküste wurde zwischen der Bucht von Fornells und Cap Gros in Ciutadella ein über 5000 Hektar grosses, unversehrtes Meeresschutzgebiet eingerichtet, wobei aber die gesamte menorquinische Küste zum Tauchen einlädt. Von der Reinheit des Wassers und der Schönheit der Seegraswiesen können sich auch Landratten bei der Hafentour mit dem Glasbodenboot einen Eindruck verschaffen.

 

 

Reisetipps:
Reiseveranstalter: Rhomberg, die Reisemassschneiderei aus Dornbirn/ Vorarlberg für Reisen abseits des Mainstreams, bietet individuelle Reisen nach Menorca inkl. Flug ab Bern und St. Gallen-Altenrhein, Mietwagen, Hotels, Ferienvillen, Ausflügen oder Wanderwochen an, www.rhomberg-reisen.com
Hotel: Audax Artiem, www.artiemhotels.com, an der Cala Galdana.
Essen und Trinken: Can Bernat des Grau, Crta. Mahón-Fornels Km 3, Tel. +34 650 974 685; Ses Voltes, www..espai-sesvoltes.com, Ciutadella, Tel. +34 971 3814 98; Bodega, Restaurant, Besichtigung, Ctra. Sant Lluís – Es Castell km 1, Sant Lluís, Tel. +34 971 15 07 15, www.binifadet.com
Wandern/ Sport: geführte Natur- und Kulturtouren mit Ronald Fritz, auch Gepäcktransport, Unterkunft, Bring- und Holservice auf dem Camí de Cavalls, www.menorcaslow.net; Kayaktouren, Bootsfexkursionen, Segeln, Yoga u.a.: Sports & Nature, Audax/ Artiem Hotels, Cala Galdana, Tel. +34 971 154 548;
Talayotische Kultur: www.menorcatalayotica.info
www.menorca.es

 

 

 

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