FRONTPAGE

Ingeborg Bachmann: «Die Suche nach Freiheit und dem eigenen poetischen Ort»

Von Ingrid Isermann

Die Biografie «Der dunkle Glanz der Freiheit» von Andrea Stoll präsentiert unveröffentlichte Aufzeichnungen und Einblicke in die Vita der mit erst 47 Jahren in Rom verstorbenen Dichterin Ingeborg Bachmann (1926-1973), die mit ihrem poetischen Schreiben in ihrem autonomen Freiheitsverständnis der Zeit voraus war, mit ihrer Dichtung aktuell geblieben und wieder neu zu entdecken ist.

«Die Zeit tut Wunder. Kommt sie aber unrecht

mit dem Pochen der Schuld: wir sind nicht zu Hause».

 

In ihrem gefeierten Gedicht-Debüt «Die gestundete Zeit» (1953) schlägt eine junge Lyrikerin einen neuen Ton an, der in den Nachkriegsjahren der verinnerlichten Verblendung sogleich auffiel und Glocken läuten liess. Ingeborg Bachmann konnte die verkrusteten Oberflächen mit der poetischen Axt aufbrechen, die Leute horchten auf.

Schon in ihrem ersten Gedichtband manifestiert Ingeborg Bachmann die Bedeutung der Erinnerung als literarisches Motiv wie auch als Strukturelement ihres poetischen Sprechens, das die kollektive historische Erfahrung und das subjektive Erinnerungsbewusstsein umfasst. Nahezu alle Gedichte standen in einem unübersehbar zeitgeschichtlichen Kontext. Die zeitgenössische Kritik der vorwiegend männlichen Kritiker übersah geflissentlich die politische Dimension schon in Bachmanns erstem Gedichtband.

 

Mit der Titelstory des führenden Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» wurde Ingeborg Bachmann 1954 zur Dichter-Ikone gekürt, die hymnische Vermischung von Werk und Person eingeleitet, die die Zeitungskritik jener Jahre für lange Zeit dominieren sollte.

Sie schien wie eine Prophetin von weit her zu kommen und ihr zweiter Gedichtband «Anrufung des grossen Bären» (1956) beschwor ein globales Bewusstsein des Kosmos und der Erde, das noch auszuloten ist.

Ihre Bilder «An die Sonne» oder «Mein erstgeborenes Land» setzten der europäischen Gewaltsgeschichte die persönliche Vernichtungserfahrung entgegen. Die zerstörerische Kraft des Eros wird auf eine Stufe des Lebens mit kriegerischen Motiven gestellt. Sie hatte die Zeitdiagnostik in den Adern, dass die Zeiten des Krieges noch lange nicht vorbei waren, dass Krieg ganz woanders beginnt, als wo er vermutet wird, zuallererst in den Beziehungen der Menschen.

 

Als Bachmann in ihrer Jugend in Kärnten durch Nazi-Terror und Krieg in Todesangst und Einsamkeit geriet, so die Autorin, war sie fähig und willens gewesen, mit ihrer Sprache ein Lebensfundament zu begründen. Ihre Verbindungen und Liebschaften mit Paul Celan und Max Frisch, die vernichtenden Erfahrungen, ausgerechnet von so wichtigen Lebensmenschen zerstörerischen Verhältnissen preisgegeben zu sein, lösten einen tiefen Schock mit prägenden Konsequenzen für ihr Schreiben aus.

 

«Meine Gedichte sind mir abhanden gekommen.
Ich suche sie in allen Zimmerwinkeln.
Weiss vor Schmerz nicht, wie man einen Schmerz
aufschreibt, weiss überhaupt nichts mehr».

 

Es sind Gedichte, die um Verlorenes kreisen und den Schrecken in schmerzerfüllten Bildern bannen. «Die Drogen, die Worte», die ungeborenen «Julikinder», die «Gnade Morphium, aber nicht die Gnade eines Briefs», unter ihrem sprachlichen Himmel wird ein ganzer Reigen von Todesarten zelebriert, gegen die ihr lyrisches Ich opponiert, um für einmal alle Kategorien wie Gut und Böse, Wahrheit und Lüge, Recht und Unrecht endgültig in die Luft zu sprengen:

 

«Oft habe ich gedacht, wenn der Hass
stärker wird und wenn ich springen
wollte, von der obersten Terrasse,
dich dorthin zu rufen, wo Verzeihung
und Gericht sein könnte».
 

Diese Gedichte wurden zu Lebzeiten nicht veröffentlicht und bezeichnen den Umkehrpunkt ihres Schreibens. Im traumatisierten Ich schlummerte ein Sprengsatz, der die Welt in Stücke reissen wollte. Das Gedicht wird zum Sinnbild eines Torpedos, in dem die Erinnerungsbilder metaphorisch eingeschlossen sind, Topografien, die schockartig beleuchtet sind. In ihrem Erzählband «Das dreissigste Jahr» hatte Bachmann bereits die Tür zu einer anderen Wirklichkeitserfahrung aufgetan, die sich wieder neu radikalisierte.

Neben der übermächtigen Bedrängnis in lyrischen Entwürfen nach der Trennung von Max Frisch 1962, mit dem sie seit 1958 zusammengelebt hatte, trieb sie einem imaginären Schreibort zu, der die einzelnen Bilder, psychischen Zustände und aufblitzenden Figuren wie ein unterirdisches Wasser miteinander verband und sie in einzelnen Tonfolgen, Rhythmen und Klängen heraufbeschwor.

 

Die «Ungeheuer mit Namen Hans», hatten Bachmann nicht verlassen. Die mit Paul Celan begonnene ästhetische Ausbeute zerstörter Gefühle, das mit Hans Werner Henze Henze bis zur bitteren Neige ausgekostete heartache und das mit Frisch bis zur gegenseitigen Raserei getriebene Zerstören und Selbstzerfleischen, so die Autorin, hatten immer auch die literarische Aneignung der zerstörten Liebe zur Folge. In ihrem Gedicht «Mein Vogel» wusste Bachmann 1956 die anarchische Kraft des Musenkusses in Verse zu bannen.

Im Spätherbst 1968 erschienen einige Gedichte Ingeborg Bachmanns in der von Hans Magnus Enzensberger herausgegebenen Zeitschrift Kursbuch. Die Gedichte «Enigma», «Keine Delikatessen», «Prag Jänner 64» und «Böhmen liegt am Meer» waren in den zurückliegenden Jahren entstanden und gehören zum Höhepunkt ihres Werkes, denn sie reflektieren über ein reifes lyrisches Sprechen hinaus zugleich den poetischen Ort ihres Entstehens.
Bachmanns Erkenntnis, dass, «was wahr ist, Sprünge in die Wand treibt», spannt sich bis zum Bogen des weiblichen Ichs des «Malina»-Romans, dessen «Ich ohne Gewähr» in einem Spalt in der Wand verschwindet.

Tief vertraut und völlig neu galt es dieses Traumbild nun anders zu begreifen und als psychischen Topos neu zu fassen: Bachmanns österrreichische Heimat. Wien. Kärnten, das Kindheitsland, in das sie von Rom zurückkehren wollte. Dazu ist es nicht mehr gekommen. Ingeborg Bachmann starb an Brandverletzungen, die durch eine brennende Zigarette ausgelöst wurden, im September 1973 in Rom.

 

Die Autorin und Filmemacherin Andrea Stoll hat als Dozentin für Literatur über 15 Jahre an der Universität Salzburg unterrichtet. Als Bachmann-Kennerin hat sie seit ihrer Dissertation («Die Erinnerung als ästhetische Kategorie des Widerstandes im Werk Ingeborg Bachmanns», 1992) zahlreiche Veröffentlichungen zu Leben und Werk der österreichischen Dichterin, die in Klagenfurt geboren wurde, vorgelegt sowie den Briefwechsel Ingeborg Bachmann mit Paul Celan (,Herzzeit», 2008} mit herausgegeben, der ein Bestseller wurde.

 
 

Andrea Stoll
Ingeborg Bachmann
Der dunkle Glanz der Freiheit
Biografie
Bertelsmann Verlag, München 2013
382 S., div. s/w-Abb.,

CHF 35.90. € 22.90.
ISBN 978-3-570-10123-0

 
 

Ingeborg Bachmann

Ein Tag wird kommen

Gespräche in Rom

Ein Porträt von Gerda Haller

inkl. CD mit der Stimme Ingeborg Bachmanns

Jung und Jung Verlag, Salzburg 2005

CHF 37.90. € 25.00

ISBN 978-3-902 144-82-9

 
 

Ingeborg Gleichauf

Ingeborg Bachmann und Max Frisch

Eine Liebe zwischen Intimität und Öffentlichkeit

Piper Verlag München 2013

224 Seiten, geb. mit Schutzumschlag

Mit 9 s/w-Abbildungen im Text

CHF 28.90.

€ 19.99 [D]. € 20.60 [A].

ISBN: 978-3-492-05478-2

 

 

 

 

Buchtipps

 

«Lydia Welti-Escher (1858-1891) – Skandal in der Zürcher Villa Belvoir»

Ihr Bildnis, gemalt von Karl Stauffer-Bern (1857-1891), hängt im Kunsthaus Zürich. Die Liaison zum begabten Künstler Stauffer, mit dem Lydia Welti-Escher 1889 die Flucht nach Rom ergriff, besiegelte ihr tragisches Schicksal. Der Preis für ihr selbstbestimmtes Leben und Ausbruch aus bürgerlichen Konventionen war ihr früher Tod.

 

Sie war die selbstbewusste, reiche Tochter des herrschaftlichen Pioniers Alfred Escher (1819-1882), der während Jahrzehnten die zürcherische und eidgenössische Politik bestimmte, die Ehefrau eines farblosen Bundesrat-Sohnes, Friedrich Emil Welti (1857-1940), sowie für kurze Zeit glückliche Geliebte eines leidenschaftlichen Künstlers.
Karl Stauffer gab Lydia, was sie so lange entbehrte: eine Lebensaufgabe in der Kunst, dann die Erfüllung ihrer Liebe. Die beiden brannten durch nach Italien, Florenz und Rom, und tauchten unter. Lydia will sich scheiden lassen und Stauffer heiraten. Ehegatte Welti ist bestürzt. Das private Beziehungsproblem avanciert zur Staatsaktion. Am Ende steht der Selbstmord der beiden Liebenden.
Die Neuausgabe des Buches liefert ausführliche Erkenntnisse und neue Dokumente über das tragische Leben der Lydia Welti-Escher, die Machenschaften des Bundesrats und der Schweizer Gesandtschaft in Rom, die Rolle des Geliebten Karl Stauffer-Bern und das einst millionenschwere Erbe, die Gottfried Keller-Stiftung.

 

Die Künstlerin Thea Weltner (1917-2001) nahm sich des brisanten Themas in ihrer Installation «Environment Lydia Welt-Escher» an, die im Kunsthaus Zürich ausgestellt, vom Kunsthaus 1990 angekauft wurde und seither im Depot schlummert.

Joseph Jung
Lydia Welti-Escher (1859-1891)
Mit einer Einführung von Hildegard Elisabeth Keller
NZZ Libro Verlag Zürich, 2013
270 S., Halbleinen, 17×24 cm
CHF 39.00. € 34.00.

ISBN 978-3-03823-852-2

 

 

«Ruth Binde – Ein Leben für die Literatur»

In Zürich ist die 1932 in Bern geborene rührige PR- und Literaturagentur seit langem ein Begriff. Mit der Ausstellung ihrer Autographensammlung 2012 im Antiquariat Peter Bichsel zu ihrem 80. Geburtstag machte sie auch ihre Beziehungen und Kontakte zu weltberühmten Schauspielern und Autoren wie Fellini, Siegfried Lenz oder Peter Ustinov publik. Ruth Binde hat ihre bemerkenswerte Energie zeitlebens der Buchkultur und der Literatur gewidmet. Nun ist ein Buch von Alexander Sury über ihr Leben erschienen.

 
Darin erfährt man Näheres über ihren Werdegang, wie sie als junges Mädchen davon träumte, Schauspielerin zu werden. Es sollte sich anderes ergeben, dass sie ebenfalls im Rampenlicht stehen liess. Nach Abbruch des Gymnasiums, einem halben Jahr im Bühnenstudio Zürich und einem Zwischenjahr in London, absolvierte die Tochter des Politikers und Publizisten Fritz Schwarz eine Buchhändlerinnenlehre. 1957 meldete sie sich auf ein kleines Inserat des Diogenes-Verlegers Daniel Keel und unterstützte ihn während fünfzehn Jahren beim Aufbau seines Verlages. 1972 machte sich die alleinstehende Mutter eines elfjährigen Sohnes mit einer Presse- und PR-Agentur für kulturelle Mandate selbständig und setzte sich fortan erfolgreich während Jahrzehnten für Bücher und Kulturevents ein.
Zu den von ihr betrauten Prominenten gehörten Namen wie Maria Becker, Loriot, Karl Böhm oder Mascha Kaléko, auf Antrag der Schauspielerin Gisela Zoch-Westphal, die den Nachlass der 1975 in Zürich verstorbenen Dichterin betreute. 1985 rief Ruth Binde das «Bernhard-Littéraire» ins Leben, Gespräche, Interviews und Lesungen mit AutorInnen, das heute unter dem Namen «Züri Littéraire» weitergeführt wird.
Das flüssig geschriebene Buch liest sich wie ein «Who is Who» in Zürich und darüber hinaus. Ruth Binde erhielt als geschätzte Kulturvermittlerin 1998 die Goldene Ehrenmedaille des Kantons Zürich. Gegenwärtig ist sie dabei, die Publikationen ihres Vaters Fritz Schwarz neu aufzulegen und herauszugeben.

Alexander Sury
Ruth Binde
Ein Leben für die Literatur
Wörterseh Verlag, Gockhausen 2013
217 S., CHF 39.90
ISBN 978-3-03763-031-0
E-Book ISBN 978-3-03763-598-4

 

 

 

«Gottfried Honegger: Reminiszenzen an bekannte und unbekannte Persönlichkeiten»


«die kunst ist das rückgrat einer gesellschaft»

Gottfried Honegger erinnert an 51 Persönlichkeiten aus Kultur und Wissenschaft, die Zürich mit Visionen und Enthusiasmus bereichert haben, hier verstorben und teilweise auch vergessen sind, unter anderen Maria Becker, Walter Bechtler, Binia Bill, Warja Lavater Honegger, Edwin Arnet, Arnold Kübler, Martha Kauer, Niklaus Meienberg, Mabel Zuppinger, Konrad Farner, Walter Ehrismann, Nico. Zu jeder Persönlichkeit fand Honegger persönliche Worte und Verse als Reminiszenzen und Gedenken sowie nicht zuletzt als Brücke in eine kulturbewusste Zukunft Zürichs.

Mit vierfarbigen Blumenfotografien und einem Vorwort von Gottfried Honegger.

Ein lesenswertes Büchlein, das als kleines Geschenk oder Mitbringsel jederzeit willkommen ist.

Gottfried Honegger
in zürich gestorben… in zürich vergessen
Limmat Verlag Zürich, 2013

80 Seiten, mit 11 Blumenfotografien von Gottfried
Honegger, Klappenbroschur
sFr. 24.50, € 22.80.
ISBN 978-3-85791-715-8

 

 

Gottfried Honegger, geboren 1917 in Zürich, wuchs in Sent, Graubünden auf, machte eine Lehre als Schaufensterdekorateur und bildete sich an der Kunstgewerbeschule Zürich aus. Er arbeitete als Werbegrafiker, Designer und Art Director. Seit 1958 Maler und Bildhauer, Aufenthalte in Paris, New York und Cannes. Er lebt in Zürich. Ebenfalls im Limmat Verlag erschienen ist von Gottfried Honegger die autobiografische Skizze «34699 tage gelebt».

 

 

«Barbara Traber: Mundart-Kurzgeschichten in berndeutscher Umgangssprache»

Bei Barbara Traber spielen Geschichten in ihrer kraftvollen, berndeutschen Umgangssprache nicht allein in der näheren Region ihres Sprachschatzes, sondern auch im Ausland in Paris und Cannes, in der Türkei und sogar in Panama. Es sind berührende Momentaufnahmen von Frauenschicksalen, die gestern wie heute aktuell sind, kritische, aber anteilnehmende Szenen aus dem Alltag. Erinnerungen, Melancholisches und Heiteres wechseln sich in bunter Folge ab, mit Wärme und Humor, ohne Sentimentalitäten erzählt.

«Wär nüüt wagt, gwinnt nüüt», so lautet die erste Erzählung, als Olga Mohler am 1. Dezember 1925 mit einem Koffer am Bahnhof Rubigen in den Zug steigt, wo ihr Vater, der Stationsvorstand, dem Lokomotivführer das Zeichen für die Abfahrt gibt und die Reise von Olga beginnt und sie an dem klaren Wintertag noch einmal zurück schaut auf das ganze eindrückliche Panorama der Berner Alpen von Eiger, Mönch, Jungfrau, Blüemlisalp bis zum Niesen und der Stockhornkette. «Ja, si sy schön d Bärge, o d Landschaft im Bärner Mittelland, wo si ufgwachsen isch, aber es git doch no öppis anders, u das möchte si ändleche gseh u erläbe».
Der letzte und zugleich längste Text, «Es Huus i der Bresse», ist eine Hommage an die Bresse bourguignonne und ihre Menschen. Barbara Traber nennt es «mein Paradestück», eine Art Collage, die sich wunderbar anregend liest und sozusagen «impressionistisch» endet. Witzig-satirisch gestalten sich die drei Kaffeefahrten in der Mitte des Buches, wie beispielsweise «Stärne über Casablanca». Und was eigentlich auffallen sollte, wäre «En Usnahm», die Beschreibung einer Liebesnacht, ein intimes Stück Prosa, etwas Neues in der Mundartliteratur, die auch Männern gefällt. (Vielleicht, weil sie merken, was wir Frauen uns erhoffen und fühlen, meint die Autorin dazu).

Barbara Traber
Vo naachem u vo wytem
Erzählungen in Berner Mundart
Landverlag, Langnau 2013
190 S., CHF 22.00
ISBN 978-3-905980-20-2

 

Barbara Traber wurde 1943 in Thun geboren und lebt als freie Autorin und Übersetzerin in Worb. Seit 1980 veröffentlicht sie Lyrik, Romane, Erzählungen, Krimis und Sachbücher und hat sich auch als Mundartkennerin einen Namen gemacht.

 

 

 

«Ursula von Arx: Liebe, lebenslänglich»

Ein lebenslanges Thema: Eltern und Kinder. Die Zürcher Journalistin Ursula von Arx porträtiert unter dem Titel «Liebe, lebenslänglich» Eltern und ihre erwachsenen Kinder. Was von Kindern erwartet wurde, was aus ihnen geworden ist, was sie erwartet hatten und wessen Ansprüche erfüllt oder enttäuscht wurden.

 

Niemanden meint man besser zu kennen. Niemanden liebt man mehr von Anfang an. Niemandem bereitet man so viel Leid. Vierzehn Väter, Mütter und ihre Töchter oder Söhne erzählen in diesem Buch in seltener Offenheit über ihr Verhältnis zueinander, von tiefstem Glück und größten Sorgen. Das Panoptikum einer unkündbaren Beziehung. Soviel verrät der Klappentext.

Die Beziehungen zwischen Eltern und Kindern, unwiderruflich prägend und den Wechselfällen des Lebens ausgesetzt, gehören zu den unabdingbaren Grundbedingungen eines geglückten Lebens. Was in der Kindheit erlebt wurde, setzt sich im Leben als Erwachsener fort, ob bewusst oder unbewusst. Die Verantwortung von Eltern, sich der Willkür in der Erziehung zu enthalten, ist oft eine schiere Überforderung. Dennoch ist es zu einfach, für das eigene Unglück oder Versagen nur die Eltern schuldig zu machen. «Jeder ist seines Glückes Schmied», so heisst es im Volksmund, doch stimmt auch das nur bedingt. Nicht unwesentlich sind die Chancen, auch die der Bildung, die einem Kind schon im Elternhaus gewährt werden, und auch hier spielt die Umgebung, wie die Schule, eine prägende Rolle. Ohne eigenes Zutun und Wollen, und hier ist die Charakterfrage ebenso ausschlaggebend, wird sich ein geglücktes Leben, und das nicht nur im materiellen Sinne, nicht von selbst ergeben.

 

Ursula von Arx hat in ihrem sensitiven Bemühen, den Nuancen und Schattenreichen der Einflüsse in der Kindheit nachzugehen und dabei die Porträts mit beiden Beteiligten getrennt voneinander zu führen, dazu beigetragen, dass vieles aufgedeckt, auch Missverständnisse und Enttäuschungen sichtbar wurden. Ob es in einem Porträt der Sohn ist, der den Rasenmäher des Vaters zerstört, wo es letztlich um soziale Anerkennung geht, und die Mutter heute sagt, dass sie bei der Erziehung alles anders machen würde, oder eine Mutter, der mit der Geburt eines autistischen Sohnes die  Lebensnormalität abhandengekommen ist, oder ein Sohn, der jeden Kontakt zu seinem Schlägervater abgebrochen hat, oder Pia Jaeggi, deren Sohn sich kurz vor seinem 23. Geburtstag umgebracht hat, und sie darauf besteht, ihren richtigen Namen zu nennen, immer sind es anteilnehmende Porträts, die die Lebenssituationen erhellen.

Dabei kristallisiert sich heraus, dass wesentlich im Umgang miteinander ist, wie gut sich Eltern und Kinder kennen(lernen), und wie sie miteinander kommunizieren. Was braucht es neben der Liebe, um sich nicht fremd zu werden: Es gibt kein allgemein gültiges Rezept, es kommt auf die jeweiligen Individuen an und auf das Einfühlungsvermögen, den unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht zu werden, lautet das Fazit des aufklärenden Buches.

Ursula von Arx
LIEBE, LEBENSLÄNGLICH 

Wie Eltern ihre Töchter oder Söhne sehen – und umgekehrt
Kein & Aber Verlag Zürich, 2013
Hardcover inklusive eBook
224 S., Format 12,5 x 20,5 cm
CHF 26.90. 19.90 €.
ISBN: 978-3-0369-5678-7

 

 

Ursula von Arx, 1967 geboren, studierte Germanistik, Philosophie und Psychologie. Sie arbeitete als Lehrerin und Journalistin. Sie war Redakteurin beim NZZ-Folio, der Zeitschrift der Neuen Zürcher Zeitung, und beim Magazin des Tages-Anzeigers. Seit Herbst 2009 lebt sie zusammen mit ihrem Mann und den drei Kindern in Brüssel.

 

 

 

«Zwei Kochbücher für Gaumenfreuden»

Hier präsentieren wir Ihnen zwei Kochbücher, die es in sich haben, wunderschöne Bildbände für jeden Gourmet: Das zweite Kochbuch zum Erfolgstitel «Das kulinarische Erbe der Alpen» handelt von althergebrachten Traditionen zur modernen Terroir-Küche. Das traditionsreiche Zürcher Kolonialwarengeschäft Schwarzenbach in der Altstadt ist eng mit der Entwicklung der Markt und der Kochgeschichte der Stadt Zürich verbunden.

 

Wie kreiert man mit Berberitzen und Birnenhonig einen würzigen Braten mit der Keule eines Toggenburger Zickleins? Und wie schmeckt ein steirischer Braterdäpflsalat mit Käferbohnen? Welche Kräuter harmonieren am besten mit dem Sisteron-Lamm, und was für Wildblüten eignen sich als Würze für rohe Felchen oder Renken? Und wie harmoniert Fenchelpollen mit einem aus Rohmilch hergestellten Blauschimmelkäse?
«Das kulinarische Erbe der Alpen» begleitet mit diesem zweiten Band des gleichnamigen Bestsellers ein gutes Dutzend Spitzenköchinnen und Spitzenköche auf ihrer Reise von den althergebrachten Traditionen bis hin zur Umsetzung in die neue Terroir-Küche des Alpenraums. Das Kochbuch wird ergänzt durch historische Portraits einzelner Grundnahrungsmittel wie die Kartoffel, die Gruppe von Kohlgewächse, Wildgewürze oder die Notspeisen aus Buchweizen und Mais. Mit Rezepten von Andreas Caminada, Michael Sicher, Bernhard Feichter, Jeremias Riezler, Freddy Christandl, Judith Baumann, Virginie Tinembart, Ulli Mair, Stefano Zonca, Martin Berg und Mathias Dahlgren.

Dominik Flammer (Text) Sylvan Müller (Fotos)

«Das kulinarische Erbe der Alpen»
Mit Verzeichnis der wichtigsten Rezepte der alpinen Kulinarikgeschichte
AT-Verlag Aarau, 2013
Gebunden mit Schutzumschlag, 268 Seiten,
23 cm x 31 cm
ISBN: 978-3-03800-746-3
CHF 78.00

 

 

«Kochgeschichte aus Zürich – Kolonialwaren Schwarzenbach»

Das traditionsreiche Kolonialwarengeschäft H. Schwarzenbach im Zürcher Oberdorf, 1864 von Heinrich Schwarzenbach I. gegründet, wird heute in fünfter Generation von Heini Schwarzenbach V. geleitet. Die Geschichte des bekannten Delikatessengeschäftes an der Zürcher Münstergasse ist eng mit der Entwicklung der Markt und der Kochgeschichte der Stadt Zürich verbunden.
In diesem Buch setzen sich zehn renommierte Zürcher Köche mit der Tradition der lokalen Küche und ihrer Entwicklung bis heute auseinander. Erzählt wird zudem über den Handel mit Gewürzen, Tee, Kaffee, Dörrfrüchten und anderen lokalen wie exotischen Delikatessen, welche die Zürcher Küche nachhaltig beeinflusst haben. Abgerundet wird das Buch durch ein ausführliches Lexikon der Produkte.

Mit Rezepten von: Peter Brunner (Kaisers Reblaube), Rolf Hiltl (Hiltl, Tibits), René Zimmermann (Restaurant Neumarkt), Fabian Fuchs (St. Meinrad, L’Equitable), Sepp Wimmer und Alain König (Zunfthaus zur Waage), Ivo Jud (Konditorei Honold), Didi Bruna (Didis Frieden), Carlo Bernasconi (Cucina e libri) und Roman Wyss (Restaurant Schlüssel).



Dominik Flammer (Text) Sylvan Müller (Fotos)

50 Jahre Kolonialwaren Schwarzenbach
Markt- und Kochgeschichte Zürichs und der Handel mit Delikatessen
Rezepte von 10 renommierten Zürcher Köchen
Gebunden, 276 Seiten, 22 cm x 29.7 cm
ISBN: 978-3-03800-782-1
CHF 68.00

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