FRONTPAGE

«Verena Loewensberg: Konkrete Farbsymphonien»

 

 
 

Am 28. Mai 2012 jährte sich der Geburtstag von Verena Loewensberg (1912-1986) zum hundertsten Mal. Aus diesem Anlass ist eine hervorragende Werkmonografie und Katalog der Gemälde, herausgegeben von Henriette Coray Loewensberg und dem Schweizerischen Institut für Kunstwissenschaft (SIK), im Verlag Scheidegger & Spiess, Zürich, erschienen.

Eine wundervolle Monografie über die Werkfülle Verena Loewensbergs, einer der bedeutendsten Malerinnen der konstruktiv-konkreten Kunst, Mitglied des Gründungsquartetts der konstruktiven Kunstrichtung, die von Zürich ausging: Max Bill, Camille Graeser, Richard Paul Lohse und Verena Loewensberg.

Verena Loewensberg wurde 1912 in Zürich geboren, der Vater Paul Loewensberg war Sohn einer aus Deutschland in die Schweiz eingewanderten jüdischen Familie. Die Eltern hatten sich während ihres Medizinstudiums in Zürich kennengelernt. Paul Loewensberg war später als Landarzt im Baselbiet tätig, Erika Loewensberg gab ihre Medizin-Ausbildung nach der Geburt der Tochter Verena auf. Von 1912 bis 1915 lebte die junge Familie in Berlin-Charlottenburg, kehrte jedoch aufgrund des Ersten Weltkrieges in die Schweiz zurück, vorerst nach Locarno, später nach Sissach, einem Bauerndorf im Kanton Baselland. Verena Loewensberg wuchs mit ihren drei jüngeren Geschwistern Dieter, Ruedi und Eva auf.

 

Gründungsmitglied der Künstlervereinigung «Allianz»

Nachdem sie die Untere Töchterschule in Basel abgeschlossen hatte, schrieb sich Verena Loewensberg 1927 in die Allgemeine Klasse der Gewerbeschule Basel ein. Sie wollte Künstlerin werden, das auf jeden Fall. Doch die Ausbildung an der Kunstgewerbeschule Basel brach sie nach zwei Jahren ab, um eine praxisbezogene Lehre als Weberin zu beginnen und mit abstrakten Zeichnungen zu experimentieren.
Mit Max Bill wurde sie ab 1937 Mitglied der neugegründeten Künstlervereinigung «Allianz» und bald eine der eigenständigsten im Kreis der Zürcher Konkreten, die ihr malerisches Werk mit künstlerischem Elan zielstrebig vorantrieb.

 

Retrospektive im Kunstmuseum Winterthur

Die Retrospektive im Kunstmuseum Winterthur zeigt den Formenreichtum, die Vielfalt und Spielfreude ihrer geometrischen Bildsprache: undogmatisch, frisch und aktuell.
Die Bildrhythmen bestechen durch ihre ungebrochene Originalität und unterscheidet ihre Werke von den eher strengen Formen der Künstlerkollegen Max Bill oder Richard Paul Lohse. Die «Quadratur des Kreises» stellen die Drehungen eines Kreises zur Ellipse dar, mit Streifen garniert in Farbpaletten, die das Licht zu bündeln scheinen. Nach 1980 suchte sie auch Inspirationen bei den griechischen Tempeln auf Sizilien.

Die hervorragende Monographie gibt Aufschluss über den persönlichen sowie künstlerischen Lebensweg von Verena Loewensberg, erschienen in der Buchreihe Oeuvrekataloge Schweizer Künstlerinnen und Künstler des Schweizerischen Instituts für Kunstwissenschaft (SIK). Die Ausstellung im Kunstmuseum Winterthur dauert bis 5. August 2012. www.kmw.ch. (I.I.)

 

Henriette Coray Loewensberg/
Schweizerisches Institut für Kunstwissenschaft
(Hrsg).

Verena Loewensberg
Werkmonografie, Text von Elisabeth Grossmann,
Katalog der Gemälde.
Scheidegger & Spiess Zürich 2012

Leinenband mit Schutzumschlag, 268 Seiten,

ca. 770 farbige und 40 sw Abbildungen.
CHF 99.00. ISBN 978-3-85881-355-8

 

«34699 Tage: Gottfried Honegger»

Am 12. Juni 2012 wurde Gottfried Honegger 95 Jahre oder

34699 Tage! So lautet auch der Titel der Autobiografie des konstruktiven Künstlers, die just  im Limmat Verlag Zürich erschienen ist.

«Mit diesem Buch will ich zeigen, dass ein Leben, so man es ernst nimmt, Märchen wahrmacht. Diese biografische Skizze entstand ganz spontan. Text und Bilder stellen keinen Anspruch auf Gründlichkeit. Ich wollte einfach meine Spuren noch einmal erleben. Für mich ist es so etwas wie ein Skizzenbuch, über die 34699 gelebten Tage.»

 

Literatur & Kunst präsentiert Ihnen hier exklusiv die berührende Rede, die Gottfried Honegger am 6. Juni 2012 zur Geburtstagsfeier im Volkshaus im Blauen Saal, am Piano mit schwungvoller musikalischer Begleitung Irène Schweizer, gehalten hat.

 

Verehrte Gäste,  liebe Freundinnen und Freunde

ja …….. am 12. Juni sind es genau 34 699 Tage, die ich dann gelebt habe, also ganze 95 Jahre.

Der Limmat-Verlag und ich haben Sie alle eingeladen, um Ihnen zu danken. Sie alle und noch viel mehr haben meinem Leben Farbe und Form gegeben.

Ganz besonders danke ich meinen Lehrern an der Kunstgewerbeschule Zürich, Walter Rosshard, Ernst Georg Rüegg, Heinrich Müller und besonders Berchtold von Grünigen.

Sie alle haben mir den Kunst-Samen in mein Herz gesät. Und wenn ich heute sinnvoll lebe, ist es die Kunst, die mir die Kraft gibt, auch graue Tage zu überstehen.

Wenn ich heute den Urwald meiner Lebensjahre durchstöbere, stelle ich fest – ja ……. es hat sich gelohnt. Mein Leben ist ein Wunder, gefüllt von geistiger und sozialer Qualität.

Und dann meine Eltern. Sie gaben mir den Sinn für Liebe, für das Soziale. Sie gaben mir Mut.

Für viele scheint es unwahrscheinlich – obwohl wir im Zeitalter des Klonens leben – ich bin zweimal geboren: in  meiner Vaterstadt Zürich und in meinem Mutterdorf Sent im Engadin.

Weil dem so ist, sprach ich romanisch und spreche heute deutsch. Und weil dem so ist, besitze ich zwei Seelen in meiner Brust.

Die eine liebt den See, das Grossmünster, die Langstrasse, wo ich in die Schule gegangen bin …. noch heute liebe ich den Cervelat, weil mein Vater diese Wurst geliebt hat.

Die andere Seele liebt die Berge, die Kühe und den Geruch von Gülle. Sie liebt die rohe Milch mit Bündnerfleisch Diese Seele horcht auf, wenn irgendwo das Alphorn bläst. Und der Maler Segantini ist mir auch heute noch so etwas wie Heimat.

Meiner verstorbenen Frau Warja Lavater verdanke ich meine Bildung, meine kreativen Augen und zwei prachtvolle Töchter, Bettina und Cornelia.

Die Frau, mit der ich heute seit 40 Jahren zusammenlebe, gab mir den Mut, gemeinsam den „Espace de l’Art Concret“ an der Côte Azur zu planen und zum Erfolg zu führen. Nach 20 Jahren erhielten wir für unsere pädagogischen Leistungen den Europäischen Kulturpreis.

Unsere Kunstsammlung umfasst heute ca. 700 Werke der konkreten Kunst. Die Donation Albers Honegger in Mouans-Sartoux, die heute dem französischen Staat gehört, strahlt in einem perfekten Gebäude. Geplant und gebaut von den Zürcher Architekten Gigon Guyer.

In Frankreich wurde ich verwöhnt und geehrt. 47 Jahre lebte ich in Paris und in Cannes.

In meinem Innern wirken heute noch lange die Jahre in New York nach. Mark Rothko, Al Held, Barnett Newman und dann vor allen Dingen Alfred Barr, Gründer und Leiter des MoMa.

Sie alle gaben mir Selbstvertrauen in meine Kunst, sie lernten mich träumen.

Meine als Künstler gelebten Jahre sind so etwas wie ein Märchen ……..

Mut

Hoffnung

Naivität

Engagement

Erfolg

Zweifel

Kritik

und Schönheit

sind die Worte, die mich noch heute begleiten.

Und doch ………. darf ich mit 95 Jahren – als Greis, noch täglich an meiner Kunst-Utopie weiterforschen. Ist mein Geist noch wach genug?

Die Kunstwelt heute wird mir immer fremder, mehr noch ……. ich verstehe die Gegenwartskunst überhaupt nicht. Das meiste ist mir unappetitliche Unterhaltung, Unschöne Einfälle.

Wo sind die Väter der Moderne geblieben?

Man behauptet, und ich glaube, mit Recht, Kunst sei ein Zeitzeuge, ein Abbild der Gesellschaft.

Wenn dem so ist, warum klären uns die Kunsthistoriker nicht auf?

Warum schweigen die Konservatoren in den Museen?

Die Mehrheit der Kunst von heute zeigt tatsächlich, wie Jean Ziegler in seinem Buch geschrieben hat „…. das Imperium der Schande“.

Ja ……… die Kunst ist heute Ware geworden.

Die Preise der teuersten Künstler variieren heute zwischen 12 Millionen für ein Werk von Damian Hurst und 4 Millionen für ein Werk von Jean-Michel Basquiat.

Seit Jahren belastet mich diese Kunst-Dekadenz. Was zur Folge hat, dass ich regelmässig Bücher publiziere, die aufklären wollen.

Und dann ……… hier in Zürich habe ich eine Stiftung gegründet. Sie bezweckt die Entwicklung und Verbreitung von kunstpädagogischen Lehrmitteln in der Schweiz und im Ausland sowie die Ausstattung von Institutionen für bildungsferne Kinder und Jugendliche mit kunstpädagogischen Lehrmitteln.

Das Ziel ist – die Kinder das Sehen lernen. Auch fördert das Spiel das kreative Gestalten.

In Zürich wird heute in 350 Kindergärten mit dem VISEUR gespielt.

Meine Mitarbeiterin Eliza Hauri und meine Tochter Bettina Egger engagieren sich, den Grundgedanken der Stiftung in die Tat umzusetzen.

Auch in  meinen Werken versuche ich, kultur-politische Fragen sichtbar zu machen.

Bei den neusten Reliefs ist die Wand nicht nur Bildträger, die Wand ist ein sichtbarer Teil des Werks……… das in die Architektur integriert ist.

Bei den Skulpturen zeigen die Arbeiten das Innere und das Äussere. Und das ist mir wichtig, weil wir heute das Innere zugunsten des Äusseren in allen Gebieten vernachlässigen.

Und doch …….. ich glaube an die Kunst.

Sie ist unsere geistige Quelle.

Da unser Hirn in Bildern denkt, ist die memorierte Bildqualität für uns Menschen eine existentielle Notwendigkeit. Die hässliche Bildkultur heute in der Werbung und in den Medien ist für die kulturelle Krise mitverantwortlich.

Und zum Schluss:

Ein Zitat von Friedrich Nietzsche ist so etwas wie ‚Auftrag’ und  begleitet mich seit Jahren. Es hilft mir, die mich umgebende Kulturarmut zu ertragen.

Er schrieb:

„Ich liebe den,

welcher goldene Worte seinen Taten vorauswirft und immer noch mehr hält,

als er verspricht ….

Ich liebe den

dessen Seele sich verschwendet,

der nicht Dank haben will

und nicht zurückgibt:

denn er schenkt immer

und will sich nicht bewahren.“

 

Gottfried Honegger

34699

Tage gelebt

 

Eine autobiografische Skizze

152 S., 59 Fotografien, s/w und farbig,

Klappenbroschur

Limmat Verlag Zürich 2012

CHF  38.00, Euro 31.50

ISBN 978-3-85791-674-8

 

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