FRONTPAGE

«Schauspielhaus Zürich: Charaden um Mephisto light»

Von Ingrid Isermann

 

Die bitterböse Satire von Klaus Mann auf den Intendanten des Preussischen Staatstheaters, Gustav Gründgens, kommt in Zürich in der Inszenierung von Regisseur Dušan David Pařízek leichtfüssig daher. Das Stück spielt in den 30er Jahren und Hendrik Höfgen alias Gründgens ist im Windschatten der Nationalsozialisten auf dem Höhepunkt seiner Karriere.

Das Bühnenbild von Dušan David Pařízek vermittelt die sich zuspitzende Verengung der Lebensumstände im aufkommenden Faschismus mit bedrückenden grauen Blöcken. Man feiert den Geburtstag des Ministerpräsidenten mit allerlei Klamauk, Höfgen wird hofiert vom Propagandaminister (Joseph Goebbels) und verehrt von dessen Frau, der Schauspielerin Lotte Lindenthal, die Höfgen nach Berlin holte und beginnt einen munteren Reigen mit wechselnder Beziehungen und geheimen erotischen Leidenschaften, wie mit Juliette Martens, einer farbigen Tänzerin, kongenial verkörpert (in mehreren Rollen) von Miriam Maertens. Die Geschichte eines skrupellosen Opportunisten  inszeniert Pařízek szenisch als sadomasochistischen virilen Tanz auf dem Vulkan. Klaus Mann wollte damit in seinem Roman Anpassertum und skrupellosen Karrierismus kennzeichnen, jedoch nicht in Verbindung mit Homosexualität.

 

Höfgens (Michael Neuenschwander) bewegt sich auf schmalem Grad und dient sich den faschistischen Machthabern an. Seine früheren Freunde, wie der überzeugte Kommunist Otto Ulrichs (Siggi Schwientek), kämpfen ums Überleben, während Höfgens die Karriereleiter emporklettert. Der junge zackige Nazi (André Willmund) stärkt ihm den Rücken. 1934 wurde Gründgens Intendant des Staatlichen Schauspielhauses Berlin und 1936 Preussischer Staatsrat als Schützling von Hermann Göring.

 

Das Stück kommt erst nach der Pause, die irgendwie keine ist, in Fahrt. Nach Geplänkel und Tändeleien verschärft sich die politische Situation, Höfgens sieht sich isoliert und ist sich, zur Rechenschaft gezogen, keiner Schuld bewusst: «Was wollen die von mir? Ich bin doch nur ein Schauspieler». Die dreistündige Theateraufführung hat etliche Längen, doch kann die Brisanz des Romaninhaltes auch in der heutigen Zeit überzeugen, dies dank der immer wieder aufblitzenden schauspielerischen Leistungen des spielfreudigen Ensembles.

 

Klaus Heinrich Thomas Mann, 1906 als Sohn des Schriftstellers Thomas Mann in München geboren, begann seine literarische Laufbahn in der Weimarer Republik der 20er Jahre und verarbeitete in seinem frühen Werk Themen, die als Tabubruch galten. Nach seiner Emigration aus Deutschland im Jahr 1933 und der Bücherverbrennung auch seiner Schriften, wurde Klaus Mann zum kämpferischen Literaten gegen den Nationalsozialismus. Als Exilant nahm er 1943 die amerikanische Staatsbürgerschaft an. Die Neuentdeckung seines Werkes als einer der wichtigsten Repräsentanten der deutschsprachigen Exilliteratur in Deutschland fand erst lange nach seinem Tod statt.  Klaus Mann nahm Gründgens zur Vorlage für seinen Roman Mephisto, der 1936 in Amsterdam erschien und 1971 durch das Verbot der Neuveröffentlichung zu einem Literaturskandal in der Bundesrepublik Deutschland führte. 1981 verfilmte Istvan Szabo den Roman mit Klaus Maria Brandauer, für den er 1982 einen Oscar erhielt.

Die Wahlverwandtschaften wurden im Roman verfremdet und nicht transparent dargestellt. Klaus Manns ihm sehr verbundene ältere Schwester Erika war 1926 bis1929 kurz mit Gustav Gründgens, obwohl beide homosexuell, verheiratet und somit sein Ex-Schwager. Erika und Klaus Mann standen auch zusammen mit Pamela Wedekind und Gustav Gründgens auf der Bühne in seinem skandalumwitterten Stück «Anja und Esther». Den ruhelosen Klaus Mann, der schon früh seine Memoiren verfasste «Kind dieser Zeit» (Suhrkamp Verlag), hielt es nirgends lange an einem Ort. 1949 schied er in Cannes mit erst 43 Jahren freiwillig aus dem Leben.

 

Premiere 15. Januar 2016, Pfauen

Regie und Bühne: Dušan David Pařízek

Mit
Michael Neuenschwander
Siggi Schwientek
André Willmund
Miriam Maertens
Elisa Plüss

Info Veranstaltungen www.schauspielhaus.ch

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