FRONTPAGE

«Ingrid Bergman: Casablanca forever»

Von Ingrid Isermann

 

Ein Fotobuch über die Jahrhundertlegende: Zum 100. Geburtstag erscheint die grossartige autorisierte Biographie 
von Lothar Schirmer in Zusammenarbeit mit Isabella Rossellini. 
Die Familie Ingrid Bergmans veröffentlicht erstmals ihren privaten Fotoschatz.

 

Am 29. August 2015 feierte die Welt den 100. Geburtstag der charismatischen Kinolegende.
 Mit der opulenten Bildbiographie «Ingrid Bergman – Ein Leben in Bildern» hat der Verlag Schirmer-Mosel bereits im Herbst 2013 den roten Teppich ausgerollt. Im Jubiläumsjahr 2015 folgt nun die broschierte Sonderausgabe.

 

«Casablanca» mit Ingrid Bergman und Humphrey Bogart 
Millionen von Menschen flüchteten europaweit vor dem Naziregime. Casablanca war eine der Zufluchtsstätten. Heute sind weltweit mehr Menschen als nach dem Zweiten Weltkrieg auf der Flucht vor Krieg und Diktaturen. Es gibt Koinzidenzen, warum der Film  ‚Casablanca’ unsterblich ist.

Während des Zweiten Weltkriegs ist die marokkanische Stadt Casablanca unter französischem Protektorat Zwischenstation für politische Flüchtlinge, die nach Amerika ausreisen wollen. 1942 spielt Ingrid Bergman im Film von Michael Curtiz eine Amerikanerin, die in Casablanca ihren ehemaligen Geliebten aus Paris in ‚Rick’s Café Américain’ wiedertrifft und sich entscheiden muss, ob sie sich für diese Liebe von ihrem Ehemann, einem tschechischen Widerstandskämpfer, trennen will.  Ingrid Bergman und Humphrey Bogart wurden zum berühmtesten Liebespaar der Filmgeschichte. «As time goes by» ist eine der weltweit am meisten gespielten Lieder.
Das Melodram besticht durch optisches Raffinement, darstellerische Präzision, dramaturgisches Timing und eine dichte Atmosphäre. 1952 gelangte eine gekürzte und in der Synchronisation verfälschte Version in die Kinos. Alle Hinweise auf den Nationalsozialismus und das Vichy-Regime waren entfernt worden, die politischen Konflikte wurden zu einer Agentengeschichte vereinfacht und der Widerstandskämpfer in einen norwegischen Atomphysiker verwandelt. Erst Mitte der 70er Jahre ermöglichte eine Neusynchronisation den Zugang zur authentischen Fassung des inzwischen zum Kultfilm avancierten Werkes.
 
“Casablanca“ entstand unter dem Eindruck des Zweiten Weltkriegs und galt als Teil der Hollywood-Propaganda gegen das nationalsozialistische Deutschland.

 

Die Jahrhundertkünstlerin

Ingrid Bergman, 1915 in Stockholm geboren als Tochter eines schwedischen Fotografen und einer deutschen Mutter aus einer Hamburger grossbürgerlichen Familie, eine Jahrhundertkünstlerin zu nennen, ist keine Übertreibung.
 Als junger Star von natürlicher Schönheit feierte die Schauspielerin bereits in den 1930er Jahren in ihrem Heimatland Schweden rauschende Kinoerfolge, bevor Hollywood sie entdeckte. David O. Selznick, der Produzent von «Vom Winde verweht», betreute fortan ihren Aufstieg zum Star der Extraklasse.

Film-Klassiker wie «Wem die Stunde schlägt» mit Gary Cooper

oder die Hitchcock-Filme «Spellbound» mit Gregory Peck

oder «Notorious» mit Cary Grant sind unauslöschlich mit dem Gesicht von Ingrid Bergman verbunden. «Ich habe die Schauspielerei nicht gewählt, sie hat mich gewählt», sagte Ingrid Bergman einmal zu ihrer Karriere.

 

Ein Hollywood-Skandal

Nicht nur Kinogeschichte, sondern Geschichte schrieb Ingrid Bergman, als sie 1949 einen weltweiten Skandal verursachte, indem sie Mann und Kind in Hollywood zurückliess und nach Italien floh, um sich dort mit dem Regisseur Roberto Rossellini künstlerisch wie privat zu verbinden. Das Fotobuch zeigt alle Stationen dieses beruflich wie privat aufregenden und fulminanten Künstlerlebens: Ingrids Freundschaften mit dem Schriftsteller Ernest Hemingway und den Regisseuren Jean Renoir und Alfred Hitchcock, ihre Romanze mit der Photographenlegende Robert Capa, das Familienglück in Italien, die erfolgreiche Rückkehr nach Hollywood und Schweden und die späte Theaterkarriere. Ausgezeichnet mit drei Oscars ist Ingrid Bergman am Ende ihres Lebens die strahlende «Grande Dame» der internationalen Filmwelt.

Seinen Bilderreichtum schöpft «Ingrid Bergman – Ein Leben in Bildern» aus unveröffentlichtem Familienbesitz sowie zahlreichen anderen Archiven der Welt. Der Band versammelt Privatfotos, Filmstills, glamouröse Auftragsportraits und spektakuläre Paparazzi-Schnappschüsse in bisher nie gesehener Fülle und Dichte. Ingrid Bergman starb an ihrem 67. Geburtstag am 29. August 1982 in London.

 

Der 100. Geburtstag von Ingrid Bergman wirft hohe Wellen der unvergessenen Schauspiel-Ikone, so widmet ihr das Museum of Modern Art, New York, vom 29. August – 10. September eine grosse Retrospektive. Die US-amerikanischen Postal Services haben in Zusammenarbeit mit den schwedischen Kollegen anlässlich des Jubiläums eine Sonderbriefmarke mit dem Bild der hochgefeierten Ikone herausgegeben.

 

 

INGRID BERGMAN


Ein Leben in Bildern

Hrsg. von Isabella Rossellini
 und Lothar Schirmer

Vorwort von Liv Ullmann

Schirmer-Mosel Verlag, 2015

528 Seiten, 385 Abbildungen
in Farbe und Duotone

Broschierte Sonderausgabe
 Format: 22,5 x 29 cm

CHF 57.30 € 49.80, €(A)51.20



ISBN 978-3-8296-0702-5

 

 

Ingrid Bergman
Sie kam, sah und siegte… in neun Kapiteln lässt die Autorin an Ingrid Bergmans wechselvollem Leben teilnehmen. Das ist anschaulich und gut geschrieben, mit vielen auch unbekannten Fotos, die die couragierte Schauspielerin privat und in ihren glanzvollen Rollen an der Seite von Cary Grant, Gary Cooper und Humphrey Bogart als Star der goldenen Hollywood-Ära der vierziger Jahre zeigen. Sie war Hollywoods erste «Natural Beauty», ein neuer Typ, kein Vamp, sondern die Frau von nebenan. Birgit Haustedt blickt hinter die Kulissen und zeichnet ein facettenreiches Porträt der dreifachen Oscar-Preisträgerin.

 

 

Birgit Haustedt

Ingrid Bergman

Ebersbach & Simon, Berlin 2015

112 S., CHF 35.90

Fadenheftung, Halbleinen
Format: 19 x 26

ISBN 978-3-86915-100-7

 

 

 

Erinnerungen an Roberto Rossellini

Der grosse italienische Regisseur des Neorealismus Roberto Rossellini, der mit «Rom, offene Stadt» Filmgeschichte schrieb, erlangte auch Berühmtheit als der Mann, der zwischen den beiden schönsten, aufregendsten Frauen seiner Zeit stand: Anna Magnani und Ingrid Bergmann.
Tochter Isabella Rossellini hat ein reich bebildertes Erinnerungsbuch zusammengestellt als Hommage an den geliebten Vater. Neben Photos aus dem Familienalbum und Bildern aus Rossellinis berühmtesten Filmen «Rom, offene Stadt», «Stromboli» oder «Deutschland, Stunde Null» enthält es erstmals auf deutsch veröffentlichte Interviews mit dem Meister des Neorealismus, zum Beispiel von Francois Truffaut, Rossellinis Gedanken zum Wesen des Schauspiels, über das Familienleben, über seine Beziehung zu Indien, sind hier erstmals veröffentlicht.

 

Isabella Rossellini
Im Namen des Vaters,
der Tochter und der heiligen Geister
Erinnerungen an Roberto Rossellini
Aus dem Italienischen und Englischen von Marianne Schneider, Marion Kagerer
SchirmerGraf Verlag, München
Leinen mit Schutzumschlag und Lesebändchen.

144 Seiten mit 140 Farbabbildungen
€ 24.80
ISBN 978-3-865550248

 

 

 

ARTE HOMMAGE

Zum 100. GEBURTSTAG INGRID BERGMAN

 

«Weil ich frei sein will!»
 

Ungeheure Schauspiellust, unbändiger Freiheitsdrang: Ingrid Bergman wäre im August 100 geworden. Ein Dokumentarfilm gibt nun mit bisher unveröffentlichten privaten Fotos, Filmen und Tagebucheinträgen exklusive Einblicke in ihr Leben (ARTE-Wiederholug vom 30. August am  Sonntag, 6. September 2015).

 

Als Ingrid Bergman die Sätze sagt, die ihr Leben erklären sollen, lacht sie. Aber ihre Augen lachen nicht mit: diese Augen, aus denen die Emotionen sonst so hervorsprühen – Trauer, Liebe, nackte Panik. Filme wie «Casablanca», «Berüchtigt» oder «Die Kaktusblüte» wurden durch sie noch grösser. Und plötzlich scheinen sie sich fast verstecken zu wollen. Wenn man, wie Kritiker es jahrzehntelang taten, von der „beseelten Schönheit“ der Schwedin spricht, von ihrer unprätentiösen Vitalität und der persönlichen Integrität, dann meint man auch und vor allem ihre Augen.

 

 

Eine sehr frühe Feministin
Die Sätze also. Es ist eine der ersten Szenen im Dokumentarfilm «Ich bin Ingrid Bergman», der dieses Jahr am Filmfestival in Cannes seine Premiere feierte. November 1980, die Schauspielerin sitzt in der amerikanischen «Merv Griffin Show», 65 ist sie inzwischen, und resümiert ihren bisherigen Weg: Schweden, wo alles anfing, von dort für zehn Jahre nach Hollywood, dann acht Jahre Italien, dann Paris, jetzt London. Ein Weg voller Brüche. Mit quasi jeder neuen Station trat auch ein neuer Mann, eine neue Liebe in Bergmans Leben. Mit jeder liess sie, zumindest phasenweise, ihre Kinder zurück. Und all das fasst sie jetzt zusammen: «Ich will keine Wurzeln». Und auf die irritierte Nachfrage des Moderators nach dem Warum: «Weil ich frei sein will». Frei zu sein, das hiess für Ingrid Bergman ja vor allem: frei arbeiten zu können. Es hiess, dass sie die Familie, ihre Ehemänner, die Kinder, die Wohnorte, dass sie all das ihrer Karriere unterordnete. Selbst heute würde eine Frau, die so lebt, wohl noch Argwohn hervorrufen. Damals war eine solche Haltung schlicht revolutionär. «Ingrid Bergman war an sich nicht politisch», sagt  Stig Björkman, der Regisseur des Films. «Aber man kann sie als sehr frühe Feministin bezeichnen. Sie lebte, wie sich das sonst nur Männer herausnahmen».
Das ist denn auch der eine Teil ihres Lebens, den sein Film zeigt: die Schauspielerin als Getriebene, die förmlich einzugehen schien, wenn sie nicht arbeiten konnte. Die sich zuerst im zu kleinen Schweden und später wohl auch in zu kleinen Familienstrukturen eingeengt fühlte. Es ist der Teil, der zumeist in der Öffentlichkeit spielte und damit vor allem im prüden Amerika für Entrüstung sorgte: Ingrid Bergman, die ihren ersten Mann und ihre Tochter Pia in Schweden und später in den USA zurücklässt, um zu arbeiten. Ingrid Bergman, die 1949 nach Italien geht, um mit Roberto Rossellini den Film «Stromboli» zu drehen. Die dort eine Affäre mit dem Regisseur beginnt, schwanger wird, ihren Mann verlässt, Rossellini heiratet und mit ihm insgesamt drei Kinder bekommt – Roberto und die Zwillinge Ingrid und Isabella. 1957 wird auch diese Ehe nach sieben Jahren geschieden.

 

 

Sackhüpfen mit den Kindern
Der andere Teil ist der, der Björkmans Film so aussergewöhnlich macht. Der Regisseur hat unzählige Briefe gesichtet, die Bergman an enge Freundinnen geschrieben hatte. Dazu die Tagebücher der Schauspielerin und umfangreiches privates Film- und Fotomaterial: Bergman, wie sie strahlend im Pool planscht. Beim Sackhüpfen mit ihren Kindern. Vertraute Momente mit ihren Männern, Urlaube mit der Patchwork-Familie. Man sieht eine unbeschwerte Frau, die jene Zeit aufzuholen versucht, in der sie nicht da war – mehr Freundin als Mutter.
Ein grosser Teil des Materials war bislang unveröffentlicht. In der Art, wie Björkman es kuratiert, ergibt sich ein beinahe irritierend privater Blick in Bergmans Leben: «Ich habe so sehr versucht, mit Roberto zu leben», schreibt sie etwa in einem Brief an Ruth Roberts, ihre Englischlehrerin. «Aber ich weiss, dass mein Leben sich verändert hat. Er hat mich verlassen (…) Und ich fühle mich seltsam erleichtert». Viel von dem Material hat Bergman selbst aufgenommen. Noch wichtiger ist aber: Sie selbst hat alles aufgehoben, hat es auf all ihren Reisen und Umzügen immer mitgenommen. Sogar ihre ersten Tagebücher – sie fing mit dem Schreiben an, da war sie gerade zehn Jahre alt – sind so erhalten geblieben. «Ihre Mutter starb, als Bergman drei Jahre alt war. Ihr Vater zehn Jahre später», sagt Regisseur Björkman. «Erinnerungen aufzuheben war wohl ihr Weg, sich ihrer Familie nah zu fühlen».

 

 

«Sollen wir einen Film über Mama drehen?»
Nach dem frühen Krebstod der Schauspielerin 1982 mit nur 67 Jahren, ging das Material an das Ingrid-Bergman-Archiv in Connecticut. Es war die Idee von Tochter Isabella Rossellini, aus den Briefen und Tagebüchern nun einen Film zu machen. Gut viereinhalb Jahre ist das her. Die Schauspielerin war gerade Jury-Präsidentin der Berlinale und sass dort bei einem Abendessen am selben Tisch wie Stig Björkman. «Ich hatte sie zuvor noch nie getroffen und kann nur vermuten, dass sie meine Arbeit kannte», erzählt der Regisseur. «Jedenfalls drehte sie sich plötzlich zu mir und sagte: Sollen wir einen Film über Mama drehen?‘». «Ich empfand das als gewaltigen Vertrauensvorschuss». Auch die anderen Kinder zeigten sich überaus hilfsbereit. «Alle willigten sofort ein, mir vollen Zugang zum Archiv zu geben», sagt Björkman.
Das, was er dort gefunden hat, also das, was Bergman in ihren intimsten Momenten aufgeschrieben und gefilmt hat, gibt Ton und Handlung des Films an: «Ich dachte, die Briefe und Tagebucheinträge würden bestimmt einen faszinierenden Einblick in die Welt von Film und Theater geben», erklärt Isabella Rossellini im Film. «Als ich sie dann las, merkte ich: Es ging eigentlich nur um uns Kinder».

 

Jakob Biazza (Auszug) Courtesy ARTE Magazin 8/2015

 

INGRID BERGMAN

FILMOGRAFIE

Herbstsonate (1978, R: Ingmar Bergman);
Mord im Orient-Expreß (1974, R: Sidney Lumet);
Die Kaktusblüte (1969, R: Gene Saks);
Indiskret (1958, R: Stanley Donen);
Anastasia (1956, R: Anatole Litvak);
Weisse Margeriten (1956, R: Jean Renoir);
Angst (1954, R: Roberto Rossellini);
Reise in Italien (1953, R. Rossellini);
Europa 51 (1952, R: R. Rossellini);
Stromboli  (1950, R: R. Rossellini);
Sklavin des Herzens (1949, R: Alfred Hitchcock);
Berüchtigt (1946, R: Alfred Hitchcock);
Ich kämpfe um Dich (1945, R: Alfred Hitchcock);
Das Haus der Lady Alquist (1944, R: George Cukor);
Casablanca (1942, R: Michael Curtiz)

(Auswahl)

 

 

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