FRONTPAGE

«How to start a revolution with a Laptop»

Von Hedi Wyss

Als vor einigen Jahren die junge Dok-Filmerin Barbara Müller eine Idee hatte, musste ich erst nachfragen. Bloggen für Menschenrechte? Ich benutze als Journalistin zwar seit es sie gibt, Computer zum Schreiben, aber in meiner Generation hat es sich dann damit fast.

Aber Barbara, die ich seit Kindsbeinen kenne und deren Karriere – Jura- Studium, dann seit etlichen Jahren Dokumentarfilme fürs Fernsehen, Mitarbeit an dem preisgekrönten Film «War-Photographer» – musste es mir erst erklären: Da gab es schon damals in diversen Diktaturen junge Frauen, die sich mit ihren Blogs in Gefahr begeben, weil sie so verbreiten können, was wirklich geschieht in ihrem Land und verschwiegen wird.

So prangern sie die Verletzung von Menschenrechten an und rufen zum Widerstand auf.
Fast war die Finanzierung des Projekts vor drei Jahren gesichert, da zog eine Institution ihr Versprechen plötzlich zurück. Teilweise mit widersprüchlichen Argumenten, so hörte ich – zu politisch, weit hergeholt etc. – und das Projekt war massiv gefährdet. Es fanden sich dann doch im letzten Moment andere Geldgeber, und die Realisierung konnte beginnen.

Nun ist der Film in den Kinos, läuft gegenwärtig im RiffRaff in Zürich, in der Loge in Winterthur, und ist so aktuell wie nie zuvor vermutet worden wäre. Inzwischen ereignete sich der arabische Frühling. Dass es möglich ist, eine Revolution zu starten mit einem Laptop auf den Knien, ist allenthalben klar.
Aber was in Nordamerika geschah, war auch für die Filmerin absolut überraschend. Denn da, wo sie arbeitete: in Kuba, Iran und China ist die Revolution, der Umsturz noch ein Wunschtraum, die Repression noch Realität.

Yoani Sanchez in Kuba muss ihren Blog immer noch verstohlen in einem Luxushotel ins Netz schmuggeln, denn die normalen Bürger haben keinen Zugang zum Internet. Doch mit Sticks und CDs gelingt es dennoch unter den Oppositionellen Kubas zu kommunizieren, eine grössere Öffentlichkeit im In- und Ausland über politische Gefangene zu informieren, zu zeigen, wie ihre Frauen und Töchter weissgekleidet gegen das Regime demonstrieren.
Yoani selbst berichtet auch über die direkte Repression gegen sie, wie sie zusammen-geschlagen wurde, wie kein Arzt ihre Verletzungen zu Protokoll nehmen wollte, und wie sie als feindliche Agentin des Kapitalismus im Fernsehen verunglimpft wird.
Allerdings ist sie diejenige, die am meisten Echo auch im Ausland findet.
Michelle Obama und Hillary Clinton lobten ihr Engagement anlässlich einer Preisverleihung, zu der sie aber nicht nach USA ausreisen durfte.

 

Die Iranerin Farnaz Seifi war an der Premierenfeier im RiffRaff in Zürich anwesend. Sie musste vor massiver Repression ins Exil fliehen, nachdem sie im Gefängnis gefoltert, ihre Familie massiv bedroht worden war. Aber sie bloggt weiter konsequent aus dem Ausland, prangert vor allem die massive Unterdrückung der Frauen im Iran an.
Ihr gelingt es so eher, international Beachtung zu finden, über Beziehungen und Schleichwege im Netz auch mit Betroffenen in ihrer Heimat zu kommunizieren.

 

Viel schlimmer steht es um die Chinesin Zeng Jinjan. Die Repression in China ist so massiv, dass Filmmaterial fast nur durch geheime Aufnahmen der Betroffenen, die dann herausgeschmuggelt wurden (französische Menschenrechtsaktivistinnen setzten sich dafür ein) realisiert werden konnten.
Die wenigen Aufnahmen zeigen Bestürzendes: Etwa wie Zeng, wenn sie zur Arbeit gehen will, massiv bei jedem Schritt behindert wird, oder was es heisst, dann, nachdem ihr Mann verhaftet wurde und im Gefängnis ist, unter absolutem Hausarrest mit einem kleinen Kind zu leben. Dennoch bloggt auch Zeng weiter und findet jeweils Wege, ihre Texte ins Ausland weitergeben zu können.

 

In einem Zeitungs-Interview nach der Fertigstellung des Filmes zeigt die Kubanerin Sanchez wie dank technischer Weiterentwicklung in ihrem Land die elektronische Kommunikation trotz Repression immer weniger vom Regime blockiert werden kann. Sie sieht, wenigstens in Kuba, zwangsläufig eine Lockerung der Zensur, mehr Möglichkeiten für die Bürger, zu Informationen zu kommen, was auch die politische Aktion und den Widerstand stärken wird.

 

Der Film, der ein wichtiges Problem anhand individueller Schicksale behandelt, zeigt bewegende Momente und macht abstrakte Informationen auf diese Weise emotional erlebbar. Übrigens Barbara Müller nennt sich im Abspann des Films Barbara Miller, und hofft so, dass die kubanischen Behörden bei ihrer nächsten Einreise nach Kuba, sie nicht mit ihrem Werk in Verbindung bringen. Sie hat Familie in Kuba.

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