FRONTPAGE

«Das Paradies duftet nach Vanille»

Von Ingrid Schindler

 

Viel  Südseeromantik findet man auf den polynesischen Inseln Tahaa, Raiatea und Huahine, wo statt Touristen Vanilleblüten Hochzeit feiern. Bora Bora ist das Mekka von Honeymoonern, die einmal im Leben mit Schildkröten, Delphinen und Rochen um die Wette schwimmen wollen, mit Mai-Tais ihre Flitterwochen begiessen und sich in Luxusspas der schönsten Lagune der Welt verwöhnen lassen.  Auf den Nachbarinseln Raiatea, Tahaa oder Huahine nimmt sich Südseeromantik urtümlicher aus.

Unverbaut, urwüchsig, verschlafen, wild und touristisch sanft erschlossen zeigen sich diese im Vergleich zur „Perle der Südsee“, wie James Cook Bora Bora bezeichnete. Während sich auf Bora Bora die Wasser-Bungalows grosser Hotelresorts wie Perlen an einer Schnur in der türkisblauen Lagune reihen und der Tourismus dominiert, leben auf den Nachbarinseln noch viele Menschen traditionell  von Vanille, Fisch und Perlen.
Ausgerechnet auf Raiatea, der Wiege Polynesiens, errichteten kalifornische Sunnyboys aus Jux in den Sechzigern den ersten Pfahlbau-Bungalow der Südsee. Auf Huahine eröffneten sie dann das erste Hotel mit Überwasser-Bungalows mit Glasböden, die zum Inbegriff polynesischer Hotellerie wurden. Trotzdem gibt es auf diesen Inseln heute mehr Privatunterkünfte als Hotels und dazu traumhafte Buchten, die für Robinsonaden wie geschaffen sind. Hierher passen die kraftvollen, archaischen Tänze der Polynesier, ihre Tatoos, Baströcke, ihr Federn- und Muschelschmuck und die aphrodisischen Vanilleketten der schönen Frauen.
Wie Raiatea ist die Schwesterinsel Tahaa im Innern nicht erschlossen. Nur holprige Pisten führen ins dschungelartige Landesinnere, wo „der Hibiskus blüht und Frangipani duftet, als ginge der erste Schöpfungstag niemals zu Ende“, wie ein Reiseprospekt treffend schreibt. Von hier stammt der grösste Teil der Tahiti-Vanille, der Tahaa den Namen Vanilleinsel verdankt. Dank ihres betörenden Aromas ist die zufällig entstandene Unterart der Vanilla planifolia die Königin der Vanille; sie schmeckt dreimal so intensiv und kostet auch etwa das Dreifache der Konkurrenz aus Madagaskar oder Réunion. Nach Safran ist sie das teuerste Gewürz der Welt, nicht allein wegen ihrer überragenden Qualität, sondern auch wegen der hohen Produktions- und Frachtkosten.

 

 

Künstliche Fortpflanzung 
Erst 1848 auf Tahiti eingeführt, fand die Vanille auf den polynesischen Vulkaninseln nahezu paradiesische Verhältnisse vor: humusreichen, lockeren Boden, hohe Luftfeuchtigkeit, konstante Temperaturen zwischen 20 und 30 °C und eine üppige, schattenspendende Tropenvegetation mit einer Riesenauswahl an Wirtsbäumen, um die sie ihre Ranken schlingen kann.
Wenn es hier noch spezielle Insekten aus ihrer mexikanischen Heimat gäbe, wäre das Vanille-Paradies perfekt. Doch in Ermangelung der natürlichen Bestäuber kann die kapriziöse Orchidee hier ebenso wenig  wie auf Réunion und Madagaskar Blüten bilden, und damit auch keine Schoten. So erledigen den leidigen Job der künstlichen Bestäubung Bauern mit Fingerspitzengefühl, wie Odette Tauatiti, die mit ihrem Mann Guy die grösste und modernste Vanilleplantage auf Raiatea betreibt.
Die Tahitianerin demonstriert an einer offenen Blüte, wie man „Hochzeit“ macht. Für die „Mariage“ hebt sie vorsichtig die Blüte an, legt den Stempel mit den Blütenpollen frei und befördert diese mithilfe eines spitzen Holzstäbchens in die darunter liegende „Tasche“. Was für Bienen keine grosse Sache ist, war für den Menschen bis 1841 eine unlösliche Aufgabe, bis einem jungen Sklaven auf Réunion, damals Ile Bourbon, die Fortpflanzung von Hand gelang. In der Hochsaison im Juli, August bedeutet die Vanillehochzeit für die Produzenten richtig Stress, wenn Tausende von Blüten pro Tag in wenigen Stunden „verheiratet“ sein wollen. Ist die Operation geglückt, wachsen innerhalb von neun bis zehn Monaten die Schoten heran, die wie grosse, grüne Stangenbohnen von den Lianen hängen. Werden sie gelb-braun, sind sie reif. Nur die Tahiti-Vanille wird übrigens reif geerntet, während die Schoten auf Madagaskar und Réunion vor der Reife aufplatzen und deshalb grün geerntet werden.

 
In trockenen Tüchern
Die Matimos auf Tahaa leben seit Generationen „in der Vanille“, wie man sagt: Mittlerweile nicht als Bauern, sondern als Verarbeiter. Während Vater Matimo auf den „Coupes“, den Auktionen, mit den Produzenten um den Preis feilscht, kümmert sich Tochter Raimana um die frisch angelieferten Schoten, die erst nach vier bis sechs Monaten ihr Aroma entfalten. Jeden Tag dasselbe Spiel: Raimana und ihre Helferinnen sortieren die Schoten nach Länge, breiten sie auf Tüchern auf Holzgestellen drei bis vier Stunden in der Sonne zum Trocknen aus, wenden sie, schlagen sie wieder in die Tücher ein und legen sie in Holzkisten zurück. Sind die Schoten mindestens zur Hälfte geschrumpft, werden sie luftdicht verpackt und gehen in den Handel.
„Die Kunst besteht darin“, sagt Alain Abel, ebenfalls Préparateur de Vanille, „dass sie alle Feuchtigkeit verlieren, ohne trocken zu werden.“ Abel kommt aus Frankreich, er ist ein „Métropolitain“, der, wie so viele, der Schönheit der Südsee verfiel und auf Raiatea hängenblieb. Mit seiner Vanille holt er zuverlässig Preise in Paris, zuletzt die Goldmedaille des Concours Général Agricole 2009. Für Spitzenköche wie Guy Martin oder Joël Robuchon ist sie die beste der Welt. Auch andere Verarbeiter produzieren Spitzenschoten, doch reichen ihre Arme und Mittel nicht so weit.

 
Im Garten Eden
Dave, ein junger Einheimischer, bietet Vanilleexkursionen an, die sich als aufregende Landrover-Safaris quer über Tahaa entpuppen. Manchmal müssen die Gäste mithelfen, Bäume wegzuzerren, die den Weg zu einer Vanillepflanzung versperren. Zwischendurch gibt es zur Stärkung Grapefruits, Rambutans und frischen Kokossaft direkt ab Wald und grandiose Ausblicke. Wie Vanille im Rumpunsch, Kaffee, zu Fisch oder Früchten schmeckt, kann man bei Dave‘s Tante im „Chez Louise“, einem idyllischen, einfachen Restaurant am Meer, dem besten der Insel, probieren. Grosse Gourmetküche zelebriert man im Baumhaus-Restaurant „Vanille“ des Taha’a Private Island Resort & Spa, dem einzigen Relais & Château der Südsee. Es befindet sich in Traumlage auf einem Tahaa vorgelagerten Motu (Atoll).
Von einigen der Wasser-Bungalows des Resorts sieht man die Silhouette von Bora-Bora. Davor schieben sich Kokospalmen und die türkis schillernde Lagune mit ihren Korallengärten ins Bild. Das Szenario ist derart schön, dass man sich nichts weiter wünscht, als es ewig zu geniessen, am besten bei Massagen mit Monoi- und Vanilleöl. Alles weitere – Tauchen, Jetski, Perlenfarmen, sogar der Helikopter nach Bora Bora – kann warten. Hauptsache, man kauft rechtzeitig vor Abflug ein paar Vanillestangen und -ketten, um den verführerischen Duft des Paradieses mit nach Hause zu nehmen. Die schönen, schwarzen Tahiti-Perlen ersteht man dagegen günstiger bei Juwelieren in der Schweiz.

 

 

 

Die Vanilleinseln in Französisch-Polynesien
Allgemeines: Französisch-Polynesien besteht aus fünf Archipelen im Südpazifik, ca. 5‘700 km von Australien, 6‘200 km von Nordamerika, 7‘500 km von Südamerika entfernt. Die Vanilleinseln, Bora Bora, die Hauptinsel Tahiti u.a. gehören zu den Gesellschaftsinseln. Die Uhrzeit liegt 12 Stunden hinter der MEZ zurück. Für die Einreise sind wegen des USA-Transits ein elektronisch lesbarer Pass und ein ESTA-Visum notwendig.
Anreise: Flug mit Air France (www.airfrance.fr) oder Air Tahiti Nui (www.airtahitinui.com) von Paris über Los Angeles nach Papeete, von dort mit Air Tahiti nach Raiatea, Huahine oder Bora Bora (www.airtahiti.aero). 15 Minuten dauert der Flug von Bora Bora nach Raiatea. Zwischen Tahaa, Raiatea, Huahine und Bora Bora bestehen Schiffsverbindungen.
Unterkünfte: Taha’a Privat Island Resort & Spa (www.letahaa.com): das Nonplusultra der polynesischen Luxushotellerie, eines der weltbesten Spas (Manea Spa) und Hideaways. Weitere Manea Resorts & Spas (www.maneaspa.com) u.a. auf Moorea und Bora Bora. Für Aufenthalte auf Bora Bora und Tahiti: www.tahitiresorts.intercontinental.com. Weitere Hotels und Privatunterkünfte: www.tahiti-tourisme.fr

 

Vanille: www.tahiti-vanille.comwww.hotu-vanilla.com.pfwww.vanillesdetahiti.com; Vanille- und andere Exkursionen organisiert das Taha’s Private Island Resort.

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