
Porträt Jil Sander 1980 © Francesco Scavullo

Jil Sander in ihrem Atelier 1983




Jil Sander, ein untrügliches Gespür für Qualität. Foto: Peter Lindbergh, 1991

Jil Sander, Fall/WinterShow, 2004/2005

Jil Sander. Von Hamburg nach Mailand und Paris bis in die Londoner Savile Row. Kunstvolle Plissee-Architektur

Flagship-Store Avenue Montaigne, Paris
«Monografie Jil Sander: Die pure schlichte Eleganz der Mode-Ikone»
Von Ingrid Isermann
Sie spielt in der Liga von Chanel und Gucci. Erstmals eröffnet Jil Sander mit einer opulenten Monografie einen persönlichen Einblick in ihr Lebenswerk, ihr visionäres Modeschaffen, ihre künstlerische Sensibilität und ihre Karriere als Modedesignerin, die ihrer Zeit immer einen Schritt voraus war.
Seit Jahrzehnten steht das Label, das Jil Sander mit 24 Jahren 1968 in Hamburg gründete, für eine Philosophie der minimalistischen Ästhetik, deren poetischer Purismus auf qualitativ hochwertigen Materialien und erstklassigem Handwerk beruht.
Die Publikation im quadratischen Glanzformat, gestaltet von der niederländischen Buchdesignerin Irma Boom, bietet einen umfassenden Einblick in Jil Sanders Werkschau und ihre eindrucksvolle Karriere als Modedesignerin und Unternehmerin von den Anfängen in den späten 1960ern über die 90er-Jahre, als ihr Name zu einem der renommiertesten in der gesamten Modebranche wurde, bis zu ihrer Partnerschaft mit Uniqlo, wo sie die Speziallinie +J kreierte.
Neben den Bildstrecken beachteter Kampagnen ihrer Kollektionen feiert Jil Sander auch die Cooperation mit dem langjährigen Ballettdirektor der Hamburger Staatsoper John Neumeier, für den sie 1984 federleichte Kostüme für das Ballett «Mozart 338» entwarf, die sich nun tänzerisch auf transparenten Filmfolien des Buches wiederfinden. Klare Transparenz verkörpert ihre Haltung, die mit ihrer norddeutschen Herkunft zu tun hat, dem Licht des Nordens und der hanseatischen Nähe zu englischem Understatement. Die Fotoshootings mit renommierten Fotografen wie Peter Lindbergh und Models wie Tatjana Patitz oder Linda Evangelista sind mit bisher unveröffentlichtem Archivmaterial dokumentiert. Optisch und haptisch präsentiert sich das Buch als eine Art Gesamtkunstwerk und eine Inspiration – man taucht ein in eine experimentelle Modewelt voll beschwingter Leichtigkeit.
Queen of Less
Aufgrund ihrer minimalistisch eleganten Entwürfe und ihrer Vorliebe für edle Stoffe wurde sie als «Queen of Less» für ihre Kunst des Weglassens bezeichnet. Ein Gespür für die Schönheit des textilen Gewebes zeichnet die Modedesignerin aus, die als erste in Europa festgewebtes japanisches Denim verarbeitete. «Jil Sander ist durch die Schule der Natur gegangen. Die von ihr entwickelten Stoffe reagieren auf jede Bewegung wie das Meer und der Sand auf den Wind», ist im poetischen Begleittext von Ingeborg Harms in der exklusiven Publikation zu lesen, «indem sie die Faltkunst mit der Fluidität von Seidenstoffen verbindet, erzeugt sie Höhepunkte der Leichtigkeit». Ihr Statement steht für künstlerische Intuition, Eleganz, Integrität und Bestimmtheit: «Es gab sehr viel Intensität und Leidenschaft, das war nie anders. Wenn wir eine Herausforderung gemeistert hatten, waren wir glücklich. Kreative Arbeit ist ein gutes Rezept für Glück», so die Modesignerin.
Unbeeindruckt von Trends hielt Jil Sander an ihren Grundprinzipien fest, in der Mode, in der Kosmetik – 1979 lancierte sie ihren ersten Duft «Woman pure» -, der Architektur und Innengestaltung ihrer multinationalen Flagship-Stores. Für den Flagship-Store an der Pariser Avenue Montaigne wurde eine vom Bauhaus beseelte Spiraltreppe mit sich nach oben schraubenden Stufenkaskaden entworfen, deren unverkleidete Stufen auf Jil Sanders Sympathie für die Arte Povera verweisen. Ein neuer Flagship-Store wird zurzeit in Tokio im Stadtteil Ginza eröffnet, der auf zwei Etagen über eine Fläche von insgesamt 627 Quadratmetern verfügt und damit der bislang grösste des Labels weltweit ist. Mit der Neueröffnung in Tokio erweitert die Marke Jil Sander ihr Vertriebsnetz in Japan.
Jil Sander wurde am 27. November 1943 im Luftwaffenlazarett von Hedwigenkoog geboren und wuchs in Hamburg auf. Nach einem Textilingenieur-Studium an der Staatlichen Ingenieurschule für Textilwesen in Krefeld (heute der Hochschule Niederrhein angeschlossen) ging sie als Austauschstudentin nach Los Angeles und besuchte das dortige University College. In New York City arbeitete sie im Anschluss bei der Frauenzeitschrift McCall’s. Nach zwei Jahren kehrte sie 1963 in ihre Heimatstadt zurück, um dort als Moderedakteurin für verschiedene Frauenzeitschriften (Constanze und Petra) zu arbeiten. 1968 gründete Sander in Hamburg das Unternehmen und die Marke Jil Sander. Das Unternehmen firmierte innerhalb der Onward Holdings Gruppe als Jil Sander SpA mit Sitz in Mailand und als Jil Sander K.K. mit Sitz in Tokio. Der italienische Modeunternehmer Renzo Rosso erwarb die Anteile 2021 für seinen Luxuskonzern OTB (Only The Brave), zu dem auch die Modemarke Diesel gehört.
Ingeborg Harms, Literaturwissenschaftlerin und Kulturjournalistin, hat an verschiedenen Universitäten gearbeitet und gelehrt, u.a. an der Yale University in New Haven, CT, und an der Universität Bonn. Derzeit ist sie Professorin für Designtheorie am Institut für experimentelles Bekleidungs- und Textildesign an der Universität der Künste Berlin.
Irma Boom studierte grafisches Design an der AKI (Akademie für Kunst und Industrie) in Enschede, seit 1992 unterrichtet sie an der Yale-University in den USA. Sie lebt in Amsterdam und hat sich auf die Gestaltung von Büchern spezialisiert und wurde mehrfach ausgezeichnet; 2001 mit dem Gutenberg-Preis der Stadt Leipzig, 2009 erhielt ihre Plakatgestaltung «Every Thing Design» für das Museum für Gestaltung, Zürich die Auszeichnung «Schweizer Plakate des Jahres».
Jil Sander by Jil Sander
Prestel Verlag, München 2024
Collector’s Edition
Text Ingeborg Harms
Konzept, Design und Satz Irma Boom
Editorial Consulting Nadine Barth
Grossformat 28,5 x 28,5 cm, 360 S., div. farbige und s/w-Foto-Abbildungen
4 bedruckte Filmfolien, Buchfalz
CHF 132.
ISBN 978-3-7913-8953-0
www.prestel.de
«Candida Höfer: Bibliotheken – Kathdralen der Weisheit»
Ein wunderbares Buch und ein Nachschlagewerk für alle, die das Lesen und Schreiben von Büchern zu ihrer Leidenschaft und zum Inhalt ihres Lebens gemacht haben. Der prachtvolle Bildband mit einem Essay von Umerto Eco von Candida Höfer führt zu den Sehnsuchtsorten und den grössten öffentlichen Bibliotheken der Welt. Die Fotografin wurde 1944 geboren und lebt in Köln, in ihrem Buch hat sie 137 brillante Farbfotografien von Bibliotheken zusammengetragen, die sich als Ergebnis einer jahrelangen Reise um die Welt hier vor unseren staunenden Augen präsentieren.
Candida Höfer zeigt Bibliotheken als auratische Orte, als Kathedralen des Geistes, Tempel der Weisheit und Schatzkammern des Wissens, aber auch als Oasen der Stille und als Systeme strenger Ordnung sowie als Werkhallen geistiger Tätigkeit. Es ist die unbegrenzte Wandlungsfähigkeit der Architektur, die ebenso überrascht, wie uns das Wogen des Büchermeers berauscht.
Wir besuchen mit Candida Höfer die renommierte New York Public Library, machen einen Sprung nach Irland zur Trinity College Library Dublin, die die raumhohen Bücherregale wie in einer Kathedrale beherbergt, die Playfair Library Hall in der University of Edinburgh beeindruckt mit meterhohen weissen Säulen am Eingang zu den geweihten Stätten der Buchkultur. Die British Library London hält dagegen auf englisches Understatement und vereint in einem Rondell ihre Buchschätze. Das Radcliffe Camera Oxford ist in vornehmen herrschaftlichen Rundbögen gehalten, während das Rijksmuseum Amsterdam auf dem prächtigen Buchcover zu bewundern ist. Und das ist nur der Anfang dieses begeisternden Buches. Auf Seite 161 und auf dem Rückcover der Publikation befindet sich auch eine Abbildung der stilvollen Stiftsbibliothek St. Gallen mit den wundervollen Deckengemälden.
Dabei sind Sachlichkeit und Lakonik die Merkmale der fotografischen Rhetorik, die die Fotografien von Candida Höfer auszeichnet. Nirgendwo kommen diese Qualitäten besser zur Geltung als bei ihren Darstellungen der Bibliotheken aus aller Welt. Und doch kann man gerade durch Candida Höfers minimalistischen Stil in Begeisterung geraten, denn es ist fast unmöglich, sich dem melodischen Sog zu entziehen, der sich aus der Vielheit der Ansichten und der Einheitlichkeit ihres fotografischen Blicks und ihrer Perspektiven ergibt.
Umberto Eco hat zu dem Buch einen bedeutsamen Essay beigesteuert, in dem er als Wissenschaftler und Schriftsteller seine Erfahrungen mit Bibliotheken auf philosophische Weise reflektiert. Natürlich darf in seinem literarischen Text Jorge L. Borges‘ grosses Bild der „Bibliothek von Babel“ nicht fehlen, sie ist der Ausgangspunkt seiner Darlegungen und Gedanken, die ihre Gültigkeit als Schatzkammer bewahrt haben.
Candida Höfer
Bibliotheken
Schirmer/Mosel, München 2024
Gebundene Sonderausgabe deutsch/englisch
Mit einem Essay von Umberto Eco
Geb., 272 S., 137 Farbtafeln
CHF 57.30.
ISBN 978-3-8296-1003-2
«Donald Judd – Prints and Works in Editions 1951-1994»
Der Bildband präsentiert Donald Judds Grafiken im Kontext seines dreidimensionalen Werks. Zunächst war da jedoch die Malerei als Frühwerk. Um die Mitte der 50er Jahre begann sie, abstrakt zu werden – mit breitem Pinsel, schwungvoll gemalte landschaftliche Motive, entstanden im ästhetischen Umfeld des abstrakten Expressionismus. Im Jahre 1962 erschienen die ersten Reliefs, die Motive wurden straffer, die Farben heller, erstmalig tauchte die Symmetrie auf. Der malerische Illusionismus löste sich in zunehmend konkretere und prägnantere Formulierungen auf.
Die dreidimensionalen Objekte, mit denen Judd nun hauptsächlich assoziiert wird, haben sich aus der Malerei heraus entwickelt. In den ersten drei Jahren schuf Judd Drucke, vor allem Monotypien, die experimentell schienen.
Jahre später schuf Judd eine Gruppe von Holzschnitten, rautenförmige gestreifte Konstruktionen, Serien in Blau, in Rot, die heute als eine Art Inkunabel seiner Grafik gilt.
In seiner verhaltenen, dreidimensionalen und geometrischen Form hatte das Werk eine beeindruckende, neue Qualität gewonnen. Im Jahre 1964-65 publizierte Judd den wichtigen Essay ‘Specific Objects’, worin die Prinzipien dieser neuen Kunst beschrieben wurden. ‘Minimal Art’ war der Name, den Kritiker dieser Kunst verliehen.
Donald Judd (*1928 in Missouri-1994 in New York), US-amerikanischer Maler, Bildhauer und Architekt, gilt neben Robert Morris (1931–2018) und Sol LeWitt (1928–2007) als einer der Hauptvertreter des Minimalismus. Nach der High School in New Jersey diente Judd 1946-47 in der U.S. Army, bevor er 1948 sein Studium am College of William & Mary in Williamsburg, Virginia, aufnahm und zur Columbia University in New York wechselte, wo er 1953 cum laude mit einem Bachelor der Philosophie abschloss. 1957 kehrte er zu Columbia zurück, um ein Master’s Studium der Kunstgeschichte zu beginnen. Von 1959 bis 1965 arbeitete er als freier Kritiker für die Kunstzeitschriften Art News, Arts Magazine und Art International. Judd begann als Maler, Anfang der 60er Jahre integrierte er gefundene Objekte in zweidimensionale Werke, um Tiefe nicht nur durch Illusion zu erhalten: «Tatsächlicher Raum ist wirklich aussagestärker und spezifischer als Farbe auf einer flachen Ebene». Judds Gruppierungen aus Kuben und Quadern, konzipiert als Boden- oder Wandstücke, wurden berühmt. 1968 erwarb Judd in Manhattan ein fünfgeschossiges Haus aus den 1890er Jahren in New York und nutzte die aus Gusseisen errichtete ehemalige Textilfabrik als Atelier und Wohnhaus für sich und seine Familie. Es ist heute der Sitz der Judd Foundation und kann nach einer vollständigen Sanierung des Gebäudes auch besichtigt werden.
Donald Judd
Prints and works in Editions 1951-1994
A Catalogue Raisonné
Edited by Jörg Schellmann and Mariette Josephus Jitta
Edition Schellmann, München-New York
Schirmer/Mosel, München-Paris-London
Hardcover, 175 S., div. Abb. und Fotos.
englisch/deutsch. CHF 56.90.
ISBN 3-88814-710-7