FRONTPAGE

«Kreuzfahrt im Donaudelta zwischen Rumänien und Ukraine»

Von Rolf Breiner

 

Flussreisen haben etwas Geruhsames, Entspannendes und bieten Entschleunigung pur. Wir waren unterwegs mit der MS Dnieper Princess im Donaudelta von Fetesti (Rumänien) bis ans Schwarze Meer und zurück.

Es gibt Zeiten, da nimmt man es gern etwas geruhsamer. Wir sprechen nicht von den beliebten Rheinfahrten zwischen Basel, Köln und Amsterdam, auch nicht von der bekannten Donau-Route zwischen Passau, Wien und Budapest, sondern von Erkundungen im Donaudelta zwischen Rumänien und der Ukraine.

 

Der Kapitän ist ein Mannsbild aus dem Bilderbuch, Rauschebart, Grandezza, Souveränität. Sicher steuert er mit seiner Besatzung (maximal 100 Personen bei Vollbelegung, d.h. bei 250 Passagieren) die MS Dnieper Princess auf der Donau. Das schwimmende Hotel läuft unter ukrainischer Flagge, wurde vor vierzig Jahren in der DDR gebaut, frisch saniert und ist plüschig-gemütlich. Es misst 129,5 Meter Länge, ist 16 Meter breit und 13 Meter hoch. Es verfügt über mehrere Bars, Sonnendeck natürlich, Bibliothek und rauscht leise (bei 10-13 Knoten/Stunde). Der Komfort ist ausreichend, die Küche schmackhaft (jeweils zwei Hauptgänge zur Auswahl) und die Preise ordentlich. So kostet ein Bier (Veltins vom Fass) 4 Euro, eine Flasche Wein (Zweigelt aus Österreich) 22 Euro. Die Kabinen, etwa Nr. 423 sind ausreichend ausgestattet (ohne Kühlschrank) mit WC und Dusche. Gehbehinderte seien jedoch gewarnt. Es sind einige Treppen zu steigen, Lift: Fehlanzeige. Der Service ist herzhaft freundlich. Anina, unserer Serviertochter, stammt aus der Ukraine, und wartete überraschend am Showabend der Besatzung mit Tanzeinlagen auf. Respekt. Je nach Wetter, Lust und Laune kann man auf dem Sonnendeck relaxen, Landschaften und Vogelscharen an sich vorbeifliessen oder –fliegen lassen.

 

Die blaue Donau
Bereits in der Antike pries man den zweitgrössten Strom Europas mit seinen nahezu 2900 Kilometern. «Danubius ist der grösste», lobte Publius Ovidius Naso die Donau um 10 n. Chr, «will keinesfalls dem Nil unterlegen sein.» Der Strom, an dem acht Länder beteiligt sind, hat viele Namen. Phisos hiess er bei den Phöniziern, Istrus/Danubius bei den Römern. Napoleon nannte ihn «le roi des fleuves dee l‘Europe». Am Ende verzweigt sich die Donau bei Kilometer 80 in drei Arme, in den Chilia-Arm (er bildet die Grenze zwischen Rumänien und der Ukraine), der Sulina-Arm, kanalisiert und von Seeschiffen benutzt, sowie den Sfântu-Georghe-Arm im Süden. Der letztere ist vor allem naturbelassen und Ziel für Beobachtungsexkursen Man muss kein Ornithologe sein, um sich an den zahlreichen Reihern, Kormoranen, Pelikanen, Gänsen, Störchen, Eisvögeln oder auch Seeadler zu erfreuen. Gewiefte Führer machen auf den Bootsfahrten auf diese Delta-Bewohner aufmerksam. Ein Fernglas tut seine guten Dienste. Und wer zur falschen Jahreszeit (im September haben viele geflügelte Bewohner bereits ihre Heimat gen Süden verlassen) ausging, kann die Flora und Fauna im Museum von Tulcea (Museumüber die Geschichte des Donaudeltas) bewundern und studieren. Ein Paradies für Naturfreunde und Paddler.

 

Vielfältiges Flusskreuzprogramm

So ein Flusskreuzprogramm (acht Tage mit Ausgangspunkt Bukarest) konzentriert aufs Delta mit in Städtchen und Dörfer. Wilkowa auf ukrainischem Gebiet. In diesem Dörfchen scheint die Zeit still gestanden zu sein. Heimat der Lipowaren, die aus Glaubensgründen (Ablehnung einer russisch-orthodoxen Reformierung) im 17. Jahrhundert aus Russland hierher geflohen sind und ihren Glauben leben können. Naturstrassen und Wege, begleitet, gekreuzt von schmalen Gräben, Hauskanälen sozusagen, die bei entsprechendem Wasserstand mit Booten befahren werden. Etwas hochtrabend wurde das Dorf als «kleines Venedig der Ukraine» in alten Reisebüchern genannt. Auch hier findet sich eine etwas mickrige Tafel mit der Aufschrift KM 0.
Ismajil wird vor allem als historisches Denkmal gehandelt. Hier hatte 1790 der russische Kommandant Alexander Sukoworow1790 die Festung der Osmanen erobert und so die Türken zurückgebunden. Erdwälle, eine Moschee und ein Panorama künden von diesem Geschichtsereignis. Izmajil wurde nach dem Ersten Weltkrieg Rumänien zugesprochen, wurde dann russisch und gehört heute zur Ukraine.
Tulcea ist die grösste Stadt in diesem Gebiet, das rumänische Deltazentrum und Eingangstor zum Delta. Hier lebt ein Vielvölkergemisch – friedlich. Weit sichtbar erhebt sich auf einem Hügel das Denkmal der Unabhängigkeit. Es gibt kein Entrinnen wie so häufig bei den eingeplanten Busfahrten und -besichtigungen.
Ergiebiger ist da schon der Abstecher nach Sulina (Kilometer 0), ein ehemaliges Fischerdorf, das nun von angeschwemmten Land umschlossen ist und wo der Leuchtturm mitten im Dorf steht. Die Donau schwemmt jährlich 80 Tonnen Erde und Schlamm an und schiebt so das Land ins Schwarze Meer hinaus. Sehr empfehlenswert ist ein entspannender Abstecher an den naheliegenden Badestrand Plaja Sulina. Man findet wohl Liegestühle, ein Restaurant, aber es herrscht kein üblicher Tourismusrummel, keine Motorboote und andere Krachmacher. Trubel und Geschäftigkeit kann man dagegen zur Genüge in Mamaia antreffen. Vergleichbar mit El Arenal auf Mallorca: Bars, Dancings und je de Menge Fastfood-Buden, Restaurants, Läden. Ertragbar im Herbst, aber dann haben viele Geschäfte und Restaurants geschlossen. Dann lieber ein Bummel, möglich individuell und ohne Herdentrieb, in Constanţa (Konsţanza). Ein Bummel von der Ovid-Statue – der römische Dichter wurde hierher verbannt – zum Archäologischen Park weiter zur Moschee und Kathedrale Peter und Paul und schliesslich zum Strand mit dem architektonisch verspielten, an Rokoko erinnerndes Casino. Ein stattlicher Bau im Dornröschenschlaf, für dessen Belebung zwar Euro-Gelder vorhanden wären, jedoch keine geeigneten Pläne vorliegen.

 

 

In den Achtziger- und Neunzigerjahren wurde auf Anweisung des rumänischen Diktators Ceauşescu rund ein Fünftel des Deltaraums zerstört, bis sich dann Rumänien, Bulgarien, Moldawien und Ukraine zum Schutz und Renaturierung der Feuchtgebiete verpflichteten. Rumänien erklärte 1990 als erster Anrainer sein Delta-Territorium zum Biosphärenreservat, die UNESCO nahm das Gebiet dann 1993 ins Weltkulturerbe auf. 72 Prozent des Deltagebiets stehen unter Naturschutz. Was die Besucher erwarte: Unendliche Schilffelder, verschwiegene Wasserläufe, Seen, Bäche, unberührte Ufer, ab und an mal Angler und Fischer, spärliche Siedlungen, neben, auf und im Wasser reiche Fauna und unendlich viel Ruhe, und die tut nicht nur den Reisenden 60plus gut.

 

 

Reisetipps

Thurgau Travel ist der Schweizer Anbieter In Sachen Flussreisen.
Geboten werden Donau-Reisen aller Couleur.
Wer will, kann die Donau durch acht Länder bereisen von Passau (Busanreise) ins Donaudelta und zurück mit der Excellence Princess, 15 Tage ab 1995 Franken (Dreibettkabine und 2755 Franken (Zweibett) oder mit der MS 1Melodia (ab 2290 Franken).
Die Strecke (Busreise) Schweiz – Wien – Donaudelta auf der Melodia in 10 Tagen von Wien über Budapest und Belgrad durch Eiserne Tor nachTulcea und St. Georgs Kanal, und zurück nach Tulcea ab 1695 Franken (Standard Doppel).

 

 

Reiseinfos:

«Donau-Kreuzfahrt», Dumont direkt 2014, 9,99 Euro.

«Donau – Von der Quelle bis zur Mündung», Dumont Bildatlas, 2. Auflage 2014, 8,50 Euro
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