FRONTPAGE

«Schulden»

Von Hedi Wyss

Was ist wertvoller? Ein intakter Wald, ein Fischgrund im Meer oder Zeichen auf einer Festplatte, die in Zahlen umgewandelt, Reichtum in Geld wiedergeben? Seit 2008 spricht man von Krise, von gigantischen Schulden vieler Länder. Von der Verarmung der Mittelschicht, und davon, dass die Reichen immer reicher, die Armen ärmer werden, individuell und auch in Bezug auf Nationen.

Vor der Wahl in den USA, die auch schwer verschuldet ist, angesichts der Eurokrise und der Schuldenlast etlicher europäischer Länder, plädieren Parteien, Regierungen, Fachleute für sehr unterschiedliche Rezepte, Abhilfe zu schaffen, Schulden zu eliminieren. Aber wenn sie von „Schulden“ sprechen und von Reichtum oder Armut, meinen sie immer „Geld“.

David Korten, einer der prominentesten Globalisierungskritiker der USA, Ökonom, Mitglied des Club of Rome und bis zu seiner Emeritierung Professor an der Harvard Universität, kritisiert diese enge Sicht.

Reichtum, sagt er, Besitz ist nicht einfach Geld, wichtiger noch ist der Reichtum an natürlichen Ressourcen.
Schulden nur gemessen in Geld könnten leicht eliminiert werden, denn wo Geld geliehen wird ist auch immer jemand da, der daran wieder Geld verdient. Mit einfachen Übereinkünften, mit Solidarität, könnten diese Schulden, die finanzielle Kluft zwischen arm und reich beseitigt werden.

Doch um Reichtum nur in harter Währung anzuhäufen, macht die Wirtschaftsordnung, wie sie jetzt funktioniert, andere Schulden. Es sind Schulden, die wir bei den kommenden Generationen machen, die nirgends in den Bilanzen auftauchen, die aber kaum mehr getilgt werden können. Da sind die Zerstörungen in sozialer Hinsicht, wie sie sich jetzt in den Ländern abzeichnen, wo eine ganze Jugend ihrer Zukunft beraubt wurde und gesellschaftliche Strukturen durch Arbeitslosigkeit, Emigration, Hoffnungslosigkeit zerfallen.
Da sind die Zerstörungen an der natürlichen Umwelt, die nicht mehr gut gemacht werden können.
Denn Ausrottung ist endgültig, die Folgen der Klimaerwärmung lassen sich kaum jemals rückgängig machen. Böden, die unfruchtbar werden, regenerieren sich nur in tausenden von Jahren und die Zerstörung von Oekosystemen – etwa dem der Meere – wird verheerende Folgen haben.

David Korten stellt nicht nur fest, sondern fordert eine grundlegende Änderung der Wirtschaftsordnung, und ergänzt seine Diagnose mit einem differenzierten und umfassenden Vorschlag.
Die Macht der grossen Konzerne, die heute die der politischen Machthaber noch übersteigt, sollte gebrochen werden, in den Rechnungen über Gewinn und Verlust müssten soziale Werte und natürliche Werte eine entscheidende Rolle spielen, so dass kein fiskaler Gewinn durch die Zerstörung dieses Reichtums mehr möglich wäre. Korten hat dieses Modell durchdacht und in den Einzelheiten beschrieben.

Ist es nur eine Hoffnung, dass angesichts der finanziellen Krise, und einer sich immer mehr verschärfende Krise der Naturzerstörung immer mehr Menschen ein Unbehagen verspüren, und grundlegende Aenderungen fordern? In der „Occupy Bewegung“ , und anderen ähnlichen Initiativen zeigt sich ein Ansatz dazu. Aber neue alarmierende Ereignisse scheinen das Gegenteil zu bekräftigen:
Weil sich immer mehr Chinesen illegales Elfenbein leisten können, werden afrikanische Elefanten zu tausenden rücksichtsloser denn je mit modernstem Kriegsgerät gewildert. Brasilien lockert den Waldschutz und lässt die Zerstörung des Regenwaldes im grossen Stil wieder zu.

Grosse Gebiete in Kanada werden in Wüsten verwandelt, weil man ans Öl in den Schieferschichten herankommen will, und auch in sensiblen Gebieten werden im Meeresboden immer tiefer neue Reserven angebohrt! Das Wettrennen um die Bodenschätze in der Arktis, die dank des schmelzenden Eises jetzt leichter zugänglich werden, hat eben erst begonnen. Offenbar ist die Mehrheit der Menschheit genetisch so veranlagt, dass sie mit offenen Augen um des Profites willen ins Verderben rennt.

 

www.davidkorten.org

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